Schichten und Ungleichheit in der Gesellschaft

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Schichten und Ungleichheit in der Gesellschaft
Schichten und Ungleichheit in der Gesellschaft ......................................................................................................................... 1
1 Das Erleben von Ungleichheit ................................................................................................................................................. 1
2 Schichtung gibt es überall ....................................................................................................................................................... 2
3 Der große Schichtungstheoretiker Marx .................................................................................................................................. 4
4 Sein Gegenspieler Weber ....................................................................................................................................................... 6
5 Schelskys Modell und Boltes Zwiebel ..................................................................................................................................... 7
6 Dahrendorfs Haus ................................................................................................................... Error! Bookmark not defined.
1 Das Erleben von Ungleichheit
Die Ungleichheit in der Gesellschaft
Nach dem Krieg wohnte ich mit meinen Eltern im Grünen. In Bremen. Nicht in einer Villa im Park, sondern in einem kleinen
Holzhaus. Mein Vater hatte irgendwie eine alte Wehrmachtsbaracke organisiert und dann in den Kleingarten seiner
Schwiegermutter, meiner Oma, gestellt.
Die Wohnung meiner Eltern, in einem schönen Teil der Stadt, war den alliierten Bombenangriffen zum Opfer gefallen – wir
waren ausgebombt, wie man damals sagte. Und so wohnten wir nun auf einer Parzelle am Rosenweg. Die
Kleingartenkolonie hieß Kornblume und das Vereinsheim ebenso.
Es war eine wundervolle Zeit für mich – jedenfalls als kleines Kind.
Wenn ein Auto in unsere Gegend kam, war das für uns Kinder immer ein Ereignis. Unsere Welt war die der Eichhörnchen
und Füchse, die Welt von Hund und Katze.
Meine Eltern erzählten nicht viel von früher. Von der Zeit, als sie damals schon - 1939 - ein Auto und ein großes Segelschiff
hatten, als sie in einem Sportverein waren und große Reisen machten. Große Reisen vor dem Krieg waren Reisen in den
Harz, in die Alpen und einmal sogar nach Norwegen.
Sie erzählten von einem großen Bücherschrank im Wohnzimmer, von einem Klavier, das auch dort stand und sie erzählten
mir von einer Toilette mit Wasserspülung.
Das fand ich aufregend.
Wir mussten dagegen in den ersten Jahren am Rosenweg zwei Kilometer laufen, um zum nächsten Wasserhahn zu
kommen.
Ich hörte die Geschichten von früher, aber vorstellen konnte ich mir das nicht.
Die Nachbarn um uns herum wohnten z.T. schon vor dem Krieg hier und hatten nie eine wohlhabende Vorkriegszeit erlebt.
Meine Eltern ließen immer wieder erkennen, dass wir nur aus Not auf der Parzelle wohnten und eigentlich nicht hierher
gehörten.
Sie fühlten sich deplaziert.
Und auch das verstand ich nicht.
Denn ich fand die Nachbarn nett.
Den Nachbarn Junker, einem Hafenarbeiter, der mir stolz erzählte, dass er Kommunist sei. Oder den Fischhändler Butt, der
gerade aus dem Gefängnis kam, wo eine Strafe wegen Viehdiebstahl abgesessen hatte.
Hin und wieder besuchten uns Freunde meiner Eltern. Der Mann einer Freundin meiner Mutter war Chefarzt, ein anderer
Oberpostdirektor. Die mochte ich auch – aber irgendwie waren sie anders als Herr Junker und Herr Butt.
Sie sahen anders aus und sie sprachen auch anders.
Als Kind erlebte ich also ganz früh – aber nicht früher als alle anderen Kinder auch - dass die Menschen verschieden sind.
Als Kind lernte ich auch, dass sie nicht nur ungleich sind, sondern auch offenbar einen verschiedenen Rang haben.
Als Kind lernte ich das, was Soziologen gesellschaftliche Differenzierung nennen.
Die Art der Differenzierung, d.h. die gesellschaftliche Typologie, ist für jede Analyse der Gesellschaft grundlegend.
Aber nicht nur für die wissenschaftliche Analyse der Gesellschaft.
Die Vermittlung der gesellschaftlichen Typologie ist auch ein wichtiges Ergebnis der Sozialisation jedes Einzelnen – so wie
bei mir. Und bei Ihnen wird es nicht anders gewesen sein.
Und mit jeder Typologie ist auch ein Rang verbunden: der Oberpostdirektor gehört nicht nur einem anderen
gesellschaftlichen Typus an, er steht auch auf einer anderen Rangstufe als der Fischhändler Butt und intuitiv würden die
meisten von uns sagen: auf einer irgendwie höheren.
Diese Gesamtheit der Rangstufen nennt der Soziologe Schichtung.
In der Schule nun kam ich mit Kindern verschiedener Schichten zusammen. Und auch da sah ich wieder Unterschiede.
Für die Kinder aus den oberen Schichten, die Kinder der Reeder, Bankdirektoren, Kaufleute und Chefärzte haben die Eltern
für ihre Kinder bis zum Schuleintritt schon erheblich mehr investiert, als die Hafenarbeiter und die Fischhändler.
Das hat eine ganze Reihe von sichtbaren Konsequenzen.
Von der Kleidung bis zur Zahnpflege.
