Sechs Texte in einem File Sathya Sai Baba, die EXPO2000 und der Traum Was ist die “Weltausstellung EXPO2000?” Während der Weltausstellung EXPO2000 präsentierten über 170 Staaten ihre eigene Kultur in verschieden Pavillons und Projekten. Die Weltausstellung besuchten über 15 Millionen Menschen während der fünf Sommermonate im Jahr 2000. Ort der Veranstaltung war Hannover (Deutschland) , nahe bei Hamburg und Berlin. Unser eigenes freiwilliges Sub-Projekt informierte die westlichen Besucher über die verschiedenen Arten des Buddhismus durch unterschiedliche Veranstaltungen, Meditationen und Präsentationen. Begonnen wurde das Projekt von den Mitgliedern und den Repräsentanten der buddhistischen Gemeinschaften ‘Pagode Vien Giac’ (Hannover) und ‘Choka Sangha’ (Steyerberg/Hannover), später wurde es noch von anderen Gemeinschaften aus Deutschland unterstützt. Während die Choka Sangha eine deutsche ZEN-Gemeinschaft (Japanischer Stil) ist, ist die Pagode Vien Giac ein traditionelles vietnamesisches Kloster und zugleich ein Kultur Zentrum, erbaut von 60.000 Vietnamesischen Flüchtlingen in Deutschland. Glaube an Deine Träume.... Visionen sind Träume, die tief in der Seele wurzeln, schon mit dem archetypischen verwachsen sind, und manchmal bis in die Regionen des Göttlichen hinabreichen. Während der Realisierung wird die Seele sich ihrer selbst bewusst, ganz so, als wenn man in einen lang verblassten Spiegel schaut, den die Zeit wieder frei gibt. Gleichzeitig enthält die Vision eine Lösung für die Probleme des Individuums, aber auch für die gesellschaftlichen Probleme. Doch manchmal bleibt die Vision sowohl dem Träumenden als auch der Gesellschaft unverständlich. Aber die ihr inne wohnende Wahrheit ist jene Kraft, die sie mit der Zeit befreit und erstrahlen lässt. Am Anfang kam ein Traum zu mir…. Zu Beginn der Vorbereitungszeit des buddhistischen Projektes als Begleitprojekt zur EXPO gab es weder ein Konzept noch war irgendein Ansatz vorhanden. Doch nachdem ich den Entschluss gefasst hatte, mich zu beteiligen, bekam ich einen Traum geschenkt. Im diesem Traum kam Sathya Sai Baba zu mir und sprach: “Du hilfst der evangelischen EXPO-Kirche“. Sathya Sai Baba wird von seinen Devotees als Avatar, eine Inkarnation Gottes verehrt. Auch Krishna und Shakyamuni Buddha gelten in Indien als Avatare. Mein Wille war es im Äußeren etwas Sinnvolles zu schaffen und im Inneren den versteckten Sinn des Traumes herauszufinden. Nach einem Jahr wurde auf Bitten des Partners von der Pagode eine gemeinsame Einladung vom Abt der Pagode und dem Zen-Meister der Gemeinschaft, zu der ich assoziiert war, unterschrieben. Ohne den geschenkten Traum hätte keine der beiden Seiten das Projekt weiterverfolgt. Die Repräsentanten wussten, dass ich zu Sathya Sai Baba nach Indien fahre. Doch um die Kraft meines Vision zu halten, hatte ich ihnen nicht von meinem Traum erzählt. Für mich war die Vision von Sathya Sai Baba die eigentliche Kraftquelle und Inspiration. Sathya Sai Baba gebührt daher der eigentliche Dank und Würdigung. Interpretationen In den folgenden drei Jahren fand ich drei Interpretationen zu dem Traum. Die ersten beiden, interreligiöse Veranstaltungen und Veranstaltungen mit sozial engagierten Buddhisten bildeten das Grundkonzept für das Projekt “Buddha-dharma-expo2000”. Da sich der Partner der Pagode nicht an meinem Engagement für interreligiösen Dialog beteiligte, war der sozial engagierte Buddhismus der Ansatz, der auch dem christlichen Religionsverständnis am nächsten kam. Ich hoffte ein Gespräch mit den Kirchen beginnen zu können. Beide Schwerpunkte hatten übrigens später guten Publikumszulauf. Doch die dritte Interpretation des Traumes ist die Auseinandersetzung mit klerikalen Gesellschaftsvorstellung. Was bedeutet das Wort “evangelisch” im Traum? Die evangelische Kirche in Deutschland fusst auf dem Wirken des Reformers Martin Luther( um 1500 n. Chr.). Die Gesellschaftsvorstellung der damaligen Zeit war, das Gott über allem wacht, das der Klerus als Interpreter der biblischen Texte zwischen dem Göttlichen und den Menschen vermittelt, die selbst den alltäglichen Tätigkeiten nachgingen und auf Erlösung hofften. Martin Luther hatte die theologische Erkenntnis: “Allein der Glaube befreit den Menschen”. Damit hob er die Eigenverantwortlichkeit in der Spiritualität hervor. Und ein Geld-Handel um “Erlösung” mit dem Klerus, wie zur damaliger Zeit üblich, war nicht notwendig. Martin Luther verwarf mit seiner Erkenntnis die 1000Jährige Gesellschaftsvorstellung, jedoch lies er eine neue Gesellschaftsvorstellung offen. 