Thesenpapier für das DAS Symposium 1 Betrachtungsfeld: Naturschutz und Biologische Vielfalt (AG 11) ___________________________________________________________________________ Template für das Thesenpapier 1. Die Auswirkungen des Klimas mit seinen Implikationen auf das Betrachtungsfeld „Naturschutz und Biologische Vielfalt (AG 11)“ 1. Genetische Veränderungen durch genetische Drift bzw. durch Einwanderung neuer Genotypen der entsprechenden Arten 2. Arealveränderungen und Beschleunigung von Aussterbeprozessen von Tier- und Pflanzenarten 3. Veränderung des Migrationsverhaltens von Organismen 4. Beschleunigung biologischer Invasionen und Verursachung neuer Invasionen 5. Veränderung von Ökosystemfunktionen (inkl. „ecosystem services“) und Wechselwirkungen zwischen Arten (inkl. phänologischer Veränderungen und dadurch bedingte Entkopplung von Funktionsgefügen und Entstehung neuer Artenkombinationen in Ökosystemen) 6. Gefährdung von Schutzzielen (inner- und außerhalb von Naturschutzgebieten; Netzwerk NATURA 2000; Zielarten des Naturschutzes) und damit einhergehend Notwendigkeit der Anpassung von Schutzstrategien und Managementansätzen, insbesondere bei Konfliktfeldern mit anderen Mitigations- und Adaptionsmaßnahmen 2. Stand des Wissens 2a. Wissen über die Auswirkungen des Klimas mit seinen Implikationen (Prozessverständnis) Konsequenzen des Klimawandels für die Natur (von der innerartlichen bis zur ökosystemaren Ebene) 1. Genetische und ökophysiologische Veränderungen: In die bisherigen Modelle zur Reaktion von Arten und Ökosystemen auf den Klimawandel gehen genetische und ökophysiologische Veränderungen bei Arten nicht ein. Arten werden als konstante Größen angesehen und somit als unveränderlich. In Realität sind jedoch Anpassungen zu erwarten und es gibt erste Hinweise dafür. 2. Arealveränderungen und Aussterbeprozesse: Auf Basis klassischer „climateenvelope-models“ existieren gute Vorstellungen über den potentiellen zukünftigen Klimaraum unter verschiedenen Szenarien vorhanden bzw. aktuell in Entwicklung begriffen (v.a. für Pflanzen, Amphibien, Reptilien, Vögel, Tagfalter, Libellen); Experiment-basiertes Detailwissen v.a. zu klimatischen Ansprüchen der meisten Arten ist aber sehr limitiert; 3. Migrationsverhalten: Das Migrationsverhalten wird durch den Klimawandel bei verschiedenen Organismengruppen stark beeinflusst. Der beste Kenntnisstand Thesenpapier für das DAS Symposium 2 Betrachtungsfeld: Naturschutz und Biologische Vielfalt (AG 11) ___________________________________________________________________________ liegt hierzu wohl bei Vögeln vor, ist aber generell sehr gering. Eine bessere Voraussage der Veränderung der Migrationsfähigkeit von Organismen (was die Kenntnis der generellen Fähigkeit voraussetzt, über die das Wissen auch sehr limitiert ist) ist eine wesentliche Grundlage für die Abschätzung klimatischer Effekte auf populationsbiologische Parameter der Arten (z.B. Populationsdichte, Aussterbewahrscheinlichkeit, Besiedlungschancen). 4. Invasionen sind in ihrer Interaktion mit Klima erst unzureichend untersucht; als Spezialfall wurden sie im Rahmen von climate-envelope-Modellen (siehe Punkt 2) zum Teil behandelt. 