Kinder der oberen Schichten haben auch andere Manieren, "bessere" wie es so schön heißt. Aber die Kinder aus gutem
Haus können auch ganz schön neidisch sein, weil ihre Klassenkameraden es schön früh gelernt haben, Konflikte nicht nur
durch Worte auszutragen.
Und in der Regel beneiden sie die Kinder aus den niederen Klassen, weil diese mehr Freiheit haben. Und auch ganz andere
Moralvorstellungen. Brachte ich z.B. schöne fremde Worte mit nach Hause, sagten meine Eltern: "So etwas sagt man nicht!"
Ich wusste nie so ganz genau wohin ich gehörte. Zu meinen Freunden von der Parzelle oder zu den anderen, deren Väter
Ärzte oder Rechtsanwälte waren.
Ist die Situation, wie Kinder soziale Schichtung erleben, irgendwo schöner beschrieben als in den Geschichten von Tom
Sawyer und Huckelbery Finn?
2 Schichtung gibt es überall
Schichtung gibt es überall
Das Phänomen der Schichtung ist global und zieht sich durch die gesamte menschliche Geschichte.
Alle uns bekannten Gesellschaften haben irgendein System, ihre Mitglieder nach höheren oder niedrigeren Positionen zu
klassifizieren. Die klassen- oder schichtungslose Gesellschaft ist eine Utopie. Für die einen eine schöne und für die anderen
eine schreckliche!
Die einen denken an das Paradies und die anderen an die schrecklich gescheiterten Versuche von Mao Tse Tung und
denen der roten Khmer in Kambodscha.
Die Art wie Soziologen Schichtung analysieren – man könnte auch sagen, Klassenunterschiede untersuchen – ist sehr
verschieden und Ursache erbitterter akademischer Auseinandersetzung.
Einigkeit besteht nur in wenigen Aspekten, z.B. dem, dass die Schichtungskriterien von Gesellschaft zu Gesellschaft sehr
verschieden sind.
So gibt es Gesellschaften, in denen das hohe Alter den Menschen Rang verleiht. China war einmal ein klassisches Beispiel
dafür. Dann hätte ich Ihnen einiges voraus.
In primitiveren Gesellschaften, oder um den Begriff von Elias aufzugreifen: in weniger zivilisierten Gesellschaften, wo die
Menschen manchmal von einem Minimum leben müssen und ständig gegen die Natur und andere Menschen kämpfen
müssen, bestimmt oft die körperliche Tüchtigkeit den Rangindex. Diese Zeit gab es bei uns auch einmal. Lesen Sie doch
bitte einmal das Nibelungenlied.
Und dann gibt es auch noch Länder, in denen ich mich besonders wohl fühle.
In Thailand wurde ich bei einem Essen an einer Universität einmal an den Ehrenplatz - neben dem Präsidenten - gebeten,
mit der zwiespältigen Begründung, ich sei so schön fett.
Und wieder in anderen Gesellschaften liefert der Besitz den Rangindex, oder die Bildung.
In der Welt der osteuropäischer Juden war es gar nicht ungewöhnlich, dass ein vermögender Kaufmann einen bettelarmen
Rabbi, der nichts anderes als seine Talmudkenntnisse besaß, als Ehemann für seine Tochter wählte
Sobald wir über Rang und Schichtung sprechen, stellt sich sofort ein theoretisches Problem ein.
Wer bestimmt den Rang?
Sprechen wir über einen Rang, den ein Beobachter von außen – ein Fachmann, z.B. ein Soziologe – einem Menschen
zuerkennt?
Oder den Rang, den der einzelne sich gibt?
Oder sprechen wir von dem Rang, den andere, die ihn kennen, mit ihm leben, ihm zuerkennen?
Jede dieser drei Möglichkeiten verlangt nach einem anderen Untersuchungsansatz.
Wenn die Fachleute sich an die Arbeit machen, suchen sie nach objektiven Kriterien.
Dies könnten z.B. Vermögen und Bildung sein. Jeder spürt intuitiv, dass diese beiden Faktoren irgendwie bedeutsam sind.
Menschen aus der Mittelklasse haben ein größeres Einkommen und eine bessere Ausbildung als Menschen aus der
Arbeiterschicht. Natürlich fallen Ihnen sofort Gegenbeispiele ein. Der junge Arzt in der Klinik, die wissenschaftliche
Mitarbeiterin am Institut für Soziologie verdient sicher weniger Geld als ein Fliesenleger oder gar ein Drogenhändler.
Also so ganz trennscharf ist dies Kriterium sicher nicht – aber auch nicht ganz falsch. Man könnte als Soziologe also so eine
theoretische Trennungslinie zwischen Mittelschicht und Arbeiterschicht ziehen.
Dazu würde wir Einkommen und Ausbildung irgendwie zusammenfügen, eine Index bilden und wir könnten definieren: jeder
der über einem bestimmten Wert liegt, den rechnen wir zur Mittelschicht und jeder der unter diesem Wert liegt, rechen wir
zur Arbeiterklasse.
Wir könnten aber auch die Menschen selbst fragen, welcher Schicht sie sich zugehörig fühlen. Das muss nicht so simpel
sein, dass man fragt: rechnen Sie sich zur Mittelschicht oder zur Arbeiterklasse?
Man könnte z.B. auch die Frage in einem Fragebogen folgendermaßen formulieren:
Kreuzen Sie doch bitte an, welcher Schicht Sie sich in unserer Gesellschaft zugehörig fühlen:
Oben
Mitte
Unten
Das Ergebnis kann weitgehend mit der Analyse der soziologischen Experten übereinstimmen. Tut es das nicht, muss
deswegen die soziologische Analyse keineswegs der richtigere Weg sein.