500 Jahre lang wurde nun um eine neue Gesellschaftsordnung in Deutschland und Europa gekämpft. Epochen von Feudalismus und Nationalismus kamen auf, marxistische und nationalsozialistische Ideologien führten zu Diktaturen, bis sich heute die Demokratie als das derzeit stabilste System in Europa entwickelte. In der Demokratie wird versucht, die unterschiedlichen Bedürfnisse in der Gesellschaft wahrzunehmen und ausgeglichen umzusetzen. Wichtig waren aber nicht die Interpretationen, sondern dass der Traum geschehen ist. Für mich persönlich bedeuteten die Interpretationen ein Ringen um den spirituellen Sinn, der mich mit dem Göttlichen verband. Im Heiligen Buch der Hindus, der Bhagavadgita, spricht Krishna: (Sloka 60,61, 18 Gesang): Gefesselt durch die eigne Pflicht, wie sie aus deiner Art entspringt, Wirst Du, was Du töricht nicht gewollt, du wider Willen dennoch tun. Im Herzen aller Wesen drin wohnet der Herr, Arjuna! Er bewegt wie im Puppenspiel die Wesen alle wunderbar. Diese Internetseiten sind Sri Sathya Sai Baba und meinen Eltern Peter und Ellen gewidmet, sowie ein Geschenk an die acht Hostessen vom indischen Pavillon. Puttaparthi - die Stadt des Glaubens In Puttaparthi lebt seit über 75 Jahren Sri Sathya Sai Baba, der bekannteste ‘religiöser Führer’ Indiens. Von seinen Devotees, d.h. Gläubigen oder Hingegebenen, wird er als Avatar, eine Inkarnation Gottes verehrt. Puttaparthi war vor über 70 Jahren nur ein kleiner Ort 140km nördlich von Bangalore. Heute leben hier ca. 6000 Menschen, der Ashram fasst bis zu 10.000 Devotees. Krankenhäuser, Universitäten und Schulen sind von Sathya Sai Baba gegründet wurden. Glauben und Leben sind in der Stadt eines. Sein Leben Sathya Sai Baba wurde am 23. November 1926 in Puttaparthi, einem kleinen Dorf in Südindien, geboren. Sai Baba hat sich nicht durch Askese und Meditation entwickelt, sondern wurde in aller Vollkommenheit geboren, um durch sein Wirken die Menschen auf den Weg des Dharma, das heißt der Rechtschaffenheit und des göttlichen Gesetzes zurückzuführen. Mit vierzehn Jahren erklärte er seiner Familie, er habe eine Mission zu erfüllen: die Spiritualität in der Welt zu erneuern und die höchsten Prinzipien von Weisheit, Tugend, göttlicher Liebe und Frieden zu lehren, die alle Menschen im täglichen Leben verwirklichen sollen. Er verließ seine Familie und wurde bald zum Mittelpunkt einer wachsenden Schar von Menschen aus Indien und der ganzen Welt, denen er Hilfe in allen Fragen des Lebens gab und gibt. Er gründete das nahe seinem Geburtsort Puttaparthi gelegene Prasanthi Nilayam (Ort des höchstes Friedens), das heute zu einem großen spirituellem Zentrum geworden ist. ‘Die Welt braucht kein neues Glaubensbekenntnis, keine neue Religion, [...] sondern gute Menschen, die bereit sind, sich für das Wohl ihrer Brüder einzusetzen.’ ‘Nur wenn Gott Weg und Ziel ist, erfährst Du wirklichen Frieden, Liebe und Wahrheit’ Sathya Sai Baba Der Sinn dieser Internetseiten: Der Sinn dieser Seiten ist es, meine Motivation und Erfahrungen aufzuzeigen, meinen Freunden eine Freude zu breiten und anderen Berichten entsprechend entgegenzutreten. Meine Aufgabe sah ich allein im organisieren und informieren. Meines Wissens war keiner der Referenten Sai-Devotee. Sie haben von ihrem Verständnis der Lehre Buddhas und ihren eigenen Erfahrungen berichtet. Ich möchte den Referenten an dieser Stelle für ihr Engagement aufrichtig danken. Der Tempel von Bhutan, die EXPO2000 und das Mandala Ich schlug eines Tages die Zeitung auf und las einen Artikel über den Tempel von Bhutan auf der EXPO2000. Es wurden Nachnutzer gesucht. Unser Projekt war 1998 noch am Anfang und ich nahm engagiert die Leitung wahr. Intuitiv ahnte ich die Chance, die sich dem Projekt bot. Ich machte mich auf den Weg zur EXPO Gesellschaft und traf Herrn Steinert (Verantwortlich für den Bereich Süd Ost Asien). Er wollte ehrlich zu mir sein, und sagte, der Tempel würde 4 Millionen DMark wert sein. Ich sagte nur ‘Ja’. Und dann kam ich mit der Idee, dass wir nach Nachnutzern Ausschau halten können. Ich blieb mit ihm und dem Architekten Peter Schmidt in Kontakt. Ein knappes Jahr später nahte der Baubeginn und der Abt der Pagode Vien Giac (Hannover) bot an, die Zimmerleute unter zubringen. Dar durch wurden die Kontakte immer enger und wir erhielten zum Schluß die Chance, auf dem EXPO-Gelände offiziell dabei zu sein. Um den Kreis zuschließen bot sich als Nachnutzer die Choka Sanga an, mit meinem Zen-Lehrer Rei Ho. Ein Angebot für den Tempel wurde auf der EXPO2000 an die Vertreter Bhutans übergeben. Der Tempel wurde leider später an einen Bewerber aus Frankreich vergeben. Immerhin haben 2 Millionen Menschen den Bhutanesischen Pavillon besucht, und ca. 200.000 Menschen haben sich bei uns über Buddhismus und Meditation informiert. Es sind diese glücklichen Zufälle, die einem immer wieder zeigen, dass ohne das Schicksal und die Fügung Gottes der wirkliche Erfolg versagt bleibt. Das Mandala und die EXPO2000 1. Opferplatz und Mandala Der Weg zum Verständnis des Mandalas führt zunächst in die Tiefe der altindischen Geschichte. Wir stoßen dort auf die in Indien eingedrungenen Arier*, die sich mit dem für alle Hirtenvölker bestehenden Problem zu befassen hatten, wo und wie sie mit ihren Göttern Kontakt aufnehmen konnten. Da ihnen mangels Seßhaftigkeit der Bau fester Anlagen