Buchstabe H - Extras Springer

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H
Haemophilus aegyptius
Gotthard Ruckdeschel, München
Therapie
Augentropfen oder -salben mit Chloramphenicol, Rifampicin, Sulfonamiden oder
Chinolonen (Norfloxacin, Ciprofloxacin).
Schlüsselliteratur
Erregerbezeichnung
Haemophilus aegyptius
Taxonomie
Familie: Pasteurellaceae
Gattungen: Pasteurella, Haemophilus,
Actinobacillus
Gattung Haemophilus: 16 Arten
H. aegyptius hat zu H. influenzae enge
genetische und biochemische Verwandtschaft, daher im strengen Sinne H. influenzae als Biotyp zuzuordnen.
Historie
Von Robert Koch 1883 in Ägypten im Eiter von akuter Konjunktivitis gesehen,
1886 von J.E. Weeks gezüchtet, bis 1950
als Koch-Weeks-Bazillen bezeichnet.
Erkrankungen
H. aegyptius verursacht eine akute oder
subakute eitrige Konjunktivitis bei Kindern, in warmen Ländern (Nordafrika,
Südstaaten der USA).
Diagnostik
Mikroskopie: Schlankes, nicht bekapseltes gramnegatives Stäbchen.
Kultur: Anspruchsvoll, wächst auf Kochblut-Agar.
Differenzierung: nach
Wuchsfaktoren
und biochemischen Kriterien.
Pathogenitätsmechanismen: Spezifische
Virulenzfaktoren sind nicht bekannt.
1. Albritton, W.L. Infections due to Haemophilus species other than H. influenzae.
Ann. Rev. Microbiol. 36: 199 – 216, 1982
2. Kilian, M. (Hrsg.) Haemophilus, Pasteurella
und Actinobacillus. Academic Press London, 1981
Haemophilus ducreyi
Gotthard Ruckdeschel, München
Erregerbezeichnung
Haemophilus ducreyi
Taxonomie
Familie Pasteurellaceae
Gattungen: Pasteurella, Haemophilus,
Actinobacillus
Gattung Haemophilus: 16 Arten
Historie
Von A. Ducrey 1889 erstmals in Präparaten aus Ulcus molle gesehen.
Erkrankungen
Ulcus molle (weicher Schanker, engl.
chancroid), eine sexuell übertragbare
Krankheit, weiche Ulzerationen im Genitalbereich mit inguinaler Lymphadenitis.
Diagnostik
Mikroskopie: gramnegative
kokkoide
Stäbchen, in Abstrichen oft fischzugartig
angeordnet.
221
Haemophilus influenzae
Kultur: schwierig, aber nur durch Züchtung sichere Diagnose. Kochblut-Agar
mit Vancomycin (3 mg/l), eine Woche Bebrütung bei 31 – 34 °C und 5 % CO2. Kleine, bräunlich gefärbte, sehr feste Kolonien.
Biochemische Differenzierung: Abhängigkeit von X-Faktor (Hämin).
Pathogenitätsmechanismen: nicht näher
bekannt. Unterschiede der Lipopolysaccharide bei virulenten und avirulenten
Stämmen, Resistenz gegen Phagozytose
und Serumbakterizidie.
Therapie
Erythromycin, Cotrimoxazol, Kombination von Aminopenicillinen und Betalaktamase-Inhibitoren, zur Eindosisbehandlung Ciprofloxacin oder Ceftriaxon. Betalaktamasebildung regional sehr häufig.
Spezifische Merkmale
entfällt
Transmission
H. ducreyi wird über sexuelle Kontakte
übertragen, begünstigt durch Läsionen
im Genitalbereich.
Wirtsbereich
Nur beim Menschen, symptomlose Träger werden vermutet.
Risikogruppen
Bevölkerungsgruppen mit schlechter persönlicher Hygiene.
Epidemiologie
Nur sporadisch in westlichen Ländern,
häufig in Südostasien; in Schwarzafrika
häufigste Ursache von Genitalulzerationen; Eintrittspforte für HIV.
Prävention
entfällt
Referenzzentren
entfällt
222
Schlüsselliteratur
1. Albritton, W.L. Infections due to Haemophilus species other than H. influenzae.
Ann. Rev. Microbiol. 36: 199 – 216, 1982
2. Albritton, W.L. Biology of Haemophilus
ducreyi. Microbiol. Rev. 53: 377 – 389, 1989
3. Morse, S.A. Chancroid and Haemophilus
ducreyi. Clin. Microbiol. Rev. 2: 137 – 157,
1989
4. Trees, D.L., S.A. Morse. Chancroid and Haemophilus ducreyi: an update. Clin. Microbiol. Rev. 8: 357 – 375, 1995
Haemophilus influenzae
Gotthard Ruckdeschel, München
Erregerbezeichnung
Haemophilus influenzae
Taxonomie
Familie Pasteurellaceae
Gattungen: Pasteurella, Haemophilus,
Actinobacillus
Gattung Haemophilus: 16 Arten
Historie
Von Richard Pfeiffer während der Grippepandemie von 1889/92 entdeckt, zunächst als Erreger der Influenzae angesehen; nach der Pandemie 1918/19 Zweifel
an der ätiologischen Bedeutung; die Entdeckung des Influenzae-Virus (1933)
klärt die Frage.
Erkrankungen
Erkrankungen bei Kindern: durch den
Kapseltyp b eitrige Meningitis, Epiglottitis, seltener Otitis, Sinusitis, Pneumonie,
septische Arthritis und Weichteilinfektionen. Immunität unbekannter Dauer,
nicht nach Meningitis.
Erkrankungen bei allen Altersklassen: durch unbekapselte Erreger häufig akute
Tracheobronchitis, sekundäre bronchopulmonale Infektionen, akute Exazerbationen der chronischen Bronchitis, seltener Endokarditis, Abdominal- und Genitalinfektionen.
Haemophilus influenzae
Diagnostik
Mikroskopie: Unbegeißelte gramnegative Stäbchen (0,3 – 0,5 × 0,5 – 3 ? m), Stämme mit Kapsel meist kokkoid, kapsellose
oft auffallend pleomorph mit filamentösen Formen.
Kultur: Fakultativ-anaerobe, mikroaerophile Bakterien, relativ anspruchsvoll.
Anzüchtung auf Kochblut-Agar und
Nährböden, die spezielle Wuchsfaktoren
(X=Hämin, V=Nikotinamid-adenin-dinucleotid) enthalten. Wachstum auch auf
Blutagar in der Nähe von Staphylococcus
aureus-Kolonien (Ammen- oder Satellitenphänomen); die Hämolyse setzt NAD
frei. Kolonien klein (1 mm [Oslash]),
glatt, konvex, hellgrau, bekapselte Stämme wachsen größer, erscheinen opaleszent und glänzen.
Antigennachweis: Nachweis der Kapselsubstanz des Typs b durch Latexagglutination im Liquor bei Meningitis.
Biochemische Differenzierung: Auf Haemophilus verdächtige Kolonien (Ammenkultur oder die nicht so typische Koloniemorphologie) müssen differenziert werden. Die normale Oropharyngealflora
birgt verschiedene Haemophilusarten,
regelmäßig H. parainfluenzae und oft H.
haemolyticus, H. parahaemolyticus, H.
aphrophilus sowie H. paraphrophilus.
Geprüft wird die Abhängigkeit von Xund V-Faktor (für X-Faktor auch Porphyrintest), Haemolyse, Indolbildung,
Urease und Ornithindecarboxylase.
Serologische Differenzierung: Kapseltragende H. influenzae lassen sich in 6
Typen (a-f) gliedern. Stämme des Typs b
verursachen die schweren Infektionen im
Kindesalter, die anderen Typen sind pathogenetisch unauffällig. Die Typen lassen sich durch Latexagglutination, direkte Immunfluoreszenz und andere immunologische Methoden bestimmen.
Pathogenitätsmechanismen: Kapselsubstanz (Polyribitolphosphat) des Typs b
als wichtiger Virulenzfaktor fördert die
Invasion und blockiert die Phagozytose;
daneben Neuraminidase, Endopeptidase,
Glykopeptid, Lipopolysaccharid, Endotoxin. Durch Zilien Adhärenz am oropharyngealen und tracheobronchialen Epithel. Häufig endogene Infektionen.
Therapie
Klassische Therapie mit Aminopenicillinen (Ampicillin, Amoxycillin). Schwere
Infektionen wegen des Risikos der Ampicillinresistenz parenteral mit Cefotaxim
und Analogen, Cefotiam, Cefuroxim,
Aminopenicillin und Betalaktamase-Inhibitor (Clavulansäure, Sulbactam, Tazobactam).
Leichtere Infektionen mit Oralcephalosporinen oder Aminopenicillin mit Betalaktamase-Inhibitor.
Ampicillinresistenz durch Plasmid-kodierte Betalaktamase, in Mittel- und
Nordeuropa 10 %, USA, Spanien, Italien
bis 50 %; dabei oft Multiresistenz (Chloramphenicol, Tetrazykline, Cotrimoxazol).
Spezifische Merkmale
entfällt
Transmission
Übertragung durch Kontakt- und Tröpfcheninfektion, begünstigt durch enge Lebensverhältnisse. Hohes Übertragungsrisiko bei Kindern.
Wirtsbereich
Nur beim Menschen, vorwiegend Nasopharynx, seltener Mundhöhle, Genitalschleimhaut. Keimträger häufig unter
Kindern und Erwachsenen.
Risikogruppen
Kleinkinder bis zum 2. Lebensjahr, Patienten mit Virusinfektionen der Atemwege und Defekten der mukoziliären Clearance.
Epidemiologie
Häufungen in Kinderheimen und Krankenhäusern, Epidemien nicht bekannt.
223
H
Hafnia
Prävention
Aktive Impfung mit Kapselpolysaccharid
des Typs b, empfohlen für Kinder bis
zum 6. Lebensjahr, gute Schutzwirkung,
deutlicher Rückgang der Infektionen
durch den Typ b.
Erkrankungen
Erkrankungen durch Hafnia alvei sind
selten. Es lassen sich lokalisierte und generalisierte Krankheitsbilder unterscheiden.
Passiver Schutz durch Typ b-Hyperimmunglobulin bei hohem Infektionsrisiko.
Lokalisierte
Prozesse: postoperative
Wundheilungsstörungen, Pneumonien,
Abszesse, Harnwegsinfektionen
Chemoprophylaxe mit Rifampicin oral
zum Schutz vor Kontaktinfektionen bei
Meningitis.
Generalisierte Prozesse: durch Übertritt
in die Blutbahn kann es zur Sepsis kommen.
Referenzzentren
entfällt
Diagnostik
Mikroskopie: gramnegative Stäbchenbakterien mit einem Durchmesser von 1
? m und einer Länge von 2 – 5 ? m. Peritrich begeißelt.
Schlüsselliteratur
1. Brandis, H., H.J. Eggers, W. Köhler, G. Pulverer (Hrsg.) Medizinische Mikrobiologie.
7. Auflage, Gustav Fischer Verlag Stuttgart,
1994
2. Kilian, M. (Hrsg.) Haemophilus, Pasteurella
und Actinobacillus. Academic Press London, 1981
3. Mandell, G.L., R.G. Douglas, J.E. Bennett
(eds.) Principles and Practice of Infectious
Diseases. 3rd edition, Churchill Livingstone
Inc. New York, 1990
4. Sell, S.H., P.F. Wright (eds.) Haemophilus
influenzae. Epidemiology, immunology
and prevention of disease. Elsevier Biomedical New York, 1982
Kulturelle Anzüchtung: siehe E. coli
Biochemische Differenzierung:
– enzymatische Spaltung von Glukose
– die meisten Stämme können Citrat,
Acetat und Malonat als einzige Kohlenstoffquelle verwerten
– Nitratreduktion
– Lysindecarboxylase positiv
– Ornithindecarboxylase positiv
Serologische Differenzierung: Es wurden 68 O- und 64 H-Antigentypen nachgewiesen (Matsumoto 1963).
Hafnia
Phagentypisierung: (Speziallaboratorien)
Uwe Ullmann, Kiel
Therapie
siehe Enterobacter
Erregerbezeichnung
Hafnia alvei
Taxonomie
Familie: Enterobacteriaceae
Gattung: Hafnia
Historie
Hafnia ist die alte Bezeichnung für den
Namen von Kopenhagen.
224
Spezifische Merkmale
Transmission
mit hoher Wahrscheinlichkeit Schmierinfektion
Wirtsbereich
Hafnia alvei kommt im Darm von Menschen, Tieren und Vögeln vor, aber auch
in Wasser, Abwasser, Mist sowie im Erdreich.
Hakenwürmer
Risikogruppen
Risikogruppen für Hafnia-alvei-Infektionen sind immunsupprimierte und abwehrgeschwächte Patienten.
Epidemiologie
Durch Hafnia alvei bedingte Erkrankungen sind sehr selten und werden allenfalls
im Hospital als krankenhauserworbene
Infektionen registriert.
Prävention
s. fakultativ pathogene E. coli
Referenzzentren
Schlüsselliteratur
s. E. coli
Hakenwürmer
Peter Kimmig, Stuttgart
Erregerbezeichnung
Hakenwürmer, Hookworms
Ancylostoma duodenale, Necator americanus,
A. braziliense, A. caninum u. a.(Hakenwürmer von Hund und Katze)
Morphologie
rötlich gefärbte Fadenwürmer mit
schneidenden Zähnen bzw. Platten in der
Mundöffnung; Größe der Männchen von
A. duodenale 10 × 0,45 mm von N. americanus 7 × 0,3 mm mit einer Bursa copulatrix am Hinterende; Größe der Weibchen
von A. duodenale 12 × 0,6 mm, von N.americanus 10 × 0,35 mm.
Tierische Hakenwürmer: Beim Menschen treten nur wandernde Larven auf.
Taxonomie
Klasse Nematoda, Familie Ancylostomatidae, Gattung Ancylostoma und Necator
Historie
Seit dem Altertum bekannt, erste genaue
Beschreibung aber erst 1843 durch Dubini.
Darstellung der filariformen Larven durch
Perroncito 1880, Aufklärung des vollständigen Lebenskreislaufes 1896 – 1897 durch
A. Looss durch Versuche mit Ancylostoma
caninum. Wesentliche klinische und epidemiologische Erkenntnisse während des
Baues des St. Gotthard Tunnels.
Erkrankungen/Register
Bei Massenbefall und bestehender Sensibilisierung werden durch eindringende
Parasiten kutane entzündliche Infiltrationen verursacht. Die durch wandernde
Larven verursachte pulmonale Phase ist
durch granulomatöse und allergisch-infiltrative Reaktionen mit resultierenden
passageren Pneumonien gekennzeichnet.
Das wesentliche pathogene Agens stellen
die Adultwürmer dar, die durch Abbeißen von Darmzotten Schleimhauterosionen v. a. aber Blutungen verursachen;
je nach Wurmlast und Spezies kommt es
dabei zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Eisenmangel-Anämie und Hypalbuminämie. A. duodenale verursacht
einen Blutverlust von ca 0,1 – 0.5 ml pro
Tag, bei N. americanus sind die Schädigungen wesentlich (ca 10fach) geringer.
Bei Befall des Menschen mit infektiösen
Larven tierischer Hakenwürmer v. a. von
Hund und Katze kommt es zum sog.
Hautmaulwurf (creeping eruption, Larva
migrans cutanea); das Krankheitsbild ist
charakterisiert durch entzündliche Reaktionen im Corium, die im Gefolge der im
basalen Epithel minierende Larve auftreten.
Makroskopisch stellt sich der Wanderweg
als serpiginöser, erhabener, roter Streifen
in der Haut dar, der täglich einige mm an
Länge zunimmt (Lebensdauer der Larve
ca 10 Tage). Beim Verschlucken infektiöser Larven sind auch Wanderungen in inneren Organen möglich.
Diagnostik/Symptome
Der Nachweis einer Hakenwurminfektion
erfolgt über den mikroskopischen Nachweis der charakteristischen Eier, am effektivsten mit einem Anreicherungsver225
H
Hakenwürmer
fahren. Die Eier der beiden Hakenwurmarten sind nicht differenzierbar; sie sind
dünnschalig, haben eine ovale Form und
eine Größe von 60 × 40 ? .
Speziesdifferenzierungen sind an L3-Larven in Kotkulturen möglich.
Akute Erscheinungen können bei Massenbefall und/oder bei sensibilisierten
Personen in Form juckender erythematöser oder papulöser Hautveränderungen
auftreten, die durch wandernde humane
oder tierische Hakenwurmlarven verursacht werden; die pulmonale Phase kann
sich in Form von Dyspnoe, Husten und
anderen pneumonischen Symptomen äußern. Die intestinale Phase geht mit uncharakteristischen gastrointestinalen Beschwerden wie Oberbauchschmerzen, Inappetenz, Völlegefühl, Meteorismus, Flatulenz, Opstipation oder Diarroe einher.
Chronische Erscheinungen in Form von
Anämie-bedingter Blässe, Müdikeit, Leistungsschwäche und Symptome einer
Mehrbelastung des Herzens finden sich
bei stärkeren Infektionen; speziell bei
schlechten
Ernährungsbedingungen
kommt es durch den chronischen Eiweißverlust zu einer Kwashiorkor-artigen
Systematik mit Ödemen und Depigmentierungen von Haut und Haaren, die im
Kindesalter mit Wachstums und Entwicklungsstörungen einhergeht.
Therapie
Eine ätiologische Therapie in der migratorischen Phase existiert nicht, zur Behandlung der Adulten beider Hakenwurmarten sind die Benzimidazolcarbamate
Mebendazol und Albendazol Mittel der
Wahl, am effektivsten bei 3 tägiger Gabe;
ebenfalls wirksam ist Pyrantel, v. a. bei N.
americanus.
Larva migrans cutanea: Lokale Applikation von Tiabendazol oder Ivermectin.
Spezifische Merkmale
Die Adultwürmer leben im Dünndarm,
wo sie sich von Darmzotten ernähren.
Die Weibchen legen ca 28 000 (A.duodenale) bzw. ca 10 000 (N. americanus) Eier
pro Tag, ihre Lebensdauer beträgt 4 – 5
Jahre. Die Embryonierung der Eier beginnt unmittelbar nach der Ablage; bei
226
Absetzen des Stuhl in warme feuchte
Böden schlüpfen nach 48 Stunden die
(rhabditiformen) Erst-Larven, die hier
heranwachsen und sich häuten, um nach
5 – 8 Tagen das dritte, filariforme Stadium
zu erreichen. Diese infektiösen Stadien
nehmen keine Nahrung mehr auf, bleiben unter günstigen Bedingungen jedoch
wochenlang lebensfähig. Bei Kontakt mit
der menschlichen Haut dringen sie ein,
erreichen über Kapillaren den venösen
Blutstrom, um mit diesem eine Wanderung über Herz und Lunge durchzuführen. Hier angekommen dringen sie in
den Alveolen ein und erreichen über den
Bronchialbaum den Rachen, wo sie abgeschluckt werden und auf diese Weise in
den Dünndarm gelangen. Die Gesamtentwicklung vom Ei bis zum Adultwurm
wird mit 5 – 6 Wochen angegeben.
Transmission
Die Infektion erfolgt durch aktives Eindringen der Hakenwurmlarven durch die
intakte Haut, auch orale Infektionen
durch Aufnahme filariformer Larven
sind möglich.
Wirtsbereich
Die humanen Hakenwurm-Arten können
sich nur im Menschen entwickeln. Die
beim Menschen ausschließlich Wanderlarven ausbildenden, tierischen Hakenwurm-Spezies haben in Caniden und Feliden ihre eigentlichen Wirte, der Mensch
ist Fehlwirt.
Risikogruppen
In Endemiegebieten ist generell die arme
Bevölkerung (Barfußgehen!) ländlicher
Bereiche exponiert, unter dieser speziell
Kinder.
In gemäßigten Breiten gilt die Hakenwurminfektion in Bergwerken und bei Tunnelbauten als Berufserkrankung (Grubenwurm).
Epidemiologie
Hakenwürmer kommen ganz überwiegend in tropischen und subtropischen
Ländern vor, in gemäßigten Zonen waren
sie in Bergwerken verbreitet. A. duodenale kommt überwiegend in Afrika und
Hantaviren
Südasien vor (Hakenwurm der alten
Welt), N. americanus ist ungeachtet seines Namens faktisch weltweit in tropischen Zonen verbreitet, wobei sich die
Verbreitungsareale überlappen. Weltweit
sind ca-900 Mio Menschen von Hakenwürmer infiziert, lokal kann die Prävalenz bis zu 90 % betragen. Begünstigend
sind feuchte, schattige, warme Plätze mit
sandigem Untergrund; auslösend wirken
primitive hygienische Verhältnisse, bei
denen Fäkalien wahllos im Freien abgesetzt werden; Mistkäfer tragen zur Kontamination des Bodens bei.
Prävention
Generell: Hygienische Entsorgung menschlicher Fäkalien in Gruben, keine Verwendung als Dünger.
Individuell: Kein Barfußgehen in endemischen Gebieten, kein Sitzen auf nacktem Boden.
Referenzzentren
Offizielle Referenzzentren existieren
nicht; als fachlich qualifiziert anzusehen
sind sämtliche parasitologischen und
tropenmedizinischen Institutionen.
Schlüsselliteratur
Lang, W. Hrsg.: Tropenmedizin in Klinik und
Praxis, 2. Aufl. Georg Thieme Verlag Stuttgart, N.Y., 1996.
Mehlhorn, H., D. Eichenlaub, T. Löscher, W. Peters: Diagnostik und Therapie der Parasitosen des Menschen, 2. Aufl. Gustav Fischer
Verlag Stuttgart, Jena, N.Y. 1995.
Beaver, P.C., R.C. Jung, E.W. Cupp: Clinical Parasitology, 9th edition, Lea & Febiger, Philadelphia 1984.
Despommier, D.D., R. Gwadz, P.J. Hotez: Parasitic diseases, 3rd ed. Springer Verlag, N.Y.,
Heidelberg, Berlin, 1995.
Hantaviren
Lothar Zöller, Koblenz
Erregerbezeichnung
Hantavirus
Morphologie
Es handelt sich um sphärische, behüllte
Virionen mit einem Durchmesser von ca.
90 – 100 nm. Die Viruspartikel enthalten
drei separate Nukleokapside, die aus dem
viralen Nukleokapsidprotein, jeweils einem der drei Segmente des RNA-Genoms
sowie einer RNA-Polymerase bestehen.
In die Hülle sind zwei Glykoproteine (G1,
G2) integriert, die typspezifische antigene Determinanten tragen (vgl. auch Bunyaviridae).
Taxonomie
Familie Bunyaviridae, Genus Hantavirus.
Unterhalb der Genusebene werden die
bisher bekannten Isolate bzw. die mit Hilfe der Polymerasekettenreaktion (PCR)
nachgewiesenen viralen Genome oder
Genomfragmente aufgrund des Verwandtschaftsgrades ihrer Nukleinsäurebzw. der daraus abgeleiteten Aminosäuresequenzen in verschiedene genetische
Gruppen eingeteilt (Tab.1), die mit den
immunologisch definierten Serotypen
korrespondieren und mit jeweils spezifischen Nagerspezies als Reservoiren assoziiert sind. Innerhalb der genetischen
Gruppen wurden wiederum verschiedene
Subtypen höheren Homologiegrades beschrieben, die zum Teil ebenfalls mit einem bestimmten Reservoirwirt oder aber
einer besonderen Krankheitsausprägung
beim Menschen assoziiert sein sollen.
Die Vielfalt der genetischen Gruppen und
ihre Wirtsspezifität wird auf eine Koevolution der Hantaviren und ihrer Nagerwirte zurückgeführt.
Historie
Während des Koreakrieges erkrankten
über 3000 amerikanische und koreanische Soldaten an einem Krankheitsbild
227
H
Hantaviren
Tab. 1. Hantavirus-Serotypen (genetische Gruppen)
Serotyp
Klinische Manifestation
Hauptreservoir
Verbreitungsgebiet
Hantaan Virus
HFRS, Koreanisches
Hämorrhagisches Fieber
(KHF)
HFRS, Nephropathia
epidemica
HFRS, KHF, mildere
Verlaufsform
Apodemus agrarius
(Brandmaus) Apodemus
flavicollis (Gelbhalsmaus)
Clethrionomys glareolus
(Rötelmaus)
Rattus norvegicus
(Wanderratte) Rattus
rattus (Hausratte)
Apodemus flavicollis
(Gelbhalsmaus)
Peromyscus maniculatus
(Hirschmaus)
Südostasien
Südosteuropa
Puumala Virus
Seoul Virus
Belgrad Virus
HFRS, KHF-ähnliche
schwere Verlaufsform
Hantavirus-Lungensyndrom
Four Corners
Virus (Syn. Sin
Nombre V., Muerto
Canyon V.)
Bayou Virus
Hantavirus-Lungensyndrom
Black Creek
Hantavirus-LungenCanal Virus
syndrom
Prospect Hill
keine
Virus
Thottapalayam
keine
Virus
Thailand Virus
keine
Tula Virus
nicht bekannt
mit hoher Letalität, das als Koreanisches
Hämorrhagisches Fieber bezeichnet wurde. Erst 1978 gelang es dem Virologen Ho
Wang Lee, das ätiologisch verantwortliche Virus aus dem Lungengewebe der
Brandmaus Apodemus agrarius zu isolieren. Es wurde nach dem Grenzfluß zwischen Nord- und Südkorea als Hantaan
Virus bezeichnet. Durch die Adaptation
des Virus an Vero-E6-Zellen wurden die
Voraussetzungen für die Viruscharakterisierung geschaffen. Das Hantaan Virus
wurde dem neugeschaffenen Genus Hantavirus in der Familie Bunyaviridae zugeordnet. Mit Hilfe seroepidemiologischer
Studien wurde nachgewiesen, daß auch
die in Nordeuropa bereits Anfang des
Jahrhunderts beschriebene Nephropathia
epidemica durch Hantaviren hervorgerufen wird. Während des Zweiten Weltkriegs waren Tausende deutscher Soldaten in Finnland daran erkrankt. Analysen
228
Mittel- u. Nordeuropa
weltweit
Südosteuropa, Balkan
USA (mit Ausnahme
der Ostküste)
unbekannt, nicht
P. maniculatus
Sigmodon hispidus
(Baumwollratte)
Microtus pennsylvanicus
USA, Ostküste
USA, Südosten,
Florida
USA
Suncus murinus
Indien
Bandicota indica
Microtus arvalis
Südostasien
Osteuropa
historischer Fallberichte machen es
wahrscheinlich, daß es sich auch bei der
im ersten Weltkrieg beschriebenen Feldnephritis (auch Kriegsnephritis) um eine
Hantavirusinfektion gehandelt hat.
Erkrankungen/Register
Die durch die Serotypen Hantaan, Seoul,
Puumala und Belgrad hervorgerufenen
Krankheitsbilder faßt man unter dem Begriff „Hämorrhagisches Fieber mit Renalem Syndrom (HFRS)“ zusammen. Der
Serotyp Puumala ist der Erreger der auch
als Nephropathia epidemica bezeichneten, meist mild verlaufenden HFRS-Variante. Im Mai 1993 wurde eine neue Manifestationsform der Hantavirus-Infektion,
das Hantavirus-Lungensyndrom, in den
Vereinigten Staaten beschrieben. Einige
Hantavirus-Serotypen wurden bisher
nicht mit Erkrankungen beim Menschen
in Verbindung gebracht (Tab.1).
Hantaviren
Nach einer Inkubationszeit von 5 – 35 Tagen beginnen die klinischen Manifestationen des HFRS meist abrupt mit hohem
Fieber, das über drei bis vier Tage anhält.
Unspezifische Allgemeinsymptome wie
Schüttelfrost, Photophobie, Pharynxerythem, Husten und Konjunktivitis stehen
zunächst im Vordergrund. Nach 3 – 6 Tagen haben die meisten Patienten ausgeprägte Lumbalgien, die auch unilateral
auftreten und urologische Schmerzursachen vortäuschen können. Gelegentlich
treten abdominale Schmerzen, Nausea
und Erbrechen auf. Bereits während der
Fieberphase beginnt der Anstieg der Retentionswerte. Ca. 4 – 10 Tage nach Fieberbeginn erreichen sie ihr Maximum,
während die unspezifischen Allgemeinsymptome bereits wieder abgeklungen
sind. Im Vordergrund der Symptomatik
stehen jetzt die renalen Manifestationen.
Typisch ist eine Oligurie, die sich bis zur
dialysepflichtigen Niereninsuffizienz entwickeln kann. Die beim schweren HFRS
im Anschluß an die Fieberphase meist
auftretende hypotensive oder Schockphase fehlt in der Regel bei der Infektion
durch den Serotyp Puumala. Eine polyurische Phase leitet schließlich die Rekonvaleszenz ein.
