Ideenmanagement für intelligente Unternehmen Nur ein Unternehmen, das Wissen und Kreativität seiner Belegschaft optimal nutzt und fördert sowie von dem Wissen externer Akteuren profitiert, kann in einer globalen Wissensgesellschaft langfristig erfolgreich sein. Darin besteht die Intelligenz eines Unternehmens, als Fähigkeit zum effizienten Handeln, Problemlösen und Lernen. Allerdings ist die Unternehmensintelligenz wegen ihres kollektiven Charakters schwer zu beschreiben und zu nutzen. Wissen und Handeln sind in einem Unternehmen zwischen verschiedenen Akteuren verteilt. Nicht nur die individuelle Intelligenz der internen und externen Unternehmensakteure, sondern auch Qualität und Quantität des Wissensaustauschs sowie eine optimale Nutzung von Wissen und Kreativität bestimmen die Intelligenz des Unternehmens als Ganzes. Als ein effizientes Instrument zur Nutzung der internen und externen kollektiven Intelligenz kann ein ganzheitliches Ideenmanagement eingesetzt werden, das durch eine gezielte Wissensarbeit in Unternehmen unterstützt werden sollte. 1.1. Zur Anwendbarkeit von Intelligenztheorien auf ein Unternehmen Unternehmen ist eine sich selbst organisierende soziale Handlungseinheit, die auf die langfristige Erreichung gemeinsamer Ziele ausgerichtet ist. Für den Erfolg eines Unternehmens ist seine Intelligenz als eine komplexe Fähigkeit zum optimalen ziel- und zukunftsorientierten Handeln und permanenten Lernen ausschlaggebend. Während die Intelligenz eines Individuums schon lange im Mittelpunkt wissenschaftlichen Interesses steht, ist der Begriff „Unternehmensintelligenz“ kaum systematisch beschrieben und nicht einheitlich belegt. Inwieweit können die individuellen Intelligenztheorien auf die Handlungseinheit Unternehmen übertragen werden? In der Intelligenzforschung gibt es verschiedene Definitionen und Ansätze über Intelligenz bzw. Intelligenzen. Neben der klassischen (kognitiven) Intelligenz, die besonders ausführlich untersucht worden ist, sind emotionale Intelligenz von D. Goleman und multiple Intelligenzen von H. Gardner zu nennen. Die meisten klassischen Intelligenzansätze betrachten den Handlungserfolg als Maß für Intelligenz und verbinden sie mit kognitiven Verarbeitungsprozessen. Aus verschiedenen Theorien ergibt sich eine Spezifikation primärer kognitiver Teilfähigkeiten: Informationsaufnahme, Bewertung von Informationen, schlussfolgerndes Denken, Lösungs- und Strategieauswahl, Planen, Lernen aus Erfahrung, Bewältigung neuer Situationen und optimale Gestaltung der Umwelt.1 Da ein Unternehmen aus mehreren Individuen besteht und in einer Gesellschaft agiert, ist die Betrachtung seiner sozialen Intelligenz notwendig, wobei die Theorie der Emotionalen Intelligenz von D. Goleman, die persönliche (Selbstwahrnehmung und Selbstmanagement) und soziale Kompetenzen (soziales Bewusstsein und Beziehungsmanagement) umfasst, behilflich sein kann.2 Analog dazu braucht ein Unternehmen soziale Intelligenz im Innen- (in Bezug auf eigene Mitarbeiter) und im Außenverhältnis (gegenüber seinen Stakeholdern). Eine Ausdehnung der Betrachtung auf weitere Intelligenzen eines Unternehmens, wie in der Theorie der multiplen Intelligenzen von Gardner,3 eröffnet neue Betrachtungsperspektiven: neben der kognitiven und sozialen Intelligenz ist für ein Unternehmen seine räumlich-technische Beschaffenheit von Bedeutung, die im Weiteren als technologische Intelligenz bezeichnet wird. Bei der Anwendung der Intelligenztheorien auf ein Unternehmen sollten seine Besonderheiten in Bezug auf die Wissensverteilung und Handelnsregulierung berücksichtigt werden. Das unternehmerische Wissen besitzt einen kollektiven Charakter, zu den Wissensträgern gehören neben Menschen auch Dokumente, Datenbanken, Prozesse und Technik. Das Wissen in den Köpfen der Mitarbeiter wird nur teilweise in den Dienst des Unternehmens gestellt, das in anderen Formen abgespeicherte Wissen ist für die Mitarbeiter nicht unbedingt zugänglich. Das Unternehmenswissen entsteht nicht nur intern, sondern auch extern - aus Ideen und Anregungen der Kunden, Lieferanten, Konkurrenten. Darüber hinaus sind Wissens- und Handlungssystem eines Unternehmens nicht kongruent. Unternehmen verfügen häufig über ein für ihr Handeln relevantes Wissen, wenden es aber nicht an, da die handelnde Einheit von der Existenz des Wissens keine Kenntnis hat. Deswegen wird die Intelligenz eines Unternehmens in besonderem Maße durch die Wissenslogistik und Wissensverteilung bestimmt. 