Martin Heilemann

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Wahlprüfsteine Flucht und Asyl für die
Bundestagswahl 2009
Antworten der Partei DIE LINKE.
Bleiberecht
Die LINKSFRAKTION im Bundestag hat eine Gesetzesinitiative auf den Weg gebracht,
in der im Rahmen der Altfallregelung erteilte Aufenthaltserlaubnisse unabhängig vom
Nachweis einer eigenständigen Lebensunterhaltssicherung als Aufenthaltserlaubnisse
verlängert werden sollen.
Diese soll dem Bundestag die Gelegenheit geben, gesetzliche Maßnahmen zur
befriedigenden Regelung der weiterhin bestehenden Problematik verbreiteter
„Kettenduldungen“ zu ergreifen, ohne dass sich diese zum 1. Januar 2010 noch einmal
verschärft, weil eine vermutlich fünfstellige Zahl von Menschen ihre
Aufenthaltserlaubnis verliert und in den Status der „Kettenduldung“ zurückfällt.
Grundsätzlich fordert DIE LINKE eine komplette Entfristung der Altfallregelung.
Unsere Position: Die LINKE fordert eine gesetzliche Bleiberechtsregelung, die
länger hier lebenden geduldeten Flüchtlingen und Asylsuchenden einen
Rechtsanspruch auf Aufenthalt verschafft und ihre Integration ermöglicht.
Residenzpflicht
Die Residenzpflicht ist eine in Deutschland praktizierte einmalige Form der Isolierung
und Ausgrenzung von Flüchtlingen. Ziel ist, Asylbewerberinnen und Asylbewerber
während ihres Verfahrens an einen bestimmten Ort zu binden und besser überwachen
zu können. Damit werden staats- und ordnungspolitische Interessen gegen
Menschenrechte aufgewogen und Menschenrechtsverletzungen in Kauf genommen.
Viele Flüchtlinge, darunter Kinder und Jugendliche, bleiben über Jahre in der gleichen
Unterkunft. Sie werden in entlegenen Orten und in zum Teil unzumutbaren Heimen
untergebracht. Weit entfernt von Einkaufsmöglichkeiten und kulturellen Einrichtungen
bleiben sie von der Außenwelt isoliert und nicht selten werden sie kriminalisiert.
Diese eingeschränkte Freizügigkeit und ein damit verbundener erschwerter Zugang
zum Arbeitsmarkt lassen Integration und selbst bestimmtes Leben nicht zu. Daher ist es
an der Zeit, in der Asyl- und Flüchtlingspolitik einen Paradigmenwechsel zu vollziehen.
Grundsätzlich setzt sich Die LINKE für die ersatzlose Abschaffung der Residenzpflicht
ein. Das im Grundgesetzt verbriefte Recht auf Freizügigkeit im gesamten Bundesgebiet
muss für alle EinwohnerInnen gelten!
Sachleistungsprinzip
Unsere Position ist:
Asylsuchende und Flüchtlinge, die in die Bundesrepublik gelangen, sehen sich nach der
geltenden Rechtslage und Praxis mit zahlreichen Beschränkungen, einem unsicheren
Aufenthaltsstatus und einer mangelhaften sozialen und medizinischen Versorgung
konfrontiert. Wer nicht gleich wieder nach Hause abgeschoben wird, darf als
„Geduldeter“ nicht arbeiten, sondern erhält Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz. Diese liegen noch 35 Prozent unter dem Niveau von
Hartz IV und werden fast immer in „Sachleistungsform“ gewährt.
Die LINKE fordert die Abschaffung des diskriminierenden
Asylbewerberleistungsgesetzes.
Dies beinhaltet auch den Sachleistungsvorrang.
Unterbringung
Unsere Position ist:
Schutzsuchende werden in Deutschland zwangsweise in
unwürdigen Massenunterkünften oder auch in so genannten „Ausreiseeinrichtungen“
untergebracht.
Die zentrale Unterbringung bedeutet räumliche Ausgrenzung in Lagern und muss
beendet werden. Das Gesetz für Asylbewerber und Flüchtlinge regelt, dass sie in
Sammelunterkünften untergebracht werden können. Mittlerweile haben die meisten
Kommunen gemerkt, dass die Unterbringung in solchen Sammelunterkünften teurer ist
als das Anmieten von privatem Wohnraum. Nur der Freistaat Bayern bleibt dabei,
generell Asylbewerber in Sammelunterkünften unterzubringen.