Richtig und falsch sind die falschen Kategorien in diesem Zusammenhang, eher vielleicht mehr oder weniger angemessen.
Den richtigen Wert kennen wir nicht, es gibt ihn auch nicht. Die Schichtzugehörigkeit ist keinem Menschen eindeutig
zuzuordnen wie die Blutgruppe.
Wir können aber auch andere Menschen fragen, welcher Schicht Klaus Müller angehört. Das Ergebnis ist dann ähnlich einer
Mehrheitswahl. Auch nicht richtig oder falsch, nur eine andere Perspektive.
Und schließlich kann man auch alle drei Ansätze irgendwie miteinander verbinden.
Die zentrale Frage ist eigentlich, zu welchem Zweck wollen wir das eine oder das andere tun?
Und da muss die Antwort wohl immer sein: um irgendein gesellschaftliches Phänomen besser erklären zu können, sei es die
Selbstmordquote oder die Heiratsneigung, sei es das Konsumverhalten oder die Kriminalität
Das Ereignis würde dann in der Fachsprache formuliert, vielleicht so aussehen
Der von uns gewählte Schichtungsindex Si erklärt 80% der Varianz (Streuung) des Heiratsverhaltens.
Der Soziologe wäre glücklich.
Bisher hat man vielleicht immer gerätselt, warum das Heiratsverhalten so unterschiedlich ist und plötzlich könnte man sagen:
ein gut Teil – nämlich 80% der Unterschiedlichkeit – lässt sich auf die Schichtzugehörigkeit zurückführen.
3 Der große Schichtungstheoretiker Marx
Die Klassiker der gesellschaftlichen Schichtungstheorie wären allerdings höchst unzufrieden mit einem solchen
positivistischen Ansatz und sie würden indigniert anmerken, dass das wenig mit einer wirklichen Gesellschaftsanalyse zu
tun habe. Adorno z.B., aber besonders Karl Marx.
Obwohl Karl Marx kein Soziologe im eigentlichen Sinne war, und sich auch nie als ein solcher gesehen hat, muss man ihm
doch einen beträchtlichen Anteil am Denkgebäude der Soziologie zurechnen.
Im Augenblick haben seine Theorien und Ideen zwar nicht mehr den Einfluss wie noch vor zwei, drei Jahrzehnten, aber das
kann sich auch schnell wieder ändern.
In den siebziger Jahren gehörten zur selbstverständlichen Ausbildung von Soziologen die verschiedenen Kapitalkurse, die
überall angeboten wurden.
Immerhin hat Marx eine Revolution im Denken bewirkt, wie sonst wohl nur Freud oder in einer anderen Disziplin Einstein.
Es wäre also sträflich, ihn bei unserem Streifzug durch die Soziologie zu übergehen.
Und die Kapitalkurse gab es bis vor kurzem noch, auch an diesem Institut.
Das Bedürfnis nach radikaler Veränderung der Gesellschaft besteht immer noch und die Schriften von Marx werden von
vielen als Handlungsanweisung verstanden. Oder missverstanden?
Das will ich nicht beurteilen. Für mich ist aber eines sicher. Alle Gesellschaften die bisher versucht haben, ihre Politik nach
den Marx'schen Ideen zu gestalten, sind entsetzlich gescheitert und haben in der Vergangenheit viel Unheil angerichtet.
Dieses Urteil verkennt aber nicht, dass Marx ein bedeutendes Werk hinterlassen hat. Wie bedeutend es ist, kann ich aber
nicht so recht beurteilen, denn ich habe Marx nie verstanden. Obwohl ich eine Reihe von Kapitalkursen mitgemacht habe.
Ich will Ihnen demonstrieren, woran das lag.
Ich zeige Ihnen zwar keinen Marxtext, wohl aber den Text eines Marxexperten, der seine Zeilen mit der Absicht geschrieben
hat, Marx verständlich zu machen.
Der Experte ist Peter Bulthaup und ich zitiere aus seinem Aufsatz: "Von der Freiheit im ökonomischen Verstande" (in:
Hans- Georg Bensch, Frank Kuhne u.a.: Das Automatische Subjekt bei Marx. Studien zum Kapital, hrsg. v.
Gesellschaftlichen Institut Hannover, Lüneburg 1998, Klampen-Verlag), S. 25 - 32.
Bulthaup schreibt:
"Jede Produktion von Mehrprodukt setzt eine Distanz zu bloßer Natur und ist Realisierung von Freiheit.
Sie setzt die selbständige Bestimmung des Willens der Produzenten, die Fähigkeit, Zwecke zu verfolgen, voraus, und ist
darin eine Realisierung ihrer Freiheit, doch die Zwecke, die sie unter der Herrschaft verfolgen, sind nicht ihre Zwecke,
sondern die der Herrschenden, durch die die Freiheit der Produzenten in die der Herrschenden verkehrt wird.
In der kapitalistischen Produktionsweise, deren Zweck die Produktion von akkumulierbarem Mehrwert ist, bekommt diese
Verkehrung der Freiheit der Produzenten die Gestalt der Produktion von Produktivität.