versagt war, blieb ihnen nur übrig, auf ihren Wanderungen Behelfsplätze einzurichten, zu denen die Götter dann gerufen wurden. Allein die Priester verfügten über das notwendige Wissen, wie die Götter herbeigerufen, später gar durch magische Kraft geradezu herbeigenötigt werden konnten. Für das magische Denken des buddhistischen Tantrismus spielt wieder die Analogie von Mikrokosmos und Makrokosmos eine Rolle, so wie schon in den vedischen Kulten das Feuer im Tempel der Sonne am Himmel entsprach. Dabei werden die Analogien in Gedanken und Worten und insbesondere auch unter Zuhilfenahme von Bildern ausgeführt, vor allem das Mandala. Die Stelle des traditionellen vedischen Opferplatzes nimmt nun im tantrischen Ritual das Mandala ein. Ebenso, wie der vedische Opferplatz der nicht sesshaften Arier temporär aufgebaut und wieder abgebaut wurde, wird nun ein Kreis oder Viereck gezeichnet, in welche man die Gottheiten bannt. Das Zeichnen selber ist bereits Bestandteil des tantrischen Rituals. Der Übersichtsplan der EXPO, ein modernes Mandala? Auch die EXPO wurde temporär aufgebaut, viele Zeichenpläne wurden entworfen, bis die EXPO beginnen konnte... Da das Mandala das kosmische Gegenstück zum makrokosmischen Universum ist, bietet es Platz für mehrere Gottheiten. Genau so, wie der vedische Opferpriester die Götter auf den Opferplatz rief, bannt nun der Tantriker mit Wortmagie die Götter in diesen Mikrokosmos hinein, Nach Beendigung des Rituals wird das Mandala wieder zerstört. Hier zeigt sich die uralte magische Furcht vor dem Missbrauch eines solchen Zaubers, wenn auch heute meist die Scheinbegründung gegeben wird, die Zerstörung solle die Vergänglichkeit symbolisieren Ein Mandala ist also das Produkt wiederaufgelebter Mikrokosmos-MakrokosmosÜberlegungen und entspricht dem alten vedischen Opferplatz. Die Weltausstellung zeigte die Welt im Kleinen, wie sie im Großen existieren kann. *An. d. Autors: Arier in Sanskrit bedeutet die Erleuchteten oder die Gastfreundlichen, wozu die EXPO genügend Anlass gab. 2. Das Mandala im Vajrayana Ganz anders stellt sich die Betrachtung des Mandalas für den tantrischen Heilssucher dar, der sich um den Durchbruch zur Transzendenz bemüht. Für ihn bewegen sich die Menschen, insbesondere hier im Westen durch einseitige Betonung ihres intellektuellen Oberflächenbewußtseins in einem selbstgeschaffenen Kreis, aus dem sie mit den Mitteln des diskursiven Denkens, wissenschaftlicher Analyse und physikalischer Erkenntnisse nicht herauskommen können. Denn diese lassen uns als Wirklichkeit immer nur das wahrnehmen, was unser Ich begreifen kann. Wir müssen uns daher um jenen Durchbruch zur Transzendenz bemühen, "der im Osten als ein Sprung in die Tiefe des größeren, allumfassenden Bewusstseins betrachtet wird" (Lama Anagarika Govinda). Die Meister des mystischen Pfades lehren den Weg nach innen und wie der Mensch von den Kräften des Tiefenbewußtseins Gebrauch machen kann, wie sein Bewusstsein sich der eigenen Quelle zuwenden kann. Es gilt, die Überspanntheit rationalen Denkens zu überwinden. Genau dies war das Anliegen der tantrischen Lehren und Praktiken im buddhistischen Vajrayana, der letzten großen dem Buddhismus zuzurechnenden Entwicklung, welche im 6. Jhd.n.Chr. nach Tibet und Bhutan kam. Diese Symbolformen sind der Niederschlag seelischer Erfahrungen ungezählter Generationen und von tiefgreifenden Assoziationen erfüllt. Mandalas und Rollbilder (Thangkas) enthalten daher eine westlichen Beobachtern meist unverständliche archetypische Tiefgründigkeit und haben unmittelbare Einwirkung auf die dem Intellekt unerreichbaren Schichten des Tiefenbewußtseins. Hierzu gehört die Einbeziehung archetypischer Symbole: Wir müssen hinabsteigen ins Reich der Urbilder, der Archetypen, die in der Tiefe unseres Bewusstseins schlummern, um Zugang zu ihren Kräften zu finden. Sati, mythologisch, politisch, psychologisch Sati und Shiva Die Geschichte von der Heirat des Gottes Shiva mit seiner Frau Sati ist symbolisch eine perfekte Fusion von der männlichen und weiblichen Kraft. Laut des hinduistischen Blickes auf das Leben repräsentieren beide zusammen die gestaltende Kräfte in diesem Universum. Shiva (das männliche Prinzip), das höchste göttliche Bewusstsein, ‚eignet’ sich nur in Verbindung mit Shakti (dem weibliche Prinzip) die Kräfte an, die erschaffen und zerstören können. Darum wollten der Gott Vishnu und andere Gottheiten so sehr sehen, dass Shiva Sati heiratete und fähig wird, die Welt zu erschaffen. Doch der Vater von Sati erkennt Shiva nicht, und weiß nicht dass er seine Tochter dem höchsten göttlichen Bewusstsein zur Frau gegeben hat. Er untergräbt die Würde Shivas, und seine Tochter Sati ist daraufhin so sehr beschämt, einen solchen Vater zu haben, dass sie sich in einem mystischen inneren Feuer selbst verbrennt. Sie wird später als Parvati wieder geboren und wird endgültig die Frau von Shiva Sati and Haveli Wir wollten noch ein Gruppenfoto machen. Nur