ASTROPHYSIK Die Planeten-Jäger Noch vor wenigen Jahren befanden sich alle der Wissenschaft bekannten Planeten innerhalb unseres eigenen Sonnensystems. Jetzt wird ein revolutionäres Forschungsprogramm unter Beteiligung österreichischer Astronomen die Entdeckung mehrerer hundert sogenannter ExoPlaneten ermöglichen Die Kenntnis von Planeten oder Wandelsternen dürfte so alt sein wie die Geschichte der Menschheit. Schon in den ältesten Schrifttafeln der Sumerer finden sich Hinweise auf die Beobachtung von Himmelsobjekten, die ihre Position in Bezug auf den Sternenhimmel verändern. Die von den Griechen stammende Bezeichnung Planet wurde zunächst für alle Objekte verwendet, die sich abgesehen von Sonne und Mond periodisch über den Himmel bewegen. Dass es sich bei diesen Lichtpunkten um eigenständige Welten wie die Erde handelt, wurde erst wesentlich später klar, aber die Zahl der ohne Teleskop beobachtbaren Planeten kannte man wahrscheinlich schon, seit die Menschen den Himmel beobachten: Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn sind die fünf hellsten Planeten unseres Sonnensystems und daher schon entsprechend lange bekannt. Sogar nach der Erfindung des Fernrohrs durch den holländischen Brillenmacher Lippershey sind noch fast 180 Jahre vergangen, bevor William Herschel Uranus, und damit den ersten „neuen“ Planeten entdeckte. 60 Jahre später wurde nach einer aufwändigen Suche der Planet Neptun gesichtet und erst im Jahr 1930 gelang das Entdeckungsfoto von Pluto, dem äußersten Planeten unseres Sonnensystems. Ab diesem Zeitpunkt waren alle großen Planeten bekannt, die wie die Erde die Sonne umkreisen, und weitere Entdeckungen gab es nur bei Kleinplaneten und den sogenannten Kuiper-Objekten, die sich weit außerhalb der Plutobahn befinden. Den Astronomen ist seit langem bewusst, dass es auch bei anderen Sternen als der Sonne Planeten geben muss, nur war die Entdeckung von solchen „ExoPlaneten“ bis vor wenigen Jahren eine technische Unmöglichkeit. Schon die unmittelbaren Nachbarsterne unserer Sonne sind mehrere tausend Mal so weit entfernt wie der schon schwer genug beobachtbare Pluto. Neben der geringen Helligkeit von Planeten, die mehrere hundert Lichtjahre entfernt sind, stellt auch der kleine Winkelabstand zu ihrem Zentralstern ein großes Beobachtungstechnisches Problem dar, weil die lichtschwachen Planeten einfach von den erheblich helleren Sternen überstrahlt werden. Aus diesem Grund setzen die Astronomen eine geschickte indirekte Methode ein, bei der nicht die Planeten selbst beobachtet werden, sondern aus den Bewegungen ihrer Zentralsterne auf sie geschlossen werden kann. TAUMELNDE STERNE Nur die wenigsten Kenntnisse über das Universum wurden durch direkte Beobachtungen mit Teleskopen gewonnen. Praktisch alles, was wir von Objekten außerhalb unseres Sonnensystems wissen, wurde über Umwege aus ihren Spektren, also dem in seine Wellenlängen aufgeteilten Licht dieser Objekte, heraus interpretiert. Obwohl man auch mit den leistungsfähigsten Teleskopen und bei stärkster Vergrößerung die Sterne nur als mehr oder weniger helle Lichtpunkte sieht, kennt man dank der Analyse ihrer Spektren zahlreiche physikalische Parameter wie Größe, Durchmesser, Temperatur, Helligkeit und sogar magnetische Eigenschaften. Aus dem Spektrum kann man auch darauf schließen, mit welcher Geschwindigkeit sich ein Stern auf uns zu oder von uns weg bewegt. Diese sogenannte Radialgeschwindigkeit zeigt sich in einer typischen Verschiebung der charakteristischen Spektrallinien eines Sterns. Bewegt sich der Stern von uns weg, wird