6.3. Polymerisation - Ihre Homepage bei Arcor

Werbung
6.3. Polymerisation
6.3.1. Definition und Beispiele
Bei der Polymerisation handelt es sich um eine Reaktion aktivierter Doppelbindungen, die
sich miteinander verbinden, ohne dabei Reaktionsnebenprodukte abzuspalten. Die
Aktivierung der Doppelbindungen kann auf unterschiedlichste Weise erfolgen, so z.B. durch
Energiezufuhr (Wärme, Bestrahlung, Ultraschall) oder den Einsatz stofflicher Initiatoren, die
sich leicht zu Radikalen oder reaktiven Ionen anregen lassen und so die Polymerisation
starten
Technisch am bedeutendsten sind Radikalinitiatoren wie Peroxide und Azoverbindungen,
jedoch spielen neben radikalischen und ionischen Initiatoren heute auch zunehmend MetallKomplex-Initiatoren (wie z.B. Ziegler-Katalysatoren aus TiCl4 oder TiCl3 und
Aluminiumalkylen) eine bedeutende Rolle, da nur mit ihnen in der Regel eine ausreichende
Beeinflussung der stereochemischen Abläufe gewährleistet ist.
Das Prinzip der radikalischen Polymerisation von einfachen Olefinen (Alkenen), Dienen und
substituierten Vinylverbindungen (H2C=CHX) wurde bereits in den Kapiteln 2 und 3
beschrieben, um z.B. Strukturprinzipien von Makromolekülen zu erläutern. Die radikalische
und anionische Polymerisation von Styrol wurde in Kapitel 6.1. erwähnt. Die Polymerisation
ist jedoch nicht auf olefinische Monomere beschränkt. Auch Formaldehyd oder dessen
Trimeres, Trioxan, lassen sich z.B. ionisch polymerisieren.
Jedoch sind die durch radikalische Vinylpolymerisation erhaltenen Polymerisate technisch
am wichtigsten, so dass ihr Reaktionsprinzip in Abbildung 28 dargestellt ist.
Abb. 28:
Technisch bedeutende Polymerisate durch radikalische Polymerisation
Monomer
Polymerisat (Handelsname)
H
H
H
X
X
X
X
X
-H
R
Eth(yl)en
Polyeth(yl)en (Hostalen
Styrol
Polystyrol
- Cl
Vinylchlorid
Polyvinylchlorid (PVC)
- CN
Acrylnitril
Polyacrylnitril (PAN, Dralon
Vinylpyrrolidon
Polyvinylpyrrolidon (Luviskol
Vinylcarbazol
Polyvinylcarbazol
N
O
,......)
R
, Orlon R )
R
K)
N
Monomer
Polymerisat (Handelsname)
H
Z
H
X
X
X
X
X
Z
-Cl
-Cl
Vinylidenchlorid
-CH3
-COOCH3 Methacrylsäuremethylester Polymethacrylsäureester, (Polymethylmethacrylat
PMMA, Plexiglas R )
-CN
-COOR
Cyanacrylsäureester
Monomer
F
Polyvinylidenchlorid
Poly--cyanacrylester (Polycyanacrylat)
Polymerisat (Handelsname)
F F
F F
F F
F
F
F
Tetrafluoreth(yl)en
F F
F F
F F
Polytetrafluoreth(yl)en (Teflon
R)
Polyethylen (PE) wird als Thermoplast hauptsächlich zu Folien, Platten und Spritzgussteilen
verarbeitet. Man findet es in vielen Haushalts- und Spielwaren oder als Schaumstoff im
Fahrzeugbau. Je nach Molekulargewicht, Verzweigungsgrad und Kristallinität zeigt
Polyethylen wachsartige bis harte Konsistenz.
Man unterscheidet Polyethylen niederer Dichte ("low density": LDPE mit D = 0.91 - 0.92
g/cm3 / Kristallinitätsgrad 40 - 55 %) von solchem mit hoher Dichte ("high density": HDPE
mit D = 0.94 - 0.96 g/cm3 / Kristallinitätsgrad 75 - 85 %). LDPE wird durch eine
Hochdruckpolymerisation (1400 - 3500 bar, 150 - 350o C) hergestellt. HDPE entsteht in
einer Niederdruckpolymerisation (unter 60 bar, 60 - 250o C) mit heterogenen
Übergangsmetall-Katalysatoren (Ziegler, Natta: Chemie-Nobelpreis 1963).
Polystyrol (PS) wird vorwiegend thermoplastisch im Spritzguss verarbeitet und zu Platten
und Folien extrudiert. Es ist ein glasklares, steifes und relativ sprödes Material, das z.B. für
Lebensmittelverpackungen (z.B. Joghurtbecher) zugelassen ist. Teile aus schlagfestem
Polystyrol werden z.B. in Kühlschränken, Telefonapparaten, Fernseh-, Radio- und
Elektrogeräten verarbeitet. Treibmittelhaltiges Polystyrol lässt sich aufschäumen (Styropor®),
wobei Wärme-, Kälte- und Schalldämmstoffe entstehen.
