Dokumentieren 2031789

Werbung
Grundlagen
2 Grundlagen
2.1 Thermodynamik von Polymerblends
Gemäß der Thermodynamik wird die Mischbarkeit (von Polymeren) durch die Veränderungen
bestimmt, denen die freie Enthalpie G infolge einer Durchmischung unterworfen ist.
Gmix = Umix + pVmix - TSmix = Hmix - TSmix
(1)
Die Beiträge der Entropie- Smix und Enthalpieänderungen Hmix lassen sich mit Hilfe
verschiedener Theorien[18] berechnen, die sich hinsichtlich ihrer Komplexität, Qualität und
Anwendbarkeit unterscheiden.
Die erste Theorie geht auf FLORY und HUGGINS (Gittermodell) zurück. Sie zeichnet sich durch
ihre Anschaulichkeit und ihre grundlegenden, qualitativ wertvollen Ergebnisse aus. Ein
Mangel dieser Theorie besteht darin, daß es nicht möglich ist, aus den Stoffdaten der reinen
Komponenten oder über molekulare, strukturelle Beiträge (Vor)Aussagen über den darin
definierten Wechselwirkungsparameter ij bzw. zum Mischungsverhalten zu machen.
Daher wurden komplexere und auf reinen Stoffdaten basierende Modelle entwickelt: dazu
zählen die „Equation of State Theories“ von FLORY, das „Gas-Lattice Model“ von
KONINGSVELD, die „Cell-Hole Theory“ von SIMHA, das „Strong Interaction Model“ von ten
BRINKE und KARAZS und der „Heat of Mixing Approach“ von PAUL. Sie sind der FLORYHUGGINS-Theorie insofern überlegen, daß sie deutlich machen, welche Parameter in ihrer
Einflußnahme auf das Mischungsverhalten von Bedeutung sind. Ihre Anwendbarkeit ist
jedoch (zur Zeit noch) auf Ausnahmen beschränkt, weil die erforderlichen thermodynamischen Stoffdaten (isobarer thermischer Ausdehnungskoeffizient, isothermer Kompressibilitäts- bzw. Druckkoeffizient, ...) nur in den wenigsten Fällen experimentell bestimmt sind,
die Berechnung von Phasengleichgewichten, Binodalen und Spinodalen mit großem
mathematischen und zeitlichen Aufwand verbunden und die Übereinstimmung zwischen
Theorie und Experiment trotz des größeren Aufwandes nur bedingt quantitativ ist.
Daher wird die FLORY-HUGGINS-Theorie in der aktuellen Literatur (häufig) wie auch in der
vorliegenden Arbeit als Grundlage zur Beschreibung von Polymerblends herangezogen.
5
Grundlagen
2.1.1 FLORY-HUGGINS-Theorie[19]
Die FLORY-HUGGINS-Theorie ist ursprünglich[20] für Polymerlösungen entwickelt worden,
später jedoch von SCOTT und TOMPA[21] auf lösungsmittelfreie Systeme übertragen worden. Es
wird angenommen, daß Lösungsmittelmoleküle bzw. die Grundeinheiten der Polymerketten
auf eine Art Gitter plaziert werden können. Aus der gegenseitigen Anordnung der
Grundeinheiten bzw. der Lösungsmittelmoleküle kann dann die Entropieänderung, aus den
auftretenden
Wechselwirkungen
die
Enthalpieänderung
berechnet
werden.
Eine
Kompressibilität der Mischungen wird nicht berücksichtigt. Es resultiert die FLORY-HUGGINSGleichung (i = 1 für alle Komponenten) für



binäre Systeme G mix  RT  1 ln 1  2 ln 2  1212 
P2
 P1

(2a)
bzw.




ternäre Systeme G mix  RT  1 ln 1  2 ln 2  3 ln 3  1212  1313  2323 
P2
P3
 P1

(2b),
wobei R die allgemeine Gaskonstante, T die absolute Temperatur, i der Volumenanteil, Pi
der Polymerisationsgrad des Polymeren i (bei Lösungsmitteln ist P = 1) und ij der FLORYHUGGINS-Wechselwirkungsparameter zwischen den Komponenten i und j ist. Die Terme
i/Pilni beschreiben die kombinatorische Mischungsentropie, die Terme ijij die
Mischungsenthalpie, wobei ij rein enthalpischer Natur und der Temperatur reziprok
proportional sein sollte.
Experimentelle Untersuchungen haben jedoch gezeigt, daß ij auch von i, Pi, p oder in
komplexerer Form von T abhängen kann. Damit wird auch das an unterschiedlichen Systemen
beobachtete LCST-, LCST-UCST, closed loop- oder Uhrglas-Verhalten erklärbar, während
die restriktive Bedingung ij = konst./T ausschließlich ein UCST-Verhalten zuläßt.
Die bestehende FLORY-HUGGINS-Theorie ist schließlich in der Form erweitert worden, daß
alle Abweichungen, die durch (die aufgezeigten) Mängel zustande kommen, im FLORYHUGGINS-Wechselwirkungsparameter ij berücksichtigt werden, d.h. daß ij die Form einer
mathematischen Funktion annimmt: ij  f i , T, p, Pi  . Auf diese Weise lassen sich alle
Systeme quantitativ erfassen bzw. können mathematisch angepaßt werden, ohne daß die
einfache Struktur der Gleichungen (2a) bzw. (2b) verlorengeht.