Das durch Viren des Hantaan-Serotyps
verursachte Erkrankungsbild, das in Südostasien als Koreanisches Hämorrhagisches Fieber bezeichnet wird, verläuft
schwer. Ausgeprägte hämorrhagische
Komplikationen, die letztlich die Prognose bestimmen, sind ebenso häufig (80 %
der Fälle) wie eine Beteiligung des ZNS.
Die Letalität beträgt ca. 4 – 6 %. Das
durch den Serotyp Puumala hervorgerufene Krankheitsbild unterscheidet sich
vom Koreanischen Hämorrhagischen
Fieber durch seinen milderen Verlauf.
Ausgeprägte
Blutungskomplikationen
sind selten. Die Letalität beträgt unter
1 % . Nur ca. 5 – 10 % der Infektionen
werden klinisch manifest. Allerdings
werden auch bei der Puumala-Virus-Infektion schwere Verläufe beschrieben.
Auf die Möglichkeit schwerer Lungensyndrom-ähnlicher
Krankheitsbilder
durch Infektionen mit diesem Serotyp
wurde anhand von Kasuistiken aus
Deutschland hingewiesen.
Nahezu alle Patienten weisen einen Kreatininanstieg auf, bei ca. der Hälfte erreicht er Werte über 6 mg/dl. Fast immer
ist auch eine Proteinurie vorhanden. Eine
Thrombopenie läßt sich bei 50 % der in
Deutschland erkrankten Patienten nachweisen, nur in 19 % der Fälle erreicht sie
jedoch Werte unter 50000/mm3. Bei ca.
80 % der Patienten wird eine für Virusinfektionen ungewöhnliche Leukocytose,
beobachtet. In einem Teil der Fälle weist
eine Transaminasenerhöhung auf die bestehende Begleithepatitis hin.
Prädilektionsalter des HFRS ist das
20. – 40. Lebensjahr. Männer erkranken
häufiger als Frauen. Nur selten werden
Erkrankungen bei Kindern beobachtet.
Beim Hantavirus-Lungensyndrom dauert
die Prodromalphase nur 2 – 3 Tage. Danach entwickelt sich ein rasch fortschreitendes interstitielles Lungenödem, das
innerhalb von Stunden in eine akute respiratorische Insuffizienz übergehen
kann. Während der Prodromalphase zeigen die Patienten nur unspezifische Symptome. Fieber und Myalgien stehen dabei
im Vordergrund. Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Diarrhöen können
auftreten. Bei fast allen Patienten findet
man eine typische Trias, bestehend aus
einer Leukocytose (20000 – 30000/ mm3)
mit einer für virale Infektionen ungewöhnlichen Linksverschiebung, dem Auftreten atypischer blastenähnlicher Lymphocyten im Blutbild sowie einer Thrombopenie. Bei den am Hantavirus-Lungensyndrom erkrankten Patienten tritt keine
Nierenbeteiligung auf. Ebenso gibt es im
Gegensatz zur Puumala-Infektion keinen
Anhalt für asymptomatische oder blande
Verläufe. Die Letalität des HantavirusLungensyndroms beträgt 60 – 70 %.
Diagnostik/Symptome
Die Diagnose der Hantavirus-Infektion
wird durch den spezifischen Antikörpernachweis gestellt.
229
H
Hantaviren
Indirekter Immunfluoreszenztest (IFT):
Virusinfizierte Vero-E6-Zellen dienen als
Antigen. Der Test ist geeignet zum Nachweis von IgG- und IgM-Antikörpern. Der
IgM-IFT besitzt allerdings im Vergleich
zum ELISA eine etwas geringere Sensitivität und wird rascher wieder negativ.
Der IgG-IFT eignet sich auch zur Bestätigung positiver ELISA-Ergebnisse.
Enzymimmuntests (ELISA): Beschrieben wurden IgG- und IgM-ELISAs im
Format klassischer indirekter Tests mit
viralen Antigenen oder gentechnisch hergestelltem Nukleokapsidprotein an der
Festphase. Ein hochempfindlicher IgMNachweis gelingt mit Hilfe des ? -captureELISA, bei dem ebenfalls native oder
gentechnisch hergestellte Hantavirus-Antigene verwendet werden können. Bereits
in der frühesten Krankheitsphase reagieren die meisten Patientenseren positiv.
Maximale Extinktionen werden zwischen
dem 8. und 25. Tag erreicht. Nach 2 – 3
Monaten sind bei der Mehrzahl der Patienten keine IgM-Antikörper mehr
nachweisbar.
Immunblot: Mit dem Test können Antikörper gegen die Hantavirus-Strukturproteine, hauptsächlich gegen das Nukleokapsidprotein, nachgewiesen werden.
Im Zweifelsfall kann der Immunblot als
Bestätigungstest eingesetzt werden.
Neutralisationstest: Der Test dient dem
Nachweis typspezifischer neutralisierender Antikörper.
PCR: Über ihre praktische Anwendung
in der Diagnostik liegen nur beschränkte
Erfahrungen vor. Beim Hantavirus-Lungensyndrom konnte Virusgenom (FCV)
in der frühen Krankheitsphase regelmäßig aus peripheren Blutmonocyten, gelegentlich aus Lymphocyten, Plasma oder
Blutkuchen nachgewiesen werden. Über
die Wertigkeit der PCR für den Nachweis
des durch den Hantaan- oder PuumalaSerotyp hervorgerufenen HFRS liegen
bislang kaum Daten vor.
230
Therapie
Das HFRS wird in erster Linie symptomatisch behandelt. Bei schweren HFRSFällen erwies sich die frühzeitige antivirale Chemotherapie mit Ribavirin als erfolgreich, für das Hantavirus-Lungensyndrom fehlen bisher entsprechende
Daten.
Spezifische Merkmale
Genom: Hantaviren besitzen wie alle Bunyaviren ein Minus-Einzelstrang-RNAGenom, das aus drei Segmenten besteht
(L- (=Large), M (=Medium) und S
=(Small) Segment). Das S-Segment kodiert für ein ca. 48 KDa großes Nukleokapsidprotein, das M-Segment für die
beiden Glykoproteine, die Molekulargewichte von ca. 64 KD bzw. 54 KD besitzen. Das Genomprodukt des M-Segments
wird als Polyprotein translatiert und
beim Membrandurchtritt in die einzelnen
Strukturproteine prozessiert. Das L-Segment kodiert für die virale Polymerase.
Im Gegensatz zu anderen Genera der Familie Bunyaviridae ist bei den Hantaviren keine „ambisense“-Kodierungsstrategie bekannt (vgl. Bunyaviridae).
Immunantwort: HFRS-Patienten entwikkeln schon sehr früh nach Infektionsbeginn virusspezifische Antikörper vom
IgM- und IgG-Typ, die hauptsächlich gegen das Nukleokapsidprotein gerichtet
sind. Die IgG-Antikörperantwort erreicht
ihr Maximum innerhalb einiger Wochen
und persistiert über viele Jahre, wahrscheinlich sogar lebenslang. Ebenso setzt
bereits früh die Antikörperbildung gegen
das virale Glykoprotein G1 ein. Antikörper gegen das Hüllglykoprotein G2 werden hingegen erst in der Rekonvaleszenzphase nachweisbar. Neutralisationsrelevante Epitope befinden sich auf den Glykoproteinen. Zwischen den Serotypen bestehen ausgeprägte Kreuzreaktionen.
Transmission
Hantaviren induzieren in den Nagerspezies persistierende Infektionen, wobei die
Tiere selbst nicht erkranken und die Erreger in Speichel, Urin und Fäces in großer Menge ausscheiden. Die Übertragung
Hantaviren
auf den Menschen erfolgt durch Aerosole, kontaminierten Staub, oder direkten
Kontakt mit den Ausscheidungen der Nager, wobei die Atemwege offenbar als Eintrittspforte fungieren. In proteinhaltigem
Material getrocknet bleiben Hantaviren
tagelang infektiös. Für eine Übertragung
von Mensch zu Mensch gibt es hingegen
bisher keine Hinweise.
Wirtsbereich
Reservoirwirte sind verschiedene Nager,
wobei die Assoziation zwischen Virus
und Wirtsspezies serotypspezifisch ist
(Tab.1). Die Populationsdynamik unterliegt einer drei- bis vierjährigen Periodik,
die mit Häufigkeitsgipfeln der Hantavirus-Infektionen in diesem zeitlichen Abstand einhergeht.
Risikogruppen
Ein erhöhtes Erkrankungsrisiko ergibt
sich aus vermehrter Exposition gegenüber den Reservoirwirten. Bei Waldarbeitern, Gestütsarbeitern u. a. wurde eine
Antikörperprävalenz von bis zu 26 % gefunden. Bei Soldaten wurden immer wieder kleinere, in Kriegszeiten auch größere Ausbrüche von Hantavirus-Infektionen beschrieben. In Deutschland existieren Endemiegebiete mit erhöhter Antikörperprävalenz in der Normalbevölkerung (Schwäbische Alb, Eifel, Unterfranken).
Epidemiologie
Hantaviren sind weltweit verbreitet. Im
gesamten südostasiatischen Raum sowie
im östlichen Rußland und in Südeuropa,
vornehmlich in Griechenland, herrscht
der Hantaan-Serotyp vor. In Zentral- und
Nordeuropa ist der Serotyp Puumala endemisch. Sein Hauptreservoirwirt ist die
Rötelmaus (Clethrionomys glareolus).
Aber auch in anderen Nagerspezies wie
Microtus-Arten, Mus musculus oder sogar Insektivora wie Spitzmäusen wurden
Viren des Puumala-Typs nachgewiesen.
Der Serotyp Belgrad kommt auf dem Balkan vor und koexistiert dort mit dem Serotyp Puumala. Der Seoul-Serotyp wurde
weltweit in Rattenpopulationen nachgewiesen. Dieser Serotyp tritt darüber hin-
aus auch als Erreger einer durch Laboratoriumstiere, insbesondere Ratten übertragenen Form des HFRS auf. Hauptreservoirwirt des Four Corners Virus ist Peromyscus maniculatus (Hirschmaus), die
mit Ausnahme der Ostküste nahezu auf
dem gesamten Gebiet der Vereinigten
Staaten vorkommt.
Weltweit beträgt die Inzidenz der Hantavirus-Infektionen bis zu 200.000 Fälle
jährlich. Allein in China werden pro Jahr
bis zu 150.000 Fälle beobachtet. Jeweils
bis zu 2.000 Fälle treten jährlich in Korea
und anderen südostasiatischen Ländern
auf, in Rußland sind es über 10.000. Jeweils einige Hundert klinisch manifeste
Erkrankungen können in Zentral- Nordund Südeuropa erwartet werden. In
Deutschland wurden durch verschiedene
Labors bislang ca. 400 klinische Fälle diagnostiziert. Die durchschnittliche Antikörperprävalenz in Deutschland liegt
nach Seroprävalenzstudien bei 1,85 %
und reicht von 1,2 % bis 3,1 %. In Ostdeutschland ist die Durchseuchung der
Bevölkerung mit einer Antikörperprävalenz von 1,2 % am niedrigsten. Bis zum
Mai 1995 waren dem CDC insgesamt 107
Fälle von Hantavirus-Lungensyndrom
bekannt, von denen 59 tödlich ausgingen.
Prävention
Das Risiko, an einer Hantavirus-Infektion zu erkranken, kann nur durch Vermeidung der Exposition gegenüber den
Nagerwirten gemindert werden. Zur Erprobung von Totimpfstoffen am Menschen laufen gegenwärtig größere Studien in südostasiatischen Ländern.
Referenzzentren
In Deutschland gibt es kein Referenzzentrum für Hantaviren. Eine aktuelle Liste
der diagnostischen Institute, die Hantavirus-Infektionen nachweisen, gibt das
Robert-Koch-Institut in Berlin heraus.
Schlüsselliteratur
1. Lee HW, Dalrymple JL. Manual of hemorrhagic fever with renal Syndrome (1989).
WHO Collaborating Center for Virus Reference and Research, Seoul
231
H
Helicobacter pylori
Erregerbezeichnung
Helicobacter pylori
Erkrankungen
Alle mit H. pylori infizierten Personen
entwickeln eine entzündliche Reaktion
der Magenschleimhaut, die in der Regel
im Magenantrum besonders ausgeprägt
ist (chronische Typ B-Gastritis). H. pylori ist daher als obligat pathogener Erreger anzusehen. Auf dem Boden der durch
die H. pylori-Infektion ausgelösten Gastritis (die selbst entweder asymptomatisch
sein oder auch zu uncharakteristischen
Oberbauchbeschwerden führen kann)
können verschiedene Folgekrankheiten
entstehen. Die H. pylori-Gastritis heilt in
der Regel nicht spontan aus, nur im hohen Alter kann es infolge einer Schleimhautatrophie zur spontanen Elimination
der Erreger kommen.
Taxonomie
Gattung Helicobacter
weitere Spezies in dieser Gattung u. a.: H.
mustelae (Frettchen), H. felis (Katzen,
Hunde), H. heilmannii (Mensch)
Peptisches Ulcus duodeni: Das Zwölffingerdarmgeschwür kommt praktisch ausschließlich bei Patienten vor, die mit H.
pylori infiziert sind. Die Eradikation der
H. pylori-Infektion verhindert Ulkusrückfälle mit großer Sicherheit.
2. Zöller, L., Krüger, D.H. Hantaviren: Neue
Infektionserreger mit wachsender Bedeutung. Die Gelben Hefte 1996, S. 31 – 41
Haplorchis (siehe Darmegel)
Helicobacter pylori
Sebastian Suerbaum, Bochum
Historie
Die Gegenwart spiralförmiger Bakterien
in der Magenschleimhaut wurde erstmals
Ende des letzten Jahrhunderts (Bizzozero, 1893) beschrieben und in jahrzehntelangen Abständen mehrfach wieder beobachtet. Diese Beobachtungen wurden
jedoch auf Kontaminationen zurückgeführt und nicht weiter beachtet. 1983 gelang es den Australiern Robin Warren
und Barry Marshall durch Anwendung
mikroaerophiler Kulturbedingungen aus
endoskopisch gewonnenen Magenbiopsien spiralförmige gram-negative Bakterien anzuzüchten, die sie zunächst als
Campylobacter pyloridis bezeichneten.
Da dieser Name gegen die Regeln der lateinischen Grammatik verstieß, wurden
die Bakterien wenig später in Campylobacter pylori umbenannt. Detailliertere
taxonomische Untersuchungen zeigten
dann, daß der Erreger gravierende Unterschiede zu Campylobacter sp. aufwies, so
daß er 1989 in eine neue Gattung Helicobacter überführt wurde.
232
Peptisches Ulcus ventriculi: Der größte
Teil der Magengeschwüre (ca. 70 %) sind
Folge einer H. pylori-Infektion; Rezidive
können durch H. pylori-Eradikation verhindert werden. Die restlichen 30 % der
Magengeschwüre werden durch H. pylori-unabhängige Noxen ausgelöst (insbesondere die Einnahme nicht-steroidaler
Antirheumatika).
Magenkarzinom: Die H. pylori-Infektion
ist ein wichtiger Risikofaktor für die Entstehung des Magenadenokarzinoms. Das
Karzinomrisiko ist um so größer je früher die Infektion erworben wurde.
Magenlymphom: Die Magenschleimhaut
ist bei gesunden Personen praktisch frei
von lymphatischem Gewebe. Die H. pylori-Infektion führt häufig zur Bildung von
Lymphfollikeln in der Submukosa (sekundäres MALT). Sie ist daher die Voraussetzung für die Entstehung von malignen
Non-Hodgkin-Lymphomen des Magens.
Helicobacter pylori
Diagnostik
Infektionsnachweis: Am häufigsten wird
der Nachweis der H. pylori-Infektion im
Rahmen einer endoskopischen Untersuchung (Ösophagogastroduodenoskopie)
erbracht. Hierzu stehen folgende Methoden zur Verfügung:
Biopsie-Ureasetest
(„Urease-Schnelltest“): Dieser Test nutzt die starke Ureasebildung des Erregers aus. Eine oder zwei
Biopsien werden in ein Ureasetestmedium
(verschiedene kommerzielle Anbieter, z. B.
CLO-Test®) gegeben. Nach kurzer Inkubationszeit kommt es durch die Wirkung der
präformierten Helicobacter-Urease zur
Alkalisierung und zur Verfärbung des
Testmediums. Der Test ist einfach, preiswert und relativ zuverlässig. Vorbehandlung mit Protonenpumpenhemmern kann
die Sensitivität verringern.
Histologie: Bei entsprechender Erfahrung des Pathologen erlaubt die histologische Untersuchung auch eine Beurteilung über das Vorliegen einer H. pyloriInfektion. Unter Umständen sind spezielle Färbungen (z. B. Warthin-Starry-Versilberungsfärbung) notwendig.
Kultur: Die Kultur erfolgt auf Blutagaroder Kochblutagarplatten in mikroaerophiler Atmosphäre (z. B. im Anaerobentopf mit Campylobacter-Gasgenerator).
Der Verwendung eines Antibiotikasupplements (z. B. Skirrow’sches Supplement) ist sinnvoll. Inkubation 3 – 7 Tage
bei 37 °C. Identifizierung durch charakteristische Kulturmorphologie (bis 1,5 mm
große, transparente, glänzende, glatte,
konvexe Kolonien), positive Katalaseund Oxidasereaktion und Nachweis von
Ureasebildung. Charakteristisch sind außerdem Resistenz gegen Nalidixinsäure
und Empfindlichkeit gegen Cephalotin.
Wegen der Empfindlichkeit des Erregers
ist rascher Transport ins Labor, u. U. unter Verwendung eines Transportmediums
(z. B. Port-a-germ pylori®) notwendig.
Wegen der langen Kulturzeit und suboptimalen Sensitivität wird die kulturelle
Anzüchtung nicht in allen Fällen durchgeführt. Wichtigste Gründe, eine Kultur
durchzuführen sind die Notwendigkeit
einer Resistenzbestimmung bei therapeutischen Problemen (z. B. nach erfolglosem ersten Eradikationsversuch, s. u.)
und der Wunsch nach Erregertypisierung
(Virulenzfaktornachweis,
molekulares
Fingerprinting). Für die Resistenztestung
von H. pylori-Stämmen gibt es keine verbindlichen Richtlinien. Bewährt haben
sich die MHK-Bestimmung mit dem
Agardilutionstest (die sich nur für die Testung größerer Serien lohnt) und für Einzelisolate die Testung mit EpsilometerTeststreifen.
Neben diesen Methoden stehen auch
nicht-invasive diagnostische Methoden
zur Verfügung:
Serologie: Es gibt zahlreiche kommerziell erhältliche serologische Testkits (ELISA, Immunoblot, Schnelltests zur Durchführung durch den Arzt während der
Sprechstunde). Die Qualität dieser Tests
ist sehr variabel. Sensitivität und Spezifität der besseren Tests liegen zwischen 90
und 95 %. Die Titer fallen nach Eradikation nur langsam ab, daher ist die Serologie nur bedingt zur Verlaufskontrolle geeignet.
Atemtests: Diese Tests machen sich, wie
der Biopsie-Ureasetest, die starke Ureasebildung zunutze. Dem Probanden wird
oral Harnstoff zugeführt, der mit dem
stabilen (nicht-radioaktiven) Kohlenstoffisotop 13C markiert ist. Die Wirkung der
Urease führt bei Infizierten zur Freisetzung von 13CO2 in die Ausatemluft. Die
Auswertung der Atemproben erfolgt
durch Massenspektrometrie. Der Test ist
sehr zuverlässig und eignet sich sehr gut
zur Therapiekontrolle, da er nach erfolgreicher Eradikation sofort negativ wird.
Typisierungsmethoden: Die Spezies H.
pylori zeichnet sich durch eine ungewöhnlich hohe genetische Variabilität
aus. Dies kann zum „Fingerprinting“ von
individuellen Isolaten genutzt werden.
Zahlreiche Methoden zur molekularen
Typisierung von H. pylori-Stämmen sind
beschrieben worden. Beispiele sind Restriktionsanalysen genomischer DNA, die
233
H
Helicobacter pylori
Untersuchung von PCR-Restriktionsfragmentpolymorphismen, die sog. RAPDPCR und die direkte Sequenzierung von
PCR-amplifizierten Genfragmenten (z. B.
flaB-Flagellingen, ureC-Ureasegen). Diese Methoden ermöglichen es, die Identität bzw. Verwandtschaft von Isolaten zu
untersuchen und so beispielsweise Infektketten aufzuklären.
Möglicherweise wird in der Zukunft auch
der Nachweis bestimmter Virulenzfaktoren (z. B. des VacA-Toxins, s. u.) eine klinische Bedeutung erlangen, solche Methoden werden zur Zeit noch validiert.
Therapie
H. pylori ist in vitro gegen die meisten
Antibiotika empfindlich. Dennoch war es
außerordentlich schwierig, effiziente
Therapieformen für die H. pylori-Infektion zu etablieren, wahrscheinlich weil
die üblichen Antibiotika im Magen nur
eine stark eingeschränkte Wirksamkeit
besitzen. Werden Antibiotika als Monotherapie eingesetzt, lassen sich die Erreger zwar während der Therapie nicht
mehr nachweisen, werden jedoch nicht
vollständing eliminiert, so daß es nach
Beendigung der Therapie zur Rekrudeszenz kommt. Monotherapien (wie auch
viele Kombinationstherapien) haben daher keinen verläßlichen Effekt. Ziel der
Therapie der H. pylori-Infektion ist die
komplette Eradikation des Erregers (definiert als ein negativer Erregernachweis
mindestens vier Wochen nach Therapieende). Es sollten außerhalb von klinischen Studien nur Therapieschemata mit
nachgewiesener Wirksamkeit eingesetzt
werden, da sich aus in vitro-Daten die
klinische Wirksamkeit einer Therapie
nicht vorhersagen läßt. Die derzeit effektivsten Therapieschemata sind Kombinationen von zwei Antibiotika (z. B. Clarithromycin kombiniert mit Amoxicillin oder
Metronidazol) mit einem Säuresekretionshemmer (bevorzugt einem Protonenpumpenblocker), mit denen sich bei
guter Patientencompliance Eradikationsraten um 95 % erreichen lassen.
Spezifische Merkmale
H. pylori besiedelt im Körper eine ökologische Nische, die für praktisch alle anderen Bakterien nicht zugänglich ist. Zahlreiche Eigenschaften des Erregers können als spezifische Anpassungen an das
Leben in diesem Habitat und damit als
Pathogenitätsfaktoren angesehen werden.
Urease: Alle H. pylori-Isolate bilden das
Enzym Urease in großen Mengen. Durch
Spaltung von Harnstoff werden Ammoniak und Kohlendioxid freigesetzt. Es wird
angenommen, daß so die Mikroumgebung des Bakteriums neutralisiert wird
und sich der Erreger während des Aufenthalts im Magenlumen vor der Säure
schützt. Außerdem ermöglicht es die Urease H. pylori, Harnstoff als Stickstoffquelle für seine Aminosäuresynthese zu
nutzen. Tierexperimente mit urease-negativen Mutanten haben gezeigt, daß Urease ein für die Pathogenität des Bakteriums essentieller Faktor ist.
Beweglichkeit: H. pylori ist ein stark bewegliches Bakterium. Charakteristisch
ist, daß die Beweglichkeit auch unter Bedingungen erhöhter Viskosität erhalten
bleibt. Das Bakterium verdankt die Beweglichkeit einem Bündel von Geißeln
(Flagellen), die an einem Pol der Zelle
entspringen. Jede Geißel ist von einer
Membranhülle umgeben, die das Flagellenfilament vor der Desintegration durch
Säure schützt. Auch die Beweglichkeit ist
für H. pylori ein essentieller Pathogenitätsfaktor.
Adhärenz: H. pylori adhäriert stark an
verschiedene Zellkulturlinien. Die Adhärenz bewirkt bei der Zielzelle ein Rearrangement des Zytoskeletts (Aktinkondensation) und die Ausbildung sog. Adhärenzplattformen (adherence pedestals). Es wird angenommen, daß H. pylori mehrere verschiedene Adhärenzfaktoren besitzt. Die Bedeutung von Adhärenz für die Infektion ist noch nicht eindeutig bewiesen.
Zytotoxin (VacA): Etwa die Hälfte aller
H. pylori-Stämme bilden ein Zytotoxin
234
Helicobacter pylori
(vakuolisierendes Zytotoxin, VacA-Toxin). Toxinbildende Stämme werden signifikant häufiger von Ulkuspatienten
isoliert als von Patienten, die „nur“ eine
Gastritis haben. Gereinigtes Toxin kann
im Tiermodell Magenschleimhautulzerationen induzieren. Das Toxin wird daher
als ein wichtiger Virulenzfaktor des Erregers angesehen. Die Tatsache, daß sich H.
pylori-Stämme in ihrer Fähigkeit zur Toxinbildung unterscheiden ist wahrscheinlich eine der bakteriellen Ursachen für
die unterschiedlichen klinischen Verläufe
der H. pylori-Infektion bei verschiedenen
Patienten.
Zytokininduktoren (Pic-Proteine). Die
Induktion der Bildung des potenten Zytokins Interleukin 8 scheint eine Schlüsselrolle in der Pathogenese der H. pyloriGastritis zu spielen. H. pylori-Stämme
unterscheiden sich erheblich in ihrer Fähigkeit, die Bildung von IL-8 zu induzieren. An dieser Induktion ist eine Gruppe
von Genen (pic-Gene für „permits induction of cytokines“) beteiligt, die auf einer
sog. Pathogenitätsinsel (cag-Pathogenitätsinsel) lokalisiert sind. Bei Patienten
mit Magenkarzinom werden praktisch
ausschließlich solche H. pylori-Stämme
gefunden, bei denen die pic-Gene vorhanden sind.
Transmission
Die Übertragungswege der H. pylori-Infektion sind bisher nur unzureichend untersucht. Es wird angenommen, daß die
Infektion vorwiegend von Mensch zu
Mensch übertragen wird. Ob hierbei
oral-orale oder fäkal-orale Transmission
die Hauptrolle spielt, ist nicht sicher bekannt. Parenterale und sexuelle Übertragung spielen keine Rolle. Ein Sonderfall
der Transmission ist die direkte Inokulation über kontaminierte Endoskope oder
pH-Sonden, die vor der Erkennung dieses Risikos zu Serien von „epidemischer
Hypochlorhydrie“ geführt hat.
Wirtsbereich
Bakterien der Gattung Helicobacter
haben ein sehr enges Wirtsspektrum. H.
pylori wird in der Natur nur beim
Menschen und bei einigen Primaten gefunden. Kürzlich wurde berichtet, daß
Katzen aus einer bestimmten Labortierzucht mit H. pylori infiziert waren. Ob
die Infektion von Katzen auch in der freien Natur vorkommt und epidemiologische Bedeutung hat, ist noch ungeklärt.
Im Labor lassen sich unter bestimmten
Bedingungen auch Mäuse, Ratten und
gnotobiotische Ferkel mit H. pylori
infizieren. Dies sind wichtige Tiermodelle
für das Studium der H. pylori-Infektion.
Risikogruppen
Die H. pylori-Infektion ist dort häufig,
wo ungünstige hygienische Bedigungen
herrschen und/oder Menschen sehr eng
beieinander wohnen (ein extremes Beispiel sind U-Boot-Besatzungen, für die
ein erhöhtes H. pylori-Infektionsrisiko
gezeigt werden konnte). Zwillingsuntersuchungen haben gezeigt, daß genetische
Faktoren die Wahrscheinlichkeit einer H.
pylori-Infektion beeinflussen, diese Faktoren sind jedoch noch nicht definiert.
Menschen der Blutgruppe 0 haben ein erhöhtes Risiko für bestimmte Folgeerkrankungen der H. pylori-Infektion, was
möglicherweise mit der Affinität von H.
pylori für die Lewisb-Blutgruppensubstanz zusammenhängt.
Als einzige bisher identifizierte Berufsgruppe scheinen Gastroenterologen ein
berufsbedingt erhöhtes Risiko für eine H.
pylori-Infektion zu haben.
Epidemiologie
Die H. pylori-Infektion ist weltweit verbreitet. Die lokale Prävalenz der Infektion
variiert jedoch stark. In einigen Entwicklungsländern sind über 90 % der Bevölkerung infiziert, in den westlichen Industrienationen liegt die Gesamtprävalenz
zwischen 25 und 50 %. Da die Infektion
normalerweise lebenslang bestehenbleibt, nimmt die altersspezifische Prävalenz mit zunehmendem Lebensalter zu.
Diese Zunahme unterliegt einem Kohortenphänomen, weil besonders die Lebensbedingungen in der Kindheit die
Infektionswahrscheinlichkeit eines Individuums bestimmen. So sind beispielsweise Alterskohorten, in deren Kindheit
235
H
Hendersonula toruloidea
ein Krieg geherrscht hat, besonders infektionsgefährdet. Auf das Kohortenphänomen wird zurückgeführt, daß die Prävalenz der H. pylori-Infektion in allen
Industrienationen deutlich rückläufig ist.