Zur Verbesserung der Eigenschaften dienen folgende Modifizierungen:
- Modifizierung mit Kautschuk:
(high impact PS: HIPS: hochschlagzäh)
- Propfcopolymer mit Butadien:
- Copolymerisation mit Acrylnitril:
schlagfest
(SAN) fest, hart und formbeständig,
transparent.
Abb. 29 zeigt eine elektronenmikroskopische Aufnahme von schlagfestem Polystyrol:
Die dunklen Bereiche stellen die elastische Polybutadien-Komponente dar. Diese elastische
Kautschukphase nimmt die Energie bei Schlagbeanspruchung durch lokale Deformation auf,
so dass es nicht zur Rissbildung kommt.
Abb. 29:
Polystyrolmatrix mit großen, kugelförmigen Modifizierteilchen, an denen Risse
gestoppt sind.
Übergangszone
1
µ
m
Polyvinylchlorid (PVC) kommt als Hart-PVC in den Handel, sofern es keine Weichmacher
als Additiv enthält. Es ist bis etwa 40o C hart, um 100o C thermoelastisch und oberhalb 160o
C thermoplastisch formbar. Bei 140o C beginnt unstabilisiertes PVC jedoch Chlorwasserstoff
abzuspalten. Es wird u.a. zu Rohren, Profilen, Folien, Platten und Hohlkörpern verarbeitet.
Weichgemachte Typen (Weich-PVC) werden auch für Kunstleder, Fußbodenbeläge,
Schläuche sowie Draht- und Kabelisolierungen verwendet.
Polyacrylnitril (PAN) wird in erster Linie zu Fasern verarbeitet, die knitterfrei, leicht
waschbar, schnell trocknend, tropen-, säure-, hitze-, Lösemittel- und alterungsbeständig sind.
Die Fasern enthalten meistens neben Acrylnitril eine kleinere Menge eines Comonomers, um
z.B. die Anfärbbarkeit zu verbessern. PAN-Fasern werden jedoch nicht nur in der
Bekleidungsindustrie und für Heimtextilien (Dralon®) eingesetzt, sondern auch für technische
Zwecke wie Filter, Filze und Siebe. Eine interessante und wichtige Anwendung von
Polyacrylnitrilfasern zeichnet sich auch beim Asbest-Ersatz ab. Wegen ihrer hohen Alkaliund Witterungsbeständigkeit konnten kurze PAN-Fasern nämlich bereits erfolgreich als
Verstärkungsfasern in Zement eingesetzt werden. Während die früher eingesetzten mineralischen Asbestfasern in feine Fibrillen von weniger als 3 µm Durchmesser aufspalteten, die in
der Lunge unter ungünstigen Bedingungen zur Bildung von Karzinomen führen konnten,
liegen die Abmessungen der PAN-Fasern weit oberhalb des "medizinisch kritischen
Bereiches".
Abb. 30 a zeigt die Vergrößerung einer PAN-Faser (Dralon®) unter dem Rasterelektronenmikroskop. Der kompakte Querschnitt der Faser verhindert die Aufnahme von größeren
Mengen Feuchtigkeit. Für Sportbekleidung ist es jedoch wichtig, dass einerseits der Schweiß
aufgenommen, andererseits die Luftdurchlässigkeit erhalten bleibt. Die Chemie-Faser
Dunova® besteht ebenfalls aus Polyacrylnitril, zeigt aufgrund ihrer "Kern-Mantel-Struktur"
aber diese massgeschneiderten Eigenschaften. Die Abbildungen 30b und c zeigen den
Faseraufbau aus einem äußeren Mantel, der durch feine Kapillaren den Schweiß wie
Löschpapier aufsaugt, und einem inneren Kern, dessen Poren die Feuchtigkeit wie ein
Schwamm speichern.
Abb. 30: a) Elektronenmikroskopische Aufnahme von Dralon®
b) Modell
und
c) elektronenmikroskopische Aufnahme
der neuen Textilfaser Dunova® mit
Kern-Mantel-Struktur
Das 1939 von Reppe synthetisierte Polyvinylpyrrolidon (PVP) wurde im und nach dem
zweiten Weltkrieg wegen seiner proteinähnlichen Eigenschaften als "Blutersatzmittel"
verwendet. Es wird häufig als Bindemittel in Tabletten und in der Kosmetik verwandt.
Copolymere mit Vinylacetat (s. Abb. 2) werden wegen ihrer Bindung an Keratin als
Filmbildner in Haarsprays und Haarfestigern eingesetzt.
Polyvinylcarbazol (PVK) ist ein thermoplastisches Polymerisat, das u.a. als organischer
Halbleiter in der Elektronik und Elektrotechnik eingesetzt wird. Strukturell ist PVK von
Interesse, da seine sperrigen Seitenketten eine enge Knäuelung des Makromoleküls
verhindern und diesem eine mehr gestreckte Form aufzwingen.