6
Verschiedene Formen von Phasendiagrammen
Grundlagen
Aus der FLORY-HUGGINS-Gleichung geht hervor, daß mit steigendem Polymerisationsgrad Pi
der (stets negative) Entropieterm immer mehr an Bedeutung verliert. Bei zwei in gleichen
Anteilen ( 1  2  0,5 ) vorliegenden Polymeren mit P1  P2  1000 beträgt die Mischungsentropie bei 20°C nur - 1,69J/mol , und 12 darf keine größeren Werte als 0,00277 annehmen,
wenn G mix  0 ( Mischbarkeit) sein soll. Mischungen niedermolekularer Substanzen mit
P = 1 können Wechselwirkungsparameter bis zu 2,77 aufweisen, ohne sich zu entmischen, da
die Mischungsentropie - 1690J/mol bei 20°C beträgt. Die (enthalpischen) Wechselwirkungen
von Polymeren und den niedermolekularen Analogen sind dagegen vergleichbar groß und wenn keine spezifischen Wechselwirkungen (Dipol-Dipol, Charge-Transfer, Salzbildung,
Wasserstoffbrückenbindungen) vorliegen - positiv. Die Mischbarkeit vieler (niedermolekularer) Systeme wird somit durch einen großen Entropiegewinn, weniger durch günstige
enthalpische Wechselwirkungen verursacht. Die wichtigsten Ergebnisse der FLORY-HUGGINSTheorie lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die (erweiterte) FLORY-HUGGINS-Theorie dient dem Grundverständnis und als Grundlage zur
Beschreibung von Polymerblends. Der darin auftretende FLORY-HUGGINS-Wechselwirkungsparameter ij wird als Maß für die thermodynamische Wechselwirkung zwischen den
Polymeren verwendet. ij bestimmt den Grad der Mischbarkeit und die Gestalt von
Phasendiagrammen. Im Gegensatz zu niedermolekularen Substanzen sind die meisten
Polymere nicht oder nur partiell miteinander mischbar, weil der mit dem Mischungsvorgang
einhergehende Entropiegewinn gering ist bzw. die wenigsten Systeme entsprechend niedrige
Wechselwirkungsparameter ij aufweisen. Die Tendenz zur Mischbarkeit nimmt mit
steigendem Polymerisationsgrad P ab.
ij ist damit der entscheidende Parameter für die Beschreibung des Mischungsverhalten von
Polymeren bzw. Polymer/Lösungsmittel-Systemen und dessen Kenntnis oder gegebenenfalls
dessen Bestimmung von elementarer Wichtigkeit. ij ist jedoch nur in wenigen Fällen
aufgrund des hohen experimentellen Aufwandes direkt bestimmt worden.[22] Es existieren
verschiedene Möglichkeiten, ij aus experimentell besser zugänglichen Größen indirekt zu
bestimmen oder abzuschätzen. Damit wird eine Voraussage bezüglich des Mischungsverhaltens möglich.

Dies steht jedoch nicht mehr im Einklang mit dem zugrundeliegenden, ursprünglichen Gittermodell
7
Grundlagen
2.1.2 Löslichkeitsparameter 
Einen alternativen Ansatz zur Berechnung der enthalpischen Wechselwirkungen Hmix
beschreibt HILDEBRAND[23]:


