Wahlprüfsteine Flucht und Asyl für die Bundestagswahl 2009 Antworten der Partei DIE LINKE. Bleiberecht Die LINKSFRAKTION im Bundestag hat eine Gesetzesinitiative auf den Weg gebracht, in der im Rahmen der Altfallregelung erteilte Aufenthaltserlaubnisse unabhängig vom Nachweis einer eigenständigen Lebensunterhaltssicherung als Aufenthaltserlaubnisse verlängert werden sollen. Diese soll dem Bundestag die Gelegenheit geben, gesetzliche Maßnahmen zur befriedigenden Regelung der weiterhin bestehenden Problematik verbreiteter „Kettenduldungen“ zu ergreifen, ohne dass sich diese zum 1. Januar 2010 noch einmal verschärft, weil eine vermutlich fünfstellige Zahl von Menschen ihre Aufenthaltserlaubnis verliert und in den Status der „Kettenduldung“ zurückfällt. Grundsätzlich fordert DIE LINKE eine komplette Entfristung der Altfallregelung. Unsere Position: Die LINKE fordert eine gesetzliche Bleiberechtsregelung, die länger hier lebenden geduldeten Flüchtlingen und Asylsuchenden einen Rechtsanspruch auf Aufenthalt verschafft und ihre Integration ermöglicht. Residenzpflicht Die Residenzpflicht ist eine in Deutschland praktizierte einmalige Form der Isolierung und Ausgrenzung von Flüchtlingen. Ziel ist, Asylbewerberinnen und Asylbewerber während ihres Verfahrens an einen bestimmten Ort zu binden und besser überwachen zu können. Damit werden staats- und ordnungspolitische Interessen gegen Menschenrechte aufgewogen und Menschenrechtsverletzungen in Kauf genommen. Viele Flüchtlinge, darunter Kinder und Jugendliche, bleiben über Jahre in der gleichen Unterkunft. Sie werden in entlegenen Orten und in zum Teil unzumutbaren Heimen untergebracht. Weit entfernt von Einkaufsmöglichkeiten und kulturellen Einrichtungen bleiben sie von der Außenwelt isoliert und nicht selten werden sie kriminalisiert. Diese eingeschränkte Freizügigkeit und ein damit verbundener erschwerter Zugang zum Arbeitsmarkt lassen Integration und selbst bestimmtes Leben nicht zu. Daher ist es an der Zeit, in der Asyl- und Flüchtlingspolitik einen Paradigmenwechsel zu vollziehen. Grundsätzlich setzt sich Die LINKE für die ersatzlose Abschaffung der Residenzpflicht ein. Das im Grundgesetzt verbriefte Recht auf Freizügigkeit im gesamten Bundesgebiet muss für alle EinwohnerInnen gelten! Sachleistungsprinzip Unsere Position ist: Asylsuchende und Flüchtlinge, die in die Bundesrepublik gelangen, sehen sich nach der geltenden Rechtslage und Praxis mit zahlreichen Beschränkungen, einem unsicheren Aufenthaltsstatus und einer mangelhaften sozialen und medizinischen Versorgung konfrontiert. Wer nicht gleich wieder nach Hause abgeschoben wird, darf als „Geduldeter“ nicht arbeiten, sondern erhält Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Diese liegen noch 35 Prozent unter dem Niveau von Hartz IV und werden fast immer in „Sachleistungsform“ gewährt. Die LINKE fordert die Abschaffung des diskriminierenden Asylbewerberleistungsgesetzes. Dies beinhaltet auch den Sachleistungsvorrang. Unterbringung Unsere Position ist: Schutzsuchende werden in Deutschland zwangsweise in unwürdigen Massenunterkünften oder auch in so genannten „Ausreiseeinrichtungen“ untergebracht. Die zentrale Unterbringung bedeutet räumliche Ausgrenzung in Lagern und muss beendet werden. Das Gesetz für Asylbewerber und Flüchtlinge regelt, dass sie in Sammelunterkünften untergebracht werden können. Mittlerweile haben die meisten Kommunen gemerkt, dass die Unterbringung in solchen Sammelunterkünften teurer ist als das Anmieten von privatem Wohnraum. Nur der Freistaat Bayern bleibt dabei, generell Asylbewerber in Sammelunterkünften unterzubringen. Die Unterbringung außerhalb von Sammelunterkünften ist oft nur wenig besser: Um weitere „Einsparpotentiale“ zu nutzen, werden die Flüchtlinge häufig in gar nicht oder schlecht sanierten Häusern in städtischen Randlagen oder in Problemvierteln