sein Spektrum durch den Dopplereffekt in den roten Bereich verschoben (Rotverschiebung), kommt er auf uns zu, dann beobachtet man eine Blauverschiebung der Spektrallinien. Normalerweise sind diese Verschiebungen für jeden Stern konstant, da sich seine Geschwindigkeit nicht verändert. Gibt es aber in der Umgebung des Sterns einen Planeten, dann dreht sich das System Stern-Planet um den gemeinsamen Schwerpunkt, wodurch der Stern eine leichte Taumelbewegung ausführt und daher auch seine Radialgeschwindigkeit minimalen Schwankungen unterworfen ist. Dieses Taumeln kann man allerdings nur mit sehr großen Telekopen und extrem aufwändigen Messsystemen feststellen, weshalb es erst im Jahr 1995 zum ersten Mal gelungen ist, mit dieser Methode einen Planeten außerhalb unseres Sonnensystems zu entdecken. NADELN IM HEUHAUFEN Bis jetzt wurden auf diese Art immerhin 68 Exo-Planeten entdeckt. Zusätzlich kennt man von diesen Planeten den Durchmesser, den Abstand von ihrem Zentralstern und die Masse. Die meisten der bisher entdeckten Planeten ähneln durch ihre Masse eher dem Jupiter als der vergleichsweise sehr kleinen Erde. Große Planeten bewirken eine stärkere Taumelbewegung ihres Zentralsterns als kleine und können daher durch die begrenzte Messgenauigkeit der verwendeten Instrumente leichter entdeckt werden. Obwohl der mittlerweile sehr gut verstandene Prozess der Planetenentstehung darauf schließen lässt, dass wenigstens 5% aller Sterne über ein Planetensystem verfügen, kann man mit der aktuellen Messgenauigkeit nur einen winzigen Bruchteil davon entdecken. Den Astronomen bleibt daher nichts anderes übrig als bei möglichst vielen Sternen ihr Glück zu versuchen und auf ausreichend starke Taumeleffekte zu hoffen. So stellte sich die Situation zumindest bis zur Initiierung des COROTProgramms dar. MINI-SONNENFINSTERNISSE Spätestens seit dem August 1999 ist auch in Österreich allgemein bekannt, wie es zu Sonnenfinsternissen kommt: Der Neumond verdeckt auf seiner Bahn um die Erde die Sonnenscheibe und bewirkt dadurch auf einem schmalen Streifen der Erdoberfläche für einige Minuten nahezu völlige Dunkelheit. Wenn ein Exo-Planet auf der Bahn um seinen Zentralstern von der Erde aus gesehen vor dem Stern vorbeizieht, gibt es dementsprechend eine Sternfinsternis. Anders als bei Sonne und Mond sind der Stern und der Exo-Planet praktisch gleich weit von der Erde entfernt und da planeten wesentlich kleiner als Sterne sind, ist eine vollständige Verfinsterung ausgeschlossen. Im Gegenteil: während einer solchen Sternfinsternis nimmt die Helligkeit des Sterns um höchstens 1% ab und bei Exo-Planeten, die so groß wie die Erde sind, würde der Helligkeitsverlust sogar nur bei 0,01% liegen. Trotzdem kann man diesen Effekt zur Entdeckung von Planeten verwenden. Man muss nichts anderes tun, als die Helligkeit von möglichst vielen Sternen über einen längeren Zeitraum zu überwachen. Wie bei der „Taumel-Methode“ braucht man dazu eine sehr hohe Messgenauigkeit, weil Sterne ihre Helligkeit leider auch aus anderen Gründen verändern können und es dadurch leicht zu Fehlinterpretationen kommt. AUTOMATISIERTE PLANETENSUCHE Die Europäische Raumfahrtbehörde ESA stellt daher einen Astronomie-Satelliten bereit, der die für die Entdeckung von Exo-Planeten notwendige Messgenauigekit erreicht und ab dem Herbst 2004 eine sehr große Zahl von Sternen untersuchen wird. Der Satellit wurde nach dem mit ihm verbundenen Forschungsprojekt COROT (Convection, Rotation and planetary Transits) benannt und wird mit seinen Instrumenten voraussichtlich mehrere hundert bisher