Die Unterbringung außerhalb von Sammelunterkünften ist oft nur wenig besser: Um
weitere „Einsparpotentiale“ zu nutzen, werden die Flüchtlinge häufig in gar nicht oder
schlecht sanierten Häusern in städtischen Randlagen oder in Problemvierteln
untergebracht. Ihre Unterbringung bleibt stigmatisierend. An solchen Orten
untergebracht werden sie leicht Ziel von rassistischen Übergriffen – gerade in solchen
Gegenden, die von den meisten Bürgerinnen und Bürgern eher gemieden werden.
DIE LINKE unterstützt die Zurückdrängung des Prinzips der Gemeinschaftsunterkunft,
da diese Unterbringungsform soziale Isolation und Bevormundung, physische und
psychische Destabilisierung der Persönlichkeiten verstärkt und einer Integration
entgegensteht. Flüchtlinge müssen in der Würde des Menschen angemessenen
dezentralen Unterkünften untergebracht werden die ihnen die Integration und
Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglicht.
Medizinische Versorgung
Im Asylbewerberleistungsgesetz ist festgelegt, dass Flüchtlinge nur in Notfällen
medizinisch versorgt werden. Gesundheitsvorsorge findet gar nicht statt. Karies zum
Beispiel kann nicht in einem frühen Stadium behandelt werden, um weitere Schäden
der Zähne zu verhindern. Erst, wenn der Zahn sich entzündet und abfault, können sich
die Betroffenen in Behandlung begeben. Bezahlt wird aber nur die Beseitigung des
Schmerzes – also wird der Zahn gezogen, Kronen oder Prothesen gibt es nicht. Den
Betroffenen kann man die verordnete Armut am Gebiss ablesen. Auch chronische
Erkrankungen sind übrigens nur dann „behandlungswürdig“ nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz, wenn sie sonst lebensbedrohlich werden könnten.
Besonders dramatisch wird das bei psychischen Erkrankungen. Menschen, die vor
Krieg und Bürgerkrieg fliehen mussten, die vielleicht Folter und schwere
Misshandlungen erleiden mussten, die auf der Flucht vielleicht nahe Verwandte
verloren haben, sind oft schwer traumatisiert. Für diese Menschen sind die
Lebensbedingungen einer Sammelunterkunft sowieso schon schwer zu ertragen, denn
sie brauchen vor allem Ruhe. Ohne angemessene Betreuung und ein stressfreies
Umfeld können ihre psychischen Belastungssyndrome zu dauerhaften psychischen
Erkrankungen führen. Behandelt werden die Menschen aber erst, wenn sie akut
suizidgefährdet sind.
Die schlechte medizinische Versorgung von Flüchtlingen ist ebenfalls im
Asylbewerberleistungsgesetz festgeschrieben welches wir als Sondergesetz ablehnen
und dessen Abschaffung DIE LINKE fordert.
Alle Menschen in Deutschland müssen Zugang zu einer guten medizinischen
Versorgung erhalten. Flüchtlinge, Asylsuchende und auch sogenannte „illegale
Menschen“ dürfen hier keine Ausnahme bilden.
Abschiebehaft
Asyl ist ein Grundrecht, Flüchtlinge werden aber entrechtet und kriminalisiert.
Abschiebehaft gehört abgeschafft und das Grundrecht auf Asyl muss wieder hergestellt
werden.
DIE LINKE lehnt, wie andere Menschenrechtsorganisationen, die inhumane
Abschiebepraxis ab. Abschiebehaft ist die einzige Haft welche ohne richterliche
Anordnung vollzogen werden kann und ist schon deshalb nicht mit rechtsstaatlichen
Grundprinzipien zu vereinbaren.
Abschiebehaft soll lediglich eine Verwaltungsmaßnahme, die Abschiebung selbst,
erleichtern. Menschen, die in Abschiebehaft genommen werden, haben sich nichts
zuschulden kommen lassen. Es ist einer Demokratie unwürdig, sie dennoch
einzusperren.
Abschiebehaft steht in einer langen Kette von Maßnahmen, die mit der
Flüchtlingsabwehr im Mittelmeer und im Atlantik beginnt. Sie ist Symbol einer
restriktiven Flüchtlingspolitik, die Tod und Traumatisierung vieler Menschen in Kauf
nimmt.
Auch die Abschiebehaft selbst kann tödlich sein: in Büren ist z.B. Rashid Sbaai, vor
zehn Jahren in Abschiebehaft in seiner Zelle verbrannte. Er hätte gerettet werden
können, wenn die Notruf-Leitstelle besetzt gewesen wäre.