Die aber befreit die Produzenten nicht von der Mühseligkeit der Arbeit, denn in der kapitalistischen Produktionsweise ist die
Produktion von Produktivität dem ökonomischen Zweck, der Produktion von akkumulierbaren Mehrwert unterstellt, und den
Lohnarbeitern werden die Mittel zu ihrer Reproduktion nur gewährt, wenn sie ihre Fähigkeit, Mehrwert zu produzieren, ihre
Arbeitskraft, vom Kapital in Dienst nehmen lassen.
Das Kapital, die in Gestalt des akkumulierbaren Mehrwerts realisierte Freiheit der Produzenten, ist zum Mittel der Herrschaft
über sie als Lohnarbeiter geworden.
Resultat der permanenten Produktion von Produktivität ist die automatisierte Produktion, die ihrer technischen Möglichkeit
nach zur drastischen Reduzierung der Arbeitszeit führen könnte, stattdessen unter kapitalistischen Bedingungen zur
Erhöhung der Mehrarbeit ("Surplusarbeit") führt. "
Warum komme ich aber gerade an dieser Stelle auf Karl Marx zu sprechen?
Weil er in unmittelbarer Nähe zum Problem der Schichtung steht und dies durch seinen berühmten Begriff "Klasse“.
Diesem Begriff hat Marx eine zentrale Bedeutung für die Wissenschaft vom Menschen gegeben.
Die meisten soziologischen Untersuchungen nehmen in der einen oder anderen Form – oder auch nur implizit und versteckt
– auf diesen Begriff Bezug.
Also lohnt es sich, sich diesen Begriff einmal ein wenig näher anzusehen.
Bei Marx steht der Begriff der Klasse in einem engen Zusammenhang mit dem Verhältnis der Gruppen einer
Gesellschaft zu den Produktionsmitteln.
Produktionsmittel sind alle Mittel, die für die wirtschaftliche Produktion (Herstellung und Erzeugung von Gütern)
erforderlich sind: Maschinen, Geräte, Boden, Rohstoffe, usw.
Klassen sind also dadurch definiert, wie viel oder wie wenig ihre Angehörigen besitzen und zwar nicht vom Sozialprodukt –
was ja auch möglich wäre – sondern von den Mitteln, mit denen das Sozialprodukt geschaffen wird.
Eines fällt beim Nachdenken natürlich sofort auf:
Heutzutage ist ja eigentlich der Besitz der Produktionsmittel gar nicht so wichtig, sondern die Verfügungsgewalt
darüber.
Tausende von Menschen "besitzen“ eine Aktiengesellschaft, sind aber noch lange nicht verfügungsberechtigt. Das ist
hingegen der Aufsichtsrat und das Management der Firma. Wie war das doch mit Herrn Ackermann dem Chef der
deutschen Bank?
Angestellter ist er.
Gehört er deshalb zum Proletariat?
Aber so einfach kann man sich die Kritik an Marx nicht machen. Erstens hat er viel differenzierter gedacht, als ich es hier
darstellen kann und zweitens ist die Marx’sche Theorie permanent seit den Tagen ihres Entstehens weiter entwickelt
worden.
Es bleibt aber in jedem Fall festzuhalten, dass das Marxsche Schichtungsmodell ökonomisch ist und nicht auf Selbstoder Fremdeinschätzung beruht.
Das wesentliche Merkmal von Gesellschaften ist nach Marx der beständige Kampf um knappe Güter.
Aus verschiedenen historischen Gründen haben Menschengruppen einen verschiedenen Zugang zu diesen Gütern, und
Geschichte ist danach nichts weiter als ein Kampf um die Kontrolle dieser Güter.
Mit anderen Worten; Geschichte ist eine Geschichte des Klassenkampfs.
Für die marxistische Theorie ist die Klasse nicht nur eine wichtige, sondern die zentrale Kategorie für jede Analyse der
Gesellschaft und dabei es geht im Grunde um zwei Klassen, die Besitzenden und die Besitzlosen.
Marx nutzte für diese Klassen die Begriffe Proletariat und Bourgeoisie.
Das muss man historisch sehen.
Zu Marx Zeiten war die alte Oberklasse, der Adel, in den meisten europäischen Gesellschaften schon in den Hintergrund
getreten und die alte Mittelklasse, die Bourgeoisie, hatte seit der französischen Revolution die gesellschaftliche Kontrolle
übernommen, sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft.
Die Bourgeoisie – auch Kapital genannt - kontrollierte die Gesellschaft, und das Proletariat hatte weder Besitz noch
Kontrollmöglichkeiten.
Das Proletariat wurde also ausgebeutet und unterdrückt.
Natürlich sah auch Marx eine Mittelschicht in der Gesellschaft. Aber nach seiner Meinung war dies eine Klasse, die in der
Auseinandersetzung zwischen der Bourgeoisie und dem Proletariat zwangsläufig aufgerieben wurde – bis hin zur totalen
Auflösung.
Die politischen Alltagsauseinandersetzungen waren für Marx nur belangloses Geplänkel an der Oberfläche der Gesellschaft.
Darunter tobte nach seiner Auffassung der Klassenkampf.
Marx glaubte nun das Ergebnis dieses Klassenkampfes voraussehen zu können. Für ihn konnten die Klassenkämpfe nur ein
notwendiges Ergebnis haben: die siegreiche proletarische Revolution, mit der das glückliche Zeitalter des Kommunismus
eingeleitet würde.
Lassen Sie es mich noch einmal sagen: Sie dürfen bitte nicht glauben, dass die Marx'sche Theorie so einfach wäre, wie ich
es hier dargestellt habe. Weder Marx noch seine Anhänger waren oder sind dumme Leute und die Marx'sche Theorie lässt
sich nicht mit Allerweltsargumenten widerlegen.
