Leitfaden der Informatik Stasys Jukna Crashkurs Mathematik Leitfaden der Informatik Herausgegeben von Prof. Dr. Bernd Becker Prof. Dr. Friedemann Mattern Prof. Dr. Heinrich Muller Prof. Dr. Wilhelm Schafer Prof. Dr. Dorothea Wagner Prof. Dr. Ingo Wegener Die Leitfaden der Informatik beinandeln • Tinemen aus der Tineoretisciien, Praktiscinen und Tecinnisciien Informatik entsprechend dem aktuellen Stand der Wissenschaft in einer systematischen und fundierten Darstellung des jeweiligen Gebietes. • Methoden und Ergebnisse der Informatik, aufgearbeitet und dargestellt aus Sicht der Anwendungen in einer fur Anwender verstandlichen, exakten und prazisen Form. Die Bande der Reihe wenden sich zum einen als Grundlage und Erganzung zu Vorlesungen der Informatik an Studierende und Lehrende in Informatik-Studiengangen an Hochschulen, zum anderen an „Praktiker", die sich einen Uberblick uber die Anwendungen der Informatik (-Methoden) verschaffen wollen; sie dienen aber auch in Wirtschaft, Industrie und Verwaltung tatigen Informatikern und Informatikerinnen zur Fortbildung in praxisrelevanten Fragestellungen ihres Faches. Stasys Jukna Crashkurs Mathematik fur Informatiker Teubner Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutscine Nationalbibliotinek verzeicinnet diese Publikation in der Deutscinen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografiscine Daten sind im Internet uber <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. Prof. Dr. math. Stasys Jukna Geboren 1953 in Litauen. 1971-1976 Studium der Mathematik an der Universitat Vilnius (Litauen), 1980 Promotion in Mathematik (Moskow Universitat, Russland), 1999 Habilitation in Informatik (Universitat Trier, Deutschland). 1981-2007 Senior Investigator (C3-Professur) und seit 2007 Principal Investigator (C4-Professur) im Institut fur Mathematik und Informatik der litauischen Akademie der Wissenschaften in Vilnius, Litauen. 1992-1993 Forschungsstipendiat der Alexander von Humboldt Stiftung an der Universitat Dortmund. Gastwissenschaftler und Privatdozent an der Universitat Trier (1993-1999) und seit 2000 an der Johann Wolfgang Goethe-Universitat in Frankfurt am Main. 1. Auflage200S Alle Rechte vorbehalten © B.G.Teubner Verlag / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 200S Lektorat: Ulrich Sandten/Kerstin Hoffmann Der B.G. Teubner Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science-i-Business Media, www.teubner.de Das WerkeinschlieBlichaller seiner Telle ist urheberrechtlichgeschutzt. JedeVerwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutztwerden durften. Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, vvvvw.CorporateDesignGroup.de Druck und buchbinderische Verarbeitung: Strauss Offsetdruck, Morlenbach Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany ISBN 978-3-8351-0216-3 Fiir Indre Vorwort Mache die Dinge so einfach wie moglich - aber nicht einfacher. - Albert Einstein In der Informatik, wie auch in anderen naturwissenschaftlichen Fachern, werden viele Studienanfanger mit mathematischen Methoden und mathematischer Denkweise konfrontiert, auf die sie in der Schule nicht vorbereitet wurden. Dieses Buch bietet Schulabgangern unterschiedlicher Qualifikation eine kompakte Einfiihrung in die Mathematik, die den Einstieg ins Studium ermoglichen und als ausreichende Grundlage fiir das gesamte Studium dienen sollte. Die sehr natiirliche Frage »wozu noch eine Einfiihrung?