Helicobacter

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Ob Gastritis, Ulkus, Magenlymphom oder Krebs - der Magenkeim Helicobacter
pylori mischt überall mit
Grob jeder dritte Deutsche hat ihn im Magen. Weshalb manche daran
erkranken, andere nicht, ist nicht völlig geklärt.
Überzeugung und Hartnäckigkeit - ohne diese beiden Eigenschaften hätten es die
australischen Forscher Barry Marshall und Robin Warren wohl kaum geschafft, das
festgefahrene Dogma, gastroduodenale Ulzera seien eine Folge von Streß, Rauchen
und ungesunder Lebensführung, ins Wanken zu bringen.
Für ihre Entdeckung des Magenkeims Helicobacter pylori als Ursache dieser Ulzera
ist ihnen jetzt der Medizin-Nobelpreis 2005 zugesprochen worden. Schon 1997 sind
Marshall und Warren mit dem Paul-Ehrlich-Ludwig-Darmstaedter-Preis
ausgezeichnet worden.
"Die Arbeit von Marshall und Warren brachte eine der radikalsten und wichtigsten
Wenden der vergangenen 50 Jahre in der Wahrnehmung eines Krankheitsbildes",
betont die Royal Society in London. Zurecht! Denn mit der Entdeckung von
Helicobacter pylori ist aus der von häufigen Rezidiven gekennzeichneten UlkusKrankheit eine Infektionskrankeit geworden, von der Betroffene durch eine einmalige
Antibiotika-basierte Therapie geheilt werden.
Drei Arzneien kombiniert machen den Magen keimfrei
Durchgesetzt haben sich moderne Triple-Therapien mit einem ProtonenpumpenHemmer plus zwei Antibiotika. Nehmen Helicobacter-Infizierte diese Arzneien
konsequent über sieben Tage ein, ist bei 90 Prozent von ihnen danach das
Bakterium aus dem Magen verschwunden, und das Ulkus heilt ab.
Marshall und Warren haben es mit ihrer These, die Ulkus-Krankheit sei eine
Infektionskrankheit und davon Betroffene durch Antibiotika heilbar, tatsächlich alles
andere als leicht gehabt. Unglauben, Kritik, Skepsis, aber auch Hohn und Spott
haben sie bei ihren Forschungen stets begleitet. Die australischen Forscher hätten
sich gegen eine breite wissenschaftliche Front durchgesetzt und seien lange Zeit von
vielen nicht ernst genommen worden, bestätigt so auch der Nobel-Komiteesekretär
Göran Lindvall.
Der Pathologe Robin Warren hat selbst zunächst an einen Zufall geglaubt, als er
1997 in einem Präparat, das aus einer Biopsie bei einem Patienten mit schwerer
aktiver Gastritis angefertigt worden war, bei stärkerer Vergrößerung gebogene,
stabförmige Bakterien zu sehen glaubte. Schließlich war Lehrmeinung, daß im
sterilen Magen wegen des dort herrschenden niedrigen pH-Wertes kein Bakterium
überleben könne. Doch Warren war neugierig geworden. Bald war ihm klar, daß das
Bakterium in enger Beziehung zur chronischen Gastritis stand.
Im Juli 1981 taucht der Mikrobiologe Barry Marshall in Warrens Labor auf, begeistert
sich für dessen Entdeckung, und behandelt auch den ersten Gastritis-Patienten mit
gekrümmten Bakterien auf der Magenschleimhaut erfolgreich mit einem Antibiotikum,
in diesem Fall mit Tetrazyklin.
In den folgende Jahren gelingt es Warren und Marshall, den Magenkeim zu
kultivieren und zu charakterisieren. Erst jetzt erhält der Keim - bisher aufgrund seiner
Ähnlichkeit zu Campylobacter-Keimen stets nur als Campylobacter-like organism,
kurz CLO, bezeichnet - den Namen Helicobacter pylori.
Auch finden die Forscher die Erklärung dafür, wie Helicobacter pylori im sauren
Magen überlebt: Mit Hilfe von Urease wandelt der Keim Harnstoff in Kohlendioxid
und alkalischen Ammoniak um und neutralisiert so die Säure in seiner Umgebung.
Da Versuche, Tiere mit dem Magenkeim zu infizieren, fehlschlagen, startet Marshall
einen Selbstversuch.
Er trinkt die trübe Flüssigkeit der Kultur eines Gastritis-Patienten. Nach sechs Tagen
bekommt er selbst eine Gastritis. Sein Magen ist mit Helicobacter besiedelt. Marshall
heilt sich mit Wismut und Antibiotika.
International hatten Warren und Marshall schon 1983 durch einen Brief an den
"Lancet" auf den spiralförmigen Keim im Magen aufmerksam gemacht. Von dem
Bericht wurde jedoch kaum Notiz genommen. Die wahre pathogenetische Bedeutung
von Helicobacter pylori ist erst in den folgenden Jahren deutlich geworden.
Krebsprävention ist heute schon möglich
Heute steht fest, daß der Magen-Keim ein wesentlicher Faktor der Entstehung einer
vorwiegend im Antrum lokalisierten Gastritis, der B-Gastritis, ist, sowie von
gastroduodenalen Ulzera. Helicobacter pylori ist etwa auch mit niedrigmalignen
MALT-Lymphomen assoziiert.
Nach Eradikation des Keimes verschwinden 80 Prozent der MALT-Lymphome. Die
Rezidivrate beträgt unter zehn Prozent. Und auch manche Patienten etwa mit
idiopathischer Thrombozytopenie oder unklarer Eisenmangelanämie können nach
neuen Forschungen von einer Eradikationstherapie profitieren.