Im Grunde genommen lässt sie sich gar nicht widerlegen. Und darin sehe ich auch ein Hauptargument, das gegen sie
spricht: wie immer sich Geschichte entwickelt, die Theorie behält in jedem Fall recht. Jedes Phänomen kann erklärt werden
und selbst wenn Prognosen nicht eintreten, bleibt die Theorie unbeschadet.
Ähnliches ist übrigen auch der Psychoanalyse von Freud vorzuwerfen.
Marx Theorie war ökonomisch, aber er sah durchaus auch die subjektiven Elemente, diese nannte er Klassenbewusstsein.
Er behauptete, dass zwischen der objektiven Lage vieler Menschen und ihrem Bewusstsein eine Kluft bestehe.
Nach seiner Auffassung täuschen sich viele Menschen über ihren wirklichen Ort in der Gesellschaft.
Das nennt Marx dann falsches Bewusstsein. Ein voll entwickeltes Klassenbewusstsein ist aber eine wichtige
Voraussetzung für das Gelingen der proletarischen Revolution.
Das bedeutet also, dass immer mehr Menschen sich als unterdrückt fühlen müssen, die ein gemeinsames Schicksal
und eine gemeinsame Bestimmung haben.
Erinnern Sie sich bitte an Adorno, der sagte: Es gibt kein richtiges Leben im falschen. Und das heißt, man kann nicht
glücklich sein in einer Gesellschaft, die grundsätzlich falsch ist.
Das marxistische Gesellschaftsmodell hat noch heute für alle, die die Gesellschaft radikal verändern wollen, eine große
Anziehungskraft – und das hat Marx auch so gewollt. Seine Theorie war auch als gesellschaftliche Waffe gedacht,
Sehen wir uns jedoch die Geschichte der letzten 100 Jahre an, dann sind alle Gesellschaften, die versucht haben, ihre
Politik an Marx Ideen auszurichten, dramatisch gescheitert – und dies z.T. mit entsetzlichem Blutvergießen.
4 Sein Gegenspieler Weber
Webers Schichtungstheorie
Nach Marx, war wohl Webers Schichtungsansatz für die Soziologie am einflussreichsten.
Ich hatte schon darauf hingewiesen, dass man Weber nur verstehen kann, wenn man ihn im Verhältnis mit Marx sieht.
Das gilt besonders für seine Schichtungstheorie.
Für Weber war Marx Ansatz viel zu simpel und musste nach seiner Auffassung zu einem Zerrbild der Gesellschaft führen.
Weber entwickelte daraufhin ein Dreierschema, genauer: er sagte, dass es drei verschiedene Schichtungstypen gibt.
Im Prinzip sah Weber ähnliche Phänomene wie Marx. Allerdings legte er weniger Gewicht auf das Eigentum – ohne
allerdings das Ökonomische in der Schichtung zu verkennen.
Bei Weber ist bestimmt sich der erste Schichtungstyp nach der Ähnlichkeit von Lebenschancen.
Damit wollte er sagen, dass die Angehörigen einer Klasse, bei denen die Art des Zugang zu knappen Gütern ähnlich ist, mit
großer Wahrscheinlichkeit ähnliche Lebensläufe haben.
Oder auch: sie werden mehr oder weniger dasselbe in einer Gesellschaft erreichen. Erinnern Sie sich bitte an das Interview
mit Sartre, das ich Ihnen am ersten Tag unserer Vorlesung vorstellte.
Der zweite Schichtungstypus beruht auf dem Status, das heißt auf dem Grad der Wertschätzung, den der einzelne in der
Gesellschaft genießt. Dabei besteht oft ein enger Zusammenhang zwischen Status und Klasse.
Das ist aber weder notwendig noch allgemein.
Ein einfaches Beispiel dafür ist der reiche Emporkömmling, der in die höheren Gesellschaftsschichten will. Er bekommt den
Status einfach nicht zuerkannt.
Auch das lernte ich als Kind im sehr traditionsbewussten Bremen kennen.
Meine Freunde und ich spielten alle Tennis in zwei oder drei Vereinen. Nur einige wenige spielten im elitären Club zur Vahr.
Selbst wenn unsere Eltern den Aufnahmebeitrag des edlen Clubs bezahlt hätten und auch die hohe Jahresgebühr:
Aufgenommen hätte man uns trotzdem nicht. Wir passten einfach nicht in die feine Gesellschaft. Oder noch schlimmer:
niemand hat es je versucht, weil man es eben wusste, dass man nicht in den Club zur Vahr aufgenommen würde.
Eng mit dem Statusbegriff hängt bei Weber auch der Begriff des Standes zusammen.
Ein Stand ist nach ihm eine gesellschaftliche Gruppe, in die das Individuum hineingeboren wird, und in der es auch bleibt,
solange es sich nach dem dort herrschenden Ehrenkodex richtet. Deshalb ist gesellschaftlicher Aufstieg in einem
ständischen System erheblich schwieriger als in einem Klassensystem. Man kann alles mögliche kaufen, nur den Zufall
seiner Geburt nicht.
Die einzige dort herrschende Möglichkeit ist Heirat – aber es wiederum nicht so leicht, dass eine Liebe zu einer blaublütigen
Dame erwidert wird und dass die Eltern dieser Dame das auch akzeptieren – aus der Perspektive eines Mannes
gesprochen. Bei Frauen ist das etwas anders.
