Abbildung 2

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Mechanische und energetische Aspekte der menschlichen
Lokomotion
Knüsel Heidi, Literaturarbeit in der Biomechanik, 2003
1. Einleitung
In der Tierwelt können unterschiedliche Lokomotionsformen beobachtet werden.
Fische gleiten im Wasser, Vögel schweben in der Luft und auf dem Land lebende
Säugetiere benützen Beine, um sich in der Umwelt zu bewegen. Eine vierbeinige wie
auch zweibeinige Lokomotionsform ist in dem Sinne vorteilhaft, da sich das Lebewesen
auf unterschiedlichst geformten Terrain fortbewegen kann. Der Nachteil liegt im relativ
hohen Energieverbrauch, da die Geschwindigkeit des Fusses bei jedem Schritt auf null
abfällt (Saibene und Minetti 2003).
Der Mensch bedient sich zwei verschiedenen Lokomotionsformen. Bei niedrigen
Geschwindigkeiten geht er, bei hohen Geschwindigkeiten rennt er. Beim Gehen
befindet sich zu jedem Zeitpunkt mindestens ein Fuss am Boden, währenddem
Rennen durch eine Flugphase charakterisiert ist, bei welcher beide Füsse den Kontakt
zum Boden verlieren.
Ziel dieser Übersichtsarbeit ist es, die zwei zentralen Fortbewegungsarten gehen und
rennen mechanisch und energetisch durch Zuhilfenahme von einfachen Modellen und
experimentellen Daten zu beschreiben. Es wird auf die Übergangsgeschwindigkeit
zwischen dem Gehen und Rennen eingegangen und diskutiert, welche Faktoren diese
Geschwindigkeit beeinflussen. Aspekte der mechanischen Betrachtungsweise spielen
eine zentrale Rolle zur Beschreibung der energetischen Kosten und somit bei der Wahl
der Gangart. Ziel der menschlichen Lokomotion ist es, bei einer gegebenen
Geschwindigkeit die Gangart so zu wählen, dass die metabolischen Kosten minimiert
werden (Minetti und Alexander 1997).
1
2. Literaturzusammenfassung
2.1 Die menschliche Lokomotion
Das Ziel jeglicher Lokomotion ist die Fortbewegung im Raum, wodurch der
Körperschwerpunkt (KSP) und die Gliedmassen Beschleunigungen ausgesetzt sind.
Diese
Beschleunigungen
werden
durch
Muskelkräfte
erzeugt.
Der
aktive
Bewegungsapparat generiert demzufolge die notwendige Kraft, um erstens die eigene
Masse zu tragen und um zweitens diese Masse im Raum zu bewegen (in Enoka 2002).
Die Gangarten gehen und rennen können durch zwei wichtige Grössen unterschieden
werden (in Enoka 2002): Durch den Duty-Faktor1 oder durch die Form der vertikalen
Komponente der Bodenreaktionskraft. Beim Gehen beträgt der Duty-Faktor ungefähr
0.6, so dass die Standphase in einem Gangzyklus eines Beines 60%, die
Schwungphase desselben Beines 40% beträgt. Beim Rennen beträgt der Duty-Faktor
ungefähr 30%. Die relative und absolute Standphase ist beim Rennen somit deutlich
kürzer
als
beim
Gehen
(in
Enoka
2002).
Die
vertikale
Komponente
der
Bodenreaktionskraft unterscheidet sich durch eine zweigipflige Form beim Gehen und
eine eingipflige Form beim Rennen.
2.2 Mechanische Modelle vom Gehen und Rennen
Gehen wird klassisch durch das Inverse-Pendel Modell beschrieben (Margaria 1976).
Als Vereinfachung zur Realität wird bei diesem Modell das Standbein steif gehalten,
wodurch das Kniegelenk vollständig gestreckt bleibt. Die KSP-Bewegung folgt einem
Kreisbogen, währenddem das Bein um das Fussgelenk rotiert (Abbildung 1).