2
H mix  i   j V0ij
(3)
i und j sind eindimensionale Löslichkeitsparameter, V0 ein molares Referenzvolumen
(Zellengröße des Gitters), welches häufig durch das geometrische Mittel der Molvolumina der
einzelnen Komponenten definiert wird V0 
V0,i V0, j , wobei V0,i  M 0,i / i ist (M0,i =
Molmasse des Lösungsmittelmoleküls bzw. der Grundeinheit der entsprechenden Polymerkette). Die Gleichung macht deutlich, daß die Löslichkeit (Mischbarkeit) mit kleiner
werdender Differenz von i und j zunimmt. Es zeigt sich jedoch auch, daß nur Systeme mit
positiver Mischungsenthalpie erfaßt werden.
-Werte sind für eine Vielzahl von Verbindungen experimentell bestimmt und tabelliert
worden. Darüber hinaus ist es möglich, -Werte aus Inkrementen der die Moleküle
aufbauenden Gruppen zu berechnen. Der große Vorteil besteht darin, daß -Werte (nahezu)
jeder Verbindung, insbesondere experimentell schwer zugänglicher, berechnet und vorausgesagt werden können.
Diese eindimensionalen -Werte sind jedoch mit Fehlern behaftet, die bei unpolaren
Verbindungen eher klein, bei polaren Verbindungen oder solchen, die Wasserstoffbrückenbindungen eingehen können, dagegen meistens groß sind. Weil das Modell der
eindimensionalen HILDEBRANDschen Löslichkeitsparameter somit nur begrenzte Anwendung
findet, wurde es durch HANSEN[24] weiterentwickelt: er berücksichtigte den Anteil von
dispersiven, polaren und H-Brücken –Kräften, indem er den Löslichkeitsparameter aufteilte
(dreidimensionale Löslichkeitsparameter):
 2  d2  p2  H2


(4)
E Koh
, wobei EKoh = UVerd = HVerd – pV  HVerd – RT . Die Kohäsionsenergiedichte EKoh kann aus
V0
der Verdampfungswärme HVerd für Lösungsmittel direkt, für Polymere mit Hilfe von vergleichenden Quellungsoder Lösungsversuchen in Lösungsmitteln mit bekannter EKoh bestimmt werden.
8
Grundlagen
Gleichung (3) geht dann über in

H mix   d ,i  d , j

  
2
p ,i
 p , j
  
2
H ,i

2
 H , j  V0i  j

(5)
d, p und H können experimentell nicht direkt bestimmt, wohl aber über Inkrementsysteme
berechnet werden. Die vielversprechendsten[25] Ansätze stammen von HOY[26], und
VAN
KREVELEN/HOFTYZER[27]; ein alternativer, semiempirischer Ansatz stammt von KOENHEN/SMOLDERS[28], die - in Anlehnung an HANSEN - die Löslichkeitsparameter aus physikalischen
Konstanten (nD und ) berechnet haben.
Für die Temperaturabhängigkeit der Löslichkeitsparameter gilt nach UTRACKI[29]:



3

2
1 r
  T    293K exp S T



  T  293  


3
2
3
2

13
6
(6)
wobei Tr die reduzierte Temperatur und S1 eine universelle Konstante ist.
Nach den verschiedenen Ansätzen wurden Löslichkeitsparameter von Polymeren und
Lösungsmitteln, die im Rahmen dieser Arbeit verwendet wurden, bei zwei Temperaturen
berechnet. Detaillierte Angaben befinden sich im Anhang (siehe Kapitel 7).
Tab. 2-1: Löslichkeitsparameter, aus Gruppeninkrementen bzw. semiempirisch
ermittelt
Kompo- Methode
nente
PMMA
PnBA
PS
p-Xylol
v. Krevelen/Hoftyzer
Hoy
Koenhen/Smolders
Mittelwert 
v. Krevelen/Hoftyzer
Hoy
Koenhen/Smolders
Mittelwert 
v. Krevelen/Hoftyzer
Hoy
Koenhen/Smolders
Mittelwert 
v. Krevelen/Hoftyzer
Hoy
Koenhen/Smolders
Mittelwert 
d 20°C
p 20°C
H 20°C d 220°C p 220°C H 220°C
[ MPa ] [ MPa ] [ MPa ] [ MPa ] [ MPa ] [ MPa ]
16,2
15,5
17,8
16,5
16,6
16,2
17,4
16,7
18,2
16,8
19,6
18,2
17,1
16,3
17,9
17,1
5,5
10,4
5,3
7,1
4,1
8,8
4,1
5,7
1,1
8,2
1,6
3,6
0,9
7,4
0,1
2,8
9,0
5,1
7,8
7,3
7,6
7,2
6,5
7,1
0,0
4,9
2,0
2,3
0,0
3,4
1,8
1,7
12,9
12,3
14,1
13,1
11,5
11,0
12,1
11,5
14,7
13,5
16,0
14,7
4,3
8,2
4,1
5,5
2,9
6,1
2,7
3,9
0,8
6,5
1,2
2,8
7,2
4,1
6,1
5,8
5,1
4,9
4,5
4,8
0,0
3,9
1,6
1,8
9
Grundlagen
Es bleibt zu beachten, daß teilweise signifikante Diskrepanzen zwischen den verschiedenen
Ansätzen
herrschen
und
daß
bei
einigen
anderen
Systemen
trotz
großer
Löslichkeitsparameter-differenzen Löslichkeit beobachtet wird und umgekehrt.
Der Vergleich von Gleichung (2) mit Gleichung (5) liefert den gewünschten Zusammenhang
zwischen ij und der experimentell zugänglichen Größe :