wo? Neetu schlug den Haveli-Showroom vor. Jetzt lachten die Hostessen und eilten in den Raum. Ich verstand das Lachen nicht, es irritierte mich, klang aber angenehm. Es klang auch nach einem heimlich Triumph der Hostessen. Haveli ist das Haus einer Großfamilie in Indien. Später fand ich in dem Buch ‚Hindu Wife, Hindu Nation’ eine politische Interpretation von ‘Sati’ 2/3. ‘This is perhaps the reason why we note an obsessive Preoccupation in early patriotic literature with sati through her own self destruction she preserves this concealed independence from being usurped. Very often, an implicit continuum is postulated between the hidden, inner private space chastity, [...], and the political independence at state level: as if, through a staedy process of regression, this independent selfhood has been folded back from the public domain to the interior space of the household, […]. There is then an implicit equation between a hidden and living freedom and chastity, traditionally the highest virtue of the Hindu woman; most powerfully demonstrated in sati and in jawahar vrat (mass suicide by Rajput women in anticipation of defeat and death of their husbands in battle with Muslims). ‘ Sati ‘Sati’ ist eine Geschichte über eine der menschlichsten Erfahrungen, die wir machen können, über Akzeptanz und Abweisung. Die Geschichte ‘Sati’ basiert auf einem therapeutischen Model von Bernd Hellinger: der systematischen Familienaufstellung. Vor langer Zeit lebte einst in Indien ein Ehepaar kinderlos. Er war Geschäftsreisender, sie eine elegante schöne Frau. Wenn er auf Reisen war, schloss sie gewissenhaft am Abend die Fenster, verriegelte die Türe, blieb noch einwenig bei Kerzenschein sitzen und las in einem Buch. Bis dann auch sie zu Bett ging und das Licht verlosch. Als dann der Mond von Wolken verdunkelt war, kam eines Nachts ein Einbrecher. In der Dunkelheit raubte er nicht nur Geld und Schmuck, sondern knebelte die schöne Frau und verging sich an ihr. Unerkannt entkam er in dieser Nacht. Der Frau aber ging es von diesem Tage an nicht mehr gut und bald darauf verstarb auch sie. Es wurde sogar in der kleinen Stadt gemunkelt, sie hätte Gift genommen. Doch die Zeit verstrich und diese Geschichte geriet schon bald in Vergessenheit. Jahrzehnte später, in einer anderen Familie wurde ein Kind geboren. Das Kind, ein Töchterchen, wuchs heran und alle, ihre Mutter, ihr Vater, und auch ihre Verwandten hatten sie schon seit dem ersten Tag an lieb gewonnen. Glückliche Kindheitstage waren ihr beschienen. Doch mit der ersten Menstruation wurde sie auch zur Frau. Noch nicht erwachsen, doch ihrer selbst sich schon bewusst. Nun wuchs sie zur Frau heran, ihre Brüste wuchsen, ihr Gesicht wurde klar. Sie war gewiss ohne Zweifel attraktiv. Viele junge Männer fühlten sich von ihr angezogen. Doch ab und zu trennte sie sich von einem ihrer neuen Freunde, und es war als ob es allein um des Schmerzes willen geschah; der dumpfe Schmerz, der nicht vergessen werden wollte. Sie begann Freunde und Freundinnen um sich herum zu sammeln. Hin und wider aber ging sie zu einem ihrer Freunde und sagte ihm: ”Ich will Dich nicht mehr sehen”, drehte sich um und verschwand. Es blieb nichts als Schmerz bei den Freunden zurück und ein paar Erinnerungen. Auch die junge Frau fühlte den dumpfen Schmerz, doch tröstete sie sich damit, dass dieser Freund nicht das gewesen war, was sie erhofft. Jetzt war sie schon im dem Alter, in dem die Heirat anstand. Und ihre Eltern suchten nach einem passenden Bräutigam. Doch einen nach dem anderen lehnte sie ab, bis ihre Eltern verzweifelt aufgaben. Als sie so ihre Mutter in Pein versunken sah, ging sie zu ihr und sprach mit ihr. Selten geschah es, das sie sich miteinander unterhielten. Doch dieses mal erzählte ihr die Tochter im Vertrauen, was ihr Verhalten war. ” Darauf schaute ihr die Mutter lang ins Gesicht, erfasste den Mund, die Brauen, das Augenpaar. Und sprach: “ Ich danke dir für dieses ehrliche Gespräch und dein Vertrauen ehrt mich. Doch kann ich Dir nicht helfen.” Schweigen folgte. Noch einmal sprach sie mit warmen mütterlichen Ton: “Ein Onkel erzählte einst von merkwürdigen Umständen beim Tod einer Tante seinerseits. Ich weiß nicht, was er meinte, doch sagte er, dass seitdem ein Geist in unserer Familie umhergeht. Und sich von Zeit zu Zeit an die jungen Töchter lehnt. Da hielt es die junge Frau nicht mehr aus und ging fort. Sie wusste nicht wohin, nur fort wollte sie. Nachdem sie schon einige Zeit unterwegs war, sah sie an dem Wegesrand einen Greis stehen. Ihn sprach sie an und erzählte von ihrer Not. Er sah die beiden vor sich stehen, die junge Frau und ihren Geist. Da sprach er weise und voll Liebe: “Sprich zu dieser Frau, die einst verstarb. Sag ihr, dass Du sie liebst und nicht vergisst. Sag ihr, sie ist jetzt tot, aber du lebst noch eine Weile, dann stirbst Du auch. Oder sprich: Du hast deinen Mann verloren, ich habe ihn noch eine Weile, und dann verliere