Abbildung 1
Das Inverse-Pendel Modell des Gehens basiert auf der
Annahme, dass das Standbein mit der Beinlänge
gestreckt bleibt. Der KSP bewegt sich mit einer
Geschwindigkeit v auf dem Kreisbogen und erfährt eine
totale Beschleunigung a, welche ins Kreiszentrum (zum
Fuss) hinein zeigt.
Die maximale Gehgeschwindigkeit kann an diesem Modell leicht berechnet werden (in
Enoka 2002): Die Zentripetalkraft darf nicht grösser als die Gewichtskraft sein, damit
1
Der Duty-Faktor (McMahon 1984) ist definiert als die Zeit eines ganzen Gangzyklus, bei
welchem ein Fuss mit dem Boden in Kontakt steht. Die Länge des Gangzyklus ist durch die
Distanz zwischen zwei Fersenauftritten desselben Fusses bestimmt.
2
der Fuss mit dem Boden in Kontakt bleibt. Folgende Gleichung kann dadurch
aufgestellt werden:
mv 2
 mg
l
v  gl
Daraus folgt:
Durch Division dieser Kräfte erhält man die dimensionslose Froude Nummer (Kram et
al. 1997):
FroudeNummer 
v2
gl
Bei einer Froude Nummer grösser als 1 ist Gehen im dynamischen und kinematischen
Sinn nicht mehr möglich. Für eine Beinlänge von 0.9 m berechnet sich eine maximale
Gehgeschwindigkeit von ~3 m/s. Ausserdem wird durch obige Gleichung ersichtlich,
weshalb Erwachsene mit langen Beinen schneller gehen können als Kinder mit kurzen
Beinen.
Das Inverse-Pendel Modell beschreibt das Gehen auf elementarer und funktioneller
Ebene, ohne aber die Komplexität des Gehens vollständig zu erfassen. Bei genauerer
Betrachtung
des
menschlichen
Gehens
können
folgende
wichtige
Punkte
hervorgehoben werden: Gehen ist durch eine Phase im Gangzyklus gekennzeichnet,
bei welcher beide Beine den Boden berühren. Der Kreisbogen, auf dem der KSP
verläuft, wird in Realität durch eine Rotation und seitliche Abkippung des Beckens wie
auch durch eine leichte Biegung des Standbeines abgeflacht. Um den Verlauf des
Körperschwerpunktes am Übergang zur Schwungphase zu glätten, kann im
Fussgelenk eine Plantarflexion beobachtet werden, welche vor allem am Ende der
Standphase erfolgt. Beim Gehen wird der KSP immer in Richtung des Standbeines
bewegt, wodurch das Becken eine seitliche Verschiebung in der transversalen Ebene
erfährt. Diese Bewegung erfolgt mit der halben Frequenz der KSP-Bewegung in der
sagitalen Ebene (McMahon 1984). Ferner ist zu beachten, dass das Bein im InversePendel Modell masselos ist. Die Körpermasse ist im Schwerpunkt zentriert. In Realität
hat das Bein aber eine Masse, welche sich über die ganze Beinlänge verteilt.
Annähernd kann das Bein als eine Kette von drei Segmenten verstanden werden,
welche je eine Teilmasse und einen Teilkörperschwerpunkt besitzen. Werden einige
oben erwähnter Faktoren in die Modellierung mit einbezogen, so erhaltet man
komplexere Modelle, auf welche hier nicht weiter eingegangen wird.
3
Rennen und Hüpfen sind Lokomotionsformen, welche durch dasselbe Modell
beschrieben werden können. Man kann sich einen springenden Ball vorstellen, der
zurückspringt, sobald man ihn auf den Boden geworfen hat. Diese Eigenschaft kann
durch das Masse-Feder Modell beschrieben werden (Blickhan 1989). Das Modell
besteht aus einer Masse, welche den KSP repräsentiert und einer masselosen Feder
(Abbildung 2).
Abbildung 2
Das Masse-Feder Modell besteht aus der Masse des
Körperschwerpunktes (KSP), einer masselosen Feder
mit der Federkonstanten k, dem Anstellwinkel αo und
der vertikalen Körperschwerpunktsverschiebung y.