« kann man relativ leicht beantworten: Die vorhandenen, in vieler Hinsicht niitzHchen Lehrbiicher sprechen die spezifischen Bediirfnisse eines Informatikers oft nicht ausreichend an. Was man in der Einfiihrungen fiir Informatiker vermisst, ist zum Beispiel eine nicht-traditionelle, »Informatikorientierte« Sichtweise der klassischen mathematischen Themen. Wie kann man aus einem mathematischen Beweis einen Algorithmus erhalten? Stichwort: »Das Prinzip des maximalen Gegenbeispiels«. Was hat mathematische Induktion mit dem Entwurf von Algorithmen zu tun? Stichwort: Dynamisches Programmieren. Wie zeigt man, dass ein Objekt existiert, ohne ein solches Objekt miihsam konstruieren zu miissen? Stichwort: Taubenschlagprinzip und die probabiUstische Methode. Was hat der Chinesische Restsatz in der Informatik zu suchen? Stichwort: »Fingerprinting«. Was hat der Rang einer Matrix mit ihrem Informationsgehalt zu tun? Stichwort: Kommunikationskomplexitat. Wie kann man die Hneare Unabhangigkeit benutzen, um die Anzahl der Elemente in einer Menge abzuschatzen? Stichwort: Lineare-Algebra-Methode. Im Vergleich zur Mathematik ist die Informatik nur ein kleines, wenn auch sehr rasch wachsendes »Kind«, das gerade laufen lernt. Das »Kind« ist zur Zeit mit sehr schwierigen Problemen konfrontiert, fiir deren Losung mathematische Werkzeuge dringend benotigt werden. Weitgehende Verallgemeinerungen in der Informatik stehen noch nicht auf der Tagesordnung! Aus diesem Grund habe ich ganz bewusst auf einige Verallgemeinerungen verzichtet und die Dinge »so wie sie sind« dargestellt. Aus demselben Grund bin ich sehr sparsam mit Bezeichnungen und mit der Einfiihrung allgemeinerer Konzepte umgegangen: Oft steckt hinter einer komplizierten Formel oder einem abstrakten Konzept ein eigentlich einfacher und intuitiv klarer Sachverhalt. Daher konnte das Buch auch »Mathematik ganz konkret« heifien. Mein Ziel war also, einen Text zu schreiben, der - sich ganz pragmatisch auf die tatsachlichen Bediirfnisse eines Informatikers beschrankt; - relativ kurz und trotzdem ausreichend fiir die spateren Theorie-Vorlesungen ist; - moglichst viele Anhaltspunkte gibt (»warum ist ein Begriff so und nicht anders definiert, was steckt dahinter, wozu ist er gut?«) - dieser Aspekt konnte auch fiir diejenigen niitzlich sein, die »normale« Mathe-Vorlesungen besuchen, um wieder festen Boden unter den Fiifien zu bekommen; VIII - ein Gesamtbild der fiir die Informatik relevanten Mathematik darstellt - wenn notig, kann man spater die Feinheiten leicht in »echten« Mathematikbiichern nachschlagen; - die Sache naiv, so wie sie ist, darstellt - keine mathematischen Besonderheiten, mit denen die meisten Informatiker nie konfrontiert werden; - nur Schulkenntnise voraussetzt und fiir einen Schulabganger bereits im ersten Semester (mit etwas Anstrengung) vermittelbar ist; - sich auch fiir den Bachelor-Studiengang eignet. Die Auswahl des Stoffes ist von einem Mathematiker getroffen worden, der sich in den letzten 20 Jahre hauptsachlich mit den Problemen