Bodentiere und Bodenfruchtbarkeit Für die Entstehung und Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit sind die Bodenorganismen von größter Bedeutung. Durch ihre Tätigkeit kommt es zu einer ständigen Umgestaltung des Bodens. Sie übernehmen in einem Landökosystem zusammen mit den Mikroorganismen die Rolle der Reduzenten. Beim Abbau der organischen Substanz zerkleinern die Bodenorganismen den Bestandsabfall und vergrößern dabei dessen Oberfläche um das 1000-fache, wodurch die Enzyme der Mikroorganismen bessere Angriffsflächen finden. Bodentiere transportieren Teile des Mineralbodens und Mikroorganismen in tiefere Schichten des Bodens und beeinflussen dadurch die Abbaugeschwindigkeit. Durch Verkleben der Bodenpartikel mit Sekreten und Schleimen der Bodentiere wird der Boden stabilisiert. Regenwürmer sorgen für eine Vermischung der organischen Abbauprodukte mit den mineralischen Bestandteilen des Bodens, indem sie beides aufnehmen und in ihrem Darm zu stabilen Ton-Humus-Komplexen verbinden. Der Boden von Laubwäldern ist Lebensraum für weitaus die meisten Bodentierarten. Die Streudecke und die tief wurzelnden Bäume bieten viele Besiedlungsmöglichkeiten und reichlich organischen Abfall. Anders als im Wald wird auf Wiesen und allen anderen landwirtschaftlich genutzten Flächen dem Boden ein Großteil der Gesamtproduktion wieder entzogen. Die Bodentierwelt der Wiesen stellt daher eine verarmte Waldfauna dar; es fehlen alle holzzersetzenden Arten sowie all jene Arten, die ein größeres Hohlraumsystem im Boden brauchen, da der Boden auf landwirtschaftlichen Flächen durch die Bodenbearbeitung und den Einsatz von Maschinen verdichtet ist. Im Ackerboden ist die Artenzahl am geringsten, weil hier der menschliche Einfluss durch Bodenbearbeitung, Düngung und Pflanzenschutzmaßnahmen am intensivsten ist. Außerdem fehlt hier im Winter oft die schützende Pflanzendecke. Besonders das Pflügen ist für Bodentiere lebensbedrohend. Durch das Pflügen wird der Ackerboden bis zu einer Tiefe von 30 cm auf den Kopf gestellt. Hierdurch werden die an die obere Bodenschicht angepassten Tiere «beerdigt» und entsprechend die unten lebenden nach oben befördert. Das Bodenprofil und das ursprüngliche Hohlraumsystem werden zerstört. Der wendend arbeitende Pflug legt die Ernterückstände in einer Tiefe von 15 - 25 cm schichtenweise ab. Die so gebildeten Strohpakete verrotten sehr schlecht und führen zu folgenden negativen Auswirkungen: - Es bildet sich ein anaerobes Milieu. - Der nötige Wurzeltiefgang wird verhindert. Der kapillare Wasseraufstieg bei Trockenheit in den Saathorizont wird unterbunden. - Es kommt bei anhaltenden Regenfällen zu Staunässe, Erosion und Verschlämmung. In der Bodenfauna eines Ackers fehlen Gehäuseschnecken, Asseln und Tausendfüßler völlig. Die im Wiesenboden häufigen Hornmilben sind im Ackerboden nur spärlich vertreten. Die Springschwänze leiden besonders unter dem Pflügen, erholen sich aber in ihrem Bestand rechtschnell. Fadenwürmer, von denen viele als Parasiten an Pflanzen leben, werden nicht vom Pflügen beeinträchtigt. Wird im trockenen Spätfrühling gepflügt, sind die Verluste bei den Kleintieren durch die plötzliche Trockenheit besonders hoch. Im ökologischen Landbau wird zur Bodenbearbeitung häufig der Grubber eingesetzt. Bei diesem einfachen Gerät sind in einem Grundrahmen 2 - 4 Querreihen mit Zinken