Während der ersten Hälfte der Standphase wird die Feder zusammengepresst,
wodurch elastische Energie gespeichert wird. Diese Energie wird in der zweiten Hälfte
der Standphase freigesetzt. Dadurch wird der KSP nach oben beschleunigt.
Die Beinsteifigkeit beim Rennen, im Modell durch die Federkonstante dargestellt, kann
durch die Muskelaktivität und die Beingeometrie beim Fersenauftritt verändert werden.
Die Grösse der Beinsteifigkeit bestimmt die Dauer der Standphase und die vertikale
Körperschwerpunktsverschiebung
während
der
Standphase.
Diese
Variabilität
ermöglicht es, bei einer bestimmten Geschwindigkeit verschiedene Schrittfrequenzen
und Schrittlängen zu benutzen (in Enoka 2002). Die horizontale Geschwindigkeit ist
durch das Produkt der Länge eines Gangzyklus mal die Schrittfrequenz2 gegeben.
Die Beinsteifigkeit kann durch Anwendung von Gesetzen der Geometrie, der
Trigonometrie und durch die Verwendung von experimentellen Daten einfach
berechnet werden (in Enoka 2002):
k Bein 
Fz (max)
l
mit Fz(max) als die grösste Amplitude der vertikalen Komponente der Bodenreaktionskraft
und l als die Längenveränderung des Beines vom Fersenauftritt bis zur Mitte der
Standphase.
Die Stabilität3 des Masse-Feder Modells kann erhöht werden, indem der Anstellwinkel
αo, die Beinsteifigkeit k und die Renngeschwindigkeit aneinander angepasst werden
(Seyfarth et al. 2002). Wird die Beinsteifigkeit zum Beispiel zu hoch gewählt, so
schaukelt sich das System auf. Wird sie andererseits zu niedrig gewählt, so fällt das
2
Die Schrittfrequenz ist in diesem Fall auf die Frequenz eines Beines bezogen.
Die Stabilität des Systems wurde durch die Anzahl Schritte, welche das Modell ausführen
kann, bestimmt.
3
4
Masse-Feder Modell hin. Die Stabilität des Modells kann ferner erhöht werden, indem
vor dem Fersenauftritt das Schwungbein nach unten gedreht wird (Seyfarth et al.
2003).
2.3 Energetische Betrachtungen (Saibene und Minetti 2003)
Bezüglich
des
Körperschwerpunktes
können
drei
fundamentale
Energien
unterschieden werden: Potentielle Energie (PE, mgh), kinetische Energie (KE,
0.5mv2) und elastische Energie (EL), wobei letztere vor allem beim Rennen zu
beachten gilt. Durch Messung der Bodenreaktionskraft können PE und KE mittels
Integration berechnet werden. Die Energie in vertikaler Richtung setzt sich aus PE und
KE zusammen: Ev = mgh + 0.5mvy2, mit vy als die vertikale Komponente der
Geschwindigkeit v. Die Energie in horizontaler Richtung (Eh) ist nur durch KE bestimmt:
Eh = 0.5mvx2, mit vx als die horizontale Komponente der Geschwindigkeit. Bildet man
die Summe von Ev und Eh, so erhält man die totale Energie (TE) bezüglich des
Körperschwerpunktes:
TE  PE  KE
Beim Gehen kommen Ev und Eh in entgegengesetzter Phase vor (Abbildung 3, nach
Cavagna et al. 1976): Ev ist maximal ungefähr in der Mitte der Schwungphase, Eh in
der Mitte der beidbeinigen Stützphase. Addiert man diese beiden Energien wie oben
erwähnt zur totalen Energie zusammen, so stellt man fest, dass beim Gehen TE nur
kleinen Schwankungen unterworfen ist, da Ev und Eh in entgegengesetzter Phase
vorkommen. Das heisst, dass während dem Gehen die vertikale Energie Ev zu einem
grossen Teil in kinetische Energie Eh umgewandelt wird.