ij   d ,i  d , j

  
2
p ,i
 p , j
  
2
H ,i

2
V0
 H , j 
 RT
(7)
Tab. 2-2a: ij-Werte für Polymer/Polymer-Systeme, aus Löslichkeitsparametern
berechnet
Polymer 1 Polymer 2  20°C  20°C  20°C
vK/H Hoy
K/S
20°C
vK/H
Hoy
K/S
220°C
PMMA
PnBA
PS
0,021
0,288
0,390
0,047
0,245
0,382
0,043
0,044
0,025
0,029
0,062
0,173
0,037
0,121
0,148
PnBA
PS
PMMA
0,039
0,674
1,007
0,071
0,057
0,065
0,073
0,422
0,505

 220°C  220°C  220°C

Bei HOY liegen die ij-Werte aller Systeme in der gleichen Größenordnung; ansonsten läßt
sich folgender Trend erkennen:
Aus Löslichkeitsparametern:  PMMA / PnBA   PnBA / PS   PS/ PMMA
Alle ij-Werte sind deutlich positiv; es ist zu erwarten, daß sich die jeweiligen Polymere nur
zu einem extrem geringen Maße - PMMA/PnBA noch am besten, PS/PMMA am
schlechtesten - miteinander mischen (ij >> 0,00277 , siehe Kapitel 2.1.1).
Tab. 2-2b: ij-Werte für Polymer/Lösungsmittel-Systeme, aus Löslichkeitsparametern
berechnet
Polymer 1 Lösungsmittel
 20°C  20°C  20°C
vK/H
Hoy
K/S
20°C
PMMA
PnBA
PS
0,127
0,186
0,031
1,022
0,811
0,012
2,598
2,148
2,771
0,498
0,444
0,025
p-Xylol
p-Xylol
p-Xylol

Bei KOENHEN/SMOLDERS liegen die ij-Werte aller Systeme in der gleichen Größenordnung;
10
Grundlagen
ansonsten läßt sich folgender Trend erkennen:
Aus Löslichkeitsparametern: PS/ p Xylol  PnBA / p Xylol  PMMA / p Xylol
p-Xylol ist für diese Polymere ein Lösungsmittel (ij << 2,77, siehe Kapitel 2.1.1), für PS das
relativ beste, für PnBA und PMMA ein vergleichbar schlechteres.
2.1.3 Grenzflächenspannung 
Bringt man zwei (kondensierte) Phasen miteinander in Kontakt (Mischen), so wirkt an der
Grenzfläche eine Kraft, die als Grenzflächenspannung bezeichnet wird. Wenn die
Grenzflächenspannung ein negatives Vorzeichen hat, versucht das System die Grenzfläche zu
vergrößern (Vermischung), wenn sie ein positives Vorzeichen hat, die Grenzfläche zu
verkleinern (Entmischung). Die Grenzflächenspannung ist somit ebenfalls ein Maß für die
thermodynamischen Wechselwirkungen zweier Phasen (vergl. FLORY-HUGGINS-Theorie).
Werte für  sind aufgrund des hohen experimentellen Aufwandes nur an wenigen Systemen
bestimmt worden. Nach WU[30] kann  aus den besser zugänglichen Oberflächenspannungen 
(unter Berücksichtigung disperser und polarer Anteile, wobei  p ,i  x p i und xp die Polarität
ist) der einzelnen Komponenten - am besten aus dem harmonischen Mittel - berechnet
werden:
  1   2 
4 d ,1 d ,2
 d ,1   d ,2

4 p ,1 p ,2
 p ,1   p ,2
(8)
Tab. 2-3: Oberflächenspannungen
Polymer
xp
PMMA
PnBA
PS
0,281
0,098
0,168
p-Xylol = 28,37.10-3 N/m
 20°C d 20°C p 20°C - d/dT  220°C d 220°C p 220°C
[10-3 N/m] [10-3 N/m] [10-3 N/m] [10-3 N/m K] [10-3 N/m] [10-3 N/m] [10-3 N/m]
41,1
33,7
40,7
29,6
30,4
33,9
11,5
3,3
6,8
0,076
0,070
0,072
25,9
19,7
26,3
18,6
17,8
21,9
7,3
1,9
4,4
11
Grundlagen
Tab. 2-4: Grenzflächenspannungen
Polymer 1 Polymer 2
PMMA
PnBA
PS
PnBA
PS
PMMA
 20°C
[10-3 N/m]
 220°C
[10-3 N/m]
exp,extrapol 220°C
4,59
1,42
1,50
3,13
1,40
0,96
n.b.
1,4
0,8 – 1,26
[10-3 N/m]
Einen Zusammenhang zwischen  und ij liefern die Ergebnisse von HELFAND und
TAGAMI[31]:
 b2 
 ij  6  