Unsere Regenbogenpresse ist voll von solchen Begebenheiten. Und unsere soap operas auch.
Der dritte Weber'sche Schichtungstyp ist der auf der Grundlage der Macht.
Unter Macht versteht er, dass jemand in der Lage ist eigene Intentionen auch gegen Widerstand in der Gesellschaft
durchzusetzen - das wissen wir bereits.
Bei der Beschreibung dieses Schichtungstypus benutzt Weber den Ausdruck privilegierte Klasse. Heute spricht man eher
von Elite. Dies ist ein politischer Begriff.
Zusammengefasst sieht Weber die Schichtung einer Gesellschaft also dreidimensional: Klasse, Status und Macht sind das
Koordinatensystem, nach dem sich der einzelne in eine Gesellschaft einordnet.
Das Modell bietet ein vielfältigeres und differenzierteres Begriffssystem als Marx es uns geboten hat. Weber hat der
Versuchung widerstanden, die Vielfalt der modernen Gesellschaft auf eine einzige treibende Kraft zurückzuführen – aber
den Einfluss des Ökonomischen hat er nie geleugnet.
In der Geschichte der Schichtungsforschung gibt es noch einen großen Namen: Theodor Geiger.
Geiger veröffentliche Mitte der zwanziger Jahre eine große Studie über "Die soziale Schichtung des deutschen Volkes".
Ich will es hier dabei belassen, darauf hinzuweisen, dass Geiger noch eine weitere Dimension in das Schichtungsschema
einführte, nämlich die subjektive Einschätzung.
Für ihn wurden dann auch Fragen wichtig wie



Gehöre ich schon nach oben?
Bin ich schon abgerutscht?
Fühle ich mich dieser sozialen Gruppe noch zugehörig, obgleich ich die ökonomischen Mittel nicht mehr
habe?
Das Abrutschen kann ganze Klassen und Schichten treffen.
Ein aktuelles Beispiel aus moderner Zeit ist Argentinien, wo der Mittelstand weitgehend verarmt ist.
Lehrer und Ärzte, hohe Verwaltungsbeamte und Richter sind gezwungen, in ihren ehemals gepflegten Gärten Gemüse
anzupflanzen, weil sie sich keine Lebensmittel mehr kaufen können.
Oder denken Sie an die Lage der Intelligenz in den osteuropäischen Staaten nach dem Krieg,
Sind wir heute in Deutschland auch vor einer ähnlichen Situation? Wohl nicht - aber immerhin zeigt Hartz ähnliche
Tendenzen. Wenn man sich nur die ökonomische Lage ansieht, dann sehen wir in verschiedenen Bereichen durchaus
Abstiege.
Meine eigene Position ist ungefähr einem Oberregierungsrat vergleichbar. Früher war das eine gesicherte Position, in der
man sich manches erlauben konnte, also ein durchaus bürgerliches Leben führen konnte - in den fünfziger Jahren durchaus
auch ein Hausmädchen.
Heute muss auch ich bei Aldi kaufen!
Mit dem Nationalsozialismus nahmen auch die Klassenstudien ein vorläufiges Ende.
Eine geschichtete Gesellschaft entsprach nicht den nationalsozialistischen Vorstellung von einem Reich, einem Volk und
einem Führer!
5 Schelskys Modell und Boltes Zwiebel
Die Debatte begann erst wieder in den 50iger Jahren mit dem von Helmut Schelsky geprägten Begriff der "nivellierten
Mittelstandgesellschaft"
Schelsky war der Meinung, dass eine Klassenanalyse keinen Sinn mehr machen würde, da seit Mitte des 19. Jahrhunderts
eine Vielzahl von sozialen Prozessen vorangekommen seien, die die antagonistischen Situation zwischen zwei Klassen
aufgehoben hätten. Es hätten sich neue Strukturen und Gesetzlichkeiten entwickelt, die sehr viel dominanter seien, als Marx
Klassenkampf. Schelsky sah nur einen Mittelstand in dem es durchaus Bewegungen geben würde, aber alles im Rahmen
dieses einen Mittelstandes.
Aus der Zeit heraus ist dies sicherlich verständlich.
Die gesellschaftliche Situation in der Bundesrepublik – und ich spreche nur vom westlichen Teil Deutschland – war in der
zweiten Hälfte der 50ger Jahre dadurch geprägt, dass es eine aus den Trümmern auferstandene und zu immer mehr
Wohlstand gekommene Gesellschaft gab, in der Vollbeschäftigung herrschte und materielle Not weitgehend behoben war.
Es war die Zeit des Wirtschaftswunders.
Die Menschen waren mit ihren Leben zufrieden, wenn nicht der Koreakrieg gewesen wäre und die aus westlicher Sicht
unerträglichen Situationen in den östlichen Ländern, in denen die Regierenden versuchten, mit Gewalt die Marx'schen Ideen
durchzusetzen.
Mittelstandsgesellschaft hieß: es gibt keine Klassengegensätze mehr.
Jeder konnten Bildung, Einkommen und Status durch persönliche Tüchtigkeit erwerben.
Das war die politische Bedeutung des soziologischen Begriffs von der nivellierten Mittelstandgesellschaft. Und genau
genommen hielt der Begriff bis Ende der sechziger Jahre.
