Exzerpt zum Thema: Einstimmen in die Möglichkeiten des Singens Exzerpierdatum: 08 November 2005 Quelle: Andreas Mohr - Vortrag beim XI. Kongress des Bundesverbandes Deutscher Gesangspädagogen von 9. bis 11. April 1999 in Freiburg i. Br. Das Ziel dieses Vortrages ist, aufzuzeigen, was bei der Entwicklung der Stimme eines Kindes falsch läuft und welche Änderungen dringend notwendig sind, ansonsten wird es bald keine Sänger mehr geben. Es wird aufgezeigt, wie sich dieses Organ in den ersten Lebensjahren entwickelt und wie Kinder das umgehen damit erlernen, welche Fähigkeiten sie mit diesem Organ besitzen und wodurch sie gehindert werden können, diese Fähigkeiten zu behalten oder zu fördern. (Zitat) 1. STIMMENTWICKLUNG IN DEN ERSTEN DREI LEBENSJAHREN Der Geburtsschrei stellt bereits die erste stimmliche Erfahrung für ein Neugeborenes dar, indem der Totalverschluss der Stimmfalten gelöst wird. a) vorsprachliche Stimmentwicklung Im Säuglingsalter führen verschiedene Lautäußerungen dazu, dass sich die Klanglichkeit der Stimme bildet. Bereits im 1. Lebensjahr ist das Kind unbewusst dazu fähig, sein Stimmorgan in vollem Maße zu nutzen. Es kann bereits weiche, harte, hohe, tiefe, dunkle, helle, … Töne von sich geben. Durch den Klang der Stimme kann ein Baby einer Bezugsperson Auskunft über sein momentanes Befinden geben. Das sind die ersten Erfahrungen mit dem Organ. Dazu steht schon die gesamte Klangpalette zur Verfügung. b) Sprachentwicklung Wenn das Kind das erste Lebensjahr vollendet hat zeigt es ein besonderes Interesse an Sprachmelodien. Kinder imitieren nicht die Frequenz, sondern das Spannungsgefüge. Das heißt, dass es in diesem Bereich nicht von Bedeutung ist, ob die Bezugsperson männlich, oder weiblich ist. c) Entwicklung gesungener Töne Kleinkinder versuchen Töne gleichmäßiger zu gestalten. Vorher waren die Töne abrupt auf- und absteigend. Nun halten die Kinder längere gleich bleibende Melodien aus und das Interesse für Melodienverläufe steigt. Besonders erfreut ist ein Kind über hohe, laute und lang ausgehaltene Töne. Meine Meinung: Spannend finde ich, dass sich Kinder nach dem Spannungsgefüge und nicht nach der Frequenz orientieren und ihre eigene Stimme entwickelt. Ich finde, dies ist ein faszinierendes Phänomen, das ich unbedingt bei Säuglingen und Kleinkindern beobachten möchte. Ich nehme mir vor, dass ich nach dem Durcharbeiten von diesem Artikel aufmerksamer sein werde und beobachte, wie sich bei meinem Cousin (3 Monate alt) die Stimme entwickelt. 2. UMFANG DER KINDERSTIMME In der Vergangenheit ist der Stimmumfang unbefriedigend erforscht worden. Wenn Kinder ihre Stimme unbehindert entwickeln können, werden sie in ihrem weiteren Leben auch Freude am Singen haben und es irgendwann selber weitergeben. Gebetsroither Melanie V1-C1 Seite 1 von 4 In unserer Zeit ist aber leider ein Mangel an Stimmtraining festzustellen! In der Jugendzeit wird das Singen nicht allzu viel fehlen. Aber im Erwachsenenalter stellen viele Menschen fest, dass sie gerne singen würden, wenn sie es nur könnten. Leider lässt sich dieser Wunsch als Erwachsener schwer erfüllen, weil man fehlende Stimmbildung in den Kinderjahren kaum aufholen kann. Meine Meinung: Für Kinder ist hauptsächlich die Unterstützung von Eltern und Pädagogen enorm wichtig. Unter Stimmtraining verstehe ich persönlich, dass man Kinder mit allen nur möglichen didaktischen Methoden unterstützen soll. Je mehr verschiedene Ansätze, desto besser. Deshalb finde ich es für mich nur von Vorteil, dass wir unter anderem 10 Methoden der Liedervermittlung lernen. In einer Musikstunde haben wir auch gelernt, dass eine andere Möglichkeit wäre, dass Kinder einfache Melodien auf gewissen Instrumenten dem Gehör nach spielen. Wenn ich an meine VS-Zeit zurückdenke, dann erinnere ich mich, dass wir die Lieder nur durch Nachsingen gelernt haben. Genau nach dem Motto: ‚Irgendwann werden sie’s schon können!’ 3. HINDERUNGEN Beim Sprechen lernen von Kindern sind Erwachsene bereit, ihnen ihre Stimme ausprobieren zu lassen. Anders ist das allerdings beim Singen lernen. Leider werden Kinder oftmals ermahnt, dass sie doch nicht so laut/schrill/hoch… singen sollen. Resultierend werden Kinder daran gehindert, ihren gesamten Stimmumfang auszuprobieren und auch zu trainieren Defizit entsteht! Ein weiteres Hindernis für die stimmliche Entwicklung des Kindes ist, wenn im Elternhaus nicht musiziert und gesungen wird. Diese Kinder werden musikalisch nicht gefördert. Problem: Schon beim Eintritt in den Kindergarten gibt es enorme musikalische Unterschiede. Man kann die Kinder in 3 Gruppen einteilen: 1. Diese Kinder konnten ihre Stimme trainieren und erproben und sind bestens gerüstet für die Weiterentwicklung von Gehör und Stimme. 