 kT 
2
(9)
k ist die Boltzmann-Konstante und b die effektive Länge eines Grundbausteins[32] der
Polymerkette. Durch Kombination der Gleichungen (8) und (9) können Werte für den FLORYHUGGINS-Wechselwirkungsparameter ij berechnet werden:
Tab. 2-5: ij-Werte (20°C und 220°C), berechnet aus den Grenzflächenspannungen nach
den Gleichungen (8) und (9)
Polymer 1 Polymer 2
PMMA
PnBA
PS
PnBA
PS
PMMA
 20°C
 220°C
1,700
0,162
0,182
0,278
0,056
0,026
Es läßt sich folgender Trend erkennen:
Aus Grenzflächenspannungen:  PS/ PnBA   PS/ PMMA   PMMA / PnBA
Alle ij-Werte sind deutlich positiv; auch nach den auf diese Weise ermittelten ij-Werten ist
es zu erwarten, daß sich die jeweiligen Polymere nur zu einem extrem geringen Maße
miteinander mischen (ij >> 0,00277 , siehe Kapitel 2.1.1).
Der hier zu beobachtende Trend (PS/PnBA noch am besten, PMMA/PnBA am schlechtesten
mischbar) steht jedoch nicht im Einklang mit dem aus den Löslichkeitsparametern
hergeleiteten Trend.
12
Grundlagen
2.2 Entmischung und Phasenbildung[33]
Als Ausgangspunkt A eines Entmischungsprozesses wird zunächst ein Stadium der vollständigen Mischbarkeit gewählt. Dies kann zum einen eine verdünnte Lösung von Polymeren
in einem gemeinsamen Lösungsmittel oder zum anderen ein bei erhöhter (für den Fall des
UCST-Verhalten) Temperatur vollständig mischbares (lösungsmittelfreies) System sein.
T
Lösungsmittel
A
Einphasengebiet
Einphasengebiet
Entmischung
Zweiphasengebiet
Polymer 1
A
Entmischung
Zweiphasengebiet
Polymer 2
Zusammensetzung
Abb. 2-1: Darstellung des Entmischungsprozesses im Dreiecksdiagramm (links) bzw.
Phasendiagramm (rechts)
Wird nun Lösungsmittel entfernt bzw. die Temperatur erniedrigt (Bewegung vom Punkt A
entlang des Pfeiles), so beginnt beim Überschreiten der Phasengrenzlinie(n), der Binodalbzw. der Spinodalkurve (siehe weiterführende Literatur[34]) der Entmischungsprozeß.
Polymermoleküle diffundieren nun aus vermischten Regionen in entmischte, was zu einem
entsprechenden Phasenwachstum führt. Dieser Prozeß verläuft mit abnehmender Lösungsmittelmenge bzw. Temperatur immer langsamer. Bei vollständiger Entfernung des
Lösungsmittels bzw. nach Erreichen der Endtemperatur wird der Diffusionsprozeß durch die
Diffusionskoeffizienten der einzelnen Makromoleküle kontrolliert. Da diese jedoch sehr klein
(in der Größenordnung von 10-10cm2/s) bzw. die Viskositäten der Polymere sehr groß (103 1010Pa s) sind, ist ein weiteres Phasenwachstum erheblich erschwert.
Die absolute Größe der Phasen wird durch die Zeit bestimmt, in der das System den
Entmischungsprozeß durchläuft: bei langsamer Entfernung des Lösungsmittels bzw. bei
moderater Temperaturerniedrigung "endet" das Phasenwachstum bei einer Phasengröße von
ungefähr 100 - 101µm; bei einer schlagartigen Entfernung (z.B. flash-Verdampfung in 10-4s[35],
13
Grundlagen
schneller Fällungsprozeß) oder durch Abschrecken des Systems kann dagegen die
Phasengröße bis auf die molekulare Ebene hinab verringert werden. Das System ist nun
jedoch sehr weit vom thermodynamischen Gleichgewicht entfernt und die Triebkraft für ein
Phasenwachstum groß.
2.3 Rheologische Aspekte von Mischungsprozessen[36]
Als Ausgangspunkt wird ein System mit makroskopischer Verteilung der Komponenten
gewählt. Diese Situation findet man bei der Verarbeitung von Polymerblends in
diskontinuierlichen oder kontinuierlichen (z.B. Extruder) Mischapparaten: nach dem
Aufschmelzen der Komponenten entspricht die Phasengröße in etwa der eingesetzten
Korngröße der Materialien (>> 101µm). Die durch Rühr-, Umwälz- und Mischwerkzeuge
verursachten Scherungen und Dehnungen - in den aufgrund der hohen Viskositäten laminaren
Strömungsfeldern - sorgen für eine Reduzierung der Phasengröße (dispersives Mischen) und
eine gleichmäßige Verteilung der Komponenten (distributives Mischen).
Gemäß TAYLOR[37] kann mit Hilfe der Weberzahl We für NEWTONsche Flüssigkeiten das
Ausmaß von Deformation und Zerkleinerung kugelförmiger Tropfen (disperse Komponente)
in einer Matrix abgeschätzt werden:
D
 16
M
LB
D