Aber Schelskys Begriff war eine soziologische oder auch politische Spekulation. Armchair-Reasoning, wie ich es früher
bezeichnet hatte, als wir über die amerikanische Soziologie sprachen und ich ihnen von Aufkommen der Chicago School
erzählt hatte.
Die empirische Wende kam dann in den sechziger Jahren mit dem Soziologen Martin Bolte.
Bolte fand ein sehr einprägsames Modell der westdeutschen Gesellschaft, das als Boltes Zwiebel bezeichnet wird.
Hier sehen sie es, wenn auch in einer nur schwer lesbaren Form.
Die Bolte-Zwiebel
1960er Jahre
2
1
Bezeichnung
der Statuszone
Anteil
Oberschicht
ca. 2 v.H.
obere Mitte
ca. 5 v.H.
mittlere Mitte
ca. 14 v.H.
untere Mitte
ca. (29)
unterste Mitte/
oberes Unten
ca. (29)
Unten
ca. 17 v.H.
Sozial Verachtete
ca. 4 v.H.
58 v.H.
3
1 Angehörige des sogenannten neuen Mittelstands
2 Angehörige des sogenannten alten Mittelstands
3 Angehörige der sogenannten Arbeiterschaft
Mittlere Mitte nach den Vorstellungen der Bevölkerung
Mitte nach der Verteilung der Bevölkerung. 50 v.H. liegen oberhalb bzw. unterhalb
im Statusaufbau
Darauf beruht – nur wenig abgewandelt - ein Modell, das auch heute noch bei der Analyse des Konsumentenverhaltens
benutzt wird. Es ist von den Soziologen Engel, Blackwell und Kollat entwickelt worden. Sie können sich ja den Spaß
machen, sich selbst oder Ihre Eltern hier einzuordnen.
Die Autoren unterscheiden sechs Stufen





Obere Oberklasse
Untere Oberklasse
Obere Mittelklasse
Untere Mittelklasse
Obere Unterklasse
 Untere Unterklasse
Schauen wir und diese Schichten doch einmal genauer an
1. Obere Oberklasse
Diese soziale Klasse stellt eine soziale Elite dar, die aus international bekannten Familien stammt und von vererbtem
Vermögen lebt.
Charakteristisch sind mehrere Haushalte, internationale Wohnsitze und Ausbildungsprogramme für den Nachwuchs auf
internationalen, streng zugangsbeschränkten Eliteschulen.
Die hauptsächliche Beschäftigung besteht in der Verwaltung des umfangreichen Vermögens, sowie internationaler
Verpflichtungen.
Der Sozialstatus dieser Klasse erlaubt ihren Mitgliedern auch die Ausrichtung von gesellschaftlich bedeutenden und
überregional bekannten Festen, Bällen oder Ausstellungen.
Die Interessen innerhalb dieser Gruppe beziehen sich auf Selbstverwirklichung und Ästhetik, eine für den Klassenerhalt
vorteilhafte Partnerwahl sowie erlesene Konsumgüter, Yachten, Flugzeuge und Immobilien. Sie sind das Vorbild der
unteren sozialen Klassen und werden von diesen beobachtet und imitiert.
2. Untere Oberklasse
Hier finden sich vor allem Menschen, die durch besondere berufliche Leistungen oder gesteigertes Erbschaftsvermögen zu
beachtlichem materiellen Reichtum gelangt sind.
Oft entstammen sie der Mittelklasse oder sind "gefallene Superreiche", denen Fehler im Umgang mit ihrem Vermögen
unterlaufen sind.
Zu dieser Gruppe gehören auch die sog. "Neureichen", die durch Heirat oder Lotteriegewinn zu wirtschaftlichem Einfluss
gelangt sind und die durch ein exzentrisches Konsumverhalten auffallen. Hier finden sich auch bekannte Musiker und
Schauspieler, erfolgreiche Sportler oder Schriftsteller.
Das Marktinteresse zielt vor allem auf teure Autos, schöne Boote, Immobilien, Schmuck und sehr individuelle Reisen
oder Studienaufenthalte.
In diesem Sozialstatus ist das Ziel verbreitet, in die Schicht der oberen Oberklasse aufgenommen zu werden.
Zudem ist ein verstärktes Interesse an gemeinnützigen Projekten festzustellen, für dass die Mitglieder der unteren
Oberklasse gerne die Schirmherrschaft übernehmen bzw. spenden.
3. Obere Mittelklasse
Dies ist die Karriereschicht.
Menschen dieses Sozialstaus haben sich als Freiberufler verwirklicht, sind Lehrende oder Unternehmer mit
mittelständischen Firmen oder sie haben sich durch eisernes Sparen über Generationen hinweg einige Immobilien
angeeignet.
Häufig finden sich in dieser Schicht auch die Gewinner des Börsenboom oder der Wiedervereinigung; Menschen die zur
richtigen Zeit am richtigen Ort einige Hektar Land günstig erworben haben und nun von den realisierten Gewinnen leben.
Bildung ist für diese Schicht häufig wichtig und bestimmte Statussymbole der Oberschicht gehören zum Selbstverständnis
im äußeren Auftreten.
Es ist sehr wichtig einen "vorzeigbaren" Haushalt zu führen, sich elegant zu kleiden und regelmäßig Urlaub zu machen.
Höheren Angestellten oder Beamten in besseren Positionen gelingt es in dieser Sozialschicht begrenzten Einfluss in Politik
und Wirtschaft zu nehmen.
Die Vermeidung eines sozialen Abstieges ist für diese Gruppe besonders wichtig.