Die Epidemiologie der H. pylori-Infektion ist bisher nur unvollständig untersucht und es gibt viele offene Fragen.
Hierzu gehören die Fragen nach dem vorherrschenden Transmissionsweg (s.o.),
nach möglichen epidemiologisch bedeutsamen Umweltreservoirs oder nach der
Entstehung der Stammheterogenität innerhalb der Spezies H. pylori, um nur einige zu nennen. Alles deutet jedoch darauf hin, daß sowohl in Industrienationen
als auch in Entwicklungsländern der
größte Teil der Infektionen in der Kindheit erworben wird und daß prophylaktische Strategien bei der Transmission im
Kindesalter angreifen müssen.
Prävention
Verbesserung der allgemeinen sozioökonomischen Bedingungen und der Hygiene reduziert die Prävalenz der H. pyloriInfektion. Da nicht genau bekannt ist, wie
die Transmission erfolgt, gibt es zur Zeit
keine spezifischen Empfehlungen zur Expositionsprophylaxe. Eine Impfung gegen
H. pylori befindet sich in der Entwicklung.
Schlüsselliteratur
1. Malfertheiner, P. (Hg.) Helicobacter pylori
– Von der Grundlage zur Therapie. 2. Aufl.
1996. Thieme (Stuttgart, New York)
2. Malfertheiner, P., Mégraud, F., Michetti, P.,
Price, A. (Hg.) The Year in Helicobacter pylori. Seit 1994 jährlich erscheinendes Supplement von Current Opinion in Gastroenterology
3. Calam, J., Clinicians’ guide to Helicobacter
pylori. 1. Aufl. 1996. Chapman & Hall Medical (London, Glasgow)
Hendersonula toruloidea
(Tradierter Name: Nattrassia mangiferae)
Renate Blaschke-Hellmessen, Dresden
Erregerbezeichnung
Nattrassia mangiferae (H. Syd. und Syd.)
Sutton und Dyko, 1989 (Opportunistischer, imperfekter Pilz).
Morphologie
N. mangiferae gehört zu den langsam
wachsenden Pilzen.
Kolonie: Oberseite: Braun oder schwarz,
glatte und flaumige Kolonien. Unterseite:
Braun bis schwarz.
Mikromorphologie der Kulturform:
Kurze hyaline Hyphen mit unseptierten
terminalen Erweiterungen und pigmentierte, septierte Hyphen, die in lange Ketten von Arthrosporen zerfallen.
Taxonomie
Klasse: Coelomycetes, Gattung: Nattrassia. Bildung dunkler Pyknidien (Fruchtkörper mit Konidien).
Historie
1989 Revision der Gattung Hendersonula
durch Sutton und Dyko. Danach wird
Hendersonula toruloidea Nattrass, 1933
als Synonym von Nattrassia mangiferae
betrachtet.
Erkrankungen/Register
N. mangiferae ist bei folgenden Krankheitsbildern nachgewiesen worden: 1.
Nagelmykosen und Hauterkrankungen
der Füße, 2. Noduläre subkutane Phaeohyphomykosen (Befall der Subkutis im
Anschluß an ein Trauma und verruköse
Dermatitis des Gesichts bei Immundefekt).
Diagnostik/Symptome
Die mykologische Diagnostik basiert auf
dem mikroskopischen und kulturellen
Pilznachweis.
236
Hepatitis A Virus (HAV)
Mikroskopische Untersuchung
von
Haut- und Nagelmaterial bzw. Gewebeproben und Eiter (bei letzteren Anwendung der PAS- und Gomori-Grocott-Färbung): Hyaline hefeartige Zellen und hyaline oder braune Pilzfäden.
Kulturelle Anzüchtung auf speziellen festen Nährmedien innerhalb von 10 – 20
Tagen bei 30 – 37 °C.
Differenzierung und sorgfältige Abklärung der ätiologischen Bedeutung nachgewiesener Schwärzepilze für den einzelnen Erkrankungsfall.
Therapie
Vorgehen bei der nodulären subkutanen
Phaeohyphomykose: 1. Chirurgische Behandlung, 2. Medikamentöse Behandlung
mit 5-Flucytosin, Amphotericin B und
Itraconazol.
Transmission
Aufnahme der Pilzelemente aus der Umwelt des Menschen.
Epidemiologie
Die bisherigen Beobachtungen beschränken sich auf Einzelfälle.
Referenzzentren
Keine.
Schlüsselliteratur
1. Gentles, J.C. und Evans, E.G.V.: Infection of
the feet and nails with Hendersonula toruloidea. Sabouraudia 8, 72 – 75 (1970).
2. Campbell, C.K. et al.: Fungal infection of
skin and nails by Hendersonula toruloidea.
Br. J. Derm. 89, 45 – 50 (1973).
3. Sutton, B.C. und Dyko, B.J.: Revision of
Hendersonula. Mycol. Res. 93, 466 – 488
(1989).
4. De Hoog GS, Guarro J. 1995. Atlas of clinical fungi. Centraalbureau voor Schimmelcultures, Baarn, The Netherlands.
5. Kwon-Chung KJ, Bennett JE. 1992. Medical
Mycology, 2nd ed. Chapter 23: Phaeohyphomycosis, p. 669. Lea & Febiger, Philadelphia, London.
Hepatitis A Virus (HAV)
Angelika Vallbracht, Bremen
Erregerbezeichnung
Hepatitis A Virus (HAV)
Morphologie
Das Virion besteht aus einem nichtumhüllten Partikel mit einem Durchmesser von
ca. 27nm. Das ikosaedrische Kapsid enthält
jeweils 60 Kopien der 3 Hauptstrukturproteine VP1, VP2 und VP3. Bisher ist nicht
bekannt, ob auch das kleine Protein VP4
im Virionkapsid integriert ist.
Taxonomie
Genus Hepatovirus in der Familie Picornaviridae. Das Virus enthält eine einzelsträngige RNA im positiv-sense in einer
Größe von ca. 7.500 Nukleotiden.
Historie
Hepatitis-Epidemien werden seit dem 5.
Jahrhundert vor Christus berichtet. Im
Zweiten Weltkrieg wurde die „Infektiöse
Hepatitis“ klar von der „Serumhepatitis“
abgegrenzt und als Hepatitis A bezeichnet.
Erkrankungen/Register
Die klinische Manifestation der akuten
HAV-Infektion reicht von der asymptomatischen Infektion bis hin zur fulminanten Hepatitis mit Todesfolge. Der
Schweregrad der Erkrankung ist altersabhängig. Die asymptomatische oder zumindest anikterische Infektion findet
sich insbesondere im frühen Kindesalter.
Die pathologischen Läsionen der akuten
Hepatitis A sind gekennzeichnet durch
eine hepatozelluläre Nekrose im periportalen Bereich mit ausgedehnten entzündlichen Infiltraten. Häufig sind Cholestasezeichen zu beobachten.
Protrahierte, relapsierende Hepatitis: Neben der normalen Verlaufsform der
akuten HAV-Infektion, bei der sich eine
237
H
Hepatitis A Virus (HAV)
Einsatz von Interferon bei der fulminanten Hepatitis A wird diskutiert.
––––
---–––
–--–
normaler Verlauf
protrahierter, relapsierender biphasischer Verlauf
protrahierter Verlauf
protrahierter, relapsierender multiphasischer
Verlauf
Abb. 1. Schematische Darstellung verschiedener Verlaufsformen der klinisch-manifesten
Hepatitis-A-Virusinfektion
Normalisierung der Serumtransaminasewerte nach ca. 3 Wochen einstellt, nehmen ca. 15 % der Krankheitsfälle einen
protrahierten und teilweise relapsierenden Verlauf ohne aber in die Chronizität
überzugehen. In Abbildung 1 sind beispielhaft solche protrahierten Krankheitsverläufe schematisch dargestellt.
Aplastische Anämie: Neben einem häufig zu beobachtenden transienten Effekt
des HAV auf das hämatopoetische System
werden seltene Fälle schwerer Panzytopenien beschrieben, die mit einer Letalität
von über 90 % einhergehen.
Diagnostik/Symptome
Die Diagnostik der akuten HAV-Infektion erfolgt routinemäßig über den Nachweis von anti-HAV-IgM. IgM anti-HAV
verschwindet typischerweise innerhalb 3
Monaten, ist aber insbesondere bei protrahierten Verlaufsformen auch bis zu einem Jahr nach Ikterusbeginn nachweisbar.
Therapie
Eine HAV-spezifische Therapie steht
nicht zur Verfügung. Der therapeutische
238
Spezifische Merkmale
Natural History und Pathogenese: HAV
wird üblicherweise über den faecal-oralen Weg übertragen. Eine Replikation des
Virus im Oropharynx oder intestinalen
Bereich konnte nicht sicher nachgewiesen werden, sodaß der Weg, über den
HAV die Leber erreicht, bisher nicht
identifiziert ist. Bereits 2 Wochen vor Ablauf der ca. vierwöchigen Inkubationszeit
und Beginn der klinischen Symptomatik
wird das in der Leber replizierte Virus
über die Gallengänge und den Intestinaltrakt ausgeschieden. Die Virusausscheidung in den Faeces beläuft sich insgesamt auf ca. 3 Wochen. Eine deutliche
Verlängerung der HAV-Ausscheidung
findet sich in den protrahierten Verläufen und Infektionen im Neugeborenenalter, wo eine HAV-Ausscheidung über 20
Wochen beobachtet wurde. Die klinische
Manifestation der HAV-Infektion und die
ihr zugrundeliegende hepatozelluläre Destruktion ist auf immunpathogenetische
Mechanismen zurückzuführen.
Transmission
Die Transmission des HAV findet fast
ausschließlich über den faecal-oralen
Weg, insbesondere über kontaminiertes
Wasser, kontaminierte Nahrungsmittel
und Schmierinfektionen statt. Übertragungen des HAV via Bluttransfusion und
kontaminierte Blutprodukte sind beschrieben aber selten.
Wirtsbereich
Der Wirtsbereich des HAV ist sehr eng.
Neben dem Menschen sind nur wenige
nicht-humane Primaten infizierbar.
Risikogruppen
In den westlichen Industriestaaten ist das
Risiko einer HAV-Infektion niedrig. Einem erhöhten Erkrankungsrisiko unterliegen aber auch dort bestimmte Berufsgruppen, wie z. B. Personal in Kindertagesstätten und Kliniken oder Arbeiter in
Kanal- und Kläranlagen. Ein hohes Risiko einer HAV-Infektion haben Personen,
Hepatitis B Virus
die aus einem Gebiet mit niedriger HAVInzidenz in ein Endemiegebiet reisen.
Epidemiologie
Die Epidemiologie der Hepatitis A unterliegt einer kontinuierlichen Veränderung.
Obgleich das HAV weltweit verbreitet ist,
zeigen sich extreme Unterschiede in der
Seroprävalenz von Land zu Land. Neueste Ergebnisse aus Deutschland ergaben
eine Seroprävalenz von nur 4 % in der
Population der jungen Erwachsenen.
Prävention
Passive Prophylaxe: Bis zur Verfügbarkeit einer aktiven Prophylaxe konnte nur
durch die Gabe von Standardimmunglobulin mit mindestens 100 I. E. anti-HAV
eine HAV-Erkrankung über einen Zeitraum von 3 – 5 Monaten mit einer
80 – 90 %igen Sicherheit verhindert werden.
Aktive Prophylaxe: Seit 1992 stehen gut
verträgliche inaktivierte Impfstoffe zur
aktiven Prophylaxe gegen das HAV zur
Verfügung, die zu einem 100 %igen
Schutz vor einer HAV-Erkrankung führen. Derzeit kann man davon ausgehen,
daß bei Einhaltung der vorgeschriebenen
Impfschemata ein Impfschutz von über
10 Jahren gegeben ist.
Referenzzentren
Max-von-Pettenkofer-Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie, Pettenkoferstr. 9a, 80336 München
Schlüsselliteratur
Blaine-Hollinger, F. and Ticehurst, J. R., Hepatitis A Virus. In: Virology, Third Edition,
edited by Fields, B.N, Knipe, D. M, Howley,
P. M., Raven Press, Ltd. New York, Vol. 1,
(1996) 735 – 782
Hepatitis B Virus
Detlev H. Krüger und Helga Meisel,
Berlin
Erregerbezeichnung
Hepatitis B Virus (HBV)
Morphologie
Das Virion (42 nm) besteht aus einem
ikosaedrischen Nukleokapsid (Core), in
dem sich die virale DNA, die virale Polymerase und eine wirtseigene Proteinkinase C befinden. Die sphärischen CorePartikel existieren in 2 verschiedenen
Größen mit T = 4 Symmetrie (34 nm, 240
Core-Proteine) oder T = 3 Symmetrie (30
nm, 180 Core-Proteine). Die lipidhaltige
Virushülle mit HBs-Antigenität enthält
die drei Oberflächenproteine unterschiedlicher Größe, SHBs, MHBs und
LHBs. Aus der Hülle ragen die PräS-Domänen von MHBs und LHBs als Spikes
heraus. Neben den kompletten Virionen
liegen im Serum HBV-infizierter Patienten noch leere, ca. 20 nm große nichtinfektiöse Hüllproteinstrukturen als sphärische und tubuläre HBsAg-Partikel vor.
Taxonomie
HBV gehört als einziges humanpathogenes Virus zur Familie der Hepadnaviridae, Genus Orthohepadnavirus. Hauptcharakteristika der Hepadnaviren sind
die besondere Genomorganisation, ein
für DNA-Viren bemerkenswerter Replikationsmechanismus über eine reverse
Transkription, der Lebertropismus und
die Fähigkeit, im infizierten Wirt eine
starke und langanhaltende Virämie auszubilden.
Historie
Mit der Entdeckung des Australia-Antigens bei einem australischen Ureinwohner und der Identifizierung als Oberflächenprotein von HBV (HBsAg) im Jahre
1965 begann die Erforschung des HBV,
gefolgt vom elektronenmikroskopischen
Nachweis des Viruspartikels (Dane), der
239
H
Hepatitis B Virus
Charakterisierung der viralen DNA und
der Aufklärung des Replikationsmechanismus der Hepadnaviren.
Erkrankungen/Register
Die Inkubationszeit der Hepatitis B kann
30 – 180 Tage (in Abhängigkeit vor allem
von der Erregerdosis) betragen, an die
sich ein ca. 1wöchiges Prodromalstadium
mit Fieber, Erbrechen und weiteren Symptomen (siehe extrahepatische Manifestationen) anschließen kann. Das klinische Spektrum einer akuten Hepatitis B
erstreckt sich von einem subklinischen
bis zum akuten ikterischen Verlauf, der
in ca. 1 % fulminant ist.
Die klinischen Manifestationen einer
HBV-Infektion sind in erster Linie vom
Alter und Immunstatus des Patienten abhängig. Bei Neugeborenen und Kindern
unter einem Jahr verläuft die Infektion in
mehr als 90 % der Fälle zunächst asymptomatisch. Davon entwickeln ca. 70 – 90 %
einen chronischen HBV-Trägerstatus,
und in ca. 30 – 50 % der Fälle kommt es
zur Ausbildung von chronischen Lebererkrankungen, die zu Zirrhose und Leberzellkarzinom (HCC) führen können. Die
Latenzzeit zwischen Infektion und Auftreten eines HCC beträgt 35 – 40 Jahre.
Bei Erwachsenen liegt die Chronifizierungsrate dagegen nur um 5 %. Die Diagnose der chronischen Hepatitis B beruht
auf der HBsAg-Persistenz länger als 6
Monate nach Auftreten der Infektion. In
Abhängigkeit von den Leberzellveränderungen unterscheidet man den sogenannten gesunden Hepatitis B-Virusträger und die chronische Hepatitis mit geringer entzündlicher Aktivität bzw. progredienten Leberzellzerstörungen.
Im Verlauf der chronischen HBV-Infektion können drei Phasen durchlaufen
werden. Die erste Phase ist in den meisten Fällen durch hohe Infektiosität (hohe HBeAg- und HBV-DNA-Konzentrationen im Serum) sowie biochemische
und histologische Aktivität gekennzeichnet. Nach unterschiedlich langer Zeit entwickelt sich bei einem Teil der Patienten
eine nichtreplikative Phase mit Abklingen der entzündlichen Aktivität und
weitgehender Normalisierung der Trans240
aminasen, der in der Regel eine Serokonversion von HBeAg zu anti-HBe vorausgeht. Bei nur sehr wenigen Patienten erfolgt Jahre später eine Serokonversion
von HBsAg zu anti-HBs, die mit einer
Ausheilung verbunden ist.
Die chronische Hepatitis B ohne Behandlung hat in der Regel eine schlechte Langzeitprognose. Selbst Patienten mit mildem Verlauf entwickeln zu ca. 10 % eine
Zirrhose mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 55 %.
Extrahepatische Manifestationen: Die
akute HBV-Infektion ist mit einer Reihe
von extrahepatischen Manifestationen,
wie urtikariellem Exanthem, Arthralgien,
Polyarthritis, Kryoglobulinämie, Glomerulonephritis und Myalgien, verbunden,
deren Auftreten hauptsächlich durch zirkulierende Immunkomplexe bedingt
sind. Diese und weitere Manifestationen,
wie Vaskulitis und Panartheritis nodosa,
werden auch bei chronischer Hepatitis
beobachtet.
Leberzellkarzinom (HCC): Die Assoziation zwischen HBV-Infektion und HCC
ist gesichert. Patienten mit allen Formen
des HBsAg-Trägerstatus können nach einer Latenz von ca. 20 – 40 Jahren HCC
entwickeln. Entscheidender Risikofaktor
ist die Dauer des HBsAg-Trägerstatus.
Diagnostik/Symptome
In Tabelle 1 ist das zeitliche Auftreten der
HBV-Marker in verschiedenen Phasen der
Hepatitis-B-Virusinfektion
dargestellt.
Für eine Unterscheidung zwischen akuter
und chronischer Infektion sowie Immunität stehen verschiedene Testmethoden
zum Nachweis der viralen Antigene und
Antikörper zur Verfügung (Tabelle 2).
Direkter Nachweis von Viruskomponenten: Elektronenmikroskopie, DNA-Hybridisierung, Polymerasekettenreaktion,
ELISA zum Nachweis von HBeAg und
HBsAg.
Indirekter Virusnachweis: ELISA zum
Antikörpernachweis: anti-HBc-IgM und
-IgG, anti-HBe und anti-HBs.
Hepatitis B Virus
Tab. 1 Serologische Marker im Verlaufe der Hepatitis B
HBsAg HBeAg antiHBc- anti-HBc anti-HBe anti-HBs HBVIgM
DNA
Interpretation
+
(+)
–
–
–
–
+
+
–
+/–
–
+
–
+
+
+/–
+
–
+
–
–
–
+
–
+
–
+/–
–
+
–
+/–
–
–
+
+
–
+
–
–/+
–
–
(+)
–
+
–
–
+
–
+
+
–
–
+
+
–
(+)
Inkubationsphase/frühe
akute Phase
akute Hepatitis B
abgelaufene HBV-Infektion, frühe Immunität
Spätrekonvaleszenz
chronisch aktive Hepatitis
Immunität nach Impfung
Trägerstatus, hohe Infektiosität
Trägerstatus, geringe
Infektiosität
Tab. 2 Diagnostische Bedeutung der Hepatitis-B-Marker
Marker
Erklärung
HBsAg
Oberflächenprotein des HBV, indirekter Marker der Infektiosität, Marker zur Früherkennung der akuten und chronischen Hepatitis sowie der Prognose
HBeAg
lösliche Form des viralen Core-Proteins, indirekter Marker der Infektiosität
HBV-DNA
Virusgenom, Infektiositätsmarker, Parameter zur Überwachung antiviraler Therapien
HBcAg
Core-Antigen des HBV (kommt nicht in freier Form im Serum vor)
anti-HBc-IgM IgM-Antikörper gegen HBcAg, frühester diagnostischer Antikörper, hohe Titer
nur bei akuter Hepatitis (bei chronischer Hepatitis in Abhängigkeit von der Aktivität)
anti-HBc-IgG IgG-Antikörper gegen HBcAg, akute, chronische, abgelaufene Infektion, Durchseuchungsmarker
anti-HBe
Hinweis auf unvollständige Virusvermehrung, Auftreten im akut-limitierten Verlauf: gute Prognose
anti-HBs
Antikörper gegen HBsAg, Marker der abgelaufenen Hepatitis B zusammen mit anti-HBc, einziger Marker nach Immunisierung
Chemische Laboruntersuchungen: Bestimmung der Aktivitäten der Transaminasen (GPT, Gamma-GTT), der alkalische Phosphatase, der Bilirubinkonzentration, der Prothrombinzeit und Durchführung einer Serumelektrophorese. Eine
Differenzierung von anderen Virushepatitiden erfordert jedoch die Bestimmung
der Hepatitis-B-Antigene und -Antikörper.
Pathologie und Histopathologie: Nach
Infektion der Leber mit HBV kommt es
zur Proliferation der Kupfferschen Stern-
zellen, Ballonierung der Hepatozyten
und Einzelzellnekrosen sowie entzündlichen Reaktionen der periportalen Felder
und Einlagerung von Ceroidpigment. Bei
chronischen Hepatitiden sind die Prozesse in Abhängigkeit von der Krankheitsaktivität auf die Periportalfelder beschränkt und verbunden mit wenigen
Einzelzellnekrosen oder sie überschreiten
die Periportalfelder und sind mit Mottenfraßnekrosen assoziiert. Der immunhistologische Nachweis von Hepatitis-Antigenen (HBcAg, HBsAg) und/oder das
Auffinden von HBV-DNA durch in situ241
H
Hepatitis B Virus
Hybridisierung/PCR gestatten Aussagen
zur Aktivität und Prognose einer Hepatitis B.
Differentialdiagnose: Durch
serologische und molekulargenetische Untersuchungen erfolgt die Abgrenzung von anderen viral und nicht-viral bedingten Hepatitiden.
Therapie
Eine kausale Therapie von Erkrankungen
durch HBV-Infektionen existiert nicht.
Bei chronischer Hepatitis B wurden Therapieschemata mit rekombinantem humanen Interferon alpha (z. B. 3 × wöchentlich bis zu 5 Mio Einheiten subkutan über 4 – 6 Monate) etabliert. Die recht
geringe Ansprechrate und Dauerwirkung
(nur bei etwa 30 – 50 % der Behandelten,
jedoch noch günstiges Ergebnis im Vergleich zur Behandlung von HCV-Infektionen), beobachtete Therapienebenwirkungen sowie die Nichteinsetzbarkeit bei
Immunsupprimierten erfordern neue
Ansätze für eine antivirale Therapie. Dazu gehören Nukleosidanaloga der zweiten Generation (Famciclovir, Lamivudin), die gegenwärtig erprobt werden.
Auch anti-sense-Oligonukleotide könnten potentiell zur Therapie eingesetzt
werden. Letzte therapeutische Möglichkeit bei Leberfunktionsverlust ist die
Transplantation.
Spezifische Merkmale
Pathogenität und Immunantwort: HBV
selbst ist nicht zytopathogen. Mit der
Vermehrung und Freisetzung von HBV
werden Virusantigene auf der Leberzellmembran präsentiert. Während die humorale Antikörperantwort gegen die viralen Hüllantigenen zur Elimination zirkulierender Viruspartikel führt, werden
die infizierten Zellen durch die zellulären
Immunantworten gegen die Hüll-, Nukleokapsid- und Polymeraseantigene eliminiert. Entscheidend sind die Stärke und
Multispezifität der Klasse I- und Klasse
II-restringierten T-Zell-Antworten auf
das Virus, wobei die T-Zell-Aktivität mit
der Ausprägung der Erkrankung sowie
der Viruselimination positiv korreliert.
242
So ist bei Patienten mit akut-limitierter
Hepatitis B eine starke, polyklonale und
multispezifische T-Zell-Antwort nachweisbar, die bei Patienten mit chronischer Hepatitis selten gefunden wird.
Bei über 80 % der Fälle eines HBV-assoziierten HCC liegt das HBV-Genom in
das zelluläre Genom integriert vor. Die
Intergration fördert wahrscheinlich die
genetische Instabilität der Zelle. Im HBVGenom ist bisher kein Onkogen gefunden
worden. Es gibt indirekte Beweise dafür,
daß transaktivierende Effekte von HBVProteinen (X-Protein, C-terminal verkürztes MHBs/SHBs) zur Mehrschrittpathogenese von HCC beitragen.
Für die unterschiedlichen Verlaufsformen einer HBV-Infektion werden die individuelle virusspezifische Immunantwort zu den HBV-kodierten Antigenen,
die Cytokinproduktion und -wirkung,
aber auch die Spezifik der infizierenden
Virusvarianten verantwortlich gemacht.
Virulenz und Resistenz: HBV kann im
Blut in hohen Konzentrationen vorkommen und ex vivo (konzentrationsabhängig) überleben. HBV widersteht einer Erhitzung auf 60 °C über eine Stunde. Ein
weitgehende Inaktivierung des Virus bei
60 °C erfolgt erst über 10 Stunden.
Vermehrung: Die primären Zielzellen
von HBV in vivo sind Hepatozyten des
Menschen und des Schimpansen. Die Core-Partikel werden am endoplasmatischen Retikulum von den Oberflächenantigenen umhüllt und schließlich von der
Leberzelle abgegeben. HBV-DNA ist auch
in Lymphozyten und Monozyten des peripheren Blutes nachweisbar. An einer Infektion von Lymphozyten wird kaum
noch gezweifelt, ob aber eine klinisch relevante Virusvermehrung außerhalb der
Leberzelle stattfindet, ist noch unbekannt. – In vitro kann HBV durch Zelltransfektion mit klonierter HBV-DNA
vermehrt werden: Die Replikation von
HBV in primären Hepatozyten ist nur eine kurzzeitige und erfordert zur Reproduzierbarkeit der Infektion eine Behandlung mit Dimethylsulfoxid oder Polyethylenglykol. Humane Hep G2-Hepatobla-
Hepatitis B Virus
Tab. 3 Funktionen der HBV-kodierten Proteine
Gen
kodierte Proteine
S (PräS1-, PräS2- und S-Region) Oberflächenproteine SHBs, MHBs und LHBs
C (Prä-C, C-Region)
Nukleokapsidprotein HBc und Sekretionsform HBe
P
virale Polymerase mit verschiedenen funktionellen Domänen:
Terminales Protein, Reverse Transkriptase, RNaseH
X
X-Protein (HBx), das verschiedene virale und zelluläre Promotoren transaktivieren kann
stomazellen produzieren infektiöses Virus nach transienter oder stabiler Transkription von klonierter HBV DNA. Intakte Viren können sich zwar über die
PreS1-Domäne an diese Zellen anheften,
aber für eine Infektion ist die Freilegung
einer Fusionsdomäne des Oberflächenproteins durch einen proteolytischen
Schritt erforderlich.
Genetik: Das HBV-Genom ist mit ca.
3.200 Nukleotiden Länge eines der kleinsten bekannten Genome animaler Viren.
Bisher werden 4 Genotypen (A – D) mit
ungleicher geographischer Verteilung
unterschieden. Das nichtkovalent zirkularisierte, partiell doppelsträngige DNAMolekül besteht aus einem linearen
DNA-Minus-Strang von konstanter Länge mit einem am 5'-Ende kovalent gebundenem Terminalen Protein. Der komplementäre DNA-Plus-Strang besitzt ein definiertes 5'-Ende, an das ein Oligoribonukleotid-Fragment gebunden ist, sowie ein
variables 3'-Ende, wodurch das Genom
einen einsträngigen Abschnitt unterschiedlicher Länge aufweist.
Die Genomorganisation ist sehr kompakt: Das Genom besteht aus den kodierenden Leserahmen der S-, C-, P- und XGene (Tabelle 3), die sich in allen Leserastern auf dem DNA-Minus-Strang extensiv überlappen. Durch die Verwendung
unterschiedlicher Startkodone innerhalb
eines kodierenden Leserahmens werden
bei der Translation des S- und C-Gens
aminoterminal unterschiedlich lange,
aber am Carboxylende koterminale Proteine erhalten.
Das virale Genom wird im Zellkern des
Hepatozyten durch zelluläre Replika-
tionsenzyme vervollständigt und kovalent zirkularisiert (ccc-DNA). Initiiert am
Core-Promotor im Minus-Strang, wird
mittels einer zellulären DNA-abhängigen
RNA-Polymerase II die prägenomische
mRNA synthetisiert. Die polyadenylierte
und terminal redundante mRNA (3,5 kb
lang) wird in das Zytoplasma transferiert
und selektiv im Core-Partikel verpackt.
Dort wird von der viralen Polymerase
durch reverse Transkription der DNAMinus-Strang synthetisiert, wobei gleichzeitig die RNA-Sequenz durch die viruskodierte RNaseH abgebaut wird. Durch
die Synthese des unvollständigen DNAPlus-Stranges mittels viruskodierter
DNA-Polymerase kommt es wieder zur
nichtkovalenten Zirkularisierung des Genoms.