angeordnet, die den Boden nur oberflächlich lockern und keine Umkehrung der Bodenverhältnisse bewirken. Dementsprechend geringer ist die Schädigung der Bodentiere. Außerdem werden Ernterückstände etwa doppelt so gut wie beim Pflügen eingebaut, und da leichtere Traktoren beim Grubbern eingesetzt werden können, ist auch das Ausmaß der Bodenverdichtung geringer. Auch Düngung und Pflanzenschutzmaßnahmen (Pestizideinsatz) beeinträchtigen das Bodenleben und damit die Bodenfruchtbarkeit entscheidend. Ein wichtiger Schritt zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit ist daher die Extensivierung auf allen Flächen. Inwieweit das Bodenleben an einem Standort bereits gestört ist, lässt sich am Vorkommen und an der lndividuendichte bestimmter Bodentiere ablesen (vgl. Abbildungen). Vor allem Kleinarthropoden sind gute Zeigerorganismen, weil sie - sich durch hohe lndividuendichte und starke Ortstreue auszeichnen, - eng an bestimmte Habitate gebunden sind, - keine gegenüber Umwelteinwirkungen unempfindlichen Dauerstadien ausbilden, - mit bis zu vier Generationen im Jahr kurze Entwicklungszeiten haben und daher sehr schnell auf Umweltveränderungen reagieren, - gegenüber Umweltgiften unterschiedlich empfindlich sind. Unter den Bodentieren eignen sich besonders die Raubmilben als Bioindikatoren. Die Raubmilben (Abb. 2) gehören zu den Spinnentieren und besitzen 4 Beinpaare sowie 2 Mundwerkzeuge. Sie sind als Milben daran zu erkennen, dass zwischen Vorderund Hinterkörper keine Unterteilung (im Gegensatz zu den Spinnen) vorhanden ist und am Körper keine Segmentgrenzen (im Gegensatz zu den Weberknechten) zuerkennen sind. Die Größe liegt bei 0,3 - 1 mm (ohne Beine). Die Raubmilben haben eine ovale Körperform und sind braun bis bernsteinfarben. Ein gutes Merkmal sind die fast immer weiß durchschimmernden Exkretionsorgane im Hinterkörper. Der Rücken ist mit einem oder zwei Schildern bedeckt. Auf der Bauchseite lassen sich (im Mikroskop) neben den Hüften des 3. oder 4. Beinpaares Stigmen (Atemöffnungen) erkennen. Die großen scherenartigen Mundwerkzeuge sind weit vorstreckbar. Raubmilben ernähren sich räuberisch von Fadenwürmern, Wurzel- und Spinnmilben, Springschwänzen, Enchytraeiden (kleinen weißen Würmern) und Fliegenlarven. Hierdurch greifen sie regulierend in den Naturhaushalt ein. Da sich ihre Beutetiere ihrerseits sehr unterschiedlich ernähren (Erstund Folgezersetzer, Mikrophytenfresser), lässt das Vorkommen bestimmter, häufig auf einzelne Beutetiergruppen spezialisierter Raubmilben Rückschlüsse auf die Verhältnisse im Boden zu. Zudem wird die Populationsdichte der Raubmilben nicht nur vom Nahrungsangebot, sondern auch von Bodenstruktur (Porenvolumen), Feuchtigkeit, pH-Wert und Schadstoffen im Boden beeinflusst. Da diese Bedingungen durch anthropogene Einflüsse selbst auf kurzen Entfernungen variieren können, schwankt der Bestand an Raubmilben in Artenzahl und lndividuendichte erheblich. Es lassen sich deshalb anhand der Raubmilbenpopulation leicht die beiden von Herrn Thienemann aufgestellten Grundprinzipien nachvollziehen: Vielseitige Lebensbedingungen ermöglichen hohe Artendichte mit meist geringeren Individuenzahlen. Einseitige Bedingungen führen zu Artenarmut, aber die einzelnen Arten sind individuenreicher vertreten. Mit abnehmender Formenzahl wird der Stoffkreislauf in einem Lebensraum zunehmend gestört.