der theoretischen Informatik beschaftigt hat und die »mathematischen Bediirfnisse« der Informatik kennt. Dieser Text ist aus meiner Vorlesung »Mathematische Grundlagen der Informatik« fiir das erste Semester an der Universitat Frankfurt entstanden. Was muss man in einen solchen, durch ein Semester beschrankten »Rucksack« packen, damit Theorie-Vorlesungen erfolgreich absolviert werden konnen? Daher dieser »Pragmatismus« in der Auswahl des Stoffes. Natiirlich wird der Leser von Zeit zu Zeit fehlende Details in anderen MathematikBiicher nachschlagen miissen. Es ist absolut unmoglich, die ganze, mehr als 2000 Jahre alte Mathematik auf ca. 300 Seiten zu »komprimieren«: Fiir jeden der fiinf Telle in diesem Buch gibt es mindestens zwei, drei umfassende Biicher. Mein Buch stellt eher einen Begleiter dar, der den Leser durch den »Dschungel« der fiir die Informatik relevanten Mathematik fiihren sollte. Das Buch enthalt viele motivierende Anwendungen und Beispiele, von denen einige erstmals in einem Lehrbuch vorkommen. Insgesamt machen die Beispiele den Grofiteil des Buches aus. Einige Abschnitte sind mit * als optional markiert - sie stellen vertiefendes Material dar. Musterlosungen fiir die Aufgaben zusammen mit weiteren Zusatzmaterialien befinden sich auf der Webseite http://www.thi.informatik.uni-frankfurt.de/^jukna/. Daher eignet sich das Buch auch fiir das Selbststudium. An dieser Stelle mochte ich sehr herzlich Georg Schnitger, Maik Weinard, Markus Schmitz-Bonfigt, Uli Laube und natiirlich meinen Studenten fiir ihre Interesse, wertvolle Hinweise und zahlreiche Verbesserungsvorschlage danken. Gregor Gramlich bin ich insbesondere dankbar - seine Hilfe wahrend der Arbeit an der letzten Version des Buches war entscheidend. Mein Dank geht auch insbesondere an Ingo Wegener fiir die Unterstiitzung des Projektes und an den Lektor vom Teubner-Verlag, Ulrich Sandten, fiir die hervorragende Zusammenarbeit. Die entscheidende Motivation des ganzen Vorhabens kam aber von meiner dreizenjahrigen Tochter, Indre, und ihren standigen Fragen »wozu das Ganze?«. Das hat eine Spur auch in dem Buch hinterlassen: Nicht die Frage, wie ein Konzept definiert ist, sondern die Frage, wofiir es iiberhaupt niitzlich sein kann, hat daher in diesem Buch die grofite Prioritat. Frankfurt am Main/Vilnius, im August 2007 S. J. Inhaltsverzeichnis Schulstoff I Mengen, Logik und Kombinatorik 9 1 GrundbegrifFe 1.1 Mengen und Relationen 1.2 Graphen 1.3 Abbildungen (Funktionen) 1.4 Kardinalitat unendlicher Mengen 1.5 Aufgaben 10 10 15 19 21 24 2 Logik und Beweismethoden 2.1 Aussagen 2.2 Pradikate und Quantoren 2.3 Logische Beweisregeln 2.4 Induktion: Beweis von \/x P{x) 2.4.1 Das Induktionsprinzip 2.4.2 Das Prinzip des »kleinsten Verbrechers« 2.4.3 Falsche Anwendungen 2.4.4 Richtige Anwendungen 2.5 Induktion und Entwurf von Algorithmen 2.5.1 Tiirme von Hanoi 2.5.2 Das Rucksackproblem 2.6 Aufgaben 26 26 28 31 32 32 34 34 37 40 41 42 44 3 Kombinatorik 3.1 Kombinatorische Abzahlregeln 3.2 Prinzip des doppelten Abzahlens 3.3 BinomialkoefRzienten 3.3.1 Auswahl mit Wiederholungen 3.3.2 Binomischer Lehrsatz 3.4 Das Taubenschlagprinzip: Beweis von 3x P{x) 3.5 Widerspruchsregel und Entwurf von Algorithmen 3.6 Aufgaben 47 47 48 