Da Helicobacter pylori das Epithel der Magenschleimhaut proliferieren läßt, aber
auch zu vermehrten Metaplasien mit fokalen Atrophien führt - alles Veränderungen,
die zu Mutationen der Stammzellen der Magenschleimhaut führen können und damit
zu Magenkrebs - , hat die WHO 1994 den Keim zum definitiven Karzinogen erklärt.
Schon heute ist damit Magenkrebs-Prävention möglich. Gastroenterologen
empfehlen: Wenn Patienten schon Magenkrebs oder ein Magenfrühkarzinom hatten,
wenn eine atrophische Gastritis vorliegt oder ein Verwandter ersten Grades
Magenkrebs hat, sollte bei Infektion mit Helicobacter pylori eine Eradikationstherapie
erwogen werden.
Text des Posters:
 Überzeugung und Hartnäckigkeit - ohne diese beiden Eigenschaften hätten es
die beiden australischen Forscher Barry MARSHALL und Robin WARREN
wohl kaum geschafft, das festgefahrene Dogma, Magen- und
Zwölffingerdarmgeschwüre seien eine Folge von Stress, Rauchen und
ungesunder Lebensführung, ins Wanken zu bringen.
 Für ihre Entdeckung und Erforschung des Magenbakteriums Helicobacter
pylori als Ursache dieser Geschwüre ist ihnen im Jahr 2005 der Nobelpreis
in Medizin / Physiologie zu gleichen Teilen zugesprochen worden. Schon
1997 sind MARSHALL und WARREN mit dem Paul-Ehrlich-LudwigDarmstaedter-Preis ausgezeichnet worden.
 Magenschleimhautentzündungen und Magengeschwüre gelten seit langem vor allem in den Industrienationen – als erhebliches medizinisches Problem,
zumal sie das Krebsrisiko deutlich erhöhen. Herkömmliche Medikamente zur
Bekämpfung der Symptome brachten den Betroffenen einen kurzzeitigen
Erfolg, aber 80% von ihnen erlitten innerhalb eines Jahres einen Rückfall, so
dass ein chirurgischer Eingriff oft unvermeidbar war.
 WARREN berichtete schon 1979 über ungewöhnlich kleine Bakterien, die er
bei der Untersuchung der Magenschleimhaut eines Patienten gefunden hatte.
In den folgenden Jahren verdichteten sich zwar Hinweise auf einen
Zusammenhang mit einer spezifischen Form der
Magenschleimhautentzündung. Andererseits gab es aber auch viele
Skeptiker, die bezweifelten, dass ein Bakterium im extrem sauren Milieu des
Magens (pH 2 – 3) überhaupt überleben könne.
 Mit dem Zusammentreffen von WARREN und MARSHALL im Jahr 1981
begann eine erfolgreiche gemeinsame Arbeit, in deren Verlauf die beiden
Wissenschaftler das Bakterium kultivierten, als Vertreter einer neuen Gattung
bestimmten und weitere Belege für seine Bedeutung bei der Ausbildung von
Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren sammelten. MARSHALL führte
schließlich einen Selbstversuch durch: Er schluckte eine Bakterienkultur und
weis nach einigen Tagen sowohl die Besiedelung des Magens als auch
Symptome einer akuten Magenschleimhautentzündung bei sich nach. Durch
eine kombinierte Verabreichung von Wismut-Präparaten und Antibiotika
konnte er sich nicht nur selbst heilen, sondern auch seine Kritiker überzeugen.
 Auf der Grundlage der Arbeiten von WARREN und MARSHALL konnte
neben verschiedenen Diagnosemöglichkeiten eine medikamentöse Therapie
entwickelt werden, die heutzutage die in den meisten Fällen vormals
notwendige Operation unnötig macht.
 Helicobacter pylori st ein gebogenes bis spiralförmiges Stäbchenbakterium mit
einer Länge von ca. 3 μm. Drei bis fünf Geißeln verleihen ihm eine
Beweglichkeit, um durch den zähen Magenschleim hindurch die
Magenwandzellen zu erreichen. Dort findet eine Bindung an die Zellmembran
statt.
 Helicobacter pylori ist wahrscheinlich das einzige Bakterium, das im sauren
Milieu des Magens dauerhaft überleben kann. Diese einzigartige ökologische
Nische verdankt das Bakterium vor allem seiner Enzymausstattung. Urease
macht z.B. ca. 6% der von ihm produzierten Enzyme aus. Die von diesem
Enzym katalysierte Harnstoffspaltung erzeugt neben CO2 eine „AmmoniakWolke“, die in unmittelbarer Umgebung des Erregers eine Neutralisation der
Magensäure und damit eine Erhöhung des pH-Wertes bewirkt. Inaktiviert man
die Ureasegene, so kann Helicobacter bei saurem pH nicht mehr überleben.
 Nach zuverlässigen Schätzungen infiziert sich jeder zweite Mensch weltweit,
meist schon im Kindesalter. Helicobacter kommt nur beim Menschen vor, eine
direkte Übertragung von Mensch zu Mensch im Kindesalter ist daher sehr
wahrscheinlich. Unter Umständen verläuft die Infektion jahrzehntelang ohne
Beschwerden. 80 – 90% aller Magenschleimhautentzündungen gehen auf
Helicobacter zurück, 20% der Infizierten bilden ein Magen- oder
Zwölffingerdarmgeschwür und 1% erkranken an Magenkrebs.
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