We ,
D
LB
16
 16
M
19
wobei We 
M 
viskose Kräfte


Grenzflächenkräfte
(10)
rD
D ist die Deformation, L die Länge der großen Achse und B die Länge der kleinen Achse des
deformierten Tropfens, D die Viskosität des dispergierten Tropfens und M die Viskosität der
Matrix,  die Schergeschwindigkeit und rD der Radius des kugelförmigen Tropfens.
Die Grenzflächenkräfte stabilisieren den (kugelförmigen) Tropfen, die viskosen Kräfte sorgen
dagegen für die Deformation bzw. Zerteilung des Tropfens. Wird ein Tropfen zerteilt, so
vergrößert sich die Oberfläche der dispergierten Komponente und damit die Phasengrenzfläche zwischen den Komponenten.
14
Grundlagen
Einen quantitativen Zusammenhang zwischen den entscheidenden Größen, der kritischen
Weberzahl und dem Viskositätsverhältnis unter Berücksichtigung der Strömungsart liefert
GRACE[38]:
10 4
We,krit.
10 3
10 2
10
Scherung
1
10 0
10 -1
Scherung und Dehnung
10 -2
10 -6
10 -4
10 -2
10 0
Viskositätsverhältnis
Abb. 2-2: Abhängigkeit der kritischen Weber-Zahl vom Viskositätsverhältnis D/M
Oberhalb der Grenzkurven kommt es zur Tropfenzerteilung ( We  We ,krit ), unterhalb der
Grenzkurven zur Deformation ( We  We ,krit ). Die Zerteilung gelingt am leichtesten,
 wenn das Viskositätsverhältnis D/M  1 ist
 je kleiner die Grenzflächenspannung  ist
 je größer der Tropfen, d.h. rD ist
 je größer die Schergeschwindigkeit  ist
 wenn (neben Scherkräften) Dehnkräfte herrschen
Es bleibt zu beachten, daß einige vereinfachende Annahmen gemacht wurden. So wurden die
Wechselwirkungen verschiedener Tropfen nicht berücksichtigt. Eine Erhöhung der
Schergeschwindigkeit führt zwar zu einer Erhöhung der Weber-Zahl, aber gleichzeitig zu
einer größeren Wahrscheinlichkeit von Zusammenstößen und Vereinigungsprozessen der
Tropfen.
15
Grundlagen
Des weiteren handelt es sich in der Regel bei Polymerschmelzen nicht um Newtonsche
Flüssigkeiten, sondern um viskoelastische Flüssigkeiten mit Strukturviskosität. Die Viskoelastizität führt zu einer Erhöhung der effektiven Grenzflächenspannung und stabilisiert damit
den Tropfen. Das strukturviskose Verhalten erfordert eine Anpassung der Viskosität an die
herrschende Schergeschwindigkeit. Die oben getroffenen Schlußfolgerungen bleiben jedoch
qualitativ bestehen.
Ebenso ist eine bestimmte Beanspruchungszeit notwendig, Tropfen zu deformieren oder zu
zerteilen (Einstellung der Gleichgewichtslage); diese hängt wie auch die Weber-Zahl vom
Viskositätsverhältnis ab.
2.4 Morphologie
Die Eigenschaften heterogener Polymer/Polymer-Systeme sind eng an die Ausbildung
bestimmter Strukturen während des Herstellungsprozesses der Polymermischung gebunden.
Charakteristische Merkmale dieser Strukturen sind die Form, die Größe und die räumliche
Verteilung der Komponenten (Morphologie des Systems). Die Morphologie ist zum einen von
Stoffwerten der Komponenten (i, ij ,, i u.a.) und ihrer Zusammensetzung (i), zum
anderen vom Herstellungsprozeß, d.h. von Betriebswerten (T, p,  , u.a.) abhängig.
Bezüglich der Form unterscheidet man bei binären Blends drei Typen:
a) Polymer 1 bildet die Matrix und Polymer 2 die disperse Phase
b) Polymer 1 und 2 bilden eine co-kontinuierliche Struktur
c) Polymer 1 bildet die disperse Phase und Polymer 2 die Matrix
a) 1 >> 2
b)
1