52 54 54 58 62 64 II Algebra und Zahlentheorie 67 4 68 68 Modulare Arithmetik 4.1 Teilbarkeit, Division mit Rest X Inhaltsverzeichnis 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8 4.9 5 Teilerfremde Zahlen Rechnen modulo n Euklid'scher Algorithmus Primzahlen Chinesischer Restsatz Anwendung in der Kryptographie: RSA-Codes* Anwendung: Schneller Gleichheitstest* Aufgaben 70 73 76 78 82 84 87 88 Algebraische Strukturen 5.1 Gruppen 5.2 Morphismen: Vergleich der algebraischen Strukturen 5.3 Ringe und Korper 5.4 Polynome 5.4.1 Modulo-Rechnung fiir Polynome 5.5 Komplexe Zahlen: Rechnen in der Zahlenebene 5.5.1 Anwendung: Schnelle Fourier Transformation* 5.6 Lineare Raume 5.6.1 Basis und Dimension 5.6.2 Lineare Abbildungen 5.6.3 Koordinaten 5.6.4 Unterraume 5.7 Aufgaben 90 90 97 99 102 104 105 110 112 117 118 121 123 125 III Lineare Algebra 127 6 Vektorkalkiil 6.1 Das Matrix-Vektor Produkt 6.2 Rang der Matrizen 6.3 Homogene Gleichungssysteme 6.3.1 Anwendung: Zerlegung in bipartiten Cliquen* 6.4 Das Losen von Gleichungssystemen 6.4.1 Das Gaufi-Verfahren 6.5 Geometrie des Skalarprodukts 6.6 Die Lineare-Algebra-Methode 6.7 Orthogonalraume 6.7.1 Anwendung: Fehlerkorrigierende Codes* 6.8 Orthogonale Projektionen 6.9 Orthonormalbasen 6.10 Aufgaben 128 128 131 134 135 137 138 141 144 147 148 151 153 155 7 Matrizenkalkiil 7.1 Matrizenprodukt 7.2 Matrizenprodukt und Rang 7.3 Matrizendivision: Inverse Matrizen 7.3.1 Unitare Matrizen 157 157 161 163 164 Inhaltsverzeichnis 7.3.2 Hadamardmatrizen* 7.3.3 Elementarmatrizen 7.3.4 Bestimmung der Inversen 7.3.5 Matrizenprodukt und Basiswechsel* 7.4 Die Determinante 7.4.1 Determinante und Elementartransformationen 7.4.2 Das Matrizenprodukt und die Determinante 7.4.3 Explizite Darstellung der Determinante 7.5 Eigenwerte und Eigenvektoren 7.5.1 Eigenwerte und Diagonalisierung 7.5.2 Eigenwerte, die Spur und die Determinante 7.6 Aufgaben IV Analysis xi 165 166 168 169 171 174 175 177 180 185 188 190 194 8 Folgen und Rekursionsgleichungen 8.1 Endliche Summen (Reihen) 8.1.1 Arithmetische Reihe 8.1.2 Geometrische Reihe 8.1.3 Harmonische Reihe 8.2 Rekursionsgleichungen 8.2.1 Homogene Rekursionsgleichungen 8.2.2 Nicht-homogene Rekursionsgleichungen 8.3 Aufgaben 195 196 196 197 199 200 201 207 208 9 Konvergenz von Zahlenfolgen 9.1 Unendliche Folgen 9.1.1 Konvergenzkriterien fiir Folgen 9.2 Unendliche Summen (Reihen) 9.2.1 Geometrische Reihe - die »Mutter aller Reihen« 9.2.2 Allgemeine harmonische Reihen 9.2.3 Konvergenzkriterien fiir Reihen 9.3 Aufgaben 210 210 215 219 220 221 223 228 10 DifFerenzialrechnung 10.1 Grenzwerte bei Funktionen 10.2 Ableitungen 10.3 Mittelwertsatze der Differenzialrechnung 10.4 Approximation durch Polynome: Taylorentwicklung 10.5 Die Regeln von Bernoulli-rHospital 10.6 Wachstumsvergleich: Klein-o und grofi-O 10.6.1 Das Master Theorem 10.7 Differenzialgleichungen 10.8 Integrale 10.9 Aufgaben 230 230 234 240 244 247 250 252 255 256 260 XII Inhaltsverzeichnis V Diskrete Stochastik 262 11 Ereignisse und ihre Wahrscheinlichkeiten 11.1 Der Begriff der Wahrscheinlichkeit 11.2 Stochastische Unabhangigkeit 11.3 Bedingte Wahrscheinlichkeit 11.4 Aufgaben 263 263 270 272 277 12 Zufallsvariablen 12.1 Erwartungswert und Varianz 12.1.1 