Abbildung 3
Schematische
Darstellung
der
Energieschwankungen beim Gehen: Der breite
Pfeil repräsentiert den rechten, der dünne Pfeil den
linken
Fuss.
TD
steht
für
Touch-Down
(Fersenauftritt), TO für Take-Off (Abstoss), Ev und
Eh für die Summe der Energien bezüglich der
vertikalen, respektive der horizontalen Richtung
und TE für die Summe von Ev und Eh.
Im Idealfall des Inversen-Pendel Modells stimmen Form und Amplitude von Ev und Eh
genau überein – kommen aber in entgegengesetzter Phase vor. Das heisst, dass das
5
System ohne Zufuhr von externer Arbeit in Bewegung bleibt. Die prozentuale Erholung
beträgt in diesem Fall 100% und ist wie folgt definiert:
Erholung (%)  100 
Wh  Wv  Wext
Wh  Wv
mit W v 4 und W h als Summe der einzelnen Zunahmen von Ev, respektive Eh über einen
Gangzyklus. W ext ist die Arbeit, die vom System tatsächlich erzeugt werden muss,
damit das System in Bewegung bleibt und ist folgendermassen definiert:
Wext  TE
Wext ist also die Arbeit, welche den KSP beschleunigt, um die Schwankungen von TE
auszugleichen. Die Grösse von W ext hängt demzufolge vom Zusammenspiel zwischen
PE, KE und EL ab. Es sollte darauf hingewiesen werden, dass neben der externen
Arbeit auch eine interne Arbeit W int existiert, welche die Gliedmassen relativ zum KSP
bewegt. Die totale Arbeit ist als die Summe der externen und internen Arbeit definiert.
Da W ext eine verlässliche Schätzung für die mechanische Arbeit der Muskeln ist, wird
zur Vereinfachung W int unterlassen. Die Muskeln müssen also die minimale
mechanische Arbeit erzeugen, welche vom System gebraucht wird, damit die
Energieschwankungen von TE ausgeglichen werden, wodurch die mechanischen und
metabolischen Aspekte miteinander in Verbindung gebracht worden sind. Die
metabolische Arbeit wird durch die Menge des Sauerstoffverbrauchs bestimmt.
Gehen ist energetisch günstig, da Ev und Eh in entgegengesetzter Phase vorkommen
und besitzt einen prozentualen Erholungswert von bis zu 60%!
Im Gegensatz dazu findet man beim Rennen prozentuale Erholungswerte, die unter
5% liegen. Ein Energietransfer zwischen PE und KE beim Gehen findet beim Rennen
somit nicht statt. Der Grund liegt bei Ev und Eh, welche diesmal in Phase vorkommen
(Abbildung 4, nach Cavagna et al. 1976). Die vertikale Energie ist grossen
Schwankungen unterworfen und hat ihre maximalen Werte in der Mitte der
Schwungphase, weil sich der KSP zu diesem Zeitpunkt im höchsten Punkt der
Flugparabel befindet. Die horizontale Energie ist nur kleinen Schwankungen
unterworfen und hat ihre Maxima auch in der Mitte der Schwungphase. Daraus
resultiert eine totale Energie, welche während eines Gangzyklus beim Rennen grossen
Schwankungen ausgesetzt ist.
4
W steht für englisch work.
6
Abbildung 4
Schematische
Darstellung
der
Energieschwankungen beim Rennen: Der breite
Pfeil repräsentiert den rechten, der dünne Pfeil den
linken
Fuss.
TD
steht
für
Touch-Down
(Fersenauftritt), TO für Take-Off (Abstoss), Ev und
Eh für die Summe der Energien bezüglich der
vertikalen, respektiven horizontalen Richtung und
TE für die Summe von Ev und Eh.