5. Ökosystemfunktionen und Artenkombinationen: Große Teile dieses Bereiches sind bisher kaum untersucht. Der Einfluss auf ökosystemare Wechselwirkungen bzw. Wechselwirkungen zwischen Arten (insbesondere auch von Mikroorganismen) ist nur in sehr wenigen Publikationen dargestellt worden. Oft wird von der Verschiebung von Ökosystem- oder Vegetationszonen gesprochen. In der Realität finden diese Verschiebungen nicht statt, da weder Ökosysteme noch Funktionseinheiten als Ganzes migrieren. Es migrieren immer Einzelarten. Da sie dies mit unterschiedlicher Geschwindigkeit tun, kommt es zur Herausbildung neuer Artenkombinationen und damit neuer Vegetationstypen oder Ökosysteme. Zu phänologischen Veränderungen liegt mehr Wissen vor; sie sind hervorragende Indikatoren des Klimaeinflusses, da aus klimabedingten phänologischen Veränderungen Entkopplungen von Funktionsgefügen resultieren können. Die Phänologie kann zudem als Zeiger der Ressourcenverfügbarkeit gesehen werden und ist demzufolge wichtig, um das Überleben von Arten abschätzen zu können. Schutz und Management 6. Schutzziele & Leitbilder (inner- und außerhalb von Naturschutzgebieten) Durch das Verschwinden von Arten oder das Neueindringen von einwandernden und Invasionsarten können ursprüngliche Schutzziele gefährdet und unter Umständen nicht mehr erfüllt werden. Die Robustheit von Zielen gegenüber Klimaveränderungen ist daher noch sehr unsicher. 7. Management & rechtliche Regelungen: Neben der erschwerten Umsetzung von Schutzzielen und deren etwaiger Anpassung ergeben sich durch den Klimawandel weitere Herausforderungen an das Management der Biologischen Vielfalt. So kann der Bedarf an Flächen zur klima-veränderungs-begründeten Biomasseproduktion auf der einen Seite problematisch sein, auf der anderen Seite kann hierdurch das Problem der Entsorgung von Biomasse aus der Landschaftspflege gelöst werden und neue Wege von gegenseitigem Vorteil aufzeigen („win-win“). 2b. Wissen über den Anpassungsbedarf (Maßnahmen) 1. Genetische & ökophysiologische Veränderungen: Bislang keine im Klima-Kontext anwendbaren Ergebnisse vorliegend. 2. Arealveränderungen und Aussterbeprozesse Gesamte Landschaft muss durchlässig gemacht werden, damit Arten eine Chance haben, ihren „Nischenräumen“ (v.a. den veränderten Vegetationszonen) folgen zu können; 3. Migrationsverhalten: Landschaften sind für Arten „durchlässiger“ zu gestalten. Aktiver Transport von wenig mobilen Arten muss diskutiert werden Thesenpapier für das DAS Symposium 3 Betrachtungsfeld: Naturschutz und Biologische Vielfalt (AG 11) ___________________________________________________________________________ 4. Invasionen: Bislang nur wenige im Klima-Kontext anwendbaren Ergebnisse vorliegend 5. Ökosystemfunktionen und Artenkombinationen: Kenntnisse praktisch nicht vorhanden 6. Schutzziele/Leitbilder: Erhaltung, Neuschaffung und Entwicklung von Lebensräumen unter veränderten Klimabedingungen (gruppenspezifisch: z.B. temporäre Gewässer bei Amphibien); Diskussion der Schutzrelevanz neu entstehender Ökosysteme (die dann als neue Schutzobjekte zu definieren wären). 7. Management und rechtliche Regelungen: Aufgrund der zu erwartenden klimatischen Gefährdungen der Biologischen Vielfalt wird von einem Anpassungsbedarf bei Management und Gesetzgebung zur Biologischen Vielfalt ausgegangen. 3. Forschungsbedarf 3a. Auswirkungen des Klimas mit seinen Implikationen (Prozessverständnis) Naturwissenschaftliche Grundlagen 1. Ökophysiologische & genetische Grundlagen: Dieser Bereich bedarf einer eingehenden Untersuchung im Hinblick auf die Plastizität und Grenzen der Anpassungsfähigkeit von Arten.Untersuchungen zur genetischen Drift unter Klimawandel sind notwendig. 