Analytische Berechnung von E(X) und Var (X) 12.2 Drei wichtige Zufallsvariablen 12.3 Abweichung vom Erwartungswert 12.3.1 Markov-Ungleichung 12.3.2 Tschebyschev-Ungleichung 12.3.3 Chernoff-Ungleichungen 12.4 Die probabihstische Methode 12.5 Aufgaben 280 282 290 291 293 293 295 298 304 307 Weiterfiihrende Literatur 310 Stichwort verzeichnis 311 Schulstoff In diesem Abschnitt erinnern wir uns kurz einiger Begriffe, Notationen und Fakten, von denen die meisten bereits aus der Schule bekannt sind. Zahlenmengen In der Mathematik arbeitet man hauptsachlich mit den folgenden Zahlenmengen. 1. Die ersten n natiirlichen Zahlen [n] = {1,2,..., n} ohne Null. 2. Alle natiirlichen Zahlen N = {0,1,2,...}. Man kann jede natiirliche Zahl dadurch erhalten, dass man, beginnend mit der 0, wiederholt 1 addiert. Die wichtigste Eigenschaft der natiirlichen Zahlen ist, dass es in jeder Teilmenge von N eine einzige kleinste Zahl gibt. 3. Natiirliche Zahlen ohne Null N+ = {1,2,...}. 4. Ganze Zahlen Z = {..., - 3 , - 2 , -1,0,1,2,3,...}. 5. Rationale Zahlen (Briiche) Q = ' ^ T • a , 6 G Z und 6 7^ 0 L Das sind die Zahlen, die sich als endliche oder unendliche aber periodische Dezimalzahlen mit der Periodenlange < b darstellen lassen, zum Beispiel Periode i = 0,25 4 Oder ^ = 0,142857142857142857... 7 6. Reelle Zahlen R = {a, 6162,... : a G Z, 0 < 6^ < 9}. Das sind die Zahlen, die sich als unendliche, nicht unbedingt periodische Dezimalzahlen darstellen lassen. 7. Komplexe Zahlen C = {(a, 6): a, 6 G M}. Solche Zahlen schreibt man normalerweise als Summen a + ib, wobei i eine imaginare »Zahl« mit der Eigenschaft z^ = - 1 ist. Komplexe Zahlen werden wir in Abschnitt 5.5 genauer betrachten. Diese (so verschiedenen) Zahlenmengen sind aus dem Wunsch entstanden, immer kompliziertere Gleichungen zu losen (siehe Tabelle 0.1). Die ersten drei Mengen N, Z und Q sind im Wesentlichen »gleichmachtig«: Man kann jeder Zahl aus Q eine eindeutige natiirliche Zahl zuordnen. Die Mengen R und C sind aber bereits »echt grower«; das werden wir in Abschnitt 1.4 besprechen. Rechnen mit reellen Zahlen Summe, Differenz, Produkt und Quotient von zwei reellen Zahlen ist wieder eine reelle Zahl. Ausnahme: Division durch 0 ist nicht erlaubt! Zwei beliebige reelle Zahlen x und y lassen sich vergleichen, d. h. es gilt entweder x < y oder x = y (dies bezeichnet man als X <y) oder x > y. Vorsicht: Aus x • y < z folgt x < z/y im Allgemeinen nicht! Dies gilt nur wenn y positiv ist. Schulstoff Tabelle o.i: Vergleich der Zahlenmengen Gleichung Nicht losbar in Losbar in Losung x+ 1 = 0 N Z x = -1 2x-l = 0 Z Q x=| V2 x = yj-l = i X x^ + l = 0 M C •• Archimedisches Prinzip Zu jeder reellen Zahl x G R gibt es ein n G N mit x < n. Intervalle Fiir zwei reelle Zahlen a,b e R, a < b bezeichnet man die zwischen a und b liegende Zahlen mit [a,b] = {x: a < x < 6}, {a,b] = {x: a < x < 6}, usw. Betrag Es gilt |x| = X fiir x > 0 und |x| = —x fiir x < 0. Anschauliche Bedeutung: Abstand zwischen 0 und x auf der Zahlengeraden. Es gilt: \x\ >0,\x-y\ = \x\ • \y\, \x/y\ = \x\/\y\ fiir y y^ 0 und |x±7/| < |x| + |7/| (Dreiecksungleichung). Haufige Form: |^ — x| = Abstand zwischen x und y auf der Zahlengeraden. Gauft-Klammern [x\ und \x] Fiir eine reelle Zahl