 1
2
2
0,4 <
c) 1 << 2
1
< 2,5
2
Abb. 2-3: Morphologien binärer Polymerblends in Abhängigkeit von der Zusammensetzung
16
Grundlagen
Die Formen ternärer Blends werden durch eine weitaus größere Zahl an Typen beschrieben
(siehe NAUMAN[39]). Grenzt man die Zahl in der Form ein, daß eine Komponente als Matrix
definiert wird, während die beiden anderen die Unterschußkomponenten bilden, so kann die
HARKINsche Gleichung[40] für das Spreitungsverhalten einer Flüssigkeit auf einer FestsubstratUnterlage auf ein polymeres Dreistoffgemisch übertragen werden.[41] Ausgehend von den
Grenzflächenspannungen gilt für den jeweiligen Spreitungskoeffizienten der Unterschußkomponenten:
32 = 21 - 31 - 23
(11a)
23 = 31 - 21 - 32
(11b)
32 ist der Spreitungskoeffizient für die Komponente 3 auf der Komponente 2 (und
entsprechend umgekehrt für 23), während Komponente 1 die Matrix bildet.
Dann ergeben sich wiederum drei unterschiedliche Typen:
a) Sind beide Koeffizienten 32 und 23 negativ, so bleiben die Phasen getrennt, d.h.
Komponente 2 als auch Komponente 3 sind dispers und unabhängig voneinander verteilt
b) Wenn 32 > 0 (und 23 < 0) ist, wird die Komponente 2 von 3 umhüllt. Sie bilden ein
Kern-Schale-System mit Polymer 2 als Kern und Polymer 3 als Schale in der Matrix von
Polymer 1
c) Wenn 23 > 0 (und 32 < 0) ist, wird die Komponente 3 von 2 umhüllt. Entsprechend
bilden sie ein Kern-Schale-System mit Polymer 3 als Kern und Polymer 2 als Schale in der
Matrix von Polymer 1
Matrix = Polymer 1
Polymer 2
Polymer 3
Matrix = Polymer 1
Matrix = Polymer 1
Polymer 2
Polymer 3
Polymer 3
Polymer 2
a) 32 < 0
b) 32 > 0
c) 23 > 0
23 < 0
23 < 0
32 < 0
Abb. 2-4: Morphologien ternärer Polymerblends in Abhängigkeit vom Spreitungskoeffizienten 
17
Grundlagen
Für das System PS/PMMA/PnBA können die Spreitungskoeffizienten mit Hilfe der
Grenzflächenspannungen (siehe Tab. 2-4) ermittelt werden:
Tab. 2-6a: Spreitungskoeffizienten (aus  -Werten) für das System PS/PMMA/PnBA
Matrix
Polymer 2 Polymer 3
()
Spreitungsverhalten
PMMA
PS
PnBA
PnBA
PMMA
PMMA
PS
- 3,57
+ 0,77
- 2,69
- 3,57
+ 0,77
- 2,69
PS und PnBA bilden ein Kern-Schale-System
mit PnBA als Kern und PS als Schale
PnBA und PMMA sind dispers und unab hängig
voneinander verteilt
PMMA und PS bilden ein Kern-Schale-System
mit PMMA als Kern und PS als Schale
PS
PnBA
PnBA
PS
PMMA
PnBA
PS
PMMA
Tab. 2-6b: Spreitungskoeffizienten (aus   -Werten) für das System PS/PMMA/PnBA
Matrix
Polymer 2 Polymer 3
(   ) Spreitungsverhalten
PMMA
PS
PnBA
PnBA
PMMA
PMMA
PS
- 0,56
- 1,90
- 0,80
- 0,56
- 1,90
- 0,80
PS
PnBA
PnBA
PS
PMMA
PnBA
PS
PMMA
PS und PnBA sind dispers und unabhängig
voneinander verteilt
PnBA und PMMA sind dispers und unabhängig
voneinander verteilt
PMMA und PS sind dispers und unabhängig
voneinander verteilt
2.5 Eigenschaften mehrphasiger Polymerblends: Zusatz und Wirkungsweise von Haftvermittlern[42]
Nicht miteinander mischbare Polymerblends bilden separierte Phasen von makroskopischer
Größenordnung. An den Phasengrenzen herrschen hohe Grenzflächenspannungen, und die
Adhäsion ist im Vergleich zu den Hauptphasen stark vermindert. Bei Beanspruchung des
Materials werden die Phasengrenzen zu bevorzugten Riß- oder Bruchstellen. Große Domänen
(Teilchengrößen) wirken sich dabei besonders negativ aus. Das Eigenschaftsprofil solcher
Blends ist eher mäßig.
Zur Verbesserung der strukturellen Integrität und damit der Produkteigenschaften dienen
sogenannte Haftvermittler. Als Haftvermittler eignen sich - in Analogie zur verbesserten
Dispersion von Öl in Wasser durch den Zusatz von Tensiden - grenzflächenaktive Substanzen
auf makromolekularer Basis, d.h. Copolymere mit amphiphilem Charakter.