Im Masse-Feder Modell wird diese Energie in der ersten Hälfte der Standphase als
Federenergie gespeichert, um die Energie in der zweiten Hälfte wieder abzugeben. In
einem solch idealen System ist keine externe Arbeit nötig, um das Modell am Rennen
zu halten. Dem ist aber nicht so in Realität. Wie schon erwähnt, beträgt die prozentuale
Erholung beim Rennen weniger als 5%. Das heisst, dass zwischen PE und KE
praktisch kein Energieaustausch stattfindet. Die TE-Schwankungen müssen somit
durch Muskelarbeit kompensiert werden. Die Arbeit, die die Muskeln tatsächlich leisten
müssen, fällt aber geringer aus als die berechnete externe Arbeit. Dem ist so, weil EL
bei der Berechnung von W ext nicht berücksichtigt werden kann.
Es scheint, dass die Minimierung der metabolischen Kosten (Emetab) die Wahl der
Gangart bestimmt (Minetti und Alexander 1997) und nicht wie früher gedacht die
mechanische Arbeit der Muskeln. Dies deshalb, weil metabolische Energie bei jeder
Muskelaktivierung gebraucht wird, egal ob sich der Muskel verkürzt oder nicht, ob der
Muskel Arbeit leistet oder nicht (Minetti und Alexander 1997).
Um die Lokomotion bei verschiedenen Tierarten zu beschreiben, wurde der Begriff
Transportkosten eingeführt und ist wie folgt definiert:
C
E metab
E
 metab
t  v  mg s  mg
mit Emetab/t als die metabolische Leistung, v als die Geschwindigkeit in horizontaler
Richtung, mg als das Gewicht der Person und s als die zurückgelegte Strecke. C ist
dimensionslos und kann als das Reziproke der Effizienz betrachtet werden.
Wie Abbildung 5 verdeutlicht, fallen die Transportkosten für das Gehen bis zur
Übergangsgeschwindigkeit im Vergleich zum Rennen tiefer aus. Beim Gehen kann die
Transportkosten-Geschwindigkeits-Kurve als eine quadratische Funktion beschrieben
7
werden. Demzufolge existiert eine optimale Gehgeschwindigkeit (Froude Nummer von
0.25), bei welcher die Transportkosten am tiefsten gehalten werden. Bei der optimalen
Gehgeschwindigkeit wird pro zurückgelegte Distanz am wenigsten metabolische
Energie gebraucht, weshalb diese Geschwindigkeit am energetisch günstigsten ist.
Beim Rennen sieht der Kurvenverlauf anders aus: Die Transportkosten sind
näherungsweise unabhängig von der Geschwindigkeit gleich gross. Die notwendige
chemische Energie steigt beim Rennen also linear mit der Geschwindigkeit an, so dass
die verbrauchte Energie pro zurückgelegte Strecke konstant bleibt.
Abbildung 5
Transportkosten
als
Geschwindigkeit:
Funktion
Vor
der
der
idealen
Übergangsgeschwindigkeit vo = 2.2 m/s
(Minetti und Alexander 1997) ist Gehen
(dünne
Linie)
energetisch
günstiger
als
Rennen (breite Linie).
Um die metabolischen Kosten bei einer bestimmten Geschwindigkeit möglichst gering
zu halten, haben sich drei Faktoren als zentrale Stellgrössen herausgestellt (Saibene
und Minetti 2003): Die Schrittfrequenz (und somit auch die Schrittlänge), der DutyFaktor und die Form der Bodenreaktionskraft. Die berechneten, optimalen Werte der
drei Parameter entsprechen denjenigen Werten, welche wir beim Gehen und Rennen
spontan wählen. Zum Beispiel wird bei einer zu hohen Schrittfrequenz die interne
Arbeit zur Bewegung der Gliedmassen erhöht.
2.4 Beeinflussende Faktoren der Übergangsgeschwindigkeit
Bei einer bestimmten horizontalen Geschwindigkeit wird die Gangart gewechselt. Wie
beim
Inversen-Pendel
Modell
erwähnt,
bestimmen
die
Gravitations-
und
Zentripetalkraft die Übergangsgeschwindigkeit vom Gehen zum Rennen. Es konnte
experimentell gezeigt werden, dass bei einer Froude Nummer von ~0.5 vom Gehen
zum
Rennen
gewechselt
wird
(Saibene
und
Minetti
2003).