x G R ist [xj := max{6 G Z: b < x} Abrunden [x] := min{a G Z: x < a} Aufrunden . Eigenschaften: X - 1 < lx\ < X < \x] < X -\-1, l-x\ = - \x] \-x] = - [xj . Sei n G N eine natiirliche Zahl mit 2"^~^ < n < 2^. Dann besteht die binare Darstellung von n aus genau m = [log2 nj + 1 = [log2(n + 1)] Bits. Zahl TT Eine besondere Rolle spielt die sogenannte »Zahl 7r«, die den Umfang (die Lange) eines Kreises mit Durchmesser i angibt. Allgemein gilt __ Umfang des Kreises _ 3^141592653589.... Durchmesser des Kreises Betrachtet man den Einheitskreis, d. h. den Kreis vom Radius 1, so ist 27r genau der ganze Umfang dieses Kreises (siehe Bild o.i) und 7r/2 ist genau ein Viertel dieses Umfangs. Sinus und Kosinus Das BogenmafJ eines Winkels a^ ist die Lange x des Bogens, den der Winkel aus dem Einheitskreis (d. h. Kreis mit Radius 1) ausschneidet. Dem Vollwinkel 360^ entspricht der 71/2 =371/2 Bild o.i: Die Punktionen sinx und cosx. Umfang 27r des Einheitskreises; dies liefert die Umrechnungsformel X 360^ 2^ Die Funktionen sinx und cosx sind im Bild o.i veranschaulicht. Wir fassen die wichtigsten Eigenschaften dieser Funktionen zusammen (dabei ist x G M eine beliebige reelle Zahl): sinO COS — = 0 ; sm — cosO 2 ' 2 (-f) sin f X + — j = cos X ; cos sm X; cos(—x) = cosx; sin(—x) = — sinx ; Symmetrie Antisymmetrie 1 = cos^ X + sin^ X ; cos(x =b ?/) = cos X • cos y =F sin x • sin y ; sin(x =b 2/) = cos X • sin y ib sin x • cos y ; Satz von Pythagoras Additionstheoreme sin 2x = 2 sin x • cos x ; cos 2x = cos^ x — sin^ x ; 1 — cos 2x 1 + cos 2x sm X = cos X = 2 smx 2i ' cosx 2 Euler'sche Formeln Einige Werte von sinx und cosx sind in Tabelle 0.2 aufgelistet. Potenzen und Wurzeln Fiir a G M, n G N+ wird definiert: a^ = a-a-.. .-a {n mal) mit oP = 1. Negative Potenzen von a 7^ 0 sind durch a~^ = 1/a^ definiert. Fiir a G M, a > 0, n G N+ gibt es genau eine nicht-negative reelle Zahl, die hoch n 4 Schulstoff Tabelle 0.2: Zum Beispiel fiir x = ^ ist sinx = sin(—x + f) = cos(—x) = cosx und der Satz von Pythagoras liefert uns sin x = cos ^ = ^ = 2 • OL 0^ X 0 sinx 0 cosx 1 30^ 45^ 60^ 90^ TT TT TT 6 4 3 2 1 2 V2 V3 2 2 1 72 1 2 0 2 2 genommen a ergibt. Diese Zahl wird mit y/a bezeichnet, d. h. ^/a = X gilt genau dann, wenn x > 0 und x^ = a gilt. Fiir ungerades n und a < 0 ist auch die die folgenden Ausdriicke definiert sind, gilt aP'a'' = aP^''; ^ = a^"^; a^ • 6^ = (a • 6f; definiert. Fiir alle a,b,p,q G R, fiir ^ = (^^y ; (a^)^ = a^'^ Die Rechenregeln fiir Wurzeln ergeben sich aus diesen Regeln durch den Ubergang von ^/a zu a^/"^. Exponent und entsprechende Wurzel heben sich auf; d. h. es gilt \/x^ = (^/x)'^ = X fiir alle x >0. (^ -^ Vorsicht bei negativem x: Es gilt z .B. Vx^ = \x\ fiir alle x G M; \/x^ = x gilt nur, wenn x >0. Lineare und quadratische Gleichungen Die Losung fiir ax + 6 = 0 mit a,b e R und a 7^ 0 ist x = - ^ . Um die quadratische Gleichung ax'^ -\-bx-\-c = 0 mit a, 6, c G R, a 7^ 0 zu losen, schreibt man sie zuerst um in x'^ -\- -X = -- und stellt die linke Seite als Quadrat dar hih- c b^ a 4.0? ~ 6^ - 4ac 4a2 Dar aus folgt -b±V^X = - iac ;;— 2a Logarithmen In der Gleichung a^ = r sind a (Basis, a > 0, a 7^ 1) und r (Numerus, r > 0) gegeben. Gesucht ist die Zahl x. Diese Zahl heifit