1.2. Komponenten der Unternehmensintelligenz Zusammenfassend können für ein Unternehmen drei relevante Teilintelligenzen - kognitive, soziale und technologische – definiert werden (s. Tabelle). Tabelle: Komponenten der Unternehmensintelligenz Teilintelligenz kognitive soziale technologische Fähigkeiten effiziente Wahrnehmung von Umwelt, Akteuren und neuen Entwicklungen; Evaluationsfähigkeit (Bewertung und Vergleich von Informationen); Gedächtnis (systematische und optimale Speicherung von relevanten Informationen); Wissensaustausch und -harmonisierung (Versorgung relevanten Akteure mit Wissen, Abstimmung der Wissensinhalte); Innovations- und Lernfähigkeit intern: Selbstverständnis des Unternehmens, Identifikation; extern: effizientes Beziehungsmanagement mit Stakeholdern und Umwelt intelligente Nutzung des Raums, technischer, finanzieller und Kommunikationsmittel Am Wahrnehmungsprozess eines Unternehmens sind verschiedene Akteure beteiligt. Auf der einen Seite sind es Mitarbeiter im Kundendienst, Einkauf und PR-Abteilung, die unmittelbar mit Kunden, Lieferanten oder mit der Öffentlichkeit in Kontakt treten und die Meinungen, Stimmungen oder Beschwerden dieser mitbekommen. Auf der anderen Seite sind es spezielle Marktforschung- oder Zukunftstrendteams, die sich gezielt mit den Entwicklungen und Tendenzen in der Gesellschaft und auf dem Markt beschäftigen. Die Informationen, die im Prozess der Wahrnehmung gewonnen werden, sollen verarbeitet und für relevante Entscheidungen genutzt werden. Es reicht nicht aus, den Wahrnehmungsprozess einzelner Akteure zu gewährleisten, vielmehr sollte das relevante Wissen einzelner Wahrnehmungssubjekte mit Hilfe von speziellen Methoden bewertet und für die Strategieentwicklung und Zielsetzung benutzt werden (Teilfähigkeit Evaluation). Darüber hinaus soll das relevante Wissen gespeichert werden, sodass ein schneller Zugriff auf die Informationen für alle relevanten Akteure möglich ist (Teilfähigkeit Gedächtnis). Da das Wissen nur begrenzt formalisiert werden kann, ist ein großer Teil des Wissens nur in den Köpfen von Unternehmensakteuren vorhanden. Das macht Wissensverteilung und -logistik besonders problematisch. Interne Datenbanken und Netzwerke können nur mit dem expliziten Wissen arbeiten, wogegen das implizite Wissen nur in Interaktionen ausgetauscht und vermittelt werden kann. Hierzu werden informelle Communities, Weblogs, Workshops oder andere Kommunikationswege benötigt. Diese formellen und informellen Kanäle können zugleich zur Harmonisierung des Wissens beitragen, indem Begriffe, Definitionen und Lösungen kommuniziert und abgestimmt werden. Letzte Teilfähigkeit der kognitiven Intelligenz ist die Innovations- und Lernfähigkeit eines Unternehmens. Sie bildet eine notwendige Grundlage für die langfristige Erhaltung und Entwicklung der Unternehmensintelligenz. Neben der Förderung von individuellem Lernen und der Kreativität der Mitarbeiter (z.B. Weiterbildung, spezielle Workshops) braucht ein Unternehmen spezielle Methoden und Programme, um Ideen aus der Umwelt zu gewinnen und eine kollektive Kreativität zu erzeugen. Die soziale Intelligenz ist für ein Unternehmen ebenso wichtig, wie für ein Individuum. Eine Belegschaft, die sich als eine Einheit mit gemeinsamen Visionen und Zielen empfindet, weist eine hohe Leistungsmotivation, Identifikation und Arbeitszufriedenheit auf. Soziale