2. Diese Kinder konnten ihre Stimme auch trainieren und erproben. Leider haben sie keine Erfahrungen gemacht, wofür man die Stimme gebrauchen kann. Bereits jetzt weist das Zusammenspiel Gehör-Stimme Defizite auf. 3. Diese Gruppe hat es am schlechtesten erwischt. Ihre Stimme reicht nur mehr bis zur Sprechstimme. Sie haben keine Erfahrung mit gesungenen Tönen. Die zweite Gruppe wird sich relativ rasch erholen. Die dritte Gruppe allerdings hat einen immensen Nachholbedarf. Diese ist nicht genug gefördert worden. Besonders wichtig für die Stimmbildung der Kinder wäre: Zuhören, Nachahmen, Mitmachen und vor allem Experimentieren. Meine Meinung: Ich habe das Glück, dass ich aus einem musikalischen Elternhaus stamme. Vor allem meine Mutter ist eine sehr gute Sängerin. Sie hat mit uns Kindern immer gesungen, wenn es nur irgendwie möglich war. Ich erinnere mich noch an einige volkstümliche Lieder, die mir besonders gefallen haben: ‚Schön ist es auf der Welt zu sein’; ’Häns’chen Klein’, ‚Vogelhochzeit’… und viele mehr. Außerdem durfte ich schon in der Volksschule Blockflötenunterricht besuchen und habe auch schon in dieser Zeit im Kinderchor mitgesungen. Für diese Förderung und Unterstützung meiner Musikalität bin ich meinen Eltern sehr dankbar. Gebetsroither Melanie V1-C1 Seite 2 von 4 An diesen Beispielen von Andreas Mohr kann man gut erkennen, dass das Bewusstsein von Eltern geweckt werden muss, denn sie legen die Basis für die Musikalität ihrer Kinder. Bewusstseinsstärkung ist also unbedingt notwendig. a) Kindergarten Hier gibt es verschiedene Gruppen: in der Ersten wird sehr viel gesungen in der Zweiten wird gar nicht, oder fast gar nicht gesungen und in der Dritten wird nur in tiefer Lage gesungen, weil ErzieherInnen nur tief singen können, oder aus Bequemlichkeit so singen, oder weil sie unkompetent im Singen sind, oder weil die Gitarre zum tieferen Singen animiert. Das Schlimme daran ist, das Kinder dann nur ein Drittel ihres Gesamtstimmumfangs nützen und die hohen Töne häufig auch in der Volksschule nicht mehr trainiert werden. Eine Möglichkeit zur Verbesserung dieser Situation wäre es, dass die ErzieherInnen mit anderen Instrumenten zB: Blockflöte, die Kinder beim Singen begleiten. b) Bruststimmiges Singen Wenn ein Kind zwischen dem 2ten und 6ten Lebensjahr hauptsächlich laut und tief singen musste, hat es bis zur Grundschule nur mehr einen eingeschränkten Stimmumfang. Resultat: Es besteht die Meinung, dass Kinder nicht hoch singen können! Das führt dazu, dass die Kinder die Fähigkeit hoch zu Singen bald komplett verlieren. c) Falsche Vorbilder, schlechte Beispiele Das Mitsingen in der Kirche, oder zu einer CD stellt ein weiteres Problem dar, denn auch hier wird meist zu tief gesungen. Vorbilder sind enorm wichtig für die Entwicklung der kindlichen Stimme. In früheren Jahren waren diese „Idole“ häufig die Eltern, Großeltern, oder Geschwister. Heute ist es leider so, dass aufgrund des Zeitmangels, die Kinder zu Popidolen aus den Medien greifen müssen. Deshalb dienen diese heute meistens als Vorbilder. Das führt dazu, dass die volkstümlichen Lieder von aggressiven Klangbildern abgelöst werden führt wiederum zu harter Stimmgebung. Meine Meinung: Es ist wirklich ein Teufelskreis: wenn immer zu tief gesungen wird, werden die Kinder bald gar nicht mehr die hohen Tonlagen erreichen und später an nächste Generationen weitergeben können. Ich hoffe, ich kann in meiner zukünftigen Arbeit mit Kindern und bei meinen eigenen Kindern Gegenmaßnahmen setzen, die zur Verbesserung dieser Situation beitragen. Auf jeden Fall werde ich auf traditionelle Lieder setzen und in jeder Stimmlage singen trainiere bereits in Stimmbildung! 4. WAS IST ZU TUN? Ein Lichtblick aus dieser Misere könnte sein, dass Singen „wieder in Mode“ kommt. Kinder dürfen keinesfalls in ihrer Stimmentwicklung eingeengt werden. Weder auf der tiefen, noch auf der hohen Lage. Außerdem muss bei der Ausbildung und Bewusstseinsbildung der ErzieherInnen und Grundschullehrerinnen angesetzt werden, damit Singen wieder zur „eigentlichen Muttersprache des Menschen“ wird. (Zitat: Lora Auerbach). Meine Meinung: Ich habe in diesem Artikel so viel Interessantes und Nützliches für meine Zukunft als Pädagogin erfahren. Hoffentlich werde ich die stimmliche Entwicklung der Kinder positiv beeinflussen können und keine schweren Fehler begehen. 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