2. Ausbreitungsverhalten: Wenn man die Entwicklung neuer Ökosysteme untersuchen will, ist eine Kernfrage die nach der unterschiedlichen Migrationsfähigkeit von Organismen. Diese unterschiedliche Migrationsfähigkeit kann wiederum selbst durch Klimaveränderungen beeinflusst werden. Dieser komplexe Zusammenhang bedarf der genauen Analyse. Ebenso ist die Erforschung des evolutiven Adaptationsvermögens in Bezug auf Migration und Ausbreitung geboten; 3. Arealveränderungen und Aussterbeprozesse: Klassische „climate-envelope“Modelle bedürfen der Erweiterung durch andere Umweltvariablen (Landnutzung, Böden etc.). Eine neue Generation von Modellen ist notwendig, um Arealveränderungen realistischer einschätzen zu können. Ebenso sind Analysen von funktional wichtigen und/oder gefährdeten Artengruppen nötig (im terrestrischen Bereich z.B. Bienen, Schwebfliegen, Libellen, Säugetiere); Ermittlung der Klimalimitierung (v.a. auf experimenteller Basis, sowie v.a. am südlichen Arealrand) und Quantifizierung der Bedeutung verstärkt auftretender Extremereignisse. Stärkung der Populationsökologie und insbesondere der Untersuchung zeitlicher Verzögerungen sowohl bei Aussterbe- als auch bei Invasionsprozessen, Nutzung langer Datenreihen. 4. Invasionen: Erweiterung der Climate-Envelope-Modelle wie bei 2, zusätzlich Nutzung von biologisch-ökologischen Daten der Arten zur Voraussage des Invasionserfolgs 5. Artenkombinationen und Ökosystemfunktionen: Reaktionen auf Ebene von Einzelarten z.T. empirisch/experimentell untersucht, aber selten innerhalb von Thesenpapier für das DAS Symposium 4 Betrachtungsfeld: Naturschutz und Biologische Vielfalt (AG 11) ___________________________________________________________________________ Artgemeinschaften bzw. trophischen Netzwerken. Untersuchung neu entstehender Artenkombinationen und ihre Bedeutung für Ökosysteme nötig. Dieses Feld sollte ein besonderer Forschungsschwerpunkt sein (ökosystemare Wechselwirkungen wie z.B. Konkurrenz, Prädation, Parasitismus, Bestäubung, usw. bedürfen der intensiveren Untersuchung im Hinblick auf den Einfluss des Klimawandels. Gibt es Entkopplungsprozesse oder entstehen neue funktionelle Zusammenhänge? Die Nutzung bestehender und die Entwicklung neuer Monitoringsysteme, etwa zu phänologischen Veränderungen, ist notwendig. Funktionelle Merkmale (z.B. phänologischer Art) sollten hinsichtlich ihres Indikationswertes für die Charakterisierung funktioneller Gefüge genutzt werden. Studien zum Phänomen des Biotopwechsels (Arten besiedeln unter Klimaeinfluss bisher nicht besiedelte Lebensräume, in denen sie ggf. starke Veränderungen bewirken können). 3b. Anpassungsbedarf (Maßnahmen) Forschungsbedarf für Transformationswissen 1. Arterhalt unter veränderten Bedingungen: Suche nach Möglichkeiten, wie durch klimatische Veränderungen (inkl. Ihrer Wechselwirkungen mit anderen Faktoren, v.a. Landnutzung) bedrohte Arten dennoch erhalten werden können. 2. Arealveränderungen und Aussterbeprozesse: Erforschung der Möglichkeiten zu klima-angepaßten Management- und Landnutzungsoptionen für Erhalt von Arten (Landnutzungsanpassung zur Kompensation oder Minderung der Klimaauswirkungen: „land use adaptation for impact mitigation“) sowie zum „Durchlässig-Machen“ der Landschaft zur Verbesserung der Migrations- und Dispersalbedingungen 3. Umgang mit Nutzungskonflikten: Identifikation von Konfliktfeldern zwischen Mitigations-/Adaptionsmaßnahmen und dem Erhalt der Biologischen Vielfalt (Wechselwirkung über verschiedene Sektoren, integrative Adaptionsplanung), z.B. Integration klima-anpassungs-bedingter Biomasseproduktion mit Landschaftspflege die Biomasse als Abfall produziert; hier v.a. Schaffung der technischen, ökonomischen, infrastrukturellen und legal Rahmenbedingungen zur Auflösung des offensichtlichen Widerspruchs. 4. Vermittlung der Bedeutung vorhandener und neuer Schutzgebiete auch unter den Bedingungen des Klimawandels für den Biodiversitätserhalt (da sie das natürlichste darstellen, was meist vorhanden ist). 5. Weiterentwicklung eines dynamischen Naturschutzverständnisses (ethische Frage nach Gleichwertigkeit alter und neu entstehender Lebensräume). 