Logarithmus von r zur Basis a. Schreibweise: x = log^r. Den Logarithmus log^r zur Basis e = 2,7182818... (Euler'sche Zahl) bezeichnet man als In r. In der Informatik wird am meisten der Logarithmus log2 r zur Basis 2 benutzt. Bild 0.2: Exponent und Logarithmus. Die Rechenregeln mit Logarithmen sind im folgenden Satz zusammengefasst; hier sind a,b,r,s > 1 beliebige reelle Zahlen. Satz 0.1: Eigenschaften der Logarithmusfunktion (a) a^°^^ ^ = r und log^ a^ = r; (b) log^(r • s) = log^ r + log^ s und log^ (r/s) = log^ r - log^ 5; (c) log^r = (log^r)/(log^a) (Basisvertauschregel); (d) log^(r^) = s • log^ r, also r^ = a^^°s^ ^; (e) (log^r) -(log^a) = 1; (f) S^^Sa^ = T-logaS^ Beweis: (a) folgt aus der Definition. (b) a^°s- ^+^°s- ^ = a^°s- ^ • a^°s- ^ ^=V • 5. „W.r W (a) (^log.ayog.r _ ^(iog,a).(iog,r) f^^g^ ^^g^ ^ _ (log^ «) • (log^ r) (c) Aus r (a) ^=^ a^^g-^ durch Logarithmieren zur Basis b. (d) a^-i°ga^ = (ai°ga^)' ^=^ r^ ^=^ ai°g-^\ (c) 1 (e) (log^ r) . (log^ a) = j ^ • log^ a = log^ r = 1. ( f ) ^ l o g ^ r (£} ^ ( l o g , r ) / ( l o g , a ) ^ / ^ l o g , r^ V log, a (a} ^ 1 / l o g ^ « ( J ^ l o g . Einige Bezeichnungen Zur Abkiirzung langerer Summen vereinbart man /^ ai = ai -\- a2-\- as-\ h a^ . D 6 Schulstoff Zum Beispiel kiirzt man 1 + 2 + 3H h n a l s ^^=i i ab. Dazu miissen die Summanden mit einer Nummer (Index) versehen sein. Der Name des Indizes spielt keine Rolle: n n 2=1 J= l 1st ao, a i , . . . eine Folge von Zahlen und / C {0,1,...} eine endliche Teilmenge der Indizes, so ist die Summe aller Zahlen ai mit i ^ L Analog vereinbart man n J ^ a^ = ai • a2 • as • . . . • an . 2=1 als Abkiirzung fiir das Produkt. So ist zum Beispiel A i + 1 2 3 4 n n+ 1 n ^ = r 2 - 3 - ' " - n - l n = " + '• Ist A eine endliche Menge, so kann man die Anzahl 1^41 der Elemente in A auch so ausdriicken: |A| mal aGA Man betrachtet auch Doppelsummen: n m 2=1 j = l m m m j=l j=l j=l Mit den durch ein Summenzeichen ausgedriickten (endlichen!) Summen wird genauso gerechnet wie mit "normalen" Summen auch. So kann man zum Beispiel die Reihenfolge der Summen vertauschen (eine solche Umformung nennt man auch das Prinzip des doppelten Abzdhlens): n m 2=1 J= l m n J= l 2=1 Die Schreibweise »X := Y« bedeutet »X ist als Y definiert«, d.h. die linke Seite (X) ist eine Bezeichnung fiir die rechte Seite {¥). Im Unterschied dazu bedeutet »X = Y« die Aussage »X ist gleich Y«. Sind A und B zwei Aussagen, so schreibt man oft A <^=^ B, wenn die Aussage A genau dann wahr ist, wenn die Aussage B wahr ist. Die Worte »genau dann, wenn« kiirzt man oft durch »g. d. w.«. Die Abkiirzung »o. B.d. A.« bedeutet »ohne Beschrankung der Allgemeinheit«; diese Abkiirzung sollte man mit grofier Vorsicht benutzen: Es muss klar sein, dass ein Spezialfall auch wirklich den allgemeinen Fall wiederspiegelt. Die Abkiirzung »i. A.