DIE LINKE lehnt die bisher betriebene Asyl- und Migrationspolitik ab. Wer aufgrund von
Kriegen, wegen seines politischen Engagements, seiner Religion, Weltanschauung,
sexuellen Orientierung oder der Zerstörung seiner Lebensgrundlagen fliehen muss,
muss in einem offenen Europa Schutz und Aufnahme finden, kein Gefängnis.
Menschen ohne Papiere
Unsere Position:
DIE LINKE fordert darüber hinaus sofortige Regelungen zur
Legalisierung und Integration illegal hier lebender Menschen. Dazu gehören die
Garantie grundlegender Rechte, wie der Zugang zu gesundheitlicher Versorgung und
zu Bildung sowie das Recht auf eine faire Entlohnung für geleistete Arbeit. Die Gesetze
sollen so ausgestaltet werden, dass die Menschen nicht mangels legaler Alternativen in
die Illegalität und Rechtlosigkeit flüchten müssen.
Die rigide EU Abschottungspolitik wurde in den Jahren von der Bundesregierung
federführend entwickelt und durchgesetzt. Die Grenzen werden soweit ausgelagert,
dass kaum eine Schutzsuchende die EU erreicht. Gelangen Flüchtlinge dennoch ins
deutsche Hoheitsgebiet, werden sie in entrechteten Positionen festgehalten,
elektronisch erfasst und/oder abgeschoben. Was für viele Schutzsuchende eine
tödliche Festung ist, birgt für einige wenige Schlupflöcher. Illegalisierte, Menschen die
zu Illegalen gemacht werden, haben zwischenzeitlich einen festen Platz in der
Ökonomie der kapitalistischen Zentren: vor allem in den arbeitsintensiven Branchen
(Landwirtschaft, personenbezogene Dienstleistungen). Gleichzeitig ist das alltägliche
Leben von Illegalisierten von ihrer rechtlichen und sozialen Ausgrenzung bestimmt: Sie
leben ohne medizinische Grundversorgung, ohne Arbeitsschutz, ohne Recht auf
Bildung für sich und ihre Kinder. Sie sind ständigen Gefahren ausgesetzt.
Die Bundesrepublik hat sich bisher geweigert die beiden Konventionen zu ratifizieren,
mit denen die internationale Gemeinschaft erstmals versucht hat, Mindestnormen zum
Schutz Illegalisierter zu schaffen, um so einem weltweiten Problem menschenwürdig
Rechnung zu tragen. Deutschland unterzeichnete es ebensowenig wie die UNKonvention zum Schutz der Rechte aller ausländischen Arbeitskräfte und ihrer
Familienangehörigen vom Dezember 1990. Deren Ziel ist es, die Geltung der
Grundrechte insbesondere auf die weitgehend schutzlose Gruppe der ausländischen
Arbeitskräfte ohne Aufenthaltsrecht und ihrer Familien auszudehnen.“
Es ist allerhöchste Zeit, auch in Deutschland über Legalisierungsmöglichkeiten
nachzudenken und sie politisch umzusetzen – wie es in zahlreichen anderen Ländern in
Europa längst geschehen ist. Die LINKE setzt sich hierfür ein.
8. Resettlement
DIE LINKE unterstützt die von Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen initiierte
save-me-Kampagne, weil die Bundesrepublik so ihrer Verantwortung für die
internationale Flüchtlingspolitik bzw. den Flüchtlingsschutz wahrnehmen kann und muss
und auch die nötigen Kapazitäten und strukturellen Möglichkeiten gegeben sind. Für die
Aufnahme von Flüchtlingen in einem Resettlementprogramm gelten für uns die gleichen
Bedingungen wie für Asylsuchende und andere Flüchtlinge: Flüchtlinge müssen
gleichberechtigt am sozialen und gesellschaftlichen Leben teilhaben und ihr Leben
selbstbestimmt gestalten können.
Ihre konkreten Einzelforderungen teilen wir, sie geben wertvolle Hinweise darauf, wie
eine gesetzliche Regelung im Detail ausgestaltet werden müsste (Auswahl nach
Kriterien der Schutzbedürftigkeit, Wahrung der Familieneinheit, aufenthalts- und
sozialrechtliche Sicherheit von Beginn an, Arbeitsmarktzugang und Freizügigkeit usw.).
Für eine gesetzliche Verankerung einer solchen Regelung wird sich DIE LINKE in der
nächsten Legislaturperiode auch einsetzen.
Allerdings ist es aus unserer Sicht wichtig zu betonen, dass die Schaffung eines
Resettlementprogramms nicht im Gegensatz zum System des individuellen
Flüchtlingsschutzes stehen darf. Es darf auch nicht zur Legitimation einer umso
konsequenteren Abschottung der Europäischen Union vor unerwünschter Migration
missbraucht werden.