ich ihn auch. Nutze einen Satz, der dich versöhnt und löst zugleich!” Die Frau bedankte sich bei ihm für diesen Rat, und sprach ihn sich hinein. Alsbald verlies der Geist sie und Liebe durchströmte ihr Herzen. Was ist Weisheit? Wenn das Gespräch sich um Quantität oder Qualität drehte, sprach mein Zen-Lehrer immer von buddhistischen Lehrer Boddhidharma, der nur einen Schüler gehabt haben soll, und nach 800 Jahren war ganz China von buddhistischen Klöstern besiedelt. Es gibt keine Religion ohne Gesellschaft. Auch im Buddhismus gibt es offene und versteckte Gesellschaftsvorstellungen. Z.B. sitzt der Lehrer vorne auf einem Sitz oder Podest, dann folgen die Mönche, die Nonnen und ganz am Ende die Laien, beim Lehrgespräch wie beim Essen. Im Wort Laie steckt wiederum der “Unwissende”, wahrend der Mönch als “Wissend” gilt. Dahinter steht eine Top-DownStruktur, der Einzelne hat sich auf einem Level einzufinden und den höheren Leveln zu vertrauen. In einem Rang-System bedeutet das Einnehmen eines höheren Ranges auch Machtzuwachs. Schließlich ist Wissen Macht, und irgendwann ist Macht Wissen. In der Soziologie wird Macht als ein Zustand des “nicht-mehr-lernen-muessens” verstanden. Es wäre hilfreich, statt von Mönchen und Laien von Ordinierten und Nicht-Ordinierten zu sprechen. Der Weise ist und war der Mittelpunkt einer Gemeinschaft. Natürliche Autoritäten be-weisen ihre Erfahrung und Umsicht immer wieder aufs neue. Doch nachfolgende Generationen begründen Institutionen, strukturieren Gemeinschaften auf Grund von Überlieferungen und in Systemen werden Rang und Abzeichen wichtiger als die Weisheit des Einzelnen. Das schließt nicht Weisheit beim Regieren aus, eröffnet aber auch jenen Karrierechancen, denen es an spirituellen und sozialen Qualifikation fehlt. So erscheint es mir ratsam, wenn es ähnliche wissenschaftliche Untersuchungen zum chinesischen und vietnamesischen Buddhismus wie die von Brain Victoria zum japanischen Buddhismus (“Zen, Nationalismus und Krieg”) geben würde. Es ist zu fragen, ob die klerikalen Strukturen mit den Machtstrukturen der Eliten in den Länder praktizierten und inwieweit sie eine Mitverantwortung an den gesellschaftlichen Umständen bzw. der Ignoranz trugen, die den Boden für die “Kulturrevolutionen” bereiteten. Insbesondere für die Entwicklung des Buddhismus in Europa halte ich eine Aufarbeitung, ähnlich der Kirchen nach dem 3. Reich, für sinnvoll. Es ist bezeichnend, dass gerade in klerikalen Gesellschaften von Vater bzw. Patriarchen bei Fuehrungspersonen gesprochen wird. In der Soziologie werden drei Ebenen der RollenBeziehungen definiert, die Vater-, Erwachsenen- und die Kind-Ebene. Kommunikation läuft dann gut, wenn Erwachsene miteinander sprechen. Oder vom Vater zum Kind. Alle anderen Beziehungen wie Erwachsenen-Vater oder Kind-Erwachsenen führen zu Störungen. Die deutsche Gesellschaft ist demokratisch organisiert, d.h. menschliche und geschlechtliche Gleichberechtigung und Verantwortung, Würdigung der Leistung des Einzelnen, Konsensbildung und nicht zuletzt ein humaner Sprachgebrauch. Die Demokratie hat sich derzeit als das stabilste System im Westen etabliert. Die Gesellschaft hat in einem langen Zeitraum aus den Fehlern einer klerikalen und feudalen Gesellschaft sowie von Diktaturen gelernt. Insbesondere die Erfahrungen des Dritten Reiches haben ihren Niederschlag im Grundgesetz gefunden. Und auch die Deutsche Buddhistische Union (DBU), wenn sie demokratisch sein will, wird immer auf Fragen antworten müssen zu: Aemterhaeufung und Amtsmissbrauch, fehlende Transparenz und Informationsfluss, unklare Entscheidungsprozesse. Oder eine unabhängige Berichterstattung über die DBU/Rat innerhalb der Lotosblaetter, dem Organ der DBU. Doch wie ist mit Kritik von Außen umzugehen? Winston Churchill sagte dazu: “Kritik braucht man nicht zustimmen, aber sie ist notwendig, so wie der Schmerz im Körper auf eine Krankheit aufmerksam macht.” Wird der Schmerz nicht wahr genommen und der Kritik mit Ignoranz begegnet, so wird die Kritik letztlich destruktiv und lähmt jedes Engagement. Es geht also um nichts geringeres als kulturelle Integrität und religiöse Authenzitaet. Der Abt der Pagode Vien Giac (Hannover), traditionell ostasiatisch orientiert, und Vorsteher von 60.000 buddhistischen Vietnamesen in Deutschland hat der DBU vor einiger Zeit das Angebot eines Zusammengehens gemacht. Ein gemeinsamer Antrag auf eine staatlich anerkannte Religionsgemeinschaft kann z.B. die Folge sein. Aus Firmengeschichten ist bekannt, dass das Kooperieren oder Mergen von unterschiedlichen Betriebs- und Kommunikationsstrukturen problematisch ist und manchmal geht der kleinere Partner dabei auch zugrunde. Ich bin sehr für Integration von Minoritäten. Um eine langfristige Beziehung zum vietn. Buddhismus in Deutschland aufzubauen, wäre es deshalb ratsam, gemeinsame Projekte, wie z.B. buddha-dharmaexpo2000 eines war, zu initiieren. Aufgrund der gewonnenen Erfahrung koennen