unbekannte Exo-Planeten entdecken und Daten über ihre Masse und die Entfernung zu den jeweiligen Zentralsternen liefern. Der Satellit hat zu diesem Zweck ein Spiegelteleskop an Bord, mit dem hochauflösende und extrem präzise messende CCD-Kameras zahlreiche Sterne gleichzeitig beobachten können. Jeder beobachtete Stern wird fünf Monate lang überwacht, woraus sich statistisch gute Chancen ergeben, sehr viele durch Exo-Planeten verursachte Helligkeitsabfälle zu messen. Die kleinsten mit COROT entdeckbaren Planeten sind etwa doppelt so groß wie die Erde, wodurch unter den neu entdeckten Exo-Planeten auch solche sein können, auf denen die Entwicklung von Leben möglich ist. Für die unmittelbare Entdeckung extraterrestrischen Lebens ist die Messgenauigkeit von COROT allerdings zu gering. Die ESA plant daher schon jetzt die Folgemissionen EDDIGTON und DARWIN, mit denen noch wesentlich kleinere und weiter entfernte Planeten entdeckt und zum Teil genau untersucht werden können. STERNBEBEN Die mit COROT gewonnenen Daten dienen nicht nur der Entdeckung neuer Planeten, sondern werden gleichzeitig für Beobachtungen aus dem Bereich der sogenannten Asteroseismologie, die zur Hälfte an dem Projekt beteiligt ist, verwendet. Die Asteroseismologie beschäftigt sich mit Sternbeben – der stellaren Entsprechung von Erdbeben – mit deren Hilfe man ähnlich wie bei einer Erdölsuche mit Probesprengungen auf den inneren Aufbau der untersuchten Sterne schließen kann. Diese Untersuchungen sind deshalb so interessant, weil alles, was man mit herkömmlichen Methoden bei Sternen beobachten kann, aus einer nur wenige hundert Kilometer dicken Schicht, der sogenannten Photosphäre, stammt. Bedenkt man, dass Sterne mehrere Millionen Kilometer groß sind, wird verständlich, dass die Astrophysiker gerne weiter in das Innere der Sterne blicken würden. Mit Hilfe der Asteroseismolgie und den Instrumenten von COROT wird man erstmals eine große Zahl von Sternen durchleuchten können und auf diese Art die dort ablaufenden Vorgänge wesentlich besser verstehen als bisher. ENGE BETEILIGUNG ÖSTERREICHS Als ESA-Mitglied ist Österreich unmittelbar an der Vorbereitung und Durchführung des COROTProgramms beteiligt. Österreichische Astronomen konstruieren gemeinsam mit dem Grazer Institut für Weltraumforschung wesentliche Teile der Satellitenelektronik und spielen eine wichtige Rolle bei der Auswahl der zu beobachtenden Sterne. Die Analyse des gewonnenen Datenmaterials wird zu einem Gutteil am Wiener Institut für Astronomie erfolgen. AUSSERIRDISCHES LEBEN? Obwohl sicher ist, dass mit Projekten wie COROT schon in naher Zukunft sehr viele Planeten bei anderen Sternen entdeckt werden, ist der Nachweis von Leben auf diesen Planeten ungleich schwieriger. Dabei ist zu bedenken, dass die Planeten zunächst nur indirekt beobachtbar sind und durch ihre enormen Entfernungen nicht wie der Mars oder Jupiter direkt fotografiert werden können. Die Astronomen müssen sich daher zunächst auf Berechnungen beschränken, die aus der Größe, der Bahn um den Zentralstern sowie der Temperatur an der Oberfläche eine Wahrscheinlichkeit für die Entstehung von Leben ableiten. Planeten mit einer hohen „Lebens-Wahrscheinlichkeit“ können dann mit besser ausgerüsteten Satelliten gezielt untersucht werden. Bis dahin dürfen sich die Astronomen immerhin über etwas freuen, wovon William Herschel, der Entdecker des Planeten Uranus, nur träumen konnte; und zwar in jeder Woche ein paar neue Planeten entdecken zu können. Infos zu COROT gibt es im Internet unter: http://www.astrsp-mrs.fr/projets/corot/