Der Zugang zum Asylsystem in der Europäischen Union muss gewährleistet sein, ohne
dass die Schutzsuchenden infolge der Abschottungsmaßnahmen der Europäischen
Union dazu gezwungen sind, dabei ihr Leben zu riskieren.
Flüchtlings- und Migrationspolitik
Wir fordern:
einen effektiven Schutz von Flüchtlingen entsprechend internationaler Konventionen;
Die restriktive Anhörungs- und Entscheidungspraxis des Bundesamtes für
Migration und Flüchtlinge soll beendet werden, ebenso die Widerrufsverfahren
gegen bereits anerkannte Flüchtlinge.
einen anderen behördlichen Umgang mit besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen
(Traumatisierte, Minderjährige usw.), der den besonderen Anforderungen dieser
Personengruppen gerecht wird;
bei Entscheidungen über die Gewährung von Asyl und Abschiebungsschutz
gleichberechtigt zu den Lageberichten des Auswärtigen Amtes auch die
Erkenntnisse des UNHCR und nichtstaatlicher Menschenrechtsorganisationen zu
berücksichtigen;
Flüchtlinge nicht von Integrationsmaßnahmen auszuschließen;
eine gesetzliche Bleiberechtsregelung, die länger hier lebenden geduldeten
Flüchtlingen und Asylsuchenden einen Rechtsanspruch auf Aufenthalt verschafft
und ihre Integration ermöglicht;
die Abschaffung des diskriminierenden Asylbewerberleistungsgesetzes;
ein Recht auf Arbeit für alle hier lebenden Flüchtlinge.
sofortige Regelungen zur Legalisierung und Integration illegal hier lebender
Menschen.
ein Wahlrecht für alle dauerhaft in Deutschland Lebenden - auf kommunaler Ebene,
aber auch darüber hinaus. Die gesellschaftlichen Institutionen müssen endlich
der kulturellen Vielfalt des Landes angepasst werden.
die Rücknahme der diskriminierenden Einschränkungen beim Ehegattennachzug und
anderer Verschärfungen im Aufenthaltsrecht. Rechtliche Regelungen sollen
verhindern, dass Migrantinnen und Migranten für Lohn- und Sozialdumping
missbraucht werden. Ihnen soll gleicher Lohn für gleiche Arbeit und ein
unbeschränkter Arbeitsmarktzugang gewährt werden.
ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht ein, weil erst die deutsche
Staatsangehörigkeit umfassend gleiche Rechte vermittelt: Jeder, der in der
Bundesrepublik geboren wird und dessen Eltern hier leben, soll die deutsche
Staatsangehörigkeit erhalten. Einbürgerungen sollen erheblich erleichtert,
mehrfache Staatsbürgerschaft ermöglicht werden.
Deutschland braucht eine offene Migrations- und Integrationspolitik, die auf
Ausgrenzung verzichtet und die Rechte und soziale Lage von Migrantinnen und
Migranten verbessern will. Die politischen Debatten und die Gesetzgebung sind jedoch
– aller Integrationsgipfel zum Trotz – geprägt von Abwehr und Misstrauen. Migration soll
immer stärker nach Kriterien der „Nützlichkeit“ organisiert werden – dies lehnen wir ab.
Integration als unverzichtbarer Teil einer fortschrittlichen Migrationspolitik gibt den hier
lebenden Migrantinnen und Migranten politische Mitbestimmungsrechte.
Es gibt keine deutsche Leitkultur, sondern Grund- und Menschenrechte, die alle binden.
Eine demokratische Einwanderungsgesellschaft braucht einen wirksamen Schutz vor
Diskriminierung und Rassismus.
Wir treten für DIE LINKE setzt sich für eine menschenrechtlich fundierte Asyl- und
Migrationspolitik der EU ein. Es muss Schluss sein mit einer Politik der Abschottung, die
mit tausenden Toten an den Außengrenzen der EU einhergeht. Die Aufteilung in
„legale“ und „illegale“ Migration führt in den Mitgliedsstaaten zum Entstehen von
„Schattengesellschaften“.
Wir werden auch weiterhin für die rechtliche,politische und soziale Gleichstellung aller
Migrantinnen und Migranten sowie selbstverständlich der Flüchtlinge kämpfen –
imParlament wie auch außerhalb des Parlaments. Denn für gleiche Rechte und ein
gutes Leben für alle einzutreten ist das Gebot einer linken, einer sozialistischen Politik!
Wahlprüfsteine Flucht und Asyl für die Bundestagswahl 2009
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