untergebracht. Ihre Unterbringung bleibt stigmatisierend. An solchen Orten untergebracht werden sie leicht Ziel von rassistischen Übergriffen – gerade in solchen Gegenden, die von den meisten Bürgerinnen und Bürgern eher gemieden werden. DIE LINKE unterstützt die Zurückdrängung des Prinzips der Gemeinschaftsunterkunft, da diese Unterbringungsform soziale Isolation und Bevormundung, physische und psychische Destabilisierung der Persönlichkeiten verstärkt und einer Integration entgegensteht. Flüchtlinge müssen in der Würde des Menschen angemessenen dezentralen Unterkünften untergebracht werden die ihnen die Integration und Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Medizinische Versorgung Im Asylbewerberleistungsgesetz ist festgelegt, dass Flüchtlinge nur in Notfällen medizinisch versorgt werden. Gesundheitsvorsorge findet gar nicht statt. Karies zum Beispiel kann nicht in einem frühen Stadium behandelt werden, um weitere Schäden der Zähne zu verhindern. Erst, wenn der Zahn sich entzündet und abfault, können sich die Betroffenen in Behandlung begeben. Bezahlt wird aber nur die Beseitigung des Schmerzes – also wird der Zahn gezogen, Kronen oder Prothesen gibt es nicht. Den Betroffenen kann man die verordnete Armut am Gebiss ablesen. Auch chronische Erkrankungen sind übrigens nur dann „behandlungswürdig“ nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, wenn sie sonst lebensbedrohlich werden könnten. Besonders dramatisch wird das bei psychischen Erkrankungen. Menschen, die vor Krieg und Bürgerkrieg fliehen mussten, die vielleicht Folter und schwere Misshandlungen erleiden mussten, die auf der Flucht vielleicht nahe Verwandte verloren haben, sind oft schwer traumatisiert. Für diese Menschen sind die Lebensbedingungen einer Sammelunterkunft sowieso schon schwer zu ertragen, denn sie brauchen vor allem Ruhe. Ohne angemessene Betreuung und ein stressfreies Umfeld können ihre psychischen Belastungssyndrome zu dauerhaften psychischen Erkrankungen führen. Behandelt werden die Menschen aber erst, wenn sie akut suizidgefährdet sind. Die schlechte medizinische Versorgung von Flüchtlingen ist ebenfalls im Asylbewerberleistungsgesetz festgeschrieben welches wir als Sondergesetz ablehnen und dessen Abschaffung DIE LINKE fordert. Alle Menschen in Deutschland müssen Zugang zu einer guten medizinischen Versorgung erhalten. Flüchtlinge, Asylsuchende und auch sogenannte „illegale Menschen“ dürfen hier keine Ausnahme bilden. Abschiebehaft Asyl ist ein Grundrecht, Flüchtlinge werden aber entrechtet und kriminalisiert. Abschiebehaft gehört abgeschafft und das Grundrecht auf Asyl muss wieder hergestellt werden. DIE LINKE lehnt, wie andere Menschenrechtsorganisationen, die inhumane Abschiebepraxis ab. Abschiebehaft ist die einzige Haft welche ohne richterliche Anordnung vollzogen werden kann und ist schon deshalb nicht mit rechtsstaatlichen Grundprinzipien zu vereinbaren. Abschiebehaft soll lediglich eine Verwaltungsmaßnahme, die Abschiebung selbst, erleichtern. Menschen, die in Abschiebehaft genommen werden, haben sich nichts zuschulden kommen lassen. Es ist einer Demokratie unwürdig, sie dennoch einzusperren. Abschiebehaft steht in einer langen Kette von Maßnahmen, die mit der Flüchtlingsabwehr im Mittelmeer und im Atlantik beginnt. Sie ist Symbol einer restriktiven Flüchtlingspolitik, die Tod und Traumatisierung vieler Menschen in Kauf nimmt. Auch die Abschiebehaft selbst kann tödlich sein: in Büren ist z.B. Rashid Sbaai, vor zehn Jahren in Abschiebehaft in seiner Zelle verbrannte. Er hätte gerettet werden können, wenn die Notruf-Leitstelle besetzt gewesen wäre. DIE LINKE lehnt die bisher betriebene Asyl- und Migrationspolitik ab. Wer aufgrund von Kriegen, wegen seines politischen Engagements, seiner Religion, Weltanschauung, sexuellen Orientierung oder der Zerstörung seiner Lebensgrundlagen