4. Untere Mittelklasse
In dieser Sozialschicht ist Fleiß besonders hoch angesehen, weniger die Selbstverwirklichung auf künstlerischer oder
unternehmerischer Ebene.
Die Angehörigen dieser Schicht leben in "gutbürgerlichen Verhältnissen", besitzen eine selbstgenutzte Wohnimmobilie und
halten sich streng an gesellschaftliche Normen und Vorgaben.
Die geordnete Haushaltsführung ist besonders wichtig, weniger die Erkundung fremder Länder und Sitten oder das
Unterstützen sozialer Projekte.
Die Möbel werden regelmäßig neu erworben, die Reparaturen am Haus hingegen möglichst selbst durchgeführt.
Es gibt ein ausgeprägtes Kostenbewusstsein bei Einkäufen, "Gelegenheiten" haben einen hohen Stellenwert.
Das Interesse an Pauschalreisen ist groß, es werden häufig Neuwagen gekauft.
In dieser Sozialschicht herrscht auch ein gewisses Markenbewusstsein vor, Sicherheit ist ein wichtiges Kaufargument.
Ein Aufstieg in die untere Oberschicht wird häufig angestrebt, bleibt jedoch aus einem typischen Mangel an
Risikobereitschaft eher die Ausnahme.
5. Obere Unterklasse
Hier finden sich vor allem einfache Angestellte und Facharbeiter, z.T. auch scheinselbständige Unternehmer ohne
Mitarbeiter, "Arbeiteraristokraten" sowie Künstler ohne überregionale Bedeutung.
Die Wohnverhältnisse sind bescheiden, entweder zur Miete oder in sehr einfachen Eigenheimen, die überwiegend geerbt
sind. Häufig bewohnen die Mitglieder dieser Schicht Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus.
Ihre Kaufgewohnheiten sind gewohnheitsmäßig gleich, selten werden kulturelle oder gesellschaftliche Ereignisse
wahrgenommen.
Die Schulbildung der Mitglieder dieser sozialen Schicht ist einfach bis mittel, häufig hat die Ehefrau keine eigene berufliche
Stellung.
Halbtagsbeschäftigungen im Laden oder einfache Bürotätigkeiten bessern die Haushaltskasse auf, auf Urlaub wird schon
mal verzichtet.
Diese Gruppe der sozialen Gesellschaft bildet den wichtigsten Markt für Gebrauchtwagen, Last-Minute- Reisen oder
Sonderangebote im Möbelhandel. Markenware ist nicht von hoher Bedeutung. Häufig wird in Versandhauskatalogen auf
Teilzahlung bestellt oder in Fernsehshows telefonisch gekauft.
Die Bestrebungen zum Aufstieg in eine höhere soziale Schicht sind weniger stark ausgeprägt, als die Vermeidungsstrategie
eines Totalverlustes an Sicherheit.
6. Untere Unterklasse
Zu den Angehörigen der unteren Unterschicht zählen vor allem Menschen ohne eigenes Einkommen, Angehörige des
zweiten Arbeitsmarktes, Arbeitssuchende und Sozialhilfeempfänger, sowie Ausländer ohne berufliche Qualifikation.
Geringe Schulbildung oder psychische bzw. physiologische Probleme schränken die berufliche Betätigung ein.
Rentner ohne ausreichende Versorgung, die zusätzliche staatliche Unterstützung benötigen und "brotlose Künstler" bzw.
Angehörige der Obdachlosenszene bestimmen das soziale Bild dieser Gruppe.
Oft sind die der Mittelklasse entstammenden Werte und Nomen verpönt.
Häufig prägen Alkohol- und Drogenmissbrauch den Alltag dieser Menschen.
Produktqualität ist nicht entscheidend für eine Kaufentscheidung, Impulskäufe und unregelmäßige Versorgung sind der
Regelfall.
Das Dahrendorfsche Haus
Um Ihre soziologische Allgemeinbildung abzurunden, lassen Sie mich Ihnen zum Schluss noch ein recht bekanntes
Schichtungsmodell des Soziologen Ralf Dahrendorf vorstellen: Das Dahrendorfsche Haus
Hier zeigt sich eine etwas andere Sichtweise. Es gibt nicht nur Unterteilungen auf der horizontalen Ebene, sondern auch
vertikale Strukturen. Und es sind Ausländer mit berücksichtigt.
Der Prozentsatz der Arbeiter liegt demnach bei 28% deutscher und 8% ausländischer Arbeiter.
Der Dienstleistungsbereich ist sehr stark geworden. Die Grafik zeigt einiges sehr deutlich: 9% sind im ausführenden
Dienstleistungsbereich und 45% im mittleren und höheren Dienstleistungsbereich.
Unterhalb der Armutsgrenze leben 7% Deutsche und 21% Ausländer.
Ausländer rücken in den Mittelstand vor
Der Anteil der Bauern liegt bei einem Prozent und
zur Machtelite gehört 1% der Bevölkerung. Das sind also wohl "die da oben".
Dies war ein kurzer Streifzug durch die Soziologie der Ungleichheit in der Gesellschaft. Mittlerweile beherrschen andere
Themen die Diskussion. Man spricht von Lebenslagen, Lebensstilen und Milieus und beobachtet eine zunehmende
Individualisierung der Gesellschaft, ein Phänomen, das sich in die alten Modelle sozialer Ungleichheit nur schwer einbauen
lässt.
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