Transmission
HBV wird sowohl horizontal (parenteral,
Sexualkontakt) als auch vertikal (perinatal) übertragen. Im Blut können hohe Virustiter (bis zu 1010 Viruspartikel/ml)
vorliegen, so daß geringste Mengen, z. B.
nach Nadelstichverletzungen, zu einer Infektion führen können. Die direkte perkutane Inokulation (I.V.-Drogenäbhängige !) von infektiösem Material gehört zu
den häufigsten Übertragungswegen. Außer im Blut kann HBV auch im Speichel,
Sperma und Vaginalsekret in solchen
Mengen vorhanden sein, daß es bei
Schleimhautkontakten zur Übertragung
kommt. Die perinatale Übertragung stellt
in Ländern mit endemisch auftretender
Hepatitis den Hauptinfektionsweg dar.
Die intrafamiliäre nichtsexuelle Verbreitung erfolgt überwiegend dann, wenn
Kleinstkinder infiziert sind, da bei ihnen
243
H
Hepatitis B Virus
in der Regel hohe Virustiter vorliegen.
Von HBsAg-Trägern mit einer Virämie
von X 105 Viruspartikeln/ml ist eine
Übertragung durch Intim- oder Haushaltskontakte eher unwahrscheinlich.
Übertragung durch HBsAg-negatives, anti-HBc-positives Blut ist möglich, so daß
die Weitergabe von HBV durch Bluttransfusion trotz HBsAg-Screening nicht völlig
ausgeschlossen werden kann.
HBsAg-negativen Virusmutanten sind als
Infektionsursache in Deutschland zur
Zeit jedoch nicht bedeutsam.
Wirtsbereich
Das natürlich Wirtsspektrum des Virus
umfaßt nur den Menschen. Schimpansen
und Gibbons können experimentell infiziert werden.
Risikogruppen
Medizinisches Personal, Empfänger von
Blutprodukten, Hämodialysepatienten,
immunsupprimierte
Patienten
und
Transplantatempfänger, Drogenabhängige, Strafgefangene, Haushaltsmitglieder
und enge Kontaktpersonen von hochvirämischen Virusträgern (in Kindergärten,
Schulen, etc.), Personen mit promiskuitivem Verhalten und Neugeborene von
HBsAg-positiven Müttern.
Epidemiologie
Die Zahl der jährlichen Neuinfektionen
wird weltweit auf 20 Millionen geschätzt,
davon allein über 100.000 in Westeuropa.
Mit etwa 10.000 gemeldeten Neuerkrankungen pro Jahr (wobei die wirkliche
Zahl sicherlich darüber liegt) zählt die
Hepatitis B auch in Deutschland zu den
häufigsten Viruserkrankungen. Auch
aufgrund des hohen Anteils inapparenter
Verläufe muß man von einer wesentlich
höheren Infektionsrate ausgehen.
Die Anzahl der HBsAg-Träger wird weltweit auf 350 Millionen geschätzt. In tropischen und subtropischen Ländern Afrikas, Mittel- und Südamerikas sowie Südund Osteuropas sind bis zu 20 % der Bevölkerung chronisch infiziert. In
Deutschland sind 0,5 % der Bevölkerung
HBsAg-Träger. Hochvirämische Virusträger, insbesondere unerkannte, stellen ei244
ne permanente Infektionsquelle dar, und
sorgen für die Weiterverbreitung der Hepatitis B in der Bevölkerung.
Prävention
Die seit 1982 zugelassenen Hepatitis-BImpfstoffe auf der Basis von subviralen
HBsAg-Partikeln aus Plasma (HB-Vax
und Hevax B Pasteur) sind von rekombinantem, heterolog exprimiertem HBsAg
(Engerix B und Gen-HB-Vax) abgelöst
worden. Alle diese Impfstoffe haben sich
als wirksam und gut verträglich erwiesen. Die Grundimmunisierung erfolgt in
der Regel durch dreifache Gabe der Vakzine über einen Zeitraum von etwa 6 Monaten. Der anti-HBs-Titer 6 Wochen nach
erfolgter Grundimmunisierung gestattet
Aussagen über den Impferfolg. Mit den
genannten HBsAg-Impfstoffen wird bei
über 90 % der immunkompetenten Personen eine schützende Immunität erzielt,
deren Dauer mit der Höhe der anti-HBsAntwort nach beendeter Immunisierung
korreliert. Bei 10 IE/l sollte eine Wiederimpfung erfolgen. Patienten mit Immundefekten sowie 5 – 10 % der gesunden
Personen zeigen eine schlechte oder gar
keine Antwort. (Bei Dialysepatienten
wurde eine verbesserte Immunantwort
durch gleichzeitige Verabreichung von
Interleukin-2 erreicht.) Neuere Impfstoffentwicklungen sind vor allem für eine
Immunisierunmg der Non-Responder,
für eine Verlängerung des Impfschutzes
sowie einen wirksamen Schutz gegen bestimmte HBV-Mutanten erforderlich.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung
und Kontrolle:
> Passiv-aktive Immunisierung von Neugeborenen HBV-infizierter Mütter
(HBsAg-Screening der Schwangeren)
sowie bei akzidenteller Exposition
(medizinisches Personal)
> Erweiterung des Blutspenderscreenings (HBsAg und anti-HBc) ist zu
prüfen
> Einführung der generellen aktiven Immunisierung von Kleinkindern (bzw.
der Jugendlichen ab dem 13. Lebensjahr)
Hepatitis C Virus und GB Virus
> Gezielte Impfung von engen Kontaktpersonen der Virusträger
> Aufklärung der Virusträger
> Überwachung von Infektketten durch
Virustypisierung
Referenzzentren
Abt. Medizinische Mikrobiologie der Universität, Kreuzbergring 57, D-37075 Göttingen.
Schlüsselliteratur
1. Ganem D: Hepadnaviridae and their replication. In: Fields BN et al. (eds): Fundamental Virology. Lippincolt-Raven Publishers, Philadelphia, pp 1199 – 1234 (1996)
2. Chisari FV, Ferrari C: Hepatitis B virus immunopathogenesis. Annu. Rev. Immunol.
13, 29 – 60 (1995)
3. Maier KP: Hepatitis und Hepatitisfolgen.
Thieme-Verlag, Stuttgart-New York (1995).
Hepatitis C Virus und GB Virus
Helga Meisel und Detlev H. Krüger,
Berlin
Erregerbezeichnung
Hepatitis C Virus
Morphologie
Das Virion wurde bisher nicht zufriedenstellend elektronenmikroskopisch dargestellt. Indirekte Beweisführungen lassen
vermuten, daß es sich um ein umhülltes
Virus mit sphärischem Nukleokapsid
handelt, dessen Durchmesser 35 – 60 nm
beträgt. Die lipidhaltige Hülle enthält
wahrscheinlich zwei viruscodierte Proteine, E1 und E2/NS1.
Taxonomie
Aufgrund von Ähnlichkeiten mit den Flavi- und Pestiviren, vor allem in der Genomorganisation, wurde HCV als dritter
Genus, vorläufig bezeichnet als Hepacivirus, der Familie Flaviviridae zugeordnet.
Interessanterweise gibt es auch eine ferne
genetische Verwandtschaft des HCV zu
pflanzenpathogenen Erregern (Potyviren, Carmoviren).
Historie
Nachdem klar wurde, daß mindestens 1
Erreger von infektiösen non-A-non-BHepatitiden existieren müßte, wurden
aus Plasmapools mit vermuteten hohen
Erregertitern cDNA-Expressionsbanken
hergestellt und diese mit Seren von nonA-non-B-Hepatitis-Patienten
getestet.
Dies führte 1989 zum Auffinden des ersten HCV-spezifischen Klons 5 – 1 – 1, der
wiederum zur Identifizierung eines größeren Genabschnitts diente, und mit Hilfe spezieller molekularer „walking“Techniken schließlich zur Definition des
kompletten Virusgenoms führte.
Erkrankungen/Register
Bei zirka 75 % der Infizierten verläuft die
Infektion anikterisch mit unspezifischen
Symptomen oder sogar völlig inapparent.
Bei den übrigen Infizierten entwickelt
sich nach einer Inkubationszeit von 5 bis
12 (2 – 26) Wochen eine akute (häufig
milde) Hepatitis mit Transaminasenwerten, die in der Regel unter denen bei Hepatitis A oder B liegen. Ausgesprochen
fulminante Verläufe sind sehr selten. Von
großer Bedeutung ist aber, daß mehr als
50 % der Fälle von transfusionsbedingter
Hepatitis C (die Werte bei der sogenannten sporadischen Hepatitis C liegen niedriger) in chronische Formen übergehen
können, die klinisch häufig uncharakteristisch und mild verlaufen. Typisch sind
fluktuierende Transaminasenerhöhungen. Langfristig entwickeln sich aber in
bis zu 20 % der Fälle ein Leberzirrhose.
Eine spontane Viruselimination und Ausheilung tritt bei Patienten mit chronischer Hepatitis C äußerst selten auf. Eine
histologisch-morphologische Differentialdiagnose ca. 1 Jahr nach Infektion
scheint Aussagen zur Langzeitprognose
einer chronischen Hepatitis zu ermöglichen. Bei Vorliegen einer chronisch persistierenden Hepatitis (CPH) zu diesem
Zeitpunkt wurde in 85 % der Fälle ein
Fortbestand der – klinisch meist eher unauffälligen – CPH beobachtet (maximale
245
H
Hepatitis C Virus und GB Virus
Beobachtungsdauer 21 Jahre.) Bei Vorliegen einer chronisch aktiven Hepatitis erfolgte dagegen in 50 % der Fälle ein Übergang in Leberzirrhose nach ca. 6 Jahren,
und das Vorliegen einer Leberzirrhose
führte in 19 % der Fälle zum Leberzellkarzinom nach weiteren 7 Jahren.
Schon länger bekannt ist ein Zusammenhang zwischen persistierender HCV-Infektion und der Entwicklung des hepatozellulären Karzinoms (HCC), wenngleich
die molekularen Mechanismen noch
weitgehend unklar sind. Möglicherweise
besteht auch eine Beziehung zwischen
dem Genotyp des infizierenden HCV (s.
unten) und der Häufigkeit der Tumorpromotion. HCC entwickelt sich fast ausschließlich auf dem Boden einer Leberzirrhose.
Chronische Hepatitis-C-Infektionen können auch mit extrahepatischen Manifestationen, wie gemischter Kryoglobulinämie, Vaskulitis, membranoproliferativer
Glomerulonephritis oder Polyarthritis,
einhergehen. Offensichtlich besteht auch
eine Beziehung zur Entwicklung von Autoimmunhepatitiden sowie der Porphyria
cutanea tarda und der Periarteriitis nodosa. Die akute Hepatitis C kann mit
transienter aplastischer Anämie und
Agranulozytose assoziiert sein.
Bei Lebertransplantierten ist die HCVInfektion nach der mit HCMV die häufigste Ursache einer Posttransplantationshepatitis. Etwa 90 % der Patienten, die wegen eines HCV-bedingten fulminanten
Leberversagens oder einer Leberzirrhose
transplantiert werden, entwickeln 1 – 6
Monate nach Transplantation ein HCVRezidiv, das jedoch nur in etwa einem
Drittel der Fälle chronisch-progredient
verläuft. Als Quelle für die Re-Infektion
der Leber werden monozytäre Zellen vermutet.
Diagnostik/Symptome
Direkter Nachweis von Viruskomponenten: Polymerasekettenreaktion
zum
Nachweis von (Teilen der) HCV-RNA in
Serum/EDTA-Blut,
Blutlymphozyten
oder Leberbioptat. Es können verschiedene Primerpaare aus konservierten Genomabschnitten (bevorzugt aus der 5'
246
nichtkodierenden Region) zur PCR verwendet werden, auch quantitative Methoden (kompetitive RT-PCR, NASBA und
spezielle Hybridisierungen [„branched“DNA-Technologie]) wurden eingearbeitet
und stehen zum Teil als kommerzielle
Kits zur Verfügung. Für den Nachweis
der HCV-RNA bestehen gegenwärtig folgende Indikationen und Einsatzgebiete:
> Akute Hepatitis bei Seronegativität
> HCV-Infektion bei Immunsupprimierten
> Chronischer Carrierstatus
> Indikation und Verlaufskontrolle für
die Interferon-Therapie
> Mögliche Kontamination von Blut und
Blutprodukten
> Molekulare Virusepidemiologie
> Genotypisierung von HCV.
Die Bestimmung des HCV-Genotyps/
Subtyps ist über die RT-PCR mittels
typspezifischer Primer, Hybridisierung
mit typspezifischen Oligonukleotiden,
Bestimmung des Restriktionsfragmentlängenpolymorphismus
oder
über die Verwendung typspezifischer
Peptide mit anschließender serologischer Verfizierung möglich.
Indirekter Virusnachweis: Nachweis von
virusspezifischen Antikörpern aus dem
Serum gegen das Coreprotein und verschiedene Nichtstrukturproteine aus dem
NS3-, NS4-, und NS5-Bereich mit ELISA
bzw. Immunoblot zur Bestätigung positiver und „indeterminate“ ELISA-Ergebnisse. Auch ein spezifischer anti-CoreIgM-Nachweis mittels ELISA ist möglich.
Der Antikörpernachweis gestattet weder
Aussagen über einen akut limitierten
Verlauf bzw. Immunität noch über das
Vorliegen eines chronischen Verlaufs. Bei
ca. 90 % der Patienten mit akuter Hepatitis C sind HCV-Antikörper im Transaminasen-Gipfel nachweisbar. Bei immunsupprimierten Patienten fehlt jedoch
häufig in der akuten Phase die Antikörperantwort, so daß der Nachweis der
HCV-Infektion nur über die PCR erfolgen kann.
Chemische Laboruntersuchungen: Bestimmung der Transaminasen oder Bili-
Hepatitis C Virus und GB Virus
rubinkonzentration erlauben keine Diagnose einer HCV-Infektion.
Langzeitremission erfolgt aber ebenfalls
nur selten.
Pathologie und Histopathologie: Die histologischen Befunde bei der akuten und
chronischen Hepatitis C unterscheiden
sich nicht von denen bei anderen Virushepatitiden: Bei akuten Hepatitiden treten hepatozelluläre Nekrosen auf mit Entzündungszellen (Makrophagen, Lymphozyten) im Leberparenchym und in der
portalen Region. Bei der chronischen
Form lassen sich die Entzündungsprozesse eher an der Leberpforte lokalisieren. –
Im Cytoplasma infizierter Leberzellen
können durch Immunstaining HCV-Antigen und durch in situ-Hybridisierung
oder PCR Virusnukleinsäure nachgewiesen werden.
Spezifische Merkmale
Pathogenität und Immunantwort: Es ist
nicht bekannt, ob die Pathogenität des
Virus auf seiner direkten zythopatischen
Wirkung beruht oder die klinischen Manifestationen vor allem durch immunpathologische Prozesse zustande kommen.
Aus klinischen Beobachtungen ist bekannt, daß immunologisch unreife oder
immunkomprimierte Personen einen
leichteren Krankheitsverlauf aufweisen
als immunkompetente, was für den letzteren Mechanismus spricht. Sicherlich
spielt nicht nur die humorale, sondern
besonders die zelluläre Immunität eine
Rolle in der Pathogenese. Eine zelluläre
anti-NS3 Immunantwort (Th0/Th1 like
CD4 positive T-Lymphozyten) ist wahrscheinlich entscheidend für eine erfolgreiche Viruselimination. Inzwischen
konnten auf mehreren HCV-Proteinen
CTL-Epitope kartiert werden.
Differentialdiagnose: Abgrenzung von
anderen Virushepatitiden einschließlich
Mononukleose und Cytomegalie durch
serologische und molekulargenetische
Untersuchungen.
Therapie
Alpha-Interferon-( § -IFN)-Behandlung
mit 3 – 6 Millionen Einheiten subkutan 3
x/Woche über 6 – 12 Monate unterdrückt
die Virusreplikation, ohne jedoch in
mehr als 75 % der Fälle das Wiedereinsetzen der Replikation nach Therapiebeendigung verhindern zu können. Das Ansprechen auf Interferon-Therapie scheint
von der Form der klinisch apparenten
Hepatitis, von der Krankheitsdauer, vom
Virustiter, von der Höhe der TNF- § -Synthese, aber auch von dem für die Infektion verantwortlichen HCV-Genotyp abzuhängen. Subtyp 1b antwortet besonders schlecht. Die Genotypisierung und
der HCV-RNA-Titer werden jedoch bisher für eine Therapie-Indikation noch
nicht herangezogen. Ribavirin führt nur
vorübergehend zur Normalisierung der
Transaminasen, ist aber im Organismus
ohne meßbaren Einfluß auf die Virusreplikation. In Kombination mit § -IFN
wird bei der Mehrzahl der Behandelten
ein Verschwinden der Virusreplikation
und Normalisierung der Transaminasen
unter der Therapie beobachtet, eine
Virulenz und Resistenz: HCV kann
durch Inkubation mit lipidlösenden Detergentien inaktiviert werden. In wäßrigen Medien kann das Virus durch Hitze
(60 °C für 10 Stunden, 100 °C für 2 Minuten) inaktiviert werden, auch ist es empfindlich gegen Frieren und Tauen sowie
Aufbewahrung bei Raumtemperatur.
Vermehrung: Über die Phasen der Adsorption, des Uncoatings, der Maturation
und der Freisetzung des Virus ist äußerst
wenig bekannt. Der Nachweis von virusähnlichen Partikeln fast ausschließlich
innerhalb der Vesikel im Zytoplasma
weist auf den Ort der Morphogenese des
HCV hin. Man nimmt an, daß Transkription, Translation und das co-oder posttranslationelle Protein-Processing den
Prozessen bei Flavi- und Pestiviren ähneln. Das Ausmaß der viralen Proteinsynthese scheint durch positive und negative Translationskontrollelemente in
der 5'-Nichtkodierenden Region der viralen mRNA kontrolliert zu werden. Das
Polyprotein von etwa 3000 Aminosäuren
Länge wird mit Hilfe zellulärer und vira247
H
Hepatitis C Virus und GB Virus
ler Proteasen in folgende Proteine zerlegt
(vom N-Terminus zum C-Terminus): Coreprotein, E1 Hüllprotein, E2 Hüllprotein
(früher NS1 genannt, da man ein Nichtstrukturprotein vermutete) sowie die
Nichtstrukturproteine NS2, NS3, NS4
und NS5. Das Protein NS3 besitzt Protease- und Helikase-Funktionen und NS 5
wird als die virale Replikase angesehen. –
Eine effiziente Anzucht des Virus unter in
vitro Bedingungen gelingt bisher nicht.
Humane T- (Molt-4 und H9) wie auch BZellen (Daudi) unterstützen eine produktive HCV-Infektion, so daß sich Schritte
der Virusreplikation auch in vitro vollziehen lassen.
Genetik: Das virale Genom ist eine einsträngige lineare RNA mit Positiv-Orientierung. Die Replikation erfolgt offensichtlich durch die virale Replikase ohne
Korrekturmöglichkeit für Basen-Mißpaarungen. Die hohe Mutationsrate bedingt
eine große genetische Diversität des Virus. Die Verteilung der Mutationen im
HCV-Genom ist nicht gleichförmig, sondern es werden konservierte von den variablen und hypervariablen Regionen (im
NS1/E2-Bereich) unterschieden. Auf der
Basis kompletter oder partieller Nukleotidsequenzen verschiedener HCV-Varianten wurden mehrere Klassifizierungen
vorgeschlagen. Insgesamt besteht wohl
Einigkeit, daß sich Genotypen durch eine
Nukleotiddivergenz von G 28 % unterscheiden, Subtypen um 14 – 25 % und sogenannte „Isolate“ um 12 %. Aufgrund
der Sequenzunterschiede werden heute
mindestens 6 Genotypen (Typ 1 – 6) und
mehr als 50 Subtypen unterschieden.
Die HCV-Genotypen differieren in ihrer
geographischen Ausbreitung. In Deutschland kommen vor allem die Subtypen 1a
und 1b (nach alter Nomenklatur Typen I
und II) des Genotyps 1 vor mit einem
deutlichen Überwiegen von 1b, bei Drogenabhängigen liegt häufig HCV-3a vor.
In Japan tritt vor allem 1b auf, daneben
(zu je etwa 10 %) 2a und 2b. Insgesamt
scheinen die Genotypen 1, 2 und 3 weltweit verbreitet zu sein, andere haben eine
deutliche regionale Präferenz, wie die Typen 4 – 6.
248
Transmission
Die Übertragung des HCV erfolgt parenteral hauptsächlich durch Blut und Blutprodukte. Bis zur Einführung der Testung
von Blutkonserven auf HCV-Antikörper
im Jahre 1990 waren etwa 90 % der Posttransfusionshepatitiden durch HCV bedingt. Gegenwärtig wird das Risiko einer
transfusionsbedingten Hepatitis C im
deutschen Blutspendewesen auf 1:20.000
bis 1:40.000 geschätzt („diagnostisches
Fenster“ vor dem Nachweis der Antikörper).
Die Virustransmission durch Intimkontakt oder von der Mutter zum Kind spielt
eine weit geringere Rolle, auch das Infektionsrisiko bei Nadelstichverletzungen ist
aufgrund des niedrigen Virustiters im
Blut (bis 107 Genomäquivalente pro ml)
geringer als im Falle des HBV, und wird
mit ca. 10 % angegeben. Das Risiko einer
vertikalen Übertragung erhöht sich bei
Vorliegen einer Koinfektion mit HIV.
Gegenwärtig bleiben bei etwa der Hälfte
aller HCV-Infektionen die Infektionsquelle und der Übertragungsweg unklar.
Wirtsbereich
Der Mensch ist der einzige bekannte natürliche Wirt. Schimpansen lassen sich
experimentell infizieren.
Risikogruppen
Intravenös Drogenabhängige, Hämophiliepatienten und Empfänger von Blut und
Blutprodukten, Dialysepatienten, Transplantatempfänger.
Epidemiologie
Ungefähr 1 % der Bevölkerung weltweit
ist mit HCV chronisch infiziert. Die
durchschnittlichen Antikörperprävalenzen variieren zwischen 0,2 bis 0,5 % in
Nordeuropa und den USA sowie 1,2 bis
1,5 % in Südeuropa und Japan. Sie steigen
jeweils mit dem Alter der untersuchten
Gruppe an. In den einzelnen geographischen Bereichen können unterschiedliche
Genotypen bzw. Subtypen des Virus endemisch sein, der Subtyp 1b kommt weltweit am häufigsten vor.
Hohe Antikörperprävalenzen finden sich
bei Angehörigen von Risikogruppen. Ins-
Hepatitis C Virus und GB Virus
besondere die Durchseuchung von I.V.Drogensüchtigen scheint weiter zuzunehmen, und kann in Kollektiven mit mehrjährigem Drogengebrauch bei über 80 %
liegen. Durch sichere Herstellungsverfahren von Blutprodukten (ursprünglich
eingeführt zur Abreicherung bzw. Inaktivierung von HIV) läßt sich das Infektionsrisiko der Empfänger deutlich reduzieren. Die HCV-Ausbreitung in Entwicklungsländern ist wenig verstanden.
Möglicherweise geschieht sie hier durch
Mehrfachbenutzung kontaminierter medizinischer Instrumente oder von Gegenständen für rituelle Handlungen.
Prävention
Der bisher einzige Weg ist die Expositionsprophylaxe, hauptsächlich über die
Kontrolle transfundierten Blutes sowie
von Blutprodukten. Eine aktive Immunisierung existiert noch nicht. Die Entwicklung eines Impfstoffes ist durch die
hohe Genomvariabilität erschwert. (Immunisierungsversuche an Schimpansen
mit den Hüllproteinen E1 und E2 des
HCV führten jedoch in ca. 70 % der Fälle
zu einem Schutz zumindest gegen eine
experimentelle HCV-Infektion.) Auch
zukünftig wird der Optimierung diagnostischer Tests – auch im Hinblick auf
die Verkürzung des „diagnostischen Fensters“ zu Beginn der Infektion – große
Bedeutung für die Infektionsprävention
zukommen. Die Einführung der HCVPCR als Screening im Blutspendewesen
wird diskutiert.
Referenzzentren
Institut für Med. Virologie, Universitätsklinikum Essen, Hufelandstr. 55, 45122 Essen.
Schlüsselliteratur
1. Matsuura Y, Miayamura T: The molecular
virology of hepatitis C virus. Semin. Virol.
4, 297 – 304 (1996).
2. Farci P, Purcell RH: Hepatitis C virus: natural course and experimental models. In:
Zuckerman AJ, Thomas HC (eds). Viral Hepatitis: Scientific Basis and Clinical Management. Edinburgh: Churchill Livingstone,
pp 214 – 267 (1994).
3. Brown D, Dusheiko G: Diagnosis of hepatitis C. In: ibid. pp 283 – 302 (1994).
Addendum: Hepatitis G Virus
Kürzlich wurde im Plasma eines Patienten mit chronischer Hepatitis (und HCVKoinfektion) genetisches Material eines
neuen Virus entdeckt, das sofort als Hepatitis-G-Virus (HGV) bezeichnet wurde.
Die Nukleotidsequenz ähnelt der von Flaviviren, so daß der Erreger mit dem HCV
verwandt erscheint. Die Infektion ist mit
dem transfundierten Blut übertragbar
und scheint mit akuten und chronischen
Hepatitiden assoziiert zu sein. Zur Virusdetektion findet bisher vor allem die PCR
Anwendung. Der Erreger scheint global
verbreitet zu sein mit einer hohen Prävalenz von möglicherweise 1 – 1,5 % auch
bei gesunden Blutspendern. Es ist deshalb noch unklar, welche klinische Relevanz der Erreger hat und ob er überhaupt
hepatotrop ist. Seine Einordnung als Hepatitis G-Virus muß daher noch als vorläufig angesehen werden.
Weitgehend identisch mit dem des HGV
ist das Genom eines Erregers, der schon
zuvor in Seren von Patienten mit durchgemachter non-B-non-C-Hepatitis nachgewiesen und als GBV-C bezeichnet worden war (z. Z. werden noch beide Bezeichnungen parallel verwendet). Der
Name dieses Erregers geht zurück auf das
„GB-Agens“, das bereits in den sechziger
Jahren aus einem Patienten mit unklarer
Hepatitis isoliert worden war. Nach Verimpfung in Krallenäffchen (Tamarins) löste es Hepatitis aus. Das Agens enthielt
zwei Komponenten (GBV-A, GBV-B).
Aufgrund genetischer Ähnlichkeiten
konnte daraufhin das GBV-C gefunden
werden.
1. Simons JN et al.: Isolation of novel virus-like sequences associated with human hepatitis. Nature Med. 1, 564 – 569 (1995).
2. Linnen J et al.: Molecular cloning and disease association of hepatitis G virus: A
transfusion transmissible agent. Science
271, 505 – 508 (1996).
3. Zuckerman AJ: Alphabet of hepatitis viruses. Lancet 347, 558 – 559 (1996).
249
H
Hepatitis Delta Virus
Hepatitis Delta Virus (HDV)
Detlev H. Krüger und Helga Meisel,
Berlin
Erregerbezeichnung
Hepatitis Delta Virus
die Transmission des Agens auf Schimpansen und ein Nachweis des HDAg im
Plasma, wenn die Tiere mit HBV vorinfiziert worden waren. Die Klonierung und
Sequenzierung des HDV-Genoms 1986
erbrachte wesentliche Fortschritte im
Verständnis der Molekularbiologie des
HDV und zeigte die strukturelle Ähnlichkeit des HDV-Genoms mit pflanzenpathogenen Viroiden.
Morphologie
Es handelt sich um ein umhülltes Virion
mit einem Durchmesser von ca. 36 nm.
Das Genom besteht aus einsträngiger,
zirkulärer RNA von 1,7 Kilobasen Länge.
Das
Protein
(Hepatitis-D-Antigen,
HDAg) kommt als kleines (SHDAg, ca. 24
kDa) und großes (LHDAg, ca. 27 kD)
HDAg vor. Die detaillierte Struktur des
aus ca. 70 Molekülen des HDAg bestehenden Ribonukleoproteins (RNP) ist noch
nicht bekannt. Das RNP ist von einer
vom Hepatitis-B-Virus kodierten Hülle
(HBsAg) umgeben.
Erkrankungen/Register
Die HDV-Infektion des Patienten ist von
einer bestehenden oder simultanen Infektion mit dem HBV abhängig. Die Inkubationszeit von 3 – 7 oder mehr Wochen wird beendet durch das Auftreten
unspezifischer Prodomi, wie Müdigkeit,
Anorexie, Übelkeit. Es schließt sich die
eigentliche Hepatitis an, die mit Ikterus
und Transaminasen-Anstiegen einhergeht.