fliehen muss, muss in einem offenen Europa Schutz und Aufnahme finden, kein Gefängnis. Menschen ohne Papiere Unsere Position: DIE LINKE fordert darüber hinaus sofortige Regelungen zur Legalisierung und Integration illegal hier lebender Menschen. Dazu gehören die Garantie grundlegender Rechte, wie der Zugang zu gesundheitlicher Versorgung und zu Bildung sowie das Recht auf eine faire Entlohnung für geleistete Arbeit. Die Gesetze sollen so ausgestaltet werden, dass die Menschen nicht mangels legaler Alternativen in die Illegalität und Rechtlosigkeit flüchten müssen. Die rigide EU Abschottungspolitik wurde in den Jahren von der Bundesregierung federführend entwickelt und durchgesetzt. Die Grenzen werden soweit ausgelagert, dass kaum eine Schutzsuchende die EU erreicht. Gelangen Flüchtlinge dennoch ins deutsche Hoheitsgebiet, werden sie in entrechteten Positionen festgehalten, elektronisch erfasst und/oder abgeschoben. Was für viele Schutzsuchende eine tödliche Festung ist, birgt für einige wenige Schlupflöcher. Illegalisierte, Menschen die zu Illegalen gemacht werden, haben zwischenzeitlich einen festen Platz in der Ökonomie der kapitalistischen Zentren: vor allem in den arbeitsintensiven Branchen (Landwirtschaft, personenbezogene Dienstleistungen). Gleichzeitig ist das alltägliche Leben von Illegalisierten von ihrer rechtlichen und sozialen Ausgrenzung bestimmt: Sie leben ohne medizinische Grundversorgung, ohne Arbeitsschutz, ohne Recht auf Bildung für sich und ihre Kinder. Sie sind ständigen Gefahren ausgesetzt. Die Bundesrepublik hat sich bisher geweigert die beiden Konventionen zu ratifizieren, mit denen die internationale Gemeinschaft erstmals versucht hat, Mindestnormen zum Schutz Illegalisierter zu schaffen, um so einem weltweiten Problem menschenwürdig Rechnung zu tragen. Deutschland unterzeichnete es ebensowenig wie die UNKonvention zum Schutz der Rechte aller ausländischen Arbeitskräfte und ihrer Familienangehörigen vom Dezember 1990. Deren Ziel ist es, die Geltung der Grundrechte insbesondere auf die weitgehend schutzlose Gruppe der ausländischen Arbeitskräfte ohne Aufenthaltsrecht und ihrer Familien auszudehnen.“ Es ist allerhöchste Zeit, auch in Deutschland über Legalisierungsmöglichkeiten nachzudenken und sie politisch umzusetzen – wie es in zahlreichen anderen Ländern in Europa längst geschehen ist. Die LINKE setzt sich hierfür ein. 8. Resettlement DIE LINKE unterstützt die von Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen initiierte save-me-Kampagne, weil die Bundesrepublik so ihrer Verantwortung für die internationale Flüchtlingspolitik bzw. den Flüchtlingsschutz wahrnehmen kann und muss und auch die nötigen Kapazitäten und strukturellen Möglichkeiten gegeben sind. Für die Aufnahme von Flüchtlingen in einem Resettlementprogramm gelten für uns die gleichen Bedingungen wie für Asylsuchende und andere Flüchtlinge: Flüchtlinge müssen gleichberechtigt am sozialen und gesellschaftlichen Leben teilhaben und ihr Leben selbstbestimmt gestalten können. Ihre konkreten Einzelforderungen teilen wir, sie geben wertvolle Hinweise darauf, wie eine gesetzliche Regelung im Detail ausgestaltet werden müsste (Auswahl nach Kriterien der Schutzbedürftigkeit, Wahrung der Familieneinheit, aufenthalts- und sozialrechtliche Sicherheit von Beginn an, Arbeitsmarktzugang und Freizügigkeit usw.). Für eine gesetzliche Verankerung einer solchen Regelung wird sich DIE LINKE in der nächsten Legislaturperiode auch einsetzen. Allerdings ist es aus unserer Sicht wichtig zu betonen, dass die Schaffung eines Resettlementprogramms nicht im Gegensatz zum System des individuellen Flüchtlingsschutzes stehen darf. Es darf auch nicht zur Legitimation einer umso konsequenteren Abschottung der Europäischen Union vor unerwünschter Migration missbraucht werden. Der Zugang zum Asylsystem in der Europäischen