6. Szenarienentwicklung und Folgenabschätzung (u.a. zur Evaluation der Lösungsstrategien von Nutzungskonflikten) 7. Forschungsbedarf zur Weiterentwicklung von Methoden und Instrumenten eines effizienten und auf die neuen Herausforderungen bezogenen Monitorings. 8. Weiterentwicklung von Managementansätzen im breiten Kontext (Ecosystem approach, integrative Ansätze mit anderen Sektoren): Untersuchung und Erprobung neuer Steuerungsoptionen, institutioneller und Governance-Aspekte (etwa in Agrarpolitik, Verbundplanung u.a.) Für folgende Bereiche fehlen die wissenschaftlichen Grundlagen, jedoch ist von Relevanz für Transformation bei besserem Kenntnisstand auszugehen Thesenpapier für das DAS Symposium 5 Betrachtungsfeld: Naturschutz und Biologische Vielfalt (AG 11) ___________________________________________________________________________ 9. Ökosystemfunktionen und Artenkombinationen 10. Invasionen 11. Genetische & ökophysiologische Veränderungen Prioritäten (3 Forschungsbereiche mit höchster Priorität für AG 11) Basiswissen: Sensitivitätsanalysen von Arten, Artengemeinschaften und Lebensräumen im Hinblick auf den Klimawandel und seiner Wechselwirkung mit anderen Umweltveränderungen (z.B. im Hinblick auf Plastizität, Arealveränderungen und Ökosystemfunktionen). Praktisches Transformationswissen: Entwicklung von Klima-angepaßten Management- und Landnutzungsmaßnahmen und deren stärkere Berücksichtigung in der Raum- und Landschaftsplanung (v.a. zur Durchlässigkeit der Landschaft, naturschutzkonforme Lösungen von Nutzungskonflikten, Flexibilisierung von Schutz- und Planungsinstrumenten) einschließlich des Monitorings. Gesellschaftlich-politisches Transformationswissen: Szenarienentwicklung, Folgeabschätzung und Analyse von Institutions-, Steuerungs-, und Governance-Optionen zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt (z.B. für dynamische Nutzungskonzepte auf versch. Skalen; Indikatorarten). Im Zentrum sollten dabei stets integrative Forschungsansätze unter Einbeziehung anderer Forschungsfelder und Anwendungsgebiete stehen. 3 Betrachtungsfelder, zu denen aus Sicht der AG 11 der größte Abstimmungsbedarf hinsichtlich des Forschungsbedarfs besteht. Insgesamt wichtigster Abstimmungsbedarf: Basisdienstleistungen der Natur (AG 4)--- Rolle von Natur in der Klima-Mitigation Natürliche Grundlagen zur Produktion von Holz und Biomasse (AG 6) Internationale Zusammenarbeit und Verantwortung (AG 12) Übergeordnet: Szenarieenentwicklung und Monitoring Spezifischer Abstimmungsbedarf: 1. Genetische Veränderungen: Umgang mit Risiken und Verwundbarkeit (AG 13) Natürl. Grundlagen zur Prod. von Nahrungsmitteln und genet. Ressourcen (AG 5) Internationale Zusammenarbeit und Verantwortung (AG 12) 2. Arealveränderungen und Aussterbeprozesse: Raumplanung sowie Städte- und Wohnungsbau (AG 3) Internationale Zusammenarbeit und Verantwortung (AG 12) Klimawandel und Gesundheit (AG 9) Thesenpapier für das DAS Symposium 6 Betrachtungsfeld: Naturschutz und Biologische Vielfalt (AG 11) ___________________________________________________________________________ 3. Migrationsverhalten: Raumplanung sowie Städte- und Wohnungsbau (AG 3) Natürl. Grundlagen zur Prod. von Nahrungsmitteln und genet. Ressourcen (AG 5) Verkehr und Kommunikation (AG 1) 4. Invasionen: Verkehr und Kommunikation (AG 1) Umgang mit Risiken und Verwundbarkeit (AG 13) 5. Ökosystemfunktionen und Artenkombinationen: Basisdienstleistungen der Natur (AG 4) Natürl. Grundlagen zur Prod. von Nahrungsmitteln und genet. Ressourcen (AG 5) Natürliche Grundlagen zur Produktion von Holz und Biomasse (AG 6) Schnittstelle Klimaforschung (AG 14) 6. Schutzziele: Natürliche Grundlagen zur Produktion von Holz und Biomasse (AG 6) Natürl. Grundlagen zur Prod. von Nahrungsmitteln und genet. Ressourcen (AG 5) Klimawandel-Tourismus-Naturerleben (AG 10)