Es werden drei Arten von Infektionen
mit unterschiedlichem klinischen Verlauf
unterschieden:
Taxonomie
HDV ist das kleinste der bekannten animalen Viren, und besitzt hinsichtlich seiner Genomstruktur und Genexpression
bestimmte Gemeinsamkeiten mit in
Pflanzen oder Tieren vorkommenden
subviralen Agentien (Viroide, Satellitenviren). HDV ist ein defektes RNA-Virus,
das für die Infektion von Zellen die Hülle
des HBV oder anderer Hepadnaviren besitzen muß. Kürzlich wurde durch das International Committee on Taxonomy of
Viruses (ICTV) für die Einordnung des
HDV der Genus Deltavirus kreiert, der
den Einstrang-RNA-Satelliten zugeordnet ist.
1. Simultaninfektion von HDV und
HBV: In der Regel tritt eine eher mild
verlaufende akute Hepatitis auf, häufig
verbunden mit biphasischen Transaminasen-Verläufen. Die klinischen Zeichen
und Symptome sind in der Regel innerhalb von 3 – 12 Wochen rückläufig und
enden mit dem Verschwinden beider Viren (auch anti-HDV IgM und IgG gehen
üblicherweise innerhalb einiger Monate
verloren) sowie der Serokonversion zu
anti-HBs. In bis zu 5 % der Fälle erfolgt
jedoch ein Übergang in den chronischen
Krankheitsverlauf. Die Simultaninfektion
kann zu subfulminanten und fulminanten Hepatitiden (insbesondere bei Drogensüchtigen) führen. Fulminante Verläufe treten aber wesentlich seltener als
bei der Superinfektion auf.
Historie
1973 wurde vom Turiner Gastroenterologen Mario Rizetto ein neues Antigen
(Delta) in den Kernen der Hepatozyten
von Patienten mit besonders schweren
Hepatitis-B-Verläufen
nachgewiesen.
Dieses wurde im folgenden als das Nukleokapsid-Antigen (HDAg) eines neuen
menschlichen Hepatitiserregers, des Hepatitis Delta Virus, erkannt. 1980 gelang
250
2. Superinfektion einer bereits bestehenden Hepatitis-B-Infektion mit HDV: Die
HDV-Superinfektion bei chronischen
HBV-Trägern führt häufig zu schweren
Verläufen der Hepatitis, die in 70 – 90 %
der Fälle zur chronischen Hepatitis D
fortschreiten. In der Regel verläuft diese
Hepatitis Delta Virus
aggressiver als die chronische Hepatitis B
ohne HDV. Ursache hierfür ist die bereits
etablierte HBV-Infektion, die dem HDV
eine intensive Replikation ermöglicht. Je
mehr Helfervirus vorhanden ist, um so
schwerer scheint die Superinfektion zu
verlaufen. In mehr als 30 % der Fälle
kann es zu fulminanten Verläufen mit
hoher Letalität kommen. Ein früher postuliertes, besonders rasches Fortschreiten der chronischen HDV-Superinfektion
zur Leberzirrhose scheint sich nach neuesten Daten nicht zu bestätigen. Obwohl
keine direkte Assoziation zwischen HDVInfektion und Entstehung des Leberzellkarzinoms existiert, scheint die Zeit bis
zum Auftreten eines Leberzellkarzinoms
kürzer als bei chronischer Hepatitis B ohne HDV zu sein. Eine spontane Ausheilung der Superinfektion wird vor allem
bei Infektion asymptomatischer HBsAgTräger beobachtet.
3. HBV-Superinfektion einer klinisch latenten HDV-Infektion (selten): Bei Patienten mit HDV-bedingter Lebertransplantation kann es nach der Transplantation zu HDV-Reaktivierungen kommen,
bei denen trotz HDV-Replikation keine
begleitenden Leberschäden gesehen werden. Zur Lebererkrankung kommt es
erst, wenn auch das HBV reaktiviert
(bzw. superinfiziert) wird und eine intrahepatische Verbreitung von HDV ermöglicht.
Diagnostik/Symptome
Eine Hepatitis D-Diagnostik ist hauptsächlich angezeigt bei Personen mit
> akuter Hepatitis und erhöhtem HDVInfektionsrisiko, wie Drogenabhängigkeit, Hämophilie, Hämodialyse, Einreise aus Endemiegebieten (s. unten)
> fulminanten Verläufen einer akuten
Hepatitis B
> akuten Schüben einer chronischen Hepatitis (auch ohne HBsAg-Positivität,
da HDV die HBV-Replikation unterdrücken kann, wodurch bei einem Teil
der Superinfektionen und der chronisch verlaufenden Simultaninfektionen das serologische Bild einer HBsAgnegativen Hepatitis entstehen kann).
Zur Diagnose und Verlaufsbeobachtung stehen folgende Untersuchungsmethoden zur Verfügung:
Direkter Nachweis von Viruskomponenten: Nachweis von HDV-RNA mittels
Hybridisierung (Northern Blot) und RTPolymerasekettenreaktion zur Diagnostik akuter Hepatitis D sowie zum Monitoring von chronischen HDV-Infektionen
und von antiviralen Therapien ist möglich. Der HDAg-Nachweis in Lebergewebe mit der Immunfluoreszenz oder im
Serum (nach Abbau der HBsAg-Hülle mit
Detergenzien) mittels ELISA hat in der
Routinediagnostik keine Bedeutung.
Indirekter Virusnachweis: Auf dem
Nachweis von IgM- und IgG-Antikörpern
gegen HDAg durch ELISA’s (anti ? -capture; kompetitive Immunoassays) aus Serum
(meist bei gleichzeitiger HBsAg-Positivität) basiert die spezifische Diagnose einer
HDV-Infektion. Rasches Verschwinden
von anti-HDV-IgM spricht für gutartigen
Verlauf der Super- oder Co-Infektion. Die
anti-HD-IgG-Antwort tritt bei der Simultaninfektion meist nur transitorisch auf
oder kann gänzlich fehlen. Der Nachweis
gelingt am häufigsten 4 – 6 Monate nach
Erkrankungsbeginn. Bei der Superinfektion werden dagegen hohe anti-HD-Titer
erreicht, die auch nach Ausheilung persistieren. Bei der Co-Infektion ist im Gegensatz zur Superinfektion hochtitrig antiHBc-IgM nachweisbar.
Chemische Laboruntersuchungen: Erhöhung von Transaminasen, alkalischer
Phosphatase und Bilirubin sowie Veränderungen hämatologischer Parameter ermöglichen keine ätiologische Zuordnung
der Erkrankung. Bei akuter HDV-Infektion liegen in der Regel erhöhte Transaminasen (GPT) um 300 – 400 U/l und
Anstiege der Bilirubin-Werte auf ca. 3 – 6
mg/dl vor.
Pathologie und Histopathologie: Die Histopathologie unterscheidet sich nicht
von der anderer Virushepatitiden. Die
Hepatozyten erscheinen nekrotisch und
von Entzündungszellen umgeben. Bei der
251
H
Hepatitis Delta Virus
chronischen Hepatitis D kann eine nekrotisch-entzündliche Reaktion des Parenchyms mit portalen und periportalen
Veränderungen nachgewiesen werden. In
den Zellkernen finden sich bei akuten
und chronischen D-Hepatitiden das
HDAg wie auch die HDV-RNA.
Differentialdiagnose: Durch
serologische oder molekulargenetische Untersuchungen Abgrenzung von anderen Virushepatitiden einschließlich Mononukleose
und Cytomegalie.
Therapie
Die Therapie erfolgt symptomatisch, eine
wirksame kausale Behandlungsmöglichkeit fehlt bisher. Bei Gabe hoher Dosen
von § -Interferon (3x9 Millionen Einheiten/Woche über 1 Jahr) wurde bei mehr
als 50 % der Patienten eine (allerdings
nur vorübergehende) Normalisierung
der Enzymaktivitäten sowie eine Verbesserung des histologischen Befundes beobachtet. Die Langzeit-Ansprechrate mit
anhaltender Viruselimination liegt nur
bei 10 – 20 %. Der Einsatz von Ribavirin
wird erprobt.
Spezifische Merkmale
Pathogenität und Immunantwort: Für
die Pathogenität des Virus werden zwei
Mechanismen, die direkte sowie die immunbedingte Zytopathogenität, diskutiert.
Der direkte zytopathische Effekt scheint
vor allem bei der akuten Hepatitis D aufzutreten, wo eine Lymphozyteninfiltration zunächst fehlt, und eine zeitliche
Korrelation zwischen HDV-Vermehrung
und -Expression mit dem Auftreten des
klinischen Bildes beobachtet werden
kann. Auswirkungen einer Konkurrenz
um die zelluläre RNA-Polymerase II
(welche auch die beobachtete Unterdrükkung von HBV erklären könnte) als Ursache der Störung von Zellfunktionen wurden bisher nicht experimentell bewiesen.
In vitro ist die Expression größerer
HDAg-Mengen zytotoxisch, die Relevanz
dieses Befundes für die Pathogenese im
Organismus bleibt abzuwarten. Zwischen
der HDAg-Expression und einer Kernak252
kumulation von c-myc-Protoonkogenen
ist eine signifikante Korrelation beobachtet worden. In permanenten Zellinien
ließ sich HDV-RNA kontinuierlich synthetisieren, ohne daß Zellschäden bemerkbar wurden, so daß die Virus-RNASynthese allein nicht für die Auslösung
der Zythopathogenität auszureichen
scheint.
Für einen immunvermittelten Mechanismus sprechen Verläufe, bei denen ein
Einsetzen der Immunantwort und eine
Abschwächung der Virusvermehrung beobachtet wurden, ehe die Hepatitis histopathologisch nachweisbar war. Die experimentelle Vakzinierung von Schimpansen mit HDV verstärkte die klinische
Symptomatik einer nachfolgenden HDVInfektion. Möglicherweise treten vor allem bei chronischen D-Hepatitiden immunpathologische Mechanismen in den
Vordergrund.
Virulenz und Resistenz: Die Virulenz
wird durch die auftretenden klinischen
Verläufe charakterisiert (s. d.). Die drei
Genotypen des HDV (I, II, III) mit voneinander verschiedener geographischer
Ausbreitung, die in ihren Nukleotidsequenzen um 27 – 34 % abweichen, besitzen möglicherweise eine unterschiedliche
Virulenz. (Die schweren Hepatitis D-Verläufe in Südamerika waren ausschließlich
mit dem HDV-Genotyp III und einem
spezifischen Subtyp von HBV assoziiert.)
Die Kontagiosität des Virus ist schwer
einzuschätzen. Das Virus übersteht trokkene Hitze (60 °C) über längere Zeiträume (30 h).
Vermehrung: Die Interaktion mit dem
Hepatozyten wird sicherlich über die
Wechselwirkung von HBsAg mit dem zellulären Rezeptor vermittelt. Die RNA-Replikation des Virus findet im Zellkern
statt, wobei die RNA-Polymerase II involviert ist. Eine antigenomische RNA von
800 Basen Länge wird im Zytoplasma
zum HDAg translatiert. Das zunächst
synthetisierte kleinere SHDAg wird in
den Kern zurücktransportiert und befördert dort die RNA-Synthesen. Während
der RNA-Replikation kommt es wahr-
Hepatitis Delta Virus
scheinlich durch Mutation des Stopcodons zur Ablösung der Synthese des
SHDAg durch ein 19 Aminosäuren längeres LHDAg. Dieses Protein hemmt die
RNA-Synthese, ist aber für die RNA-Verpackung notwendig. SHDAg und LHDAg
werden zu etwa gleichen Teilen in die Viruspartikel inkorporiert. Der Mechanismus der Einbeziehung des HBsAg in die
Virusmaturation ist noch unklar. Insgesamt scheint die Vermehrung sehr effizient zu verlaufen, da bis zu 2 x 1011 Viruspartikel/ml im Patientenserum nachweisbar sein können.
Genetik: Das HDV-Genom besteht aus
einer einsträngigen zirkulären RNA mit
negativer Polarität von etwas weniger als
1,7 kb Länge. Etwa 70 % der Nukleotide
paaren miteinander, so daß unter nichtdenaturierenden Bedingungen eine doppelsträngige, stäbchenförmige Struktur
entsteht.
Die HDV-RNA enthält verschiedene offene Leseraster (ORF) in der genomischen
und anti-genomischen Orientierung, von
denen jedoch nach gegenwärtigen Kenntnissen nur eines translatiert wird: das
ORF für das HDAg, dessen Nukleotidsequenz in allen HDV-Isolaten konserviert
gefunden wurde.
Die zweite interessante Eigenschaft der
HDV-RNA neben ihrer viroidähnlichen
Struktur besteht darin, daß sie während
der Replikation als Ribozym wirken
kann. Die RNA-Vermehrung vollzieht
sich über einen „rolling circle“-Mechanismus und führt zu einer längeren antigenomischen RNA-Zwischenform. Diese
wird autokatalytisch in monomere Moleküle zerlegt, die sich dann ebenfalls autokatalytisch selbst-ligieren. Diese zirkulären RNA-Moleküle können als Matrizen
für eine weitere Runde der RNA-Replikation dienen, die wieder wie beschrieben
verläuft.
Transmission
Die Übertragung erfolgt meist parenteral
durch Blut oder Blutprodukte, seltener
durch Intim- und Schleimhautkontakt. Intrauterine und perinatale Übertragungen
sind nur vereinzelt beobachtet worden.
Wirtsbereich
Das natürliche Wirtsspektrum ist auf den
Menschen beschränkt. Waldmurmeltiere
(Woodchucks), wenn sie chronische Träger des Woodchuck-Hepatitis-B-Virus
(WHBV) sind, und HBsAg-positive
Schimpansen lassen sich experimentell
mit HDV infizieren. Folgen der Infektion
können eine akute sowie chronische Lebererkrankung sowie eine schnelle Entwicklung von Leberzellkarzinomen speziell bei Waldmurmeltieren sein. Primäre
Hepatozytenkulturen von Waldmurmeltieren eignen sich für die HDV-Vermehrung. Wird das HDV-Genom künstlich in
Säugerzellen eingeführt, zeigt seine Replikation keine Spezies-Spezifität.
Risikogruppen
Risikogruppen sind chronische HBsAgTräger, in Niedrig-Endemiegebieten insbesondere diejenigen mit Drogenabhängigkeit sowie multiplen Dialysen, Blutoder Blutproduktgaben.
Epidemiologie
HDV-Infektionen sind weltweit verbreitet. Nach Schätzungen sind ca. 5 % der
HBsAg-Träger mit HDV infiziert (ca. 15
Millionen). Die HDV-Prävalenz unter
den HBsAg-Trägern ist jedoch geographisch unterschiedlich. Im Mittelmeerraum, in Teilen Asiens, in Südamerika
und Zentralafrika ist die Hepatitis-D-Infektion endemisch, in China und Südostasien ist sie dagegen trotz hoher HBsAgTrägerrate eher selten. Es gibt erste Hinweise, daß hierfür genetische Unterschiede zwischen den HDV-Isolaten verantwortlich sind. Der Infektionsgipfel liegt
in tropischen Hyperendemiegebieten bereits im jugendlichen Erwachsenenalter,
im Mittelmeerraum dagegen erst bei den
Vierzig- bis Fünfzigjährigen. In Nordund Westeuropa sind HDV-Infektionen
selten und im wesentlichen auf die Risikogruppen beschränkt. In Deutschland
liegt die HDV-Durchseuchung bei drogenabhängigen HBsAg-Trägern um 40 %,
bei asymptomatischen HBsAg-Trägern
bei ungefähr 2 %.
253
H
Hepatitis E Virus
Prävention
Es existiert bisher weder eine spezifische
passive noch eine aktive Impfung. Der effektivste Weg einer Prävention ist gegenwärtig die Hepatitis-B-Immunisierung,
wodurch einer HDV-Infektion der Boden
entzogen wird. Ist der Patient jedoch bereits ein chronischer HBsAg-Träger, so
kann einer HDV-Infektion nicht mehr
durch Immunprophylaxe vorgebeugt
werden. Solchen Personen wird empfohlen, nicht in HDV-Endemiegebiete zu reisen. Das Risiko der HDV-Infektion mit
Blut und Blutprodukten könnte möglicherweise durch deren zusätzliche Testung auf anti-HBc reduziert werden, da
dieser Antikörper bei HBV-Infizierten
auch noch nach Verschwinden des
HBsAg persistiert.
Referenzzentren
nicht bekannt
Schlüsselliteratur
1. Lai MMC: The molecular biology of hepatitis delta virus. Ann. Rev. Biochem. 64,
259 – 286 (1995).
2. Meisel H: Hepatitis-D-Virus. In: Diagnostische Bibliothek (Porstmann T, Hrg), Blackwell-Verlag, Berlin-Oxford, S. 519–532
(1996).
3. Dinter-Gottlieb G (ed): The Unique Hepatitis Delta Virus. Springer Publ.,New YorkBerlin-Heidelberg (1995).
Hepatitis E Virus
Angela Rösen-Wolff, Dresden
Erregerbezeichnung
Hepatitis E Virus (HEV)
Morphologie
HEV ist ein nicht verhülltes, sphärisches
Partikel von 27 bis 30 nm Durchmesser
mit wahrscheinlich icosahedrischer Symmetrie.
254
Taxonomie
Die taxonomische Klassifizierung des
HEV ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt
nicht abgeschlossen. Zunächst war es wegen seiner Genomorganisation zu den
Caliciviren gehörig betrachtet worden.
Neue Analysen legen jedoch ein enge
Verwandtschaft zu Rubellavirus nahe.
Historie
Im Jahr 1980 wurde HEV als eigenständiges infektiöses Agens identifiziert, als im
Verlauf einer epidemischen durch Wasser
induzierten Hepatitis Epidemie in Indien
durch serologische Methoden festgestellt
wurde, daß diese epidemische Hepatitis
nicht durch Hepatitis A hervorgerufen
wurde. Die Erkrankung wurde als „epidemische Non-A, Non-B Hepatitis“ bezeichnet. Erst 1990 gelang die molekulare
Klonierung des viralen Genoms und damit die Möglichkeit der genauen Charakterisierung des Virus.
Erkrankungen/Register
HEV Infektionen können klinisch nicht
von anderen viralen Hepatitiden unterschieden werden. Hauptsymptome sind
Hepatomegalie, Ikterus und Anorexie.
Die meisten Patienten klagen über
Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen
und Fieber. Wie auch bei HAV Infektionen werden bei HEV keine chronischen
Verläufe beobachtet. Bei Schwangeren
treten jedoch fulminante Verläufe auf.
Diagnostik/Symptome
IgM und IgG Antikörper gegen HEV können im ELISA untersucht werden. IgM
anti-HEV kann 1 bis 4 Wochen nach der
Infektion nachgewiesen werden. Etwa 3
Monate nach Beginn der Erkrankung sind
die IgM Antikörper nicht mehr nachweisbar. Auch ein ansteigender IgG Titer ist
beweisend für die floride HEV Infektion.
Therapie
Es gibt keine spezifische Therapie der
HEV Infektion.
Hepatitis E Virus
Spezifische Merkmale
Genomstruktur und Organisation: Das
Genom des HEV besteht aus einer einzelsträngigen polyadenylierten (+)-Strang
RNA mit 7.5 kb Länge. Das Genom des
HEV Prototypstammes besteht aus einer
5' nicht kodierenden Region von 27 Nukleotiden, gefolgt von ORF1, der aus 5079
Basen besteht. Ein zweiter ORF beginnt
im 2. Leserahmen 38 Nukleotide 3' der
Termination des ORF1 und besteht aus
1980 Nukleotiden. Ein dritter ORF3 besteht aus 369 Nukleotiden. ORF1 kodiert
für Nicht-Strukturproteine, ORF2 kodiert
das Kapsidprotein und ORF3 kodiert ein
kleines immunogenes Protein von unbekannter Funktion.
Replikation: Da die Virusvermehrung in
Zellkultur limitiert ist, sind die genauen
Mechanismen der Replikation nicht bekannt. Wahrscheinlich erfolgt das Attachment an Rezeptoren auf der Oberfläche
von Hepatozyten. Nach dem Uncoating
wird das RNA Genom wahrscheinlich
durch zelluläre Faktoren translatiert.
Prozessierung des translatierten ORF1
Proteins erfolgt durch zelluläre Proteasen. Replikative (-)-Strang IntermediatRNA wird wahrscheinlich von der viralen
Polymerase synthetisiert. Über Virusassembly und -transport ist nichts bekannt.
Pathogenese: Auf grund der Tatsache,
daß serologische und molekulare Tests
für HEV erst seit kurzem zur Verfügung
stehen, ist die Pathogenese der HEV noch
kaum verstanden.
Risikogruppen
Schwangere werden von besonders
schweren Verläufen betroffen. Es besteht
jedoch keine erhöhte Prävalenz während
der Schwangerschaft. Alle Altergruppen
ab ca. 20 Monaten mit einem Höhepunkt
im jungen Erwachsenenalter können betroffen sein.
Epidemiologie
HEV Infektionen sind beschrieben worden in Südost und Zentralasien, im Nahen Osten, Nord- und Westafrika und
Mittelamerika (Mexiko). In den genannten Regionen stellt HEV die häufigste Ursache der epidemischen Hepatitis dar.
Meist wird die Erkrankung über kontaminiertes Trinkwasser übertragen.
Prävention
Erste Versuche der Erprobung eines
Impfstoffes waren nicht erfolgreich bzw.
unsicher. Zur Zeit ist kein Impfstoff gegen HEV erhältlich.
Referenzzentren
Schlüsselliteratur
1. Purcell RH, Hepatitis E Virus. In: Fields Virology, Third Edition ed. by BN Fields, DM
Knipe PM Howley et al., Lippincott – Raven
Publishers, Philadelphia 1996, 2831 – 2843.
2. Tsarev et al., Characterization of a prototype strain of hepatitis E virus. Proc Natl
Acad Sci USA 1992; 89: 559 – 563.
Transmission
HEV wird wahrscheinlich fäkal/oral
übertragen und ist vorwiegend mit kontaminiertem Trinkwasser assoziiert. Ein
sexueller Übertragungsweg erscheint
ebenso wahrscheilich, da eine Infektionshäufung im jungen Erwachsenenalter beobachtet wird.
Wirtsbereich
HEV kann sowohl auf Menschen als auch
auf Primaten übertragen werden. Als
Tiermodelle haben sich vor allem Cynomolgus und Rhesus Affen bewährt.
255
H
Herpes-simplex-Virus
Herpes Simiae Virus
(siehe B Virus)
Herpes-simplex-Virus
(Humanes Herpes Virus 1 und 2)
Michaela Handermann und
Gholamreza Darai, Heidelberg
Erregerbezeichnung
Herpes-simplex-Virus Typ 1 und 2
(HSV-1 und 2)
Morphologie
Das Virion besteht aus einem ikosaedrischem Kapsid (110 nm) mit 162 Kapsomeren (150 Hexons und 12 Pentons), das
das virale Genom beherbergt, dem Tegument, das das Kapsid umschließt und einer äußeren Membranhülle (envelope)
aus Lipiden, die an der Oberfläche mit
Proteinen (spikes) gespickt sind. Die Hexons enthalten sechs Moleküle der sog.
major capsid proteins (155 kD; VP5 oder
UL19). Die Pentons bestehen aus VP5
und 80 bis 100 Kopien des sog. Verpex
Proteins VP26.
Taxonomie
Genus Simplexvirus in der Familie Herpesviridae und der Unterfamilie der Alphaherpesvirinae. Anhand von DNA Homologien, serologischer Typisierung und
klinischer Symptomatik unterscheidet
man zwei Serotypen, d. h. Humanes Herpesvirus 1 (Herpes-simplex-Virus 1
(HSV-1)) und Humanes Herpesvirus 2
(Herpes-simplex-Virus 2 (HSV-2)).
Historie
Herpes bedeutet „kriechen, kribbeln,
schleichen“ und wurde von Hippokrates
für bestimmte Hautkrankheiten verwendet. Morton (1694) gibt eine genaue Beschreibung des Krankheitsbildes „Herpes
febrilis“. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wird die Terminologie Herpesvirus
hominis (simplex) eingeführt.
256
Erkrankungen/Symptome
Das Herpes-simplex-Virus ist durch das
klinische Bild der Bläschenbildung auf
der Haut und den Schleimhäuten dominiert. Die Inkubationsperiode beträgt bei
der Primärinfektion zwischen 3 und 14
Tagen. Es sollte zwischen einer Primärerkrankung und Exazerbationen, die Folge
einer rekurrierenden Infektion sein können, unterschieden werden (Tab. 1). Das
Auftreten von Herpesinfektionen am Auge, an inneren Organen und am peripheren sowie zentralen Nervensystem sind
weitere Erscheinungsbilder der Erkrankung. Der überwiegende Teil der Primärerkrankungen von Herpes-simplex-Viren
sind Kinderkrankheiten, die in über 90 %
der Fälle asymptomatisch ablaufen.
Tab. 1: Manifestation der Herpes-simplex-Virus Infektion
Virus
Primärinfektion
Rezidive
HSV-1
Zentralnervensystem
Enzephalitis
Haut
Ekzema
herpeticatum
Mund und Lippen
Gingivostomatitis
Stomatitis
aphthosa
Auge
Keratokonjunktivitis
Genitale
Herpes genitalis
Zentralnervensystem
Enzephalitis
Haut
Ekzema herpeticatum
Mund und
Lippen
Herpes labialis
Fieberbläschen
Auge
Herpes corneae
Herpes kreatitis
HSV-2
Zentralnervensystem
Enzephalitis
Auge
Keratokonjunktivitis
Genitale
Herpes genitalis
Genitale
Herpes genitalis
Das Krankheitsbild des Herpes-simplexVirus bezüglich der Gewebs- und Organmanifestation ist mannigfaltig und beinhaltet folgende Erkrankungen:
Herpes-simplex-Virus
Herpes neonatorum (generalisierter
Herpes des Neugeborenen): Die Herpes
Sepsis bei Neugeborenen ist überwiegend
die Folge einer Infektion im Geburtskanal. Das Herpes neonatorum verläuft mit
der Häufigkeit von 1 auf 2000 – 5000 Geburten unbehandelt fast stets letal.
Enzephalitis, Meningoenzephalitis und
Meningitis: Die Herpes Enzephalitis repräsentiert 50 % aller Enzephalititen in
Mitteleuropa. Primäre Herpesmeningitis
oder Herpesmeningitis infolge einer Exazerbation ist ein ernstzunehmendes
Krankheitsbild. Die Enzephalitis befällt
in erster Linie temporale und orbitoparietale Regionen des Gehirns und manifestiert sich als eine nekrotisierende Enzephalitis mit einer Letalität von 70 %
(unbehandelt). Nach einer Genesung
bleiben neurologische Restschäden und
Abnormitäten zurück. Die Eintrittspforte
des Virus in das Gehirn sind die Neuronen des Bulbus olfactorius.
Herpes labialis, Gingivostomatitis, Herpes genitalis und Vulvo vaginitis herpetica: Bei diesen Krankheitsbildern dominiert die Bläschenbildung mit einhergehender Entzündung der entsprechenden
Schleimhautregionen. Die mazerierenden
und exulzerierenden Bläschen sind blutig
und überwiegend sekundär infiziert.
Keratitis und Keratokonjunktivitis: Die
HSV Infektion der Kornea und der Bindehaut führt zu Läsionen vor allem auf
dem Epithel der Hornhaut. Nachfolgend
ist eine Hornhauttrübung mit Bläschenbildung auf der Kornea möglich. Diese
können Ulzera induzieren.
Ekzema
herpeticum: Charakterisiert
durch eine schwere generalisierte Infektion mit Flüssigkeitsverlust sowie der Gefahr einer bakteriellen Superinfektion.
Entstehung verdickter Krusten auf der
Haut mit Ekzem-Effloreszenzen, die sich
diffus ausdehnen können.
Herpetische Hepatitis und Sepsis: Ein
sehr seltenes Krankheitsbild mit tödlicher Folge.
Diagnostik
Eine Infektion mit dem Herpes-simplexVirus kann durch Laboratoriumsuntersuchungen diagnostiziert werden. Hier stehen folgende Untersuchungsmethoden
zur Verfügung:
Direkter Virus-Nachweis: Elektronenmikroskopie, Immun-Elektronenmikroskopie, Virusisolierung über Zellkulturen, Restriktionsenzymanalyse des viralen Genoms, DNA-Hybridisierungstest und Polymerasekettenreaktion.
Als
Untersuchungsmaterial dienen Bläschenflüssigkeit, Liquor, Tränenflüssigkeit und bei
Mundschleimhautinfektion das Rachenspülwasser.
Indirekter
Virus-Nachweis: Nachweis
von Virus-spezifischen Antikörpern der
Klasse IgM, IgG und IgA durch KBR, Immunfluoreszenztest, ELIZA-Anti-HSV und
Neutralisationstest, Western-Blot aus dem
Serum.
Chemische Laboruntersuchungen: keine
spezifische Testverfahren bekannt; histochemisch können multinukleäre Riesenzellen und intranukleäre Einschlußkörperchen bei Abstrichen (z. B. Zervix-Abstrich) nach Papanicolaou-Färbung nachgewiesen werden.