Die
Übergangsgeschwindigkeit ist demzufolge von der Beinlänge des Individuums wie von
der Grösse der Fallbeschleunigung abhängig. Auf der Erde mit einer konstanten
Fallbeschleunigung von 9.81 m/s2 wird die Übergangsgeschwindigkeit hauptsächlich
durch die Beinlänge bestimmt (Enoka 2002): Je länger das Bein der Person, desto
8
höher die Übergangsgeschwindigkeit. Die ideale Übergangsgeschwindigkeit in
Abbildung 5 liegt bei 2.2 m/s und kommt der Geschwindigkeit, welche bei
Experimenten beobachtet werden kann (1.9 – 2.1 m/s), nahe (Minetti und Alexander
1997).
Verlässt man die Erde und wiederholt dasselbe Experiment auf einem anderen
Planeten, so ändert sich die Übergangsgeschwindigkeit um folgenden Faktor k:
 g

k   Erde 
 g Planet 
0.5
Ein Mensch auf dem Mond beginnt deshalb mit einer Geschwindigkeit von ~0.8 m/s zu
rennen. Auf dem Mond ist es demzufolge einfacher zu rennen als zu gehen (Saibene
und Minette 2003).
3. Konsequenzen
Die menschliche Lokomotion ist ein enorm komplexes System und noch bei Weitem
nicht vollständig verstanden. Während den Literaturrecherchen für diese Arbeit bin ich
ab und zu auf Widersprüche gestossen oder habe festgestellt, dass zu scheinbar
einfachen Fragestellungen noch keine klaren Antworten existieren.
Mit einfachen Modellen versucht man die elementaren Funktionen zu beschreiben und
zu verstehen. Kompliziertere Modelle werden gebraucht, wenn wichtige Parameter
hinzugefügt werden. Modelle als Versuch zum besseren Verständnis der menschlichen
Lokomotion haben ihre Berechtigung, doch sollte man sich bewusst sein, dass unser
Körper als Ganzes mit der Umwelt interagiert und eine Modellierung immer eine
vereinfachte Darstellung der Realität ist. Man kann sich selber denken, wie schwierig
es ist, zum Beispiel neurologische Aspekte in die Modellierung mit einzubeziehen.
Meines Erachtens wäre es erstrebenswert, ein Modell des menschlichen Körpers zu
entwickeln, welches so einfach wie möglich, aber so komplex wie nötig ist. Die
menschliche Lokomotion sollte weiterhin Gegenstand der Forschung sein, damit
wichtige Erkenntnisse in der Rehabilitation, der Diagnose oder der Robotik
angewendet werden können.
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4. Literatur
Buchkapitel
McMahon T A. Neural Control of Locomotion, Mechanics of Locomotion. In: Muscles,
Reflexes, and Locomotion. Princeton University Press, New Jersey, Chapter 7 and
8, 1984.
Enoka R M. Running, Jumping, and Throwing. In: Neuromechanics of Human Movement. Human Kinetics, United States of America, p. 179-194, 2002.
Artikel
Blickhan R. The spring-mass model for running and hopping. J Biomech, 22(11/12),
1217-27, 1989.
Cavagna G A, Thys H, Zamboni A. The sources of external work in level walking and
running. J Physiol, 262(3), 639-57, 1976.
Kram R, Domingo A, Ferris D P. Effect of reduced gravity on the preferred walk-
run transition speed. J Exp Biol, 200, 821-26, 1997.
Margaria R. Biomechanics and energetics of muscular exercise. Clarendon Press,
Oxford, 1976.
Minetti A E, Alexander R McN. A theory of metabolic costs for bipedal gaits. J theor
Biol, 186, 467-476, 1997.
Saibene F, Minetti A E. Biomechanical and physiological aspects of legged locomotion in humans. J Appl Physiol, 88, 297-316, 2003.
Seyfarth A, Geyer H, Günther M, Blickhan R. A movement criterion for running. J
Biomech, 35, 649-55, 2002.
Seyfarth A, Geyer H, Herr H. Swing-leg retraction: A simple control model for stable
running. J Exp Biol, in press.
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