« steht fiir »im Allgemeinen«. Mathematische Symbole Zur Bezeichnung verschiedener mathematischer Objekte benutzt man in der Mathematik gerne griechische Symbole: Name alpha beta gamma delta epsilon zeta eta theta Symbol A, a B,p rn AS E,e ^,C H,r] 0,0 Name iota kappa lambda my ny xi omikron pi Symbol T7i K,f^ A,X M,ii N,u ^,^ 0,0 7 7 , TT Name rho sigma tau ypsilon phi chi psi omega Symbol P.P U, (T T,T Y,v $,4> x,x >p,^ f2,uj Aussagen in der Mathematik haben verschiedene Namen: »Satz« oder »Theorem«, »Lemma«, »Behauptung«, »Korollar« usw. Die Vergabe dieser Namen hangt meistens von dem Geschmack des Autors ab. Eine vage Merkregel ist die folgende: - Satz oder Theorem ist eine wichtige autonome Aussage. - Lemma ist eine Aussage »fiir Unterwegs«: Eine Aussage, die zur Ableitung anderer Aussagen benutzt wird. - Behauptung (engl. »claim«) ist eine Aussage »fiir Kinder«: Eine relativ leicht beweisbare Aussage. - Korollar ist eine Aussage, die man »fast umsonst« kriegt: Eine unmittelbare Folgerung aus einem Satz. Satz 0.2: Bedeutung der »grauen Kasten« Einige Aussagen sind in »grauen Kasten« gesetzt. Das sind die Hauptsatze, die man auf jeden Fall wissen sollte. (^ Diese Markierung werden wir fiir Bemerkungen benutzen. In den meisten Fallen -^ wird so auf mogliche Gefahren im Umgang mit den gerade betrachteten Konzepten oder auf einige niitzliche Merkregeln hingewiesen. Worum geht es in der Mathematik? Es geht um die Beweise und um das Beweisen. Pythagoras war der erste Mann iiberhaupt, der darauf bestanden hat, dass alle mathematische Aussagen auch bewiesen sein sollten. Er hat auch erstmals die Worte »Mathematik« und »Theorem« eingefiihrt. Das Wort »Beweis« mag am Anfang ziemlich abschreckend klingen. Das ist jedoch vollig unbegriindet, denn letztendlich bedeutet »einen Beweis zu fiihren« nichts Anderes, als dass wir darauf achten, klare (und richtige) Aussagen zu machen, die wir logisch aufeinander aufbauen. Ein »Beweis« ist also eine logisch korrekte Argumentation, die sowohl den Autor der Aussage wie auch die Leser iiberzeugt. Anders als manche Studienanfanger denken, ist die Fahigkeit, einen Beweis zu fiihren, auch fiir einen Informatiker unverzichtbar. Auch ein Anbieter muss letztendlich seinen Kunden iiberzeugen, dass sein Algorithmus das tut, was er tun soil (Beweis der Korrektheit), und 8 Schulstoff dieses auch schnell genug tut (asymptotische Analyse der Laufzeit). Die Informatik ist nicht das Programmieren und auch gar nicht die Beherrschung der Microsoft-Pakete sie ist eine Wissenschaft iiber die Algorithmen und ihre Moglichkeiten. Die Reihenfolge ist also: Mathematische Idee (Beweis, dass das gesuchte Objekt tatsachlich existiert) 1-^ algorithmische Idee (Entwurf des Algorithmus) i-^ Programmieren. In diesem Buch werden wir die wichtigsten »Tips und Tricks« fiir die zwei erst en Schritte kennenlernen. Das Zeichen D steht fiir die Beweisende; in manchen Biichern benutzt man dafiir die Bezeichnung »Q.E. D.«, was »quod erat demonstrandum« bedeutet. Schliefilich erwahnen wir einige besonders niitzliche Gleichungen und Ungleichungen (spater werden wir sie auch alle beweisen): 1 + X < e^ 1 xeR <lnx<x-l X>0 X f[-yZxi]<-y^f{xi) 2=1 ^ n 1 / 1 2=1 ^ ^ 2=1 1 + 2 + 3H l-\- X -\- x'^ -\- x^ -\ >0 ^ 2=1 y ^ x ^ ) ( y^y^ 2=1 Jensen-Ungleichung, f''{x) 2=1 ^ I — ( y^^^y^ ^ 2=1 ^ \-n= ) Cauchy-Schwarz-Unglelchung ^ arithmetische Reihe \- x'^ = —; geometrische Reihe, x 7^ 1 1 —X l-\-x-\-x^ -\-x^ -\ hx^'H = \x\ < 1 1 —X l-\-x-\-2x^ -\-3x^ -\ h nx'' -\ = ,^ ^ ,^ (1 — x)^ 1 + - + - + ---H— = l n n + 7n 2 3 n \x\ < 1 harmonische Reihe, i < 7n < I • Teill Mengen, Logik und Kombinatorik