Pathologie und Histopathologie: Die betroffenen Organe bei der generalisierten
HSV-Sepsis oder bei der herpetischen Hepatitis der Leber zeigen eine weiche und
zerfallende Konsistenz mit Plaque-besiedelten Oberflächen. Histopathologisch ist
das Vorkommen von Kerneinschlußkörperchen mit marginaler Chromatinverdichtung an den Kernmembranen charakteristisch für die HSV-Infektion. Auflösung der Zytoplasmamembran und Zusammenballung mehrerer Zellkerne (bis
mehrere Hundert) zu einer Riesenzelle
führen zur Bildung von Synzytien.
Differentialdiagnose: Bei Haut- und
Schleimhautbefall soll an andere Krankheitsbilder bzw. Erreger, die eine ähnliche Symptomatik hervorrufen können,
gedacht werden.
257
H
Herpes-simplex-Virus
Therapie
Als Chemotherapie für die Herpesenzephalitis kommt in erster Linie Acyclovir
(Acycloguanosin), Adenosin-Arabinosid
oder die Kombination von beiden in Frage. Joddeoxyuridin-Präparate, Dimethylsulfoxyd, Acyclovir, Trifluormethylthymidin (TFT) sind bei Keratitisherpetika angezeigt. Zinkoxydpräparate sind bei
Hauteffloreszenzen erfolgreich einsetzbar.
Spezifische Merkmale
Pathogenität und Immunantwort: Die
Pathogenität des HSV ist genetisch determiniert. Eine Besonderheit der VirusWirt Wechselwirkung besteht darin, daß
HSV nach der Primärinfektion lebenslang in den Spinalganglien und Ganglien
des zentralen Nervensystems des Wirtes
latent persistieren (Latenz) kann . Dieser,
als latente Infektion bezeichnete Zustand,
schützt das Virus gegen Angriffe neutralisierender Antikörper sowie gegen die
zelluläre Immunabwehr des Wirtes. Das
latent persistierende Virus kann durch
bestimmte exogene und endogene Faktoren, wie hormonelle, psychische, Stress
bedingte, traumatische, chemische und
physikalische Einflüsse reaktiviert werden. Das reaktivierte Virus verbreitet
sich von Zelle zu Zelle, d. h. von den
Ganglien durch die Neuronen bis zu den
Zielzellen des Primärinfektionsherdes
(z. B. Lippen) und ruft eine rezidivierende Erkrankung hervor, die als Rezidiv
bzw. Rekrudeszenz bezeichnet wird. Die
durch eine Herpes-simplex-Virus Infektion hervorgerufene Immunabwehr
schützt nicht gegen eine Reaktivierung
des latent persistierenden Virus bzw. vor
einer intra- und intertypischen Reinfektion.
Virulenz und Resistenz: Die Virulenz
und Kontagiosität des HSV ist nicht sehr
hoch und in erster Linie abhängig vom
Virusstamm und vom Wirt bzw. dessen
Immunstatus. Das HSV ist bei Temperaturen von -70 °C und darunter stabil. Eine
Inaktivierung erfolgt sehr schnell bei
Temperaturen über 50 °C (z. B. 56 °C, 30
min) und nach Behandlung mit Deter258
gentien wie Natriumhypochlorid und Lipidlösungsmitteln, wie z. B. Ether.
Vermehrung: Die akute Virusvermehrung findet in vivo in den Epithelzellen
des Nasen-Rachen-Raumes, der Augen,
Genitalien und Nebennieren statt. Im allgemeinen folgt eine neurotrope Phase
während der das latente Virus in den Nervenzellen der Ganglien lebenslang persistiert. Das latent persistierende Virus ist
unter bestimmten Risikofaktoren, wie z. B.
UV Licht, chemische Substanzen, immunsuppressive Therapie und Stress reaktivierbar. Die in vitro Vermehrung ist auf
Zellkulturen von verschiedenen Organen
(Lungen- und Nierenepithelzellen, Fibroblasten) verschiedener Spezien möglich.
Der zytopathische Effekt (CPE) zeigt sich
innerhalb einiger Tage post infectionem,
abhängig vom Virustiter des Inokulums.
Genetik: Das virale Genom ist ein lineares, doppelsträngiges DNA Molekül (152
kbp; 100 Megadalton). Das Genom des
humanen Herpesvirus 1 Stamm 17 enthält 152262 bp und besteht aus zwei kovalent miteinander verbundenen Komponenten (long component: L; short component: S). Beide DNA Abschnitte werden von repetitiven DNA Sequenzen flankiert und nochmals in die unique sequences der langen Komponente (UL)
und in die unique sequences der kurzen
Komponente (US) untergliedert. Beide
Komponenten sind auf einer ideellen
Achse im Bereich der sogenannten a Sequenzen zu- und voneinander drehbar,
womit vier isomere Formen des viralen
DNA Moleküls entstehen.
Das virale Genom beinhaltet drei Replikationsursprünge (origin of replication).
Die DNA Transkription erfolgt unter Mitinanspruchnahme der RNA-Polymerase
II des Wirtes und unter Beteiligung viraler Faktoren. Das virale Genom weist ca.
70 Translationseinheiten auf, die mit ATG
initiiert und mit TAA, TAG oder TGA terminiert werden. Einige der viralen Transkripte werden gespleißt.
Wie oben erwähnt, exprimiert HSV mehr
als 70 individuelle Polypeptide während
der lytischen viralen Replikationsphase.
Herpes-simplex-Virus
Hiervon sind ca. 25 virale Proteine für die
Virusvermehrung absolut essentiell. Die
viralen Proteine werden entsprechend
der drei Kategorien der HSV Gene ( § , g
und + -Gene) als § , g und + Proteine, die
entsprechend zwischen 2 – 4, 5 – 7 und
15 – 18 Stunden post infectionem exprimiert werden, bezeichnet. Einige virale
Proteine sind phosphoryliert, wie z. B.
der § 4 Transkriptionsaktivator und andere Strukturproteine. Das § 4 Protein
wird auch durch Uridin-Ribosylierung
modifiziert.
Die genetische Verwandtschaft zwischen
HSV-1 und HSV-2 ist durch starke Homologien der Nukleinsäure (um 50 %)
sowie identische transkriptionelle Strategien und analoge Genprodukte dokumentiert.
Transmission
Das Virus wird durch direkten Kontakt,
hauptsächlich durch Gewebssekretion
übertragen.
Wirtsbereich
Das Wirtsspektrum des Virus umfaßt außer dem natürlichen Wirt (Homo sapiens
sapiens) auch zahlreiche andere Spezien
wie Affen und Nager. Auch in vitro zeigt
das Virus einen sehr breiten Wirtsbereich. Verschiedene Zellkulturen von Primaten sind für das Virus empfänglich.
Risikogruppen
Keine Prävalenz für bestimmte ethnische
Gruppen der Bevölkerung. Neugeborene,
Kinder innerhalb der ersten Lebensjahre
und immunsuppressive Personen sind
gefährdet.
Epidemiologie
HSV ist weltweit verbreitet und kommt
unter natürlichen Bedingungen nur beim
Menschen vor. Es sind zwei Serotypen
bekannt: Typ 1 (HSV-1) infiziert hauptsächlich Zellen der Mundregion. Die Infektion mit HSV-1 erfolgt überwiegend
schon im Säuglings- und Kindesalter
durch Tröpfchen- oder Kontaktinfektion
und bei Jugendlichen vorwiegend durch
engen körperlichen Kontakt. Die Durchseuchungsrate bis zur Pupertät beträgt
ca. 50 % und erhöht sich im Erwachsenenalter auf über 90 %, abhängig vom
sozioökonomischen Status und der regionalen hygienischen Infrastruktur der Population. HSV Typ 2 (HSV-2) ist dagegen
überwiegend auf die Genitalregion beschränkt. Die Durchseuchungsrate rangiert hier bei ca. 10 bis 20 % bei den 20bis 30-jährigen in Mitteleuropa, wobei eine Beziehung zwischen sexueller Aktivität und niederem sozialen Status besteht.
Während der Geburt kann HSV-2 von
der Mutter auf das Neugeborene übertragen werden. Allgemein kann festgestellt
werden, daß in höheren Kulturkreisen
die Durchseuchung mit HSV-2 größer ist
als in Entwicklungsländern.
Prävention
Es besteht ein dringender Bedarf nach
Entwicklung einer effizienten Prophylaxe
gegen die Herpes-simplex-Virus-Infektion. Es ist immer noch nicht gelungen
einen spezifischen Impfstoff zur Verhütung von Primärinfektionen bzw. HSV
Rezidiven zu entwickeln und klinisch erfolgreich einzuführen. Die bisher angebotenen sogenannten „Impfstoffe“ sind
nicht als HSV-spezifischer Immunschutz
wirksam, und ihre Wirkung könnte allenfalls als Placebo-Effekt betrachtet werden.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung
und Kontrolle: Optimierung der allgemeinen hygienischen Maßnahmen in
Kreißsälen und beim Kreißsaalpersonal,
sowie Durchführung von HSV-spezifischen Nachweisverfahren bei Frauen vor
der Geburt, um eine bestehende HSV Infektion im Genitalbereich rechtzeitig
nachzuweisen und eine eventuelle Herpes
neonatorum zu verhindern.
Referenzzentren
Prof. Dr. Bernhard Fleckenstein, Institut für
Klinische und Molekulare Virologie,
Schloßgarten 4, 91054 Erlangen, Tel.
09131 – 853563, Fax. 09131 – 852101.
Schlüsselliteratur
1. Whitney, R.J., Herpes-simplex-Virus. In:
Virology, Second Edition, edited by Fields
259
H
Histoplasma capsulatum
N., Knipe, D.M, et. al., Raven Press, Ltd.
New York, Vol. 2 , (1990) 1843 – 1888.
2. Gorbach, S.I. , Bartlett, J.G., Blacklow, N.R.
(eds), Infectious Diseases, W.B. Saunders
Company (1992).
3. Becker, Y., Darai, G. (eds), Pathogenicity of
Human Herpesviruses due to Specific Pathogenicity Genes, Frontiers of Virology 3,
Springer-Verlag Berlin Heidelberg New
York, London, Paris, Tokyo, Hong Kong,
Barcelona, Budapest (1994).
dien braun, auf kurzen Konidiophoren,
dickwandig, kugelig, morgensternartig
mit
oberflächlichen
Projektionen,
8 – 14 ? m.
Herpesvirus simiae (siehe B Virus)
Taxonomie
Klasse: Euascomycetes;
Ordnung: Onygenales;
Familie: Onygenaceae;
Gattung: Histoplasma.
Teleomorph: Ajellomyces capsulatus
(Kwon-Chung) McGinnis & Katz
Heterophyes (siehe Darmegel)
Histoplasma capsulatum
Johannes Müller, Emmendingen
Erregerbezeichnung
Histoplasma capsulatum Darling 1905
Histoplasma capsulatum var. capsulatum
Histoplasma capsulatum var. duboisii,
Synonym: H. duboisii Vanbreuseghem
1952
Morphologie
Dimorph.
Wirtsgewebe: Var. capsulatum: Mehrere
bis viele knospende Hefezellen in phagozytierenden Zellen des RES, 2 – 3 × 3 – 4
? m Durchmesser. In gefärbten Schnittpräparaten Pilzzellen von hyalinem Hof
umgeben. Tochterzellen sitzen mit
schmaler Basis der Mutterzelle auf.
Var. duboisii: Pilzzellen in vivo größer:
7 – 15 ? m.
Kultur 24 °C: Watteähnliches, weißes,
später bräunliches Myzel, unterseits cremefarben bis bräunlich. Mikroskopisch:
Mikrokonidien unmittelbar oder kurzgestielt der Hyphe aufsitzend, einzellig, birnenförmig, 1 – 4 × 2 – 6 ? m. Makrokoni260
Kultur 37 °C: Auf Herz-Hirn-Agar cremefarbene, glänzende, rundlich erhabene Kolonie, später mit unregelmäßigem
Rand knospende Hefezellen bis 7 ? m.
Mikroskopisch.
In Kulturen keine Unterschiede zwischen
var. capsulatum und var. duboisii.
Historie
Von S.T. Darling 1905 erste Fallbeschreibung, in der der Erreger für ein Protozoon gehalten wurde. Erste Vermutung
der Pilznatur 1912 durch H. Da Rocha Lima. Von W. A. De Monbreun 1933 erstmals kultiviert.
Synonyme: Cryptococcus capsulatus, Histoplasma pyriforme, Emmonsiella capsulata Kwon-Chung.
Erkrankungen/Register
Var. capsulatum: Amerikanische Histoplasmose, Kleinzellige Histoplasmose,
Klassische Histoplasmose, Darling’s Disease.
Akute primäre Histoplasmose: Inkubationszeit 1 – 3 Wochen. Anfangs in der
Lunge lokalisiert. Grippe-ähnliche Symptome: Fieber, Schüttelfrost, Schweißausbrüche, Halsschmerzen, Thoraxschmerzen, Husten, Dyspnoe. Schwellung der
mediastinalen oder Hiluslymphknoten.
Intrazellulärer Befall der RES-Zellen.
Röntgenologisch dichte, in den Lungenfeldern disseminierte Knötchen oder parenchymatöses Infiltrat. Klinische Entitäten nicht regelhaft abgrenzbar. Meist gutartig und selbstlimitierend.
Histoplasma capsulatum
Chronisch-progressive Histoplasmose: Gleiche Symptome wie akute Form, jedoch schwerer, mit Hämoptysen und Kavernenbildung, Gewichtsverlust, Ulzerationen an Schleimhäuten.
Typisch ist die Verkalkung zentral-nekrotischer Herde mit peripheren fibrösen
Zonen (Lunge, Milz u. a.).
Disseminierte
Histoplasmose: Akut
oder chronisch, Gewichtsverlust, Verschlechterung des Allgemeinzustandes,
Anämie, Leukopenie, Hepato-Splenomegalie, multiple Lymphknotenschwellungen, Husten, Auswurf, Thoraxschmerzen,
Lungenkavernen. Meningoenzephalitis,
Endokarditis, intestinale Ulzera, Nieren-,
Nebennieren-, Pleura-, Augenbefall. Verstärkte disseminierte, miliare Lungenzeichnung. Meist letaler Verlauf nach Wochen oder Monaten.
Var. duboisii: Afrikanische Histoplasmose, Großzellige Histoplasmose. Lokalisierte chronische Form: Breites Befallsspektrum der Organe: Hautbefall am
häufigsten an unbedeckten Körperstellen: Abszesse, Ulzerationen, wucherne
Granulome. Schleimhautbefall. Osteoartikulärer Befall: Osteolysen, Osteitis,
Osteomyelitis. Lymphknotenbefall. Lungenbefall seltener. Disseminierung selten.
Lokalisierte Formen verlaufen meist benigne, disseminierte Fälle enden letal.
Diagnostik/Symptome
Untersuchungsmaterial: Sputum, Eiter,
Punktate, Liquor, Biopsiematerial. Erreger transportsensibel!
Direktmikroskopie: Intrazellulär gelegene Pilze mit hyalinen Höfen in PAS- und
GMS-gefärbten Schnitten und Präparaten
sichtbar (pathognomonischer Befund).
Auf Pilzzellgröße achten!
Kultur:24 °C: Weiß glänzendes, im Zentrum beige-braunes Myzel. Mikroskopische Merkmale siehe Morphologie.
37 °C: Cremefarbene, glänzende, rundlich erhabene Kolonien, später mit unre-
gelmäßigem Rand. Mikroskopische Merkmale siehe Morphologie.
Serologie: Antikörper-Nachweis mittels
Immundiffusion oder Gegenstromelektrophorese: Nachweis von H- und M-Bande spricht für überstandene Histoplasmose (Spontalheilung oder erfolgreiche
Therapie). Ferner KBR.
Therapie
Primär akute Form oft selbstlimitierend.
Ketoconazol (400 mg/die über 3 Monate),
Itraconazol (400 mg/die über 3 Monate),
Amphotericin B (0,5 – 0,7 mg/kg/die über
2 – 3 Wochen).
Erhaltungstherapie bei AIDS-Patienten:
Itraconazol oder Ketoconazol (50 – 80
mg/Woche).
Spezifische Merkmale
Keine. Differentialdiagnostische Abgrenzung ist notwendig zu:
Grippe, Pneumonien anderer Ätiologie,
Tuberkulose, Coccidioidomykose, Blastomykose, Paracoccidioidomykose, sekundärer Syphilis, Leishmaniose, Karzinomen, papulonekrotischen Tuberkuliden,
papulo-ulzerösen Syphiliden.
Transmission
Inhalation von Sporen aus Erdboden und
Vogel- und Fledermaus-Exkrementen.
Keine Übertragung von Mensch zu
Mensch.
Wirtsbereich
Mensch, Wirbeltiere.
Risikogruppen
Bewohner von Endemiegebieten, Höhlengänger, Patienten mit verminderter
Infektabwehr, besonders AIDS-Kranke.
Epidemiologie
Endemiegebiete:
Var.
capsulatum:
Schwerpunkt unteres Mississippi-Tal, jedoch auch das übrige Nord-, Mittel- und
Südamerika, Zentralafrika.
Vereinzelte Fallberichte weltweit.
261
H
Humanes Herpes Virus 6
Var. duboisii: Schwerpunkt Zentralafrika, übriges Afrika.
Prävention
Keine.
Referenzzentren
National Centers of Disease Control, Mycotic Diseses Branch, Atlanta, GA 30333,
USA.
Schlüsselliteratur
De Hoog GS, Guarro J 1995. Atlas of Clinical
Fungi, pp. 23, 63. CBS, Baarn.
Schwarz J 1971.Histoplasmosis.. In: Baker RD
(ed.): The Pathologic Anatomy of Mycoses:
In: Uehlinger E: Handbuch der Speziellen
Pathologischen Anatomie und Histologie,
Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, pp.
67 – 146.
Grigoriu D, Delacrétaz J & Borelli D 1984.
Lehrbuch der Medizinischen Mykologie.
Verlag Hans Huber Bern, pp. 297 – 310.
Müller J 1992. Dimorphe Pilze. In: Burkhardt
F. (Ed.): Mikrobiologische Diagnostik. G.
Thieme Verlag, Stuttgart, New York, pp.
478 – 486.
Kaufman L 1992. Immunohistologic diagnosis
of systemic mycoses: an update. Eur. J. Epidemiol. 8, 377 – 382.
Kappe R & Seeliger HPR 1993. Chapter 10: Serodiagnosis of deep-seated fungal infections. In: Borgers M, Hay R & Rinaldi MG
(Eds.): Current topics in medical mycology,
Vol V, Prous Science, Barcelona, Spain, pp.
247 – 280.
Humanes Herpes Virus 6
Wolfram Lamadé, Uta Meyding-Lamadé,
Heidelberg
Erregerbezeichnung
Humanes Herpes Virus 6
Morphologie
Das Virion besteht aus einem ikosaedrischem Kapsid, bestehend aus 162 Kapsomeren, das das virale Genom beherbergt.
Es besteht aus doppelsträngiger linearer,
262
160 – 170 Kilobasen messenden DNS. Das
Tegument umschließt das Kapsid, das
wiederum von einer aus Lipiden bestehenden Membranhülle, dem Envelope
umgeben ist. Die Oberfläche ist mit Proteinen den sogenannten Spikes bestückt.
Der Durchmesser des Gesamtpartikels
beträgt 170 – 200 nm.
Taxonomie
Familie der Herpesviridae und Unterfamilie der Beta-(?)/Gammaherpesvirinae.
Unterschieden werden zwei Hauptvarianten „Typ A“ und „Typ B“, die serologisch
und genetisch unterschieden werden
können. Die genetische Homologie zwischen diesen beiden Typen beträgt 95 %.
Die meisten klinischen Isolate waren vom
„Typ B“.
Historie
HHV-6 wurde erstmals von Salahuddin
et al. 1986 bei Patienten mit lymphoproliferativer Erkrankung und später bei Patienten mit „acquired immunodeficiency
syndrome“ (AIDS) isoliert und initial als
humanes B-lymphotropes Virus bezeichnet. Aufgrund seiner Morphologie und
der eindeutigen Abgrenzbarkeit gegenüber den bekannten Herpesviren erfolgte
die Einteilung als humanes Herpesvirus
6. Jedoch erst 1988 konnte diesem Virus
ein klinisches Krankheitsbild zugeordnet
werden, das Exanthema subitum auch
Dreitagefieber genannt (Yamanishi 1988).
Die Assoziation mit dem Chronic Fatigue
Syndrome, initial als Lake Tahoe Disease
tituliert, ist nicht so streng wie anfangs
angenommen.
Erkrankungen/Register
Die Primärinfektion mit HHV-6 erfolgt
typischerweise in der frühen Kindheit
und manifestiert sich als Exanthema subitum (Synonyma: Roseola infantum,
Dreitagefieber). Im Alter von 2 – 4 Jahren
ist bereits die Serokonversion bei 80 %
der Kinder erreicht und steigt danach
nicht mehr wesentlich an. Es ist charakterisiert durch hohes Fieber von 39°-41 °C
für 3 – 5 Tage („Dreitagefieber“). Die Kinder präsentieren sich trotz des hohen Fiebers ungewöhnlich symptomarm: milde
Humanes Herpes Virus 6
Pharyngitis, Otitis, cervicale Lympadenopathie, selten Fieberkrämpfe. Das periphere Blutbild zeigt typischerweise eine
Leukopenie mit relativer Lymphozytose.
Das Auftreten eines makulopapulösen
Hautausschlages mit Betonung des
Rumpfes und des Nackens („Roseola infantum“), setzt zeitgleich mit dem Abfiebern ein („Morgenröte der Genesung“)
und bildet sich ebenfalls innerhalb Stunden bis einigen Tagen zurück. Häufig verläuft die Primärinfektion subklinisch
oder abortiv. Die Assoziation von HHV-6
mit dem Chronic Fatigue Syndrom wurde
bisher nur anekdotenhaft berichtet (Gold
1990, Daugherty 1991, Buchwald 1992)
und kann nicht als gesichert angesehen
werden. HHV-6 wurde isoliert von Patienten mit lymphoproliferativer Erkrankung,
Organtransplantationspatienten
und von Patienten mit „acquired immunodeficiency syndrome“ (AIDS). Die Rolle von HHV-6 bei diesen Erkrankungen
ist jedoch noch nicht klar. Beim Erwachsenen treten typischerweise mononukleoseförmige Verläufe auf. Auch selbstlimitierende Hepatitiden sind beobachtet
worden.
Diagnostik/Symptome
Serologische Testverfahren: Es bestehen
Kreuzreaktivitäten zu CMV. Immunfluoreszenz und Enzym-Immunoassays haben durch die Verwendung von infizierten Zellen als Antigen die Sensitivität der
Testverfahren deutlich erhöht.
Virusisolierung: Diese erfolgt durch Anzüchtung von aktivierten T-Lymphozyten
des Patienten ggf. unter Kokultivationsbedingungen mit aktivierten Lymphozyten von normalen Spendern.
Untersuchungsmaterial kann auch Speichel des Patienten sein, da angenommen
wird, daß neben den T-Lymphozyten auch
die Speicheldrüsen oder die oropharyngeale Schleimhaut als Virusreservoir dienen.
Polymerasekettenreaktion: Der DNANachweis kann noch zu einem Zeitpunkt
erfolgen zu dem kein intaktes Virus mehr
nachweisbar ist.
Differentialdiagnose: insbesondere
CMV- und EBV-Infektionen.
Therapie
Eine spezifische Therapie ist nicht indiziert. Da die Diagnose meist erst mit dem
Abklingen der Erkrankung gestellt wird,
ist auch der Zeitpunkt einer effektiven
antiviralen Therapie meist verpasst. Die
in vitro Sensitivität von HHV-6 gegenüber Ganciclovir konnte nachgewiesen
werden. In vivo Daten sind nicht ausreichend bekannt. Es besteht jedoch eine relative in vivo Resistenz gegenüber Acyclovir: bei HIV-Patienten unter Acyclovir
Therapie fand sich ein positiver HHV-6
Nachweis.
Eine Patientenisolierung ist nicht notwendig, da ein hoher ( G 80 %) Durchseuchungsgrad in der Bevölkerung vorliegt.
Spezifische Merkmale
Pathogenität und Immunantwort: Wie
alle Herpesviren persistiert das HHV-6
nach der Primärinfektion vermutlich
ebenfalls lebenslang im Wirt („Latenz“).
Ein endgültiger Beweis hierzu steht jedoch noch aus. Als Persistenzort vermutet man neben den T-Lymphozyten, die
Speicheldrüsen und die Epithelien des
Oropharynxbereiches. Hierfür spricht
der hohe Virustiternachweis aus dem
Speichel.
Virulenz und Persistenz: Die Virulenz
und Kontagiosität des HHV-6 ist sehr
hoch, was aus der frühen und hohen Serokonversionsrate abzuleiten ist.
Genetik: Das
Virugenom
unfaßt
160 – 170 kbp linearer doppelsträngiger
DNA. Sie setz sich zusammen aus einer
zentralen „Unique Region“ von ca 140
kbp und flankierenden terminalen Repetitionen von ca 10kbp in gleicher Orientierung. Isoformen wie bei Herpes simplex Viren finden sich daher nicht. Der
mittlere G+C-Gehalt beträgt 43 %. Eine
Region eines Hauptnukleokapsid Proteins von HHV-6 zeigt starke Homologien zu einem ähnlichen Protein bei
CMV. Homologien wurden auch zum Genom von HHV-7 nachgewiesen.
263
H
Humanes Herpes Virus 7
33 viruskodierter Polypeptide einschließlich 7 Glykoproteine konnten in infizierten Zellen differenziert werden. Eine
Thymidinkinase konnte bisher nicht
identifiziert werden.
Transmission
Die Übertragung geschieht wahrscheinlich vorwiegend über den Speichel. Auch
Bluttransfusionen und Organtransplantationen können das Virus übertragen.
Wirtsbereich
HHV-6 wurde bisher nur aus humanen
mononukleären, vorwiegend CD4+ Zellen isoliert. HHV-6 Antikörper konnten
jedoch auch bei bestimmten Affenarten
nachgewiesen werden. In vitro gelang
darüberhinaus auch die Anzüchtung in
Schimpanzen-Lymphozyten.
Risikogruppen
Kleinkinder, immunkompromitierte Patienten
Epidemiologie
Serologische Untersuchungen (Immunfluoreszenz, ELISA) in verschiedenen
Ländern zeigen die hohe Serokonversionsrate im frühen Kleinkindalter
1 – 2 – 4 Jahre.
Prävention
Präventive Maßnahmen sind nicht bekannt. Gancyclovir ist effectiv in vitro.
Referenzzentren
Prof. Fleckenstein, Freiburg
Schlüsselliteratur
Chou, S., Roseola infantum and other infections caused by Herpesvirus-6. In: Infectious diseases, fifth edition. Ed. Hoeprich, P.D.,
Jordan, M.C. and Ronald A.R. J.B. Lippincott Company, Philadelphia 1994.
Lopez, C., Human Herpesviruses 6 and 7 –
molecular biology and clinical aspects. In:
The human herpesviruses. Ed.: B. Roizman,
R.J. Whitley and C. Lopez. Raven Press Ltd.
New York 1993.
264
Humanes Herpes Virus 7
Wolfram Lamadé, Uta Meyding-Lamadé,
Heidelberg
Erregerbezeichnung
Humanes Herpes Virus 7
Morphologie
Morphologisch entspricht das HHV-7
dem klassischen Aufbau der humanen
Herpesviren. Das Virion besteht aus einem ikosaedrischem Kapsid, bestehend
aus 162 Kapsomeren, das das virale Genom beherbergt. Es besteht aus doppelsträngiger linearer, 140 – 150 Kilobasen
messenden DNS. Das Tegument umschließt das Kapsid, das wiederum von
einer aus Lipiden bestehenden Membranhülle, dem Envelope umgeben ist. Die
Oberfläche ist mit Proteinen den sogenannten Spikes bestückt.
Taxonomie
Familie der Herpesviridae und Unterfamilie der Betaherpesvirinae. Die genetische Homologie zwischen HHV-6 und
HHV-7 beträgt 50 – 60 %.
Historie
HHV-7 wurde erstmals von Frenkel et al.
1990 aus CD-4 positiven T-Lymphozyten
eines gesunden Erwachsenen beim Versuch einer HIV-Anzüchtung isoliert. Aufgrund seiner Morphologie und der genetischen und serologischen Abgrenzbarkeit gegenüber HHV-6 erfolgte die Klassifikation als humanes Herpesvirus 7.
Bisher konnte dem HHV-7 noch kein
Krankheitsbild zugeordnet werden, möglicherweise jedoch ähnliche Symptomatik
wie bei einer HHV-6 Infektion.