Konzeptionen für eine neue DBU Struktur erarbeiten werden, mit der sowohl Tradition als auch Demokratie gewürdigt werden. Es geht dabei aber nicht nur um Gesellschaftliches, sondern auch um ein neues Verständnis von Politik und Religion, was sich im Bewusstsein spiegelt. Werden beide Anteile in einem selbst nicht gewürdigt, führt es entweder zur Idealisierung einer Seite und Abwertung der anderen, oder zu ständigen Aggression. Denn der Terror beginnt im Kopf und setzt sich in die Welt fort. Franz von Assisi betete: Herr, gib mir die Kraft, zu ändern, was ich ändern kann; gib mir die Kraft, dem zu widerstehen, was ich nicht ändern kann, und gib mir die Weisheit, den Unterschied zwischen beidem zu erkennen. In den Ostasiatischen Religionen hört man häufig: “Ändere Dich selbst und nicht die Welt”. Das ist richtig, doch nicht unter allen Umständen. Wohin führt es, wenn das Subjekt sich bestehenden Strukturen anpasst, die die inhärente mögliche Gewalt akzeptierten oder vielleicht den Kern zur Ignorance schon in sich tragen und nicht mehr die menschlichen Werte praktizieren? Mahatma Gandhi hat die Demütigungen eines Rassenssystems in Südafrika am Anfang seines Weges nicht toleriert und sich angepasst. Er hat die Demütigungen in wunderbare Erkenntnisse verwandelt und zu einer eigenen Dharma-Interpretation gefunden, die ihn selbst UND die Welt verändert haben. Es ist gewiss nicht einfach, die Balance zwischen Selbstverwirklichung und Wertveränderung zu finden. Doch wenn das Dharma nicht mehr als “Belehrung” verstanden wird, sondern als Unterstützung des “Selbst”-Bewusstseins und des Demokratischen Verstaendnisses, dann wird es sicher auch Eingang in Europa finden. Wenn Weisheit wirklich weise ist, kann sie sich auch selbst relativieren. In einer Geschichte von Lao Tzu heißt es dazu: Ein Lehrer wurde gefragt, wieso er all die Dummheiten seines Schülers mitmacht? Er antwortete, er würde sonst den Schüler verlieren! Boddhidharma nach Europa einladen? Ja, auf alle Fälle! Vielleicht wird es ja ein Buddha aus dem Westen sein, der die torlose Schranke der Patriarchen durchschreitet! Dieser Artikel sollte in dem Buddhistischen Journal ‘Ursache und Wirkung’ erscheinen. Er entstand auf Grund meiner Erfahrungen während des Projektes. Ich möchte an dieser Stelle dem Journal meine Anerkennung für das Sonderheft zur EXPO ausdrücken. Götter, Technik und Zeit Chronos, der Gott der Zeit und das Internet Wie wirklich ist unsere Wirklichkeit, die uns das Internet zeigt? Eines Tages erhielt ich eine Email, in der grausame Bilder gezeigten wurden. Auf den Bildern waren Leiber von Föten zu sehen, wie sie unter einen Wasserhahn gehalten wurden, auf einem Teller hergerichtet, und die Glieder dann von einem Menschen, um die 30 Jahre alt, verschlungen wurden. Dazu stand: In einem ostasiatischen Land ist es möglich legal Föten zu erwerben (zu Forschungszwecken). Die Käufer können dann mit den Föten machen, was sie wollen, unter anderem auch verschlingen. Ich wollte weinen, als ich die Bilder und den Text sah, meine Gefühle waren so sehr in Auffuhr, dass ich das Internet-Cafe in Puttaparthi verlassen musste. Nun wusste ich aber auch, dass solche Bilder ‚Fakes’ (Fälschungen) sein können. Und meine Gefühle selber nur auf eine Illusion reagieren. Wie wirklich ist die Wirklichkeit, die uns im Internet dargeboten wird? Ich konnte die Frage nicht logisch lösen, hielt ich es für ‚Fakes’, so müsste ich meine Gefühle ignorieren, und vielleicht eine notwendig Reaktion unterlassen. Hielt ich es für Wirklichkeit, könnte ich mich lächerlich machen und von der Ohnmacht und Grausamkeit in unserer Welt überrannt werden. Die Frage war weder logisch noch emotional zu lösen und es blieb mir nur ein Ausweg in einer anderen Dimension, die Lösung in der Mythologie zu finden, die mich zum Nachdenken über Macht und Zeit führte, um den Schmerz zu verarbeiten. Cronos, der Gott der schöpferischen Zeit Cronos war in der griechischen Mythologie der Sohn von Quranos, dem Himmelsgott, und Gaia, der Erdgöttin. Mit der Hilfe von Gaia entthronte Cronos seinen Vater und verfügte nun über die Macht im Universum. Er heirate seine Schwester Rhea, und folgte dem Beispiel Quranos. Sowohl Quranos als auch Cronos waren in einer Prophezeiung gewarnt worden, dass ihre eigenen Kinder sie vom Thron stoßen können. Sie verzerrten darauf hin ihre eignen Kinder. Doch Rhea gab Cronos einen Stein zum Schlucken, umwickelt mit Kleidern. Ihren Sohn Zeus rettete sie so und brachte in nach Kreta, wo er aufwachsen konnte. Als Zeus kampffähig wurde, forderte er seinen Vater heraus und brachte ihn dazu, seine vier Geschwister zu erbrechen, die im Leib von Cronos all die Jahre überlebt haben. Zeus und seine Geschwister gewannen den Kampf mit Cronos um die Macht und Zeus wurde darauf hin der höchste Gott im griechischen Universum. Despina [griechisch: Mutter Gottes] Despina ist Griechin. Sie war mit einem Ingenieur verheiratet, ihre Tochter lebt in