Intelligenz im Außenverhältnis bedeutet ein gezieltes und konsequentes Beziehungsmanagement in Bezug auf alle relevante Stakeholder des Unternehmens: das CRM für eine langfristige Kundenbindung, Marketing um Kunden zu gewinnen, PR-Arbeit für das Image des Unternehmens in der Öffentlichkeit, CSR als gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmens. Als letzte Komponente der Unternehmensintelligenz wurde die technologische Intelligenz beschrieben. Darunter werden eine optimale Nutzung des Raumes, der Ressourcen und technologisches Know how verstanden. Alle Prozesse in Unternehmen unterliegen einer ständigen Optimierung und Verbesserung, was normalerweise unter Begriffen BVW, KVP, Kaizen u.a. läuft. Bei allen Teilintelligenzen bilden Wissen und Kreativität einzelner Akteure eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die kollektive Intelligenz, die zusätzlich einen strukturellen Rahmen braucht. 1.3. Der Weg zum intelligenten Unternehmen Als Basis für ein intelligentes Unternehmen dienen individuelle Intelligenzen interner (Mitarbeiter mit ihren Kompetenzen und Potenzialen) und externer Akteure, deren Wissen und Kreativität von dem Unternehmen genutzt werden kann. Um eine kollektive Intelligenz zu erzeugen, werden die individuellen Intelligenzen einer Transformation unterworfen, wofür drei Prozesse notwendig sind (s. Abbildung). Intelligentes Unternehmen Fördernde Rahmenbedingungen Internes Ideenmanagement: interne Wissens- und Ideenpotenziale identifizieren, aktivieren, nutzen, koordinieren, vernetzen Wissensarbeit zur Schaffung eines kollektiven Wissens Intelligenzen (Wissen und Kreativität) interner Akteure Externes Ideenmanagement: relevante externe Wissens- und Ideenquellen identifizieren, erschließen, vernetzen Intelligenzen (Wissen und Kreativität) externer Akteure Abbildung: Modell eines intelligenten Unternehmens Zum Einen, geht es um das interne Ideenmanagement, das sich mit dem Schaffen von neuem Wissen im Unternehmen beschäftigt und auf die Identifikation, Aktivierung, Nutzung, Entwicklung, Koordination und Vernetzung individueller Wissens- und Ideenpotenziale der Belegschaft ausgerichtet ist. Eigene Mitarbeiter sind für ein Unternehmen die wichtigsten Wissens- und Ideenträger. Zum Zweiten, muss externe Intelligenz relevanter Stakeholder identifiziert, erschlossen und vernetzt werden – das ist die Aufgabe des externen Ideenmanagement. Externe Akteure (Kunden, Lieferanten, Zwischenhändler, Kooperationspartner, wissenschaftliche Institutionen) sind eine wichtige Ideenquelle, die erfasst, genutzt und gepflegt werden soll. Zum Dritten, braucht ein intelligentes Unternehmen eine systematische Wissensarbeit, die mehrere Kernprozesse beinhaltet, die auf eine systematische Arbeit mit dem formalisierten Wissen in Unternehmen, Organisation eines Wissensaustausches (z.B. Wissensnetze, Online-Portale, Weblogs, Communities) sowie eine systematische Bewertung und Nutzung von Wissen ausgerichtet sind. Einige Teilprozesse der Wissensarbeit überschneiden sich mit denen des Ideenmanagement. Die Grenzen zwischen den beiden sind fließend, wobei sich das Ideenmanagement primär mit den neuen Ideen und dem Schaffen vom neuem Wissen beschäftigt, während der Schwerpunkt der Wissensarbeit auf dem standardisierten Wissen und der formellen Organisation der Wissensverarbeitung liegt. Darüber hinaus bedarf ein intelligentes Unternehmen fördernder Bedingungen für Lernen, Kreativität und Wissensarbeit. Dazu gehören offene Kommunikation, kooperative bis autonome Führung, fördernde Unternehmenskultur, gegenseitige Wertschätzung, Vertrauen und Fehlertoleranz. 1 Vgl. Gottfredson, L.S. Mainstream science un intelligence: An editorial with 52 signatories, history, and bibliography. Intelligence, P.13. 2 Vgl. Goleman, D. Emotionale Führung, Econ Ullstein List Verlag, 2002, S. 61. 3 Vgl. Gardner, H. Intelligenzen., Klett-Cotta Verlag, Stuttgart, 2002, S. 55-57.