Erkrankungen/Register
Die Primärinfektion mit HHV-7 erfolgt
typischerweise in der frühen Kindheit jedoch etwas später als bei HHV-6. Bisher
konnte kein Krankheitsbild eindeutig
dem HHV-7 zugeordnet werden. Einzelberichten zufolge wurden jedoch Exan-
Humanes Herpes Virus 7
thema subitum ähnliche Symptome beobachtet.(Fieber 39° – 41 °C für 3 – 5 Tage,
milde Pharyngitis, Otitis, cervicale Lympadenopathie, makulopapulöser Hautausschlages mit Betonung des Rumpfes
und des Nackens zeitgleich mit dem Abfiebern, Rückbildung des Ausschlages innerhalb von Stunden bis einigen Tagen).
Die Mehrzahl der Primärinfektionen geht
möglicherweise ohne Krankheitssymptome einher, was aus der serologisch nachgewiesenen hohen Durchseuchung der
Bevölkerung abzuleiten ist.
Diagnostik/Symptome
Serologische Testverfahren: Es bestehen
Kreuzreaktivitäten zu HHV-6.
Virusisolierung: Diese erfolgt durch Anzüchtung von aktivierten T-Lymphozyten
des Patienten ggf. unter Kokultivationsbedingungen mit aktivierten Lymphozyten von normalen Spendern.
Untersuchungsmaterial aus denen HHV7 isoliert wurde sind T-Lymphozyten,
Speichel und Speicheldrüsenbiopsate des
Patienten
Polymerasekettenreaktion. Untersuchungsmaterial aus denen HHV-7 isoliert wurde sind T-Lymphozyten, Speichel und Speicheldrüsenbiopsate des Patienten
Nachweis von HHV-7 bei gesunden Erwchsenen 75 % in den Speicheldrüsen,
55 % im Speichel. Bei HIV-Patienten
steigt die Nachweishäufigkeit im Speichel
auf 81 %.
Differentialdiagnose: insbesondere
HHV-6 Infektionen.
Therapie
Eine Therapie ist nicht bekannt. Eine Patientenisolierung ist nicht notwendig, da
ein hoher ( G 80 %) Durchseuchungsgrad
in der Bevölkerung vorliegt.
Spezifische Merkmale
Pathogenität und Immunantwort: Wie
alle Herpesviren persistiert das HHV-7
nach der Primärinfektion vermutlich
ebenfalls lebenslang im Wirt. Als Persi-
stenzort vermutet man neben den TLymphozyten, die Speicheldrüsen und
die Epithelien des Oropharynxbereiches.
Hierfür spricht der Virusnachweis aus
dem Speichel bei 55 % von gesunden Erwachsenen.
Virulenz und Persistenz: Die Virulenz
und Kontagiosität des HHV-7 ist sehr
hoch, was aus der frühen und hohen Serokonversionsrate abzuleiten ist. Ob die
hohe Rate an Virusnachweis bei Gesunden eine persistente Infektion oder eine
reaktivierte latente Infektion darstellt, ist
noch unklar.
Genetik: Das
Virugenom
unfaßt
140 – 150 kbp linearer doppelsträngiger
DNA. Der Genomaufbau ist identisch mit
dem von HHV-6 und setzt sich zusammen aus einer zentralen „Unique Region“
und flankierenden terminalen Repetitionen in gleicher Orientierung in der Form
DRL-U-DRR Diese Genomorganisation ist
einzigartig unter den humanen Herpesviren und ähnel denen des „Channel Catfish Virus“. Isoformen wie bei Herpes
simplex Viren finden sich nicht. Der
mittlere G+C-Gehalt beträgt 43 %.
Transmission
Die Übertragung geschieht wahrscheinlich über den Speichel.
Wirtsbereich
HHV-7 wurde bisher nur bei humanen
Proben untersucht.
Risikogruppen
Kleinkinder, immunkompromitierte Patienten
Epidemiologie
Serologische Untersuchungen (Immunfluoreszenz, ELISA) zeigen die hohe Serokonversionsrate im frühen Kleinkindalter
2 – 5 Jahre.
Prävention
Präventive Maßnahmen sind nicht bekannt.
265
H
Humanes Herpesvirus 8
Referenzzentren
Prof. Fleckenstein, Freiburg
Schlüsselliteratur
Lopez, C., Human Herpesviruses 6 and 7 –
molecular biology and clinical aspects. In:
The human herpesviruses. Ed.: B. Roizman,
R.J. Whitley and C. Lopez. Raven Press Ltd.
New York 1993.
Chou, S., Roseola infantum and other infections caused by Herpesvirus-6. In: Infectious diseases, fifth edition. Ed. Hoeprich, P.D.,
Jordan, M.C. and Ronald A.R. J.B. Lippincott Company, Philadelphia 1994.
Di Luca D., P. Mirandola, T. Ravaioli, R. Doleetti, A. Frigatti, P. Bovenzi, L. Sighinolfi, P.
Monini, and E. Cassai, Human Herpesviruses 6 and 7 in Salivary Glands and Shedding
in Saliva of Healthy and Human Immunodeficiency Virus Positive Individuals. Journal of Medical Virology 45:462 – 468 (1995)
Humanes Herpesvirus 8
Christian A. Tidona, Heidelberg
Erregerbezeichnung
Humanes Herpesvirus 8 (HHV8), Kaposi-Sarkom-assoziiertes
Herpesvirus
(KSHV)
Morphologie
Die Morphologie von HHV8 entspricht
dem typischen Aufbau eines Herpesvirus.
Die Viruspartikel bestehen aus einem
strukturierten ikosaedrischen Kapsid,
das die virale lineare doppelsträngige
DNA beherbergt. Das Kapsid ist von einem amorphen Protein-Tegument und
einer sphärischen Lipidhülle mit Glykoprotein-Fortsätzen umgeben.
Taxonomie
HHV8 gehört zur Familie der Herpesviridae und wird aufgrund von Sequenzhomologien der viralen DNA in die Unterfamilie der Gammaherpesvirinae eingeordnet.
266
Historie
Aufgrund der zunehmenden epidemiologischen Ausbreitung des Kaposi-Sarkoms
(KS) im Zusammenhang mit der HIV-Infektion und AIDS wurde schon früh die
Beteiligung eines infektiösen Agens an
der Entstehung des Kaposi-Sarkoms vermutet. Im Jahre 1994 wurden von Chang
et al. durch ein neues Verfahren (Representational Difference Analysis; RDA)
erstmals Herpesvirus-ähnliche DNA-Sequenzen in KS-Gewebe von AIDS-Patienten nachgewiesen. Die DNA-Sequenzen
zeigten signifikante Homologien zur
Gruppe der Gammaherpesviren, insbesondere zu Herpesvirus Saimiri und Epstein-Barr-Virus. Anschließende epidemiologische Studien mit Hilfe der PCRTechnologie (Polymerasekettenreaktion)
zeigten eine deutliche Assoziation zwischen allen bekannten Formen des Kaposi-Sarkoms und dem neu entdeckten Humanen Herpesvirus 8 (HHV8), das daher
auch als Kaposi-Sarkom-assoziiertes Herpesvirus (KSHV) bezeichnet wurde.
HHV8 wurde aber auch in lymphatischen
Organen, in Prostata-Gewebe und in einer Reihe von B-Zell-Lymphomen v. a. im
Zusammenhang mit AIDS nachgewiesen.
Anhand stabiler Zellinien aus B-ZellLymphomen von AIDS-Patienten, die latent mit HHV8 infiziert waren, wurde
1996 von Chang und Mitarbeitern die
vollständige DNA-Sequenz des HHV8Genoms bestimmt und die Zugehörigkeit
zur Gruppe der Gammaherpesviren auf
genetischer Ebene bestätigt. Im Jahre
1996 gelang Renne et al. erstmals die Induktion der lytischen Vermehrung von
HHV8 in einer latent infizierten B-Zellinie und die erste elektronenmikroskopische Darstellung von HHV8-Partikeln.
Erkrankungen/Register
HHV8 ist mit den klassischen, endemischen und epidemischen Formen des Kaposi-Sarkoms eng assoziiert. Ein kausaler
Zusammenhang konnte aber noch nicht
eindeutig nachgewiesen werden. Eine Beteiligung an der Entstehung verschiedener AIDS-assoziierter B-Zell-Lymphome
wird diskutiert.
Humanes Herpesvirus 8
Diagnostik/Symptome
Aufgrund der engen Assoziation von
HHV8 mit dem Kaposi-Sarkom steht eine
histologische KS-Diagnose im Vordergrund. HHV8-spezifische Nukleinsäuren
können entweder durch PCR oder in-situ-Hybridisierung in Gewebebiopsien
nachgewiesen werden. Auch ein serologischer Nachweis HHV8-spezifischer Antikörper ist möglich.
Therapie
Eine Therapie mit Interferon- § kann zu
einer vollständigen Remission aller KSLäsionen führen. HHV8 bleibt jedoch
häufig in den abgeheilten KS-Herden
durch PCR nachweisbar, was eine Erklärung für die relativ hohe Rezidivrate nach
Therapieabbruch sein könnte.
Spezifische Merkmale
Der PCR-Nachweis von HHV8-spezifischen DNA-Sequenzen im periphären
Blut von gesunden bzw. HIV-infizierten
Individuen ist prädiktiv für die Entwicklung eines Kaposi-Sarkoms.
Transmission
Die Übertragungswege von HHV8 sind
nicht bekannt. Das gehäufte Auftreten
von Kaposi-Sarkomen bei homosexuellen
Männern legt jedoch u. a. einen sexuellen
Übertragungsweg nahe.
Wirtsbereich
HHV8 wurde bisher nur latent in humanen Kaposi-Sarkomen (vaskuläre Endothelzellen und perivaskuläre spindelförmige Zellen) sowie in B-Zellen nachgewiesen.
Risikogruppen
Aus epidemiologischen Studien geht hervor, daß homo- und bisexuelle Männer
im Zusammenhang mit AIDS ein um bis
zu 100.000-fach erhöhtes Infektionsrisiko
im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt aufweisen. Allgemein erkranken
Männer 3- bis 4-mal häufiger als Frauen
an einem Kaposi-Sarkom.
Epidemiologie
Klassische Formen des Kaposi-Sarkoms
sind seit geraumer Zeit endemisch in
Zentralafrika (assoziiert mit Lymphadenopathie v. a. bei Kindern), Osteuropa
und Süditalien (v. a. bei Männern nach
dem 50. Lebensjahr). Seit 1981 ist eine
epidemische Form des Kaposi-Sarkoms
durch die Verbreitung von AIDS hinzugekommen, so daß das Kaposi-Sarkom und
somit auch HHV8 heute weltweit verbreitet sind.
Prävention
Präventive Maßnahmen sind nicht bekannt.
Referenzzentren
Prof. Dr. Fleckenstein, Freiburg.
Schlüsselliteratur
Chang, Y., Cesarman, E., Pessin, M.S., Lee, F.,
Culpepper, J., Knowles, D.M., Moore, P.S.
(1994): Identification of herpesvirus-like
DNA sequences in AIDS-associated Kaposi’s sarcoma. Science 266(5192), pp.
1865 – 1869.
Moore, P.S., Chang, Y. (1995): Detection of
herpesvirus-like DNA sequences in Kaposi’s
sarcoma in patients with and without HIV
infection. N.Engl.J.Med. 332(18), pp.
1181 – 1185.
Cesarman, E., Moore, P.S., Rao, P.H., Inghirami, G., Knowles, D.M., Chang, Y. (1995): In
vitro establishment and characterization of
two acquired immunodeficiency syndromerelated lymphoma cell lines (BC-1 and BC2) containing Kaposi’s sarcoma-associated
herpesvirus-like (KSHV) DNA sequences.
Blood 86(7), pp. 2708 – 2714.
Renne, R., Zhong, W., Herndier, B., McGrath,
M., Abbey, N., Kedes, D., Ganem, D. (1996):
Lytic growth of Kaposi’s sarcoma-associated herpesvirus (human herpesvirus 8) in
culture. Nat.Med. 2(3), pp. 342 – 346.
267
H
Humanes Immundefizienz Virus (HIV)
Humanes Immundefizienz Virus (HIV)
Jürgen Haas
Erregerbezeichnung
Humanes Immundefizienz Virus Typ 1
(HIV-1)
Humanes Immundefizienz Virus Typ 2
(HIV-2)
Morphologie
Die reifen Virionen sind sphärisch, haben einen Durchmesser von etwa 100 nm
und besitzen einen kegelförmigen Viruskern, der umgeben ist von einer Phospholipidmembran. Auf dieser Virusmembran sitzen etwa 72 Hüllprotein-Komplexe, die sich aus einem Tri- oder Tetramer
des gp160 Glykoproteins zusammensetzen, welches wiederum aus einer membranständigen gp41 und einer nicht kovalent gebundenen gp120 Untereinheit
besteht. Der Viruskern enthält neben
zwei Kopien der viralen RNA mit der gebundenen t-RNA und der Reversen
Transkriptase die gag Strukturproteine
p24 (Kapsidprotein), p17 (Matrixprotein), p7 (Nukleokapsidprotein) und p6,
sowie das akzessorische Protein vpr und
das zelluläre Cyclophyllin.
Taxonomie
HIV gehört zum Genus Lentivirus innerhalb der Familie der Retroviren. Zu diesem Genus werden neben HIV eine Reihe
von tierpathogenen Viren gerechnet, die
chronische Erkrankungen mit langen Inkubationszeiten verursachen und häufig
mit Immundefizienz und Enzephalopathien assoziiert sind (SIV; FIV; BIV; Visna
Virus, CAEV, EIAV). HIV-1 und HIV-2
besitzen eine Sequenzhomologie von etwa 80 %. HIV-2 ist näher verwandt zu
dem „Simian Immunodeficieny Virus“
(SIV) als zu HIV-1.
Historie
HIV wurde im Jahre 1983 von L. Montagnier und Mitarbeitern am Pasteur Institute in Paris aus dem Blut eines Patienten
mit persistender Lymphadenopathie iso268
liert und als Erreger der Immunschwächeerkrankung AIDS (Acquired Immunodeficiency Syndrome) identifiziert. In
derselben Ausgabe der Zeitschrift „Science“ wurde von R.C. Gallo und Mitarbeitern am NIH in Bethesda ein fast identisches Virusisolat als „HTLV-III“ publiziert. In späteren Untersuchungen stellte
sich heraus, daß das von Gallo publizierte
Virus das Resultat einer Kontamination
durch das französische Virusisolat war.
Erkrankungen/Register
Die Infektion mit HIV verläuft progredient, besitzt keine Rückbildungstendenz
und endet in der Regel letal. Die Erkrankung durchläuft das nur in seltenen Fällen klinisch apparente Stadium der Primärinfektion, eine symptomfreie Latenzphase, die zeitlich sehr variabel ist, ein in
etwas weniger als der Hälfte der Fälle auftretendes Stadium mit generalisierter
Lymphadenopathie und schließlich das
Stadium der Immundefizienz.
Primärinfektion: Bei etwa 10 bis 20 %
der Infizierten tritt etwa ein bis sechs
Wochen nach der Infektion ein Mononukleose-ähnliches Krankheitsbild mit Fieber, Angina, Lymphknotenschwellung
und gelegentlich Hauterscheinungen auf.
Klinische Latenzphase: Nach der Infektion verläuft die Erkrankung 1⁄2 bis über
15 Jahre klinisch völlig ohne Symptome.
In dieser Zeit sind gegen HIV gerichtete
Antikörper und HIV RNA im peripheren
Blut nachweisbar.
Generalisierte Lymphadenopathie: Etwa
40 % der HIV-Infizierten entwickeln vor
dem Übergang in das Immundefizienzstadium AIDS eine generalisierte Lymphadenopathie.
AIDS: Kennzeichnend für das Immundefizienzstadium ist das Auftreten von opportunistischen Infektionen, Malignomen und neurologischen Erkrankungen.
Die opportunistischen Infektionen manifestieren sich in der Regel in der Lunge,
Humanes Immundefizienz Virus (HIV)
dem Gastrointestinaltrakt, dem ZNS oder
als disseminierte Infektionen. Das Erregerspektrum der opportunistischen Infektionen reicht von Bakterien (atypische
Mykobakterien, M. tuberculosis, Salmonella spp. etc.), Pilzen (Pneumocystis carinii, Candida albicans, Cryptococcus neoformans, Histoplasma capsulatum, Coccidioides immitis, Aspergillus fumigatus
etc.) und Viren (HSV, VZV, CMV, EBV,
JC-Virus, Papilloma Virus, Molluscum
contagiosum) bis zu Protozoen (Toxoplasma gondii, Cryptosporidium spp.,
Isopora spp. etc.). Als mit AIDS-assoziierte Tumorerkrankungen sind im wesentlichen das Kaposi-Sarkom, NonHodgkin-Lymphome sowie das invasive
Zervixkarzom bei Frauen zu nennen.
Neurologische Symptome können auftreten im Rahmen einer zerebralen Toxoplasmose, einer progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML) durch
das JC-Virus, einer CMV- oder Kryptokokkenmeningitis oder als subakute
HIV-Enzephalopathie, die durch HIV
selbst verursacht wird.
Diagnostik/Symptome
Zum Screnning wird in der Regel ein ELISA-Test verwendet, der gegen HIV-1 und
HIV-2 gerichtete Antikörper nachweist.
Diese Antikörper treten frühestens 6 bis
12 Wochen, in vereinzelten Fälle verzögert bis zu 6 Monaten nach der Infektion
auf. Als Bestätigungstest wird in der Regel der Western Blot durchgeführt, bei
dem Antikörper gegen einzelne, der Größe nach aufgetrennte Virusproteine
nachgewiesen werden.
Zur Verlaufs- und Therapiekontrolle eignet sich die quantitative Polymerase Ketten Reaktion (PCR), mit Hilfe derer virale
RNA im Serum nachgewiesen wird. Weniger sensitiv als die PCR ist der p24-Antigen Test, der das HIV-1 Kapsidprotein
p24 nachweist. Die Viruslast im peripheren Blut ist während der Phase der Primärinfektion sehr hoch, fällt während
der „klinischen Latenzphase“ wieder ab
und ist dann in der Regel nur noch mittels PCR nachweisbar. In den späteren
Stadien steigt die Viruslast schließlich
wieder an. Ein wichtiger immunologi-
scher Verlaufsparameter ist die CD4-Zellzahl pro ? l im peripheren Blut, die auch
in der Stadieneinteilung des CDC von
1993 mit berücksichtigt wird.
Die Virusanzucht ist heute eine Spezialuntersuchung, die nur in Ausnahmefällen durchgeführt wird, etwa der Diagnostik von Neugeborenen von HIV-positiven Müttern, da hierbei aufgrund des
Vorhandenseins von maternalen Antikörpern nur direkte Nachweisverfahren wie
der p24-Test, die PCR oder eine Virusanzucht eine Aussage ermöglichen.
Therapie
Die derzeit verwendeten Therapeutika
basieren entweder auf einer Hemmung
der virusspezifischen Reversen Transkriptase (RT) oder der Protease. Bei ersteren wird unterschieden zwischen nukleosidischen (Zidovudin = AZT, Didanosin = ddI, Zalcitabin = ddC, Lamivudin = 3TC, Stavudin = d4T) und nichtnukleosidischen RT-Hemmern (alphaAPA, BI-RG-587). Zu den Proteaseinhibitoren gehören Invirase und AG1343. Die
Gabe von Zidovudin, mit dem bisher am
meisten Erfahrung vorliegt, führt zu einer signifikanten Reduktion der Viruslast
und damit verbunden zu einer Verbesserung der Lebensqualität und einer Lebensverlängerung, leider nicht jedoch zu
einer Heilung. Aufgrund der hohen Mutationsrate treten bei der Monotherapie
sehr schnell resistente Virusmutanten
auf. Deshalb werden heute bevorzugt
Kombinationstherapien angewandt, mit
denen das Auftreten von resistenten Virusstämmen unterdrückt oder doch zumindest verzögert werden kann.
Spezifische Merkmale
Aufbau des Virusgenoms und Virusproteine: Das Virusgenom mit einer Länge
von etwa 9.4 kb, welches im Virion als
Einzelstrang (+) RNA vorliegt, wird flankiert von zwei Long Terminal Repeats
(LTR’s). Das HIV-Genom kodiert wie bei
anderen Retroviren für gag (Strukturproteine des Viruskerns), pol (Reverse Transkriptase, Integrase, Protease) und env
(Hüllproteine), daneben aber auch für
269
H
Humanes Immundefizienz Virus (HIV)
Virale Proteine von HIV-1 und ihre Funktion:
Strukturproteine des
Viruskerns (gag)
Reverse Transkriptase (pol)
Protease
Integrase
Hüllproteine (env)
Regulatorische Proteine
Akzessorische Proteine
p24
p17
p9, p6
p55, p63
p15
p11
gp120
gp41
tat
rev
nef
vpr
vpu
vif
mindestens sechs weitere Virusproteine
(Tabelle 1). Dies sind die beiden regulatorischen Proteine tat und rev, sowie die
nicht-essentiellen Virusproteine nef, vpr,
vpu, vif und vpx (nur HIV-2), deren
Funktion nur zum Teil bekannt ist. Der
transkriptionale Aktivator tat wirkt auf
die TAR Sequenz im 5'LTR (Long Terminal Repeat), welcher den Promoter des
Virus darstellt, und verstärkt bei der
Transkription sowohl die Initiation als
auch die Elongation der viralen mRNA.
Rev, ein post-transkriptionaler Aktivator,
induziert nach der Bindung an das sogenannte RRE-Element den Transport der
HIV-Transkripte aus dem Nukleus der
infizierten Zelle ins Zytoplasma. Da aufgrund eines komplexen Splicings nur die
mRNA’s der Strukturproteine gag/pol und
env, nicht aber der regulatorischen Proteine die RRE-Sequenz enthalten, führt
rev zu einer Verschiebung der Expression
von den regulatorischen zu den Strukturproteinen. Darüber hinaus scheint rev
auch noch die Translation von viralen
mRNA’s zu steigern. Vpu spielt offensichtlich eine Rolle bei der Virusreifung.
Nef ist verantwortlich für die Elimination
des Virusrezeptors CD4 von der Zelloberfläche in infizierten Zellen.
Vermehrungszyklus: Nach dem Viruseintritt in die Zelle und dem „Uncoating“,
270
Kapsidprotein
Matrixprotein
Nukleokapsidproteine
Umschreibung der viralen
RNA in DNA
Prozessierung der Strukturproteine
Integration ins Wirtsgenom
Bindung an zellulären Rezeptor
Membranfusion
Transaktivierung des Promoters
Expression der viralen mRNA
Herunterregulation des Virusrezeptors
Virusreifung, Transmission,
Replikation
der Freisetzung der viralen RNA, wird
diese von der viruskodierten Reversen
Transkriptase umgeschrieben in DNA.
Die virale DNA wird in den Nukleus
transportiert und ins Wirtszellgenom integriert. Aufgrund einer Interaktion des
Matrixproteins p17 mit der Integrase ist
HIV im Gegensatz zu anderen Retroviren
in der Lage, nicht-proliferierende Zellen
zu infizieren. Dies ermöglicht die Infektion von Langerhans’schen Zellen, Makrophagen und Gliazellen, was in der Pathogenese der HIV-Infektion wahrscheinlich eine wichtige Rolle spielt. Die
viralen Transkripte werden von der proviralen DNA transkribiert, ins Zytoplasma transportiert und dort wie zelluläre
mRNA translatiert. Diese Schritte werden
von den beiden Regulatorproteinen tat
und rev gesteuert. Der Zusammenbau der
Viruspartikel findet an der Zellmembran
während des sogenannten „buddings“,
der Ausknospung, statt.
Die hohe Fehlerrate der Reversen Transkriptase ist die Ursache für die extreme
Variabilität von HIV. Es entsteht kontinuierlich eine riesige Anzahl an neuen Virusmutanten, weshalb HIV auch als
„Quasispezies“ bezeichnet wird. Im Moment existiert basierend auf der Nukleinsäuresequenz eine Einteilung von HIV-1
in 10 Subtypen (A-I, und O), die sich in
ihrer geographischen Verteilung unter-
Humanes Immundefizienz Virus (HIV)
scheiden. Virusmutanten von HIV können sich jedoch auch hinsichtlich ihres
Phänotypes unterscheiden. Es existieren
sogenannte Synzytium-induzierte (SI)
HIV-Mutanten, die zur Zellverschmelzung zwischen HIV-infizierten und gesunden CD4-Lymphozyten führen, und
solche, die dazu nicht in Lage sind (NSI).
Darüber hinaus zeigen die Virusmutanten auch Unterschiede im Zelltropismus
(makrophagotrope bzw. T-lymphotrope
Mutanten).
Virusrezeptor und Gewebstropismus.
Der Hauptrezeptor für HIV-1/2 auf der
Wirtszelle ist das CD4-Molekül, welches
vorwiegend auf einer Subpopulation von
T-Lymphozyten, den sogenannten CD4Helferzellen, exprimiert wird. Zusätzlich
zum CD4-Molekül ist auf der Zelloberfläche von humanen Zellen ein wahrscheinlich kürzlich als Fusin identifizierter Kofaktor vorhanden, der für den CD4-abhängigen Viruseintritt obligat ist. Die Expression des Virusrezeptors ist Ursache
für die Gewebsspezifität von HIV. Neben
den primären Zielzellen, den CD4-Helferzellen, können jedoch auch eine Reihe
weiterer Zellen wie Monozyten, Makrophagen, Langerhans’sche Zellen und Gliazellen infiziert werden. Bei diesen Zellen sind wahrscheinlich zum Teil andere
Moleküle als Virusrezeptor involviert
(Monozyten/Makrophagen: Fc-Receptor;
Gliazellen: Galaktosylceramid).
Immunantwort und T-Helferzell Depletion: Im Verlauf der HIV-Infektion
kommt es zu einer humoralen und zellulären Immunantwort gegen HIV. Diese
Immunantwort führt offensichtlich jedoch nicht zu einer Elimination des Virus
aus dem Körper, da in jeder Phase der Infektion Viruspartikel nachweisbar sind.
Auch in der „klinischen Latenzphase“,
während der HI Viren im peripheren Blut
nur mittels PCR nachweisbar sind, wird
eine erhebliche Menge an Viren produziert, die jedoch in den Lymphknoten zurückgehalten und nicht in die Peripherie
ausgeschwemmt werden. Im Verlauf der
HIV-Infektion kommt es zu einer Reihe
von immunologischen Störungen (Tabel-
Immunologische Veränderungen bei der HIV-Infektion
Depletion von CD4+ Helferzellen
Verminderte spezifische humorale Immunantwort
Polyklonale B-Zell-Stimulation mit Hypergammaglobulinämie
Gestörte Hypersensitivitätsreaktion vom verzögerten Typ
Reduzierte + -Interferon und Interleukin-2
Produktion
Gestörte zelluläre Immunantwort (z. B. auf
Mitogene oder allogene Stimuli)
Verminderte Aktivität von Natürlichen Killerzellen
H
le 2). Als Folge dieser Störungen entwikkelt sich schließlich in späteren Stadien
die Immundefizienz. Obwohl eine Vielzahl von Hypothesen existiert, die die
CD4-Zell Depletion zu erklären versucht,
ist die wirkliche Ursache bislang unbekannt. Als Ursache werden unter anderem ein direkter zytopathischer Effekt
des Virus, die Eliminierung von infizierten und gesunden Zellen durch die resultierende Immunantwort, die Auslösung
von Apoptose durch lösliches gp120, oder
ein von HIV oder einem anderem Pathogen kodiertes Superantigen diskutiert.
Transmission
Eine Übertragung von HIV ist möglich
durch homo- und heterosexuelle Kontakte, parenteral durch Blut oder Blutprodukte, sowie durch vertikale Transmission von der HIV-infizierten Mutter auf
das Neugeborene. Eine parenterale Übertragung erfolgt duch „needle sharing“ bei
i. v. Drogenabhängigen, Bluttransfusionen, Therapie mit Blutprodukten, Transplantationen sowie durch Nadelstichverletzungen im medizinischen Bereich.
Entsprechend der Viruskonzentration in
verschiedenen Körperflüssigkeiten variiert die Infektiosität. Blut und Sperma
und Vaginalsekret enthalten hohe, andere
Körpersekrete wie Speichel und Tränenflüssigkeit, Urin oder Stuhl jedoch nur
geringe Virusmengen.
271
Humanes Spumaretrovirus
Wirtsbereich
HIV ist streng wirtsspezifisch für den
Menschen. In Schimpanzen führt HIV zu
einer chronischen Virämie, nicht jedoch
zur Ausbildung von AIDS.
Levy, J. Pathogenesis of Human Immunodeficency Virus infection. (1993) Microbiol. Reviews 57: 183 – 289.
Risikogruppen
Entsprechend der Übertragungswege
sind Angehörige der folgenden Risikogruppen besonders gefährdet: Homosexuelle, Drogenabhängige, Prostituierte
und Personen mit hoher Promiskuität.