den USA. Ihr Mann gilt als verschollen. Diese Konstellation erinnerte mich an eine Geschichte von Max Frisch: Homo Faber. Mehr als einen Monat lang frühstückten wir zusammen in der ‚German Bakery’ und schauten uns Fotos von unseren Reisen in Indien an. Sie bestellte sich immer ein Honigbrötchen und ich nannte sie ‚Honeydrop’. Zum Abschied schenkte ich ihr einen schlafenden ‚Kopf des Buddhas’. Der Schlaf, ein Bruder des Todes, lässt auch die Träume entstehen. Homo Faber Text taken from ‘Homo Faber ‘ by Max Frisch Discussion with Hanna-about technology (according to Hanna) as the knack of so arranging the world that we don't have to experience it. The technologist's mania for putting the Creation to a use, because he can't tolerate it as a partner, can't do anything with it, technology as the knack of eliminating the world as resistance, for example, of diluting it by speed, so that we don't have to experience it. (I don't know what Hanna means by These) The technologist's worldlessness. (1 don't know what Hanna means by this.) Hanna utters no reproaches, Hanna doesn't find the way 1 behaved toward Sabeth incomprehensible; in Hanna's opinion I experienced a kind of relationship I was unfamiliar with and therefore misinterpreted, persuading myself 1 was in love. It was no chance mistake, but a mistake that is part of me(?), like my profession, like the rest of my life My mistake lay in the fact that we technologists try to live without death. Her own words: "You don't treat life as form, but as a mere sum arrived at by addition, hence you have no relationship to time, because you have no relationship to death." Life is form in time. Hanna admits that she can't explain what she means.Life is not matter and cannot be mastered by technology. My mistake with Sabeth lay in repetition. I behaved as though age did not exist, and hence contrary to nature. We cannot do away with age by continuing to add up, by marrying our children. Das wunderbare Ei des Schneevogels - Eine Geschichte 1. In den fernen Bergen des Himalaja lebte einst ein kleines Mädchen in einem kleinen Dorf. Sie arbeitete, wie es kleine Mädchen tun, half ihren Eltern, suchte nach Feuerholz für den Ofen, kochte für die Männer, die auf den Feldern arbeiteten, und trug das Wasser vom weit entfernten Brunnen nach Hause. Ein schwerer Winter brach in diesen Tagen über das kleine Dorf herein, und das Leben wurde sehr mühsam. Der Brunnen fror immer wieder erneut ein, das Feuerholz verschwand unter Eis und Schnee, und auch das Kochen in den Häusern war nicht einfach. Überall fegte der Wind durch die Löcher in den Fenstern herein und blies das Feuer immer wieder aus. Das kleine Mädchen lief an einem dieser Tage in den Wald, um nach neuem Feuerholz zu suchen. Sie lief direkt in einen schweren Schneesturm. All ihre Fußstapfen waren unter dem frisch gefallen Schnee schnell verschwunden. Und sie war bereits weit entfernt von ihrem Dorf. Die umliegenden Berge schauten so dunkel herab, als wenn sie drohen wollten. Die hohen Felsspitzen waren überdeckt mit Eis und Schnee. Der Schneesturm wurde immer kräftiger, bis das kleine Mädchen ihre eigene Hände nicht mehr im Schneetreiben erkennen konnte. Sie begann zu weinen, ihre Tränen wurde zu Eis, was ihre Haut unter den Augen eben mehr schmerzen lies. Sie grub sich ein Loch in den Schnee und legte sich nieder. Sie wusste nicht, ob sie diesen schweren Schneesturm überleben oder ob sie sterben würde. Vielleicht werden ihre Eltern im nächsten Frühjahr, wenn der Schnee schmilzt, ihren Leichnam finden und beerdigen, dachte sie sich. Wie sie nahe dem Tode war, nicht mehr ihre kleinen Finger in ihren Handschuhen bewegen konnte, entschied sie sich, ihr Leben dem Schicksal zu überlassen, dem großen Schicksal, unsichtbar und mysteriös, und schloss ihre Augen. 2. Plötzlich, wie aus dem Nichts heraus, erschien ein Schneevogel vor ihren Augen. Ein wundervoller Schneevogel, mit langen weißen Flügeln und langen weißen Federn, und einem violetten und blauen Kam auf dem Haupt. Seine Schnabelspitze hatte einen leichten Schimmer in Rot und Pink. Der Schneevogel breitete seine Flügel aus und bedeckte das kleine Mädchen für einen Augenblick mit seinen Federn. Er begann zu sprechen: ‚ Mein kleines Mädchen, komm mit mir mit, ich möchte dir zeigen, woher ich gekommen bin!’ Und das kleine Mädchen öffnete verwundert ihre Augen, schaute den Schneevogel an und antwortete: ‚Ich kann nicht fliegen, ich bin ein kleines Mädchen!’ Ein warmes Lächeln kam vom Schneevogel: ‚Ganz besonders kleine Mädchen wie Du lieben es zu fliegen! Komm auf meine Flügel, halte dich ganz fest und wir fliegen gemeinsam!’ Das Mädchen zog ihre Handschuh von ihren Händen, fasste ins Gefieder des Schneevogels und hielt sich fest. Der Schneevogel spreizte wieder seine Flügel und beide flogen in die Lüfte hinauf, als erstes auf der Höhe der umgebenden Baumwipfel und Felsen, aber bald schon ging es höher und höher hinauf, bis sie die Wolken erreichten. Aber auch die Wolken ließen sie zurück, und mit ihnen den Schneesturm. Nun flogen sie unter dem Blau des Abendhimmels, die Sonne tauchte den Westen schon in ein tiefes Rot ein. Die Bergspitzen in ihrem Widerschein flimmerten in so vielen Rot- und Violetttönen, dass man denken konnte, sie würden von so vielen Schneevögeln bedeckt, die alle ihre Rot-Violetten Schnäbel dem Himmel entgegenstrecken. 3. Der Schneevogel flog nun zu einem dieser Berge, und tatsächlich existierte hier nur eine kleine Kolonie von Schneevögeln. Er sprach sanft zu einem der Vögel. Dieser rutsche ein kleines Stück zur Seite und unter ihm wurde ein Nest mit ein paar Eiern sichtbar. Die Eier waren nicht größer als ein Daumen, überzogen mit schwarzen und weisen Flecken. Der Schneevogel ließ das kleine Mädchen sanft vom seinem Gefieder gleiten und nahm ein Ei aus dem Nest. Er drehte sich herum zu dem kleinen Mädchen und sprach: ‚Dieses Ei ist ein Symbol für all die Träume, die Menschen haben können. Die guten und die schlechten, die Träume, welche anderen helfen können, und die Träume, die nur zur Selbstbefriedigung existieren. Du bemerktest, dass Du fliegen kannst, denn Du kannst Träumen, mein kleines Mädchen. Und so lange Du träumen kannst, so lange bringen Dich die Flügel eines Schneevogels zu jedem Platz, den Du Dir wünschen kannst’. Er legte dem kleinen Mädchen das Ei in die Hand. Das kleine Mädchen war jetzt ganz still, überrascht wie ihr kleines Dorf in einem einzigen Augenblick sich in eine Traumlandschaft verwandelte. ‚Fliege zurück zu deinem Dorf, mein kleines Mädchen. Erinnere Dich immer: Sei eine Hilfe für andere!’ Das kleine Mädchen nickte mit ihrem Kopf, und hielt das Ei umklammert. Da dachte sie auf einmal an ihre Eltern. Sie müssen sich sehr grosse Sorgen um ihr kleines Mädchen machen. Sie hatte ihr Dorf vor einiger Zeit verlassen und war in einen heftigen Schneesturm geraten. Als dieser Gedanke von ihrem Zuhause in ihr aufstieg, flog sie über die Berge, flog zurück zu ihrem kleinen verschneiten Dorf, wo der Schneesturm immer noch wütete. Als sie landete, waren ihre Eltern sehr froh, dass sie zurück war. Niemand konnte erklären, wie sie überlebt hat, und was geschehen war. Die Leute im Dorf glaubten nicht, was das kleine Mädchen ihnen erzählte. So blieb für sie nur ein Leben, wie es alle anderen lebten. Aber es war immer noch ein harter Winter, das Leben war nicht einfach. Manchmal hatte das kleine Mädchen eine Idee, um das Leben einfach zu machen. Aber sie erhielt immer nur die gleichen Antworten. ‚Wir haben es immer schon auf diese Art und Weise gemacht! Warum sollten wir es jetzt ändern?’ Manchmal schrieen sie sogar: ‚Oh diese verrückten Ideen eines kleines Mädchens!’ Und so versteckte das kleine Mädchen seine Kreativität und kehrte zum Alltagstrott zurück, half ihren Eltern im Haushalt. Schneevögel? Fliegen können? Rote und Violette Bergspitzen? Ihre Erinnerungen verschwanden langsam wie der Morgennebel, wenn die Stunden fortschreiten. 4. Eines Tages aber war das kleine Mädchen so entkräftigt von ihrer Hausarbeit, dass sie sich niedersetzte und verharrte. Da tauchten auf einmal die Erinnerungen an den Schneevogel wieder auf. Sie fasste sich in ihre Tasche und fand das Schneevogelei, an das sie sich so lange nicht erinnert hatte. Als sie es in ihre Hand nahm, brach die Schale auf und ein kleiner Schneevogel zeigte seinen pink Farbenden Schnabel. Oh, was für ein wunderbares Lächeln lief nun über ihren Mund und ihre Wangen. Sie erinnerte sich auf einmal an so vieles, was der Schneevogel zu ihr sprach vor einiger Zeit. Sie konnte nicht mehr länger das Leben in einem eingeschneiten Dorf leben. Sie begann zu träumen, dass sie fliegen konnte. Und dann flog sie. Zuerst über die Hütten ihres Dorfes, dann über die Baumwipfel, und über die schneebedeckten Felder. Nach und nach kamen all die Dorfbewohner aus ihren Hütten und sahen das fliegende Mädchen mit ihren eigenen Augen. Von diesem Moment an konnte keiner mehr einen Zweifel haben, dass kleine Mädchen und Jungen fliegen können. Die Menschen begannen sich an Zeiten zu erinnern, wo sie selbst fliegen konnten. Und die Erinnerung reichte aus, bald schon begannen mehr und mehr Dorfbewohner mit dem kleinen Mädchen über die Hütten und Felder zu fliegen. Doch wenn sie jetzt an sich selbst herab schauten, sahen sie, dass sie keine normalen schweren menschlichen Körper mehr hatten. Nun trugen sie ein weiß schimmerndes Federkleid und einen Schnabel, der pink Farbend in der Abendsonne aufblitzte. Wirklich niemand dachte mehr daran, Feuerholz für den Ofen zu sammeln. Wenn Du einen Schwarm von weißen Vögeln am Abendhimmel in diesen Tagen siehst, vielleicht fliegt er gerade über Deinen Kopf hinweg, siehst Du vielleicht auch ganz vorne an der Spitze ein kleines Mädchen fliegen, welches immer noch an ihre Träume glaubt, und ihre eigene Freiheit gefunden hat. von Jens Eymann (Engl Original by Wendy und Jens /Feb 2002)