Union muss gewährleistet sein, ohne dass die Schutzsuchenden infolge der Abschottungsmaßnahmen der Europäischen Union dazu gezwungen sind, dabei ihr Leben zu riskieren. Flüchtlings- und Migrationspolitik Wir fordern: einen effektiven Schutz von Flüchtlingen entsprechend internationaler Konventionen; Die restriktive Anhörungs- und Entscheidungspraxis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge soll beendet werden, ebenso die Widerrufsverfahren gegen bereits anerkannte Flüchtlinge. einen anderen behördlichen Umgang mit besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen (Traumatisierte, Minderjährige usw.), der den besonderen Anforderungen dieser Personengruppen gerecht wird; bei Entscheidungen über die Gewährung von Asyl und Abschiebungsschutz gleichberechtigt zu den Lageberichten des Auswärtigen Amtes auch die Erkenntnisse des UNHCR und nichtstaatlicher Menschenrechtsorganisationen zu berücksichtigen; Flüchtlinge nicht von Integrationsmaßnahmen auszuschließen; eine gesetzliche Bleiberechtsregelung, die länger hier lebenden geduldeten Flüchtlingen und Asylsuchenden einen Rechtsanspruch auf Aufenthalt verschafft und ihre Integration ermöglicht; die Abschaffung des diskriminierenden Asylbewerberleistungsgesetzes; ein Recht auf Arbeit für alle hier lebenden Flüchtlinge. sofortige Regelungen zur Legalisierung und Integration illegal hier lebender Menschen. ein Wahlrecht für alle dauerhaft in Deutschland Lebenden - auf kommunaler Ebene, aber auch darüber hinaus. Die gesellschaftlichen Institutionen müssen endlich der kulturellen Vielfalt des Landes angepasst werden. die Rücknahme der diskriminierenden Einschränkungen beim Ehegattennachzug und anderer Verschärfungen im Aufenthaltsrecht. Rechtliche Regelungen sollen verhindern, dass Migrantinnen und Migranten für Lohn- und Sozialdumping missbraucht werden. Ihnen soll gleicher Lohn für gleiche Arbeit und ein unbeschränkter Arbeitsmarktzugang gewährt werden. ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht ein, weil erst die deutsche Staatsangehörigkeit umfassend gleiche Rechte vermittelt: Jeder, der in der Bundesrepublik geboren wird und dessen Eltern hier leben, soll die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Einbürgerungen sollen erheblich erleichtert, mehrfache Staatsbürgerschaft ermöglicht werden. Deutschland braucht eine offene Migrations- und Integrationspolitik, die auf Ausgrenzung verzichtet und die Rechte und soziale Lage von Migrantinnen und Migranten verbessern will. Die politischen Debatten und die Gesetzgebung sind jedoch – aller Integrationsgipfel zum Trotz – geprägt von Abwehr und Misstrauen. Migration soll immer stärker nach Kriterien der „Nützlichkeit“ organisiert werden – dies lehnen wir ab. Integration als unverzichtbarer Teil einer fortschrittlichen Migrationspolitik gibt den hier lebenden Migrantinnen und Migranten politische Mitbestimmungsrechte. Es gibt keine deutsche Leitkultur, sondern Grund- und Menschenrechte, die alle binden. Eine demokratische Einwanderungsgesellschaft braucht einen wirksamen Schutz vor Diskriminierung und Rassismus. Wir treten für DIE LINKE setzt sich für eine menschenrechtlich fundierte Asyl- und Migrationspolitik der EU ein. Es muss Schluss sein mit einer Politik der Abschottung, die mit tausenden Toten an den Außengrenzen der EU einhergeht. Die Aufteilung in „legale“ und „illegale“ Migration führt in den Mitgliedsstaaten zum Entstehen von „Schattengesellschaften“. Wir werden auch weiterhin für die rechtliche,politische und soziale Gleichstellung aller Migrantinnen und Migranten sowie selbstverständlich der Flüchtlinge kämpfen – imParlament wie auch außerhalb des Parlaments. Denn für gleiche Rechte und ein gutes Leben für alle einzutreten ist das Gebot einer linken, einer sozialistischen Politik! Wahlprüfsteine Flucht und Asyl für die Bundestagswahl 2009 1