Humanes Spumaretrovirus
Epidemiologie
HIV-1 ist weltweit verbreitet, wobei die
Prävalenz in verschiedenen Regionen jedoch stark unterschiedlich ist. HIV-2 Infektionen sind im wesentlichen beschränkt auf Westafrika. In U.S.A. und in
Westeuropa ist die Inzidenz vergleichsweise gering, Neuerkrankungen und
Sterbefälle sind etwa im Gleichgewicht.
Im Gegensatz hierzu liegt die Prävalenz
von HIV-1 in einigen Regionen Zentralafrikas bei über 40 % mit einer hohen
Neuerkrankungs- und Sterberate. Drastisch steigende Infektionsraten sind im
Moment in Südostasien und im lateinamerikanischen Raum zu verzeichnen.
Prävention
Eine Impfung gegen HIV ist derzeit nicht
möglich. Deshalb beschränkt sich die
Prävention im Moment auf eine Aufklärung der Bevölkerung hinsichtlich der
Gefährdung durch ungeschützten Sexualverkehr, sowie auf die sorgfältige Kontrolle von Blutkonserven, Plasmaprodukten und Transplantaten.
Referenzzentren
Prof. Dr. Bernhard Fleckenstein, Institut
für Klinische und Molekulare Virologie,
Schloßgarten 4, 91054 Erlangen, Tel.
09131 – 853563; Fax 09131 – 852101
Schlüsselliteratur
Luciw, P. Human Immunodeficiency Viruses
and their replication (1996) in: Virology 3nd
edition, edited by Fields, B.N., Knipe, D.M.
and Howley, P.M. Lippincott-Raven, Philadelphia, pp 1881 – 1952
272
Martin Löchelt und Rolf M. Flügel,
Heidelberg
Erregerbezeichnung
Humanes Spumaretrovirus (HSRV), humanes Spumavirus, im englischen
Sprachraum auch „human foamy virus
(HFV)“
Morphologie
Das etwa 110 bis 130 nm große Virion besteht aus einem ikosaedrischen Kapsid
von ca. 50 nm Durchmesser. In ihm befindet sich das virale Genom, welches mit
viralen Proteinen komplexiert ist. Die
HSRV Virionen enthalten unter anderem
Reverse Transkriptase (RT) Aktivität. Die
Kapside sind gleichmäßig geformte, ringförmige Strukturen, deren Zentrum
transparent ist oder elektronendicht sein
kann. Das Kapsid ist von einer Lipidhülle
umgeben, in die die viralen Oberflächenproteine (Env) eingelassen sind. Elektronenmikroskopisch erscheinen die Env
Proteine als 15 nm lange, gleichmäßig
angeordnete „Spikes“ (Antennen). Sie bestehen aus einem Transmembranprotein
von 48 kDa und dem glykosylierten
Oberflächenprotein von ca. 70 kDa.
Taxonomie
Das Humane Spumaretrovirus ist der
Prototyp der Subfamilie Spumavirinae
innerhalb der Familie der Retroviridae.
Aufgrund der Genomorganisation mit
den klassischen retroviralen Genen gag,
pol und env und den zusätzlichen bel Genen wird es als komplex organisiertes Retrovirus bezeichnet und weist somit eine
den anderen humanen Retroviren vergleichbare Genomorganisation auf.
Molekularbiologische Untersuchungen
zur Replikation und Genexpression des
Humanes Spumaretrovirus
HSRV zeigten, daß die Spumavirinae eine
distinkte und klar abgegrenzte Subfamilie innerhalb der Retroviren repräsentieren. So unterscheiden sie sich in einigen
Aspekten ihrer Replikation deutlich von
den anderen Retroviren. Aufgrund von
Sequenzvergleichen bekannter Retroviren mit den Spumaretroviren sowie
durch elektronenmikroskopische Untersuchungen wurde die Stellung der Spumaretroviren als distinkte phylogenetische Gruppe bestätigt.
Historie
Das Humane Spumaretrovirus war das
erste Retrovirus, das aus einem Menschen isoliert und charakterisiert wurde.
Es ist somit das humane Retrovirus, das
als erstes isoliert und charakterisiert
wurde. Das derzeit einzige für Untersuchungen zur Verfügung stehende HSRV
Isolat wurde aus den lymphoblastoiden
Zellen eines ostafrikanischen Nasopharynx Karzinom Patienten isoliert.
Spumaretroviren induzieren nach Infektion bestimmter permissiver Zellen einen
sehr starken cytopathischen Effekt
(CPE), der in der Zell-zu-Zell Fusion
(Synzytienbildung) und der cytoplasmatischen Vakuolisierung („Schaumbildung“) besteht. Dieser starke CPE führte
zur Identifikation der Spumaretroviren
und gab der ganzen Subfamilie den Namen (spuma, lat. Schaum; foamy, engl.
schaumig).
Erkrankungen/Register
Bislang wurde keine klare Assoziation
des HSRV mit einer definierten Erkrankung des Menschen etabliert. Befunde,
nach denen HSRV-spezifische Antikörper oder HSRV-spezifische DNA in Patienten mit der Basedowschen Krankheit,
dem Chronischen Müdigkeits-Syndrom
und verschiedenen Thyreoditiden nachweisbar sind, wurden in nachfolgenden
Untersuchungen nicht bestätigt. HSRVspezifische DNA wurde mittels PCR-Amplifikation aus Lymphozyten von Patienten mit dem fatalen Mittelmeerfieber
nachgewiesen, eine Bestätigung dieser
Befunde erfolgte noch nicht.
Die Spumaretroviren der Tiere (verschiedene Affenspezies, Hamster, Katzen, Rinder) werden, ähnlich wie das HSRV, als
weitgehend apathogen eingestuft.
Mäuse, die das gesamte HSRV Genom
oder subgenomische Fragmente des
HSRV als Transgen tragen, zeigen verschiedene neurologische Symptome und
die Expression von HSRV Genen in bestimmten Bereichen des Gehirns, der
Muskulatur und anderen Organen. Es
wird diskutiert, daß das Env Oberflächenprotein, der virale Transaktivator
der Genexpression Bel 1 oder ein weiteres akzessorisches Genprodukt unbekannter Funktion, das Bet Protein, für die
Hirnläsionen in den HSRV-transgenen
Mäusen verantwortlich sind.
Diagnostik/Symptome
Der Diagnostik einer HSRV-Infektion
kommt eine entscheidende Rolle bei der
Analyse der Prävalenz des HSRV zu (siehe auch Epidemiologie). Für die klassische Serologie wurden ELISAs zur Detektion von Antikörpern gegen die HSRV
Strukturproteine etabliert. Diese ELISAs
zeigen z. T. unspezifische Reaktivitäten.
In serologischen Tests, die auf der indirekten Immunfluoreszenz mit Patientenseren basieren, wird nur eine starke nukleäre Färbung gegen die Gag Strukturproteine als positiv bewertet. Weiterhin
werden Reaktivitäten gegen das in Zellkulturen sehr stark exprimierte Bet Protein als diagnostisch angesehen.
Die Detektion HSRV-spezifischer DNA
erfolgt in der Regel mittels der PCR-Amplifikation. Aufgrund des hohen Risikos
falsch-positiver Resultate durch „kontaminierende“ DNA ist bei dieser Technik
besondere Vorsicht geboten. Zur Bestätigung von PCR-Resultaten ist es deshalb
absolut erforderlich, die Nukleotidsequenz der amplifizierten DNA zu bestimmen. Aufgrund der hohen genetischen
Konserviertheit spumaviraler DNA-Sequenzen sollten diagnostische PCRs
nicht in Labors durchgeführt werden, in
denen auch mit dem etablierten HSRV
Isolat oder klonierter DNA gearbeitet
wird, da sonst nicht unterschieden werden kann, ob Amplifikate mit eng ver273
H
Humanes Spumaretrovirus
wandten Sequenzen neue HSRV Isolate
repräsentieren oder ob sie durch Kontaminationen mit DNA des etablierten
HSRV Isolats entstanden.
Therapie
nichts bekannt
Spezifische Merkmale
Das HSRV ist das derzeit am besten untersuchte Spumaretrovirus. Es wird als
das Prototyp-Spumaretrovirus eingestuft, da die genetische Organisation bekannten Primaten-Spumaretroviren sehr
ähnlich ist. Alle bislang sequenzierten
Spumaretroviren weisen neben den klassischen gag, pol und env Genen zusätzliche Leseraster am 3'-Ende des Genoms
auf. Expressionsprodukte dieser bel Gene
wurden in infizierten Zellen nachgewiesen. Die Präsenz dieser zusätzlichen Gene
charakterisiert Spumaretroviren als komplexe Retroviren, analog zum HIV und
zum HTLV, den anderen humanen Retroviren. Die Expression der akzessorischen
Gene erfolgt vom klassischen LTR Promotor der 5'-LTR und von einem im Ende
des env Gens gelegenen internen Promotor. Dieser interne Promotor ist charakterisitisch für Spumaretroviren. Beide Promotoren des HSRV werden durch den viralen Transaktivator der Genexpression,
dem Bel 1 Protein, transaktiviert. Der Bel
1 Transaktivator ist für die Replikation
des HSRV absolut essentiell. Der Mechanismus der Transaktivierung ist nicht abschließend geklärt, doch liegen die für
die Transaktivierung notwendigen Zielsequenzen oberhalb des Startpunkts der
Transkription. Die identifizierten Zielsequenzen des Bel 1 weisen untereinander
keine deutliche Sequenzhomologien auf.
Es ist deshalb offen, ob das Bel 1 Protein
des HSRV direkt an seine DNA Zielsequenzen bindet oder ob es über ProteinProtein Interaktionen an bereits gebundene Transkriptionsfaktoren bindet. Für
das Affen Spumavirus Typ 1 wurde nachgewiesen, daß der entsprechende Transaktivator an Zielsequenzen des internen
Promotors direkt bindet.
Dem Gag Protein des HSRV fehlt das für
Retroviren typische Cystein-Histidin Mo274
tiv der Nukleokapsid Domäne, stattdessen sind drei Arginin/Glyzin-reiche Sequenzen vorhanden, die, funktionell analog zu dem HIV-1 Nukleokapsid Protein,
wahrscheinlich ebenfalls die Genom-Enkapsidierung vermitteln. Mindestens eines dieser basischen Motive fungiert als
nukleäres Lokalisationssignal. Während
der HSRV Replikation akkumulieren Gag
Vorläufermoleküle transient im Kern der
infizierten Zelle.
Das Pol Protein des HSRV wird nicht, wie
bei den anderen bekannten Retroviren,
als Gag-Pol Fusionsprotein exprimiert.
Vielmehr wird die Pol Translation an einem Methionin am Anfang des pol Gens
initiiert. Für die Translation des Pol Proteins wird eine gespleißte mRNA verwendet, vergleichbare Transkripte sind für
andere Retroviren nicht beschrieben
worden. Die Reverse Transkriptase, das
virale Enzym, das die genomische HSRV
RNA in das DNA Provirus umschreibt,
hat eine deutliche Präferenz für Mn2+ verglichen zu Mg2+ als bivalentes Kation und
unterscheidet sich so von den RTs der anderen humanen Retroviren.
Transmission
Über die Transmission des HSRV liegen
keine Angaben vor. Die Spumaretroviren
der Affen werden u. a. durch Bißverletzungen übertragen. Durch solche Bißverletzungen wurden auch Affenspumaviren
auf Menschen (Tierpfleger) übertragen.
Wirtsbereich
Der Wirtszellbereich des HSRV ist in vitro
vergleichsweise breit, eine große Anzahl
verschiedener humaner und nicht-humaner in vitro kultivierter Zellen können infiziert werden und erlauben eine permissive Virusreplikation. Die akzidentiellen
Infektionen von Tierpflegern mit Affenspumaretroviren und die permanent hohen Antikörpertiter in diesen Personen
legen den Schluss nahe, daß Affenspumaviren auch den Menschen produktiv infizieren können. Versuche, das Affenspumavirus aus den akzidentiell infizierten
Patienten zu re-isolieren waren leider
nicht erfolgreich.
Humanes T-Zell Leukämie Virus (HTLV)
Risikogruppen
nichts bekannt
Epidemiologie
Die Prävalenz des HSRV ist außerordentlich gering und verschiedene Untersuchungen, nach denen die Präsenz des
HRSV mit einer definierten Krankheit
des Menschen korreliert ist, konnten in
nachfolgenden Analysen nicht bestätigt
werden. Die geringe Präsenz des HSRV
ist auch ein Grund, weshalb für virologische Untersuchungen derzeit nur ein einziges Isolat zur Verfügung steht, obwohl
die Isolierung weiterer humaner Spumaretroviren beschrieben wurde.
Da durch Bißverletzungen Affenspumaviren auf Menschen (Tierpfleger) akzidentiell übertragen wurden und da Spumaretroviren aus Schimpansen eng mit dem
Humanen Spumaretrovirus verwandt
sind, wird diskutiert, ob das HSRV durch
seltene Interspezies-Transmissionen vom
Schimpansen auf den Menschen entsteht
/ entstanden ist. In Sequenzvergleichen
zwischen der HSRV Genomsequenz und
bekannten Genomsequenzen der Spumaretroviren der Schimpansen bilden jedoch die verschiedenen Schimpansenviren eine vom HSRV distinkte Gruppe, so
daß das HSRV als ein sehr enger Verwandter der Schimpansen-Spumaretroviren anzusehen ist.
Prävention
Referenzzentren
Schlüsselliteratur
1. Achong, G., Mansell, P.W.A., Epstein, M.A.
und Clifford, P., An unusual virus in cultures from a human nasopharyngeal carcinoma. J. Natl. Cancer Inst. 42:299 – 307 (1971).
2. Löchelt, M. und Flügel, R.M. The molecular
biology of human and primate spuma retroviruses. In: The Retroviridae, Vol. 4, edited by Levy, J.A, Plenum Press, New York
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3. Schweizer, M., Turek, R., Hahn, H., Schliephake, A., Netzer, K.-O., Eder, G., Reinhard,
M., Rethwilm, A., und Neumann-Haefelin,
D. Markers of foamy virus infections in
monkeys, apes, and accidentally infected
humans: appropriate testing fails to confirm suspected foamy virus prevalence in
humans. AIDS Res. Hum. Retroviruses
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Rethwilm, A. Regulation of expression and
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5. Löchelt, M. und Flügel, R.M. The human
foamy virus pol gene is expressed as a ProPol polyprotein and not as a Gag-Pol fusion
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Science 271:1579 – 1582 (1996).
Humanes T-Zell Leukämie Virus (HTLV)
Erregerbezeichnung
Humanes T-Zell Leukämie Virus Typ 1
(HTLV-1)
Humanes T-Zell Leukämie Virus Typ 2
(HTLV-2)
Morphologie
HTLV bildet shärische Viruspartikel mit
einem Durchmesser von 80 bis 100 nm.
Das Nukleokapsid ist konzentrisch und
umgeben von einer Virushülle (Phospholipidmembran). Der Viruskern wird vom
Nukleokapsidprotein p15, dem Kapsidprotein p24 und dem Matrixprotein p19
gebildet, die wie bei anderen Retroviren 2
Kopien der viralen RNA umgeben. Auf
der Virusmembran befinden sich die
Hüllproteine gp46 und das membranständige p21. Die Virionen sind sehr
stark zellassoziiert.
Taxonomie
HTLV-1 und 2 gehören zur Familie der
Retroviren und bilden zusammen mit
dem „Bovine Leukemia Virus“ (BLV) und
275
H
Humanes T-Zell Leukämie Virus (HTLV)
dem „Simian T-cell Leukemia Virus“
(STLV) eine Gruppe. Die Sequenzhomologie zwischen HTLV-1 und HTLV-2 beträgt etwa 65 %.
Historie
HTLV-1 wurde von Poiesz und Mitarbeitern im Jahre 1980 aus einer Zellinie isoliert (HUT-102), die von einem Patienten
mit kutanem T-Zell Lymphom stammte.
HTLV-2 wurde von R.C. Gallo am NIH in
Bethesda in einer T-Zellinie (Mo-T) aus
einem Patienten mit Haarzell-Leukämie
identifiziert und aufgrund von serologischer Kreuzreaktivität als eng verwandt
mit HTLV-1 eingestuft.
Erkrankungen/Register
HTLV-1:
assoziierten Myelopathie (HAM), tritt
vor allem in der Karibik und in Japan auf
und ist klinisch vor allem durch eine spastische Parese der Extremitäten mit positivem Babinski-Reflex, Inkontinenz und
leichte sensorische Ausfälle charakterisiert. Im Liquor sind Antikörper gegen
HTLV-1 sowie atypische Lymphozyten
nachweisbar. Mittels NMR sind periventrikulär im Gehirn sowie im thorakalen
Rückenmark Demylinisierungen diagnostizierbar.
Darüber hinaus wird ein Zusammenhang
zwischen HTLV-1 und einer Reihe weiterer Erkrankungen diskutiert (z. B. B-Zell
CLL, HTLV-1 assoziierte Uveitis, sowie eine Form der chronischen Polyarthritis).
HTLV-2: Atypische Haarzell-Leukämie:
Obwohl HTLV-2 aus einer Zellinie von einem Patienten mit atypischer HaarzellLeukämie (vom T-Zell Phänotyp)
stammt, ist die Assoziation von HTLV-2
mit dieser Erkrankung bisher nicht gesichert. Ähnliches gilt für andere Leukämie-Formen bzw. Tumoren, so daß eine
Krankheitassoziation für HTLV-2 im Gegensatz zu HTLV-1 bislang nicht mit Sicherheit bewiesen ist.
Adulte T-Zell Leukämie (ATL): Der Manifestationsindex der Adulten T-Zell Leukämie (ATL) bei HTLV-1 infizierten Personen ist relativ gering (etwa 1 % über
die gesamte Lebenszeit). Die ATL tritt in
der Regel 20 bis 30 Jahre nach der Infektion auf und kann unterteilt werden in 4
Verlaufsformen: (a) pre-ATL (b) chronische ATL (c) ATL vom Lymphom-Typ
und (d) akute ATL. Die pre-ATL ist charakterisiert durch das Auftreten von abnormen Lymphozyten und/oder einer
Leukozytose, die chronische ATL als eine
weniger aggressive Form der akuten ATL
durch Hautläsionen, eine geringe Zahl an
leukämischen Zellen im peripheren Blut
und das Fehlen einer viszeralen Beteiligung, und die akute ATL durch Hautläsionen, eine starke Leukozytose infolge
leukämischer Zellen, Eosinophilie, Neutrophilie und Hepatosplenomegalie. Darüber hinaus können Knochenläsionen,
ein erhöhter Kalzium-, LDH- und Bilirubin-Spiegel im Blut, sowie Immundefizienz mit opportunistischen Infektionen
auftreten. Die mittlere Überlebenszeit
der akuten Form der ATL beträgt 6 Monate.
Diagnostik/Symptome
Zum Screening werden ELISA oder Agglutinations-Tests verwendet, die gegen
HTLV-1/2 gerichtete Antikörper nachweisen. Die Antikörper-Titer sind im Vergleich zu HIV niedrig, weshalb die Tests
eine hohe Sensitivität aufweisen müssen.
Kompetitive ELISA’s oder RIA’s sind in
der Lage, zwischen HTLV-1 und HTLV-2
zu unterscheiden, was im Hinblick auf
die unterschiedliche Prognose von Bedeutung ist. Als Bestätigungstest findet
der Western Blot und die Polymerase
Ketten Reaktion (PCR) aus Lymphozyten-DNA Anwendung. Die PCR eignet
sich auch für die Differenzierung zwischen HTLV-1 und HTLV-2.
Tropisch Spastische Paraparese (TSP)/
HTLV-1-assoziierte Myelopathie (HAM):
Die Tropisch Spastische Paraparese
(TSM), die identisch ist mit der HTLV-1-
Therapie
Eine Therapie wird wegen des niedrigen
Manifestationsindexes nur bei den subakuten und akuten Formen der ATL
276
Humanes T-Zell Leukämie Virus (HTLV)
durchgeführt. Chemotherapeutische Standardschemata, wie sie bei aggressiven
Formen von Non-Hodgkin-Lymphomen
und bei ALL Anwendung finden, sind bei
ATL wenig erfolgversprechend. Das Chemotherapeutikum
Deoxycoformycin
konnte konnte zumindest in einigen
Patienten eine Remission induzieren.
Ähnliches gilt für die Gabe von anti-Tac
Antikörper, der gegen den IL2-Rezeptor
gerichtet ist. Bei TSP wurden mit unterschiedlichem klinischen Erfolg Behandlungsversuche mit Kortikosteroiden,
humanem Gammaglobulin und § -Interferon unternommen.
Spezifische Merkmale
Aufbau des Virusgenoms und Virusproteine: Das Einzelstrang (+) RNA Virusgenom hat eine Länge von etwa 9 kb und
kodiert wie bei allen Retroviren die gag
(Strukturproteine des Viruskerns), pol
(Reverse Transkriptase, Protease und Integrase) und env (Hüllproteine) Genprodukte. Charakteristisch für HTLV ist ein
Bereich 3' von env, der auch als Region X
bezeichnet wird. In diesem Bereich kodiert das jeweils zweite Exon der beiden
regulatorischen Proteine tax und rex. Tax
wirkt, ähnlich wie tat von HIV auf den 5'
„Long Terminal Repeat“ (LTR), den Promoter von HTLV, und steigert die Transkription viraler mRNA’s. Rex verstärkt
ähnlich wie rev von HIV den Transport
von viralen Transkripten vom Nukleus
ins Zytoplasma. Der LTR von HTLV-1 enhält neben der Bindungsstelle für tax einige weitere Sequenzelemente, die von
zellulären Transkriptionsfaktoren, z. B.
CREB, SP-1, AP-2 und NF-1 gebunden
werden. Interessanterweise ist die Variabilität im Vergleich zu HIV wesentlich geringer. Selbst Isolate aus unterschiedlichen geographischen Regionen besitzen
noch eine Sequenzhomologie zwischen
96 bis 99 %
Zelltropismus und T-Zell Transformation: HTLV-1 infiziert in vivo und in vitro
eine ganze Reihe von unterschiedlichen
Zelltypen. In vivo sind im wesentlichen
CD4+ T-Lymphozyten infiziert, daneben
aber auch B-Lymphozyten und Stammzel-
len des Knochenmarks. Auch in vitro lassen sich verschiedene Zellen infizieren, allerdings tritt ein immortalisierende Wirkung nur bei T-Zellen auf. In Übereinstimmung mit dem breiten Zelltropismus
kann der bisher nicht identifizierte zelluläre Rezeptor für HTLV-1 in sehr vielen
unterschiedlichen Zellen nachgewiesen
werden. Das trans-aktivierende tax Protein von HTLV beeinflußt nicht nur den
eigenen, sondern auch heterologe zelluläre Promoteren und wirkt dadurch transformierend. Ein wichtiges Beispiel hierfür
ist die Transaktivierung des Interleukin-2
(IL-2) und des IL-2-Rezeptor Promoters
durch tax. Auf diese Weise wird eine autokrine Schleife etabliert, die die infizierten
Zellen zur kontinuierlichen Proliferation
anregt. Neben IL-2 werden auch noch weitere Zytokine und Wachstumsfaktoren induziert. Darüber hinaus besitzen auch
inaktivierte HTLV-Virionen bereits eine
mitogene Wirkung auf T-Lymphozyten,
ohne daß diese infiziert werden müßten.
Im Gegensatz zu HTLV-1 infiziert HTLV-2
wahrscheinlich vorwiegend CD8+ T-Lymphozyten.
Transmission
HTLV-1 wird durch sexuelle Übertragung, vertikale Transmission von der
Mutter auf das Kind und parenteral
durch infizierte Blutkonserven übertragen. Die sexuelle Übertragung basiert auf
infizierten T-Lymphozyten im Samen,
und ist wesentlich häufiger vom Mann
auf die Frau als umgekehrt. Die vertikale
Übertragung von der Mutter auf das
Kind ist auf infizierte T-Lymphozyten in
der Muttermilch zurückzuführen. Eine
zellfreie Übertragung, z. B. über Blutplasma oder Plasmaprodukte, ist offensichtlich nicht möglich.
Wirtsbereich
Der natürliche Wirt von HTLV-1 und
HTLV-2 ist der Mensch. Beide Viren besitzen jedoch ein vergleichsweise breites
Wirtsspektrum in vivo und in vitro. Tierexperimentell konnten zum Beispiel Affen und Kaninchen mit HTLV-1 infiziert
werden.
277
H
Hymenolepis nana, Hymenolepis diminuta
Risikogruppen
In Endemiegebieten sind entsprechend
dem Infektionsmodus vorwiegend Ehefrauen von Infizierten sowie Neugeborene von HTLV-1-infizierten Müttern gefährdet. Risikogruppen für HTLV-2 sind
Drogenabhängige, sowie nord- und südamerikanische Indianer.
Epidemiologie
HTLV-1 ist weltweit verbreitet, tritt jedoch vorwiegend in Japan, im südpazifischen Raum, der Karibik und in Teilen
Westafrikas auf. Auch innerhalb dieser
Endemiegebiete ist die Verteilung von
HTLV-1 regional und lokal sehr unterschiedlich. Die Gesamtzahl der HTLV-1
Infizierten wird auf 10 bis 20 Millionen
geschätzt. HTLV-2 ist vorwiegend verbreitet unter Drogenabhängigen und
nord- und südamerikanischen Indianern.
Im Vergleich zu HTLV-1 ist die Inzidenz
weltweit wahrscheinlich relativ gering.
Prävention
Ein Impfstoff ist derzeit nicht erhältlich.
Aufgrund der hohen Zahl von HTLV-1Infizierten erscheint die Entwicklung einer Vakzine trotz des niedrigen Manifestationsindexes sinnvoll.
Referenzzentren
Ein offizielles Referenzzentrum existiert
in Deutschland aufgrund der niedrigen
Prävalenz nicht. Ansprechpartner bei
Verdacht auf eine HTLV-Infektion ist
Herr Prof. Dr. K. von der Helm (Maxvon-Pettenkofer Institut, Universität
München, Pettenkofer Str. 9a, 80336
München, Tel. 089/5160 – 5274, Fax. 089/
5380584).
Hymenolepis nana, Hymenolepis diminuta
Zestodeninfektionen (Bandwürmer)
Peter Kern, Ulm
Erregerbezeichnung
Hymenolepis nana, Hymenolepis diminuta
Morphologie
Die Würmer parasitieren in Nagetieren
und sind 2,5 – 4 cm (H. nana) bzw. 30 – 60
cm (H. diminuta) lang. Der Kopf hat einen einfachen Hakenkranz und winzige
Proglottiden. Die Eier sind meist als Pakete verklebt. Zwischenwirt sind verschieden Arthropoden, darunter Käfer
und Flöhe. Auch der Mensch kann Träger
des Zwischenwirtstadiums sein. Im Zwischenwirt entwickelt sich das Cysticerkoid. Der Mensch kann sich durch die Aufnahme von Eiern reinfizieren. Die Autoinfektion kann für viele Jahre bestehen.
Taxonomie
Familie Hymenolepididae, Arten Hymenolepis nana, Hymenolepis diminuta
Historie
Erkrankungen/Register
Zwergbandwurm, Hymenolepis nana-Infektion,Hymenolepis diminuta-Infektion
Schlüsselliteratur
Diagnostik/Symptome
Symptome: Die Infektion macht sich
nicht bemerkbar. Die Erkrankung wird
zufällig durch den Nachweis von Eiern im
Stuhl festgestellt.Eine Eosinophilie ist selten.
Cann, A.J. and Chen, I.S.Y. Human T-Cell Leukemia Virus Types 1 and 2 (1996) 3rd edition, edited by Fields, B.N., Knipe, D.M. and
Howley, P.M. Lippincott-Raven, Philadelphia, pp 1849 – 1880.
Bildgebende Verfahren und serologische
Untersuchungen sind unnötig. Die Diagnose erfolgt durch den Nachweis der
charakteristischen Eier im Stuhl.
Therapie
Therapie der Wahl ist Niclosamid, wahrscheinlich ist Praziquantel ebenso wirksam.
278
Hymenolepis nana, Hymenolepis diminuta
Hypoderaeum (siehe Darmegel)
Risikogruppen
Klinisch relevante Infektionen des Menschen sind selten.
Hypoderma (siehe Myiasis)
Epidemiologie
Weltweit, häufiger in warmen Klimazonen. Reservoir sind Nagetiere.
Spezifische Merkmale
Die Präpatenzzeit beträgt zwei bis drei
Wochen.
Prävention
Infizierte Käfer in Getreidezubereitungen
(Reformhaus) sind potentielle Überträger.
Transmission
Durch den Verzehr von larvenhaltigen
Arthropoden kommt es zur Infektion. Bei
H. nana sind auch die Eier infektiös (Autoinfektion).
Wirtsbereich
Referenzzentren
Nicht bekannt.
Schlüsselliteratur
Diagnostic Medical Parasitology. Garcia LS
and Bruckner DA. 2nd Edition. American
Society for Microbiology 1993.
279
H
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