  -Werte können mit Hilfe von Gleichung (9) und Tab. 2-2a berechnet werden
18
Grundlagen
Diese Haftvermittler wirken auf verschiedene Weise:
 Sie verlangsamen die Entmischung und das Phasenwachstum (kinetische Stabilisierung).
Sie bilden eine schützende Hülle und verhindern die Vereinigung von Tropfen (siehe
Kapitel 2.2).
 Sie setzen die Grenzflächenspannung herab. Haftvermittler nehmen dadurch direkten
Einfluß auf die thermodynamischen Wechselwirkungen. Die Triebkräfte für eine
Phasenentmischung sind geringer (siehe Gleichungen (2), (9) und Kapitel 2.1).
 Sie erhöhen die Adhäsion zwischen den Phasen. Oberhalb der Verschlaufungsmolmasse
können sich die Haftvermittlermoleküle mit den Polymermolekülen der Hauptpolymerphase durchdringen und verhaken. Der Zusammenhalt zwischen den Phasen wird dadurch
größer ("Schnürsenkelprinzip").
 Sie ermöglichen, daß die Basispolymere in kleinere Domänen zerteilt werden. Nach
Gleichung (10) ist es - unter ansonsten gleichen Bedingungen - aufgrund der geringeren
Grenzflächenspannnung einfacher, Tropfen zu zerteilen (siehe Kapitel 2.3).
Morphologieentwicklung ohne Zusatz von Haftvermittler
Morphologieentwicklung mit Zusatz von Haftvermittler
Abb. 2-5: Schematische Darstellung zur Wirkungsweise von Haftvermittlern
Die größte Effizienz zeigen Diblockcopolymere, mit denen insbesondere binäre Blends direkt
haftvermittelt werden können (PA/PA-b-PB/PB). Eine Erweiterung stellt die Verwendung
zweier Diblockcopolymere dar, die jeweils aus einem Block der Hauptpolymerphase und
19
Grundlagen
einer weiteren Komponente C bestehen (PA/PA-b-PC/PC-b-PB/PB). Wenn sich diese beiden
Diblockcopolymere über die Blockkomponente C zusammen anordnen, sollten sie sich wie
ein einzelnes Diblockcopolymer PA-b-PB verhalten; sie enthalten eine Pufferschicht C und
wirken indirekt haftvermittelnd.
Der schematische Ausschnitt aus der näheren Umgebung der Phasengrenzfläche verdeutlicht
dieses System, angewendet auf die Polymere PMMA, PnBA und PS und die entsprechenden
Haftvermittler PMMA-b-PS und PnBA-b-PS:
PMMA
PMMA-b-PS
PS-b-PnBA
PnBA
PS
Abb. 2-6: Schematische Anordnung von PMMA, PnBA (und PS) bei Zusatz von Haftvermittlern
20
Grundlagen
2.6 Herstellung von Polymerblends[43]
Polymerblends können durch mechanisches Mischen von Schmelzen, Latices oder Lösungen
zweier separat hergestellter Polymerer oder durch in-situ Polymerisation hergestellt werden.
Alle vier Verfahren haben bestimmte Vor- und Nachteile in Bezug auf die Verfahrensführung,
die Wirtschaftlichkeit und die Endeigenschaften der Produkte.
Beim Lösungsmischen werden die Polymere in einem gemeinsamen Lösungsmittel gelöst und
liegen auf molekularer Ebene verteilt vor. Die anschließende Entfernung des Lösungsmittels
(Verdampfen, Fällen) liefert die Polymermischung. Besondere Bedeutung kommt den
Wechselwirkungen zwischen Lösungsmittel und den einzelnen Polymeren zu.
Beim Schmelzmischen werden die Polymere über ihre Glas- bzw. Schmelztemperatur
erwärmt und durch Walzen, Kneten oder Extrudieren, d.h. unter dem Einfluß von Scher- und
Dehnkräften, vermischt. Rheologische Aspekte der Blendaufbereitung und thermodynamische
Wechselwirkungen zwischen den Polymeren stehen im Vordergrund.
Beim Latexmischen werden wässrige Dispersionen der beiden Polymeren miteinander
gemischt. Die Polymermischung erhält man durch Koagulation des Latex oder durch Abtrennung des Wassers.
Bei der in-situ Polymerisation wird ein Monomer, in dem schon vorgebildetes Polymer gelöst
ist, polymerisiert.
Diese Mischverfahren haben je nach Wahl der Mischungsbedingungen einen großen Einfluß
auf die Morphologie und damit auf die Eigenschaften der entstehenden Blends. Dies gilt
besonders für solche Polymerblends, bei denen die Einzelkomponenten nur eine minimale
Mischbarkeit aufweisen (heterogene Polymer/Polymer-Systeme).
21
Herunterladen