N
N
CH2
CH
N
CH2
CH
CH2
CH
CH2
CH
N
CH2
N
CH
CH2
CH
N
Polyvinylidenchlorid (PVDC) kommt nur mit Copolymerisatbestandteilen (Vinylchlorid,
Acrylnitril, Acrylate) zur Anwendung. Bei einem Vinylidenchloridgehalt von über 80 % sind
diese Copolymerisate hochkristallin und daher sehr hart, abrieb- und wasserfest und auch
chemikalienbeständig. Diese Materialien werden für Beschichtungen verschiedener Substrate
u.a. auch für beschichtete Verpackungen im Lebensmittel- und Pharmabereich verwendet.
Polymethylmethacrylat (PMMA) ist in unpigmentierter Form ein glasartig durchsichtiges,
festes, hartes Polymerisat (Plexiglas®). Beim Abkühlen bildet das thermoplastische PMMA
eine unregelmäßige, dreidimensionale Struktur, die durch Dipol-Dipol-Wechselwirkungen
stabilisiert wird. In diesem amorphen Zustand fehlen die für einen Kristall erforderlichen
regelmäßigen Anordnungen. Solche Substanzen heissen Gläser und sind lichtdurchlässig, da
die für die Lichtreflexion notwendigen Kristallebenen fehlen.
Versuche Nr. 7, 8 und 9
Beispiele für den vielfältigen Einsatz von PMMA finden sich in der Bau- und
Fahrzeugverglasung, der Lichtwerbung, bei Lichtleitern und Linsen. Aber auch
Präzisionsteile wie Winkelmesser oder Prothesenbasen und Kunststoffzähne enthalten
PMMA (s. Abb. 31).
Abb. 31:
Beispiele für Präzisionsteile aus PMMA
a) Winkelmesser
b) Prothesenbasis und Kunststoffzähne
(enthalten vernetzendes Comonomer
und Pigmente)
Eine Kuriosität stellt der Laufkäfer Abax ater dar, der seine Gegner durch Versprühen des
Monomers Methacrylsäure aus einer Hinterleibsdrüse bekämpft. Der Effekt ist verblüffend:
Der Feind wird durch Polymerisation der Methacrylsäure bewegungsunfähig.
-Cyanacrylester polymerisieren in Gegenwart von Feuchtigkeit zu Polycyanacrylaten und
eignen sich in Abmischung mit Weichmachern, Verdickern und Stabilisatoren als
Einkomponentenklebstoffe (Sekundenkleber). Die Polymere längerkettigerer Alkohole
(Butyl-, Hexyl-, Heptylalkohol) werden von Blut gut benetzt und finden daher als
Wundverband oder zum Kleben von Geweben Anwendung. Im Körper werden die
entstehenden Polymerfilme mit der Zeit zu Harnstoff, Wasser und Kohlendioxid abgebaut.
Polytetrafluorethylen (PTFE) ist ein Polymerisat hoher Kristallinität und außerordentlicher
Chemikalien- und Wärmebeständigkeit (Teflon®). Es ist weiterhin physiologisch inert und
nicht brennbar. Wegen seiner hohen Schmelzviskosität ist PTFE nicht plastisch formbar.
Formkörper oder Beschichtungen (Brat- und Kochgeräte, chemische Apparate) entstehen
durch Sintern des Polymerpulvers bei 370 - 380o C gegebenenfalls unter Druck.
Auf die Bildung von Isomeren bei der Polymerisation von Monomeren wurde bereits in
Kapitel 3.1. hingewiesen:
- Kopf-Schwanz- bzw. Kopf-Kopf-Produkte
- 1,2- und 1,4-Polymerisat von 1,2-Dienen
- cis- und trans-konfigurierte Olefine
- R- bzw. S-Konfiguration an Asymmetriezentren, die in ihrer Aufeinanderfolge die
Taktizität
(ataktisch, isotaktisch, syndiotaktisch) festlegen.
Im selben Kapitel wurden auch die Unterschiede zwischen linearen, verzweigten und
vernetzten Polymerisaten sowie das Auftreten verschiedener Copolymerisate (statistische,
alternierende, Block- und Pfropf-Copolymerisate) diskutiert.
6.3.2. Mechanismus und verfahrenstechnische Einteilung
Die Polymerisation von Monomeren kann durch unterschiedliche Art der Aktivierung der
beteiligten Doppelbindungen ausgelöst werden (s. Kapitel 6.3.1.). Am häufigsten ist der
Einsatz von Initiatoren, die in einer vorgelagerten Reaktion Radikale (vgl. z.B. Versuch Nr. 3
oder Nr. 9) oder Ionen (vgl. Versuch Nr. 7 oder 8) bilden. Im Falle der radikalischen
Polymerisation löst das Startradikal R. eine Kettenreaktion aus, die reaktionskinetisch im
wesentlichen durch drei Reaktionsphasen gekennzeichnet ist.
Vorgelagerte Reaktion
Initiator
oder Monomer
oder h
R
oder h
R
.
.
( = Wärmeenergie, h = Strahlungsenergie)
Startreaktion
H
H
.
R
+ H
.
H
X
X
R
H
H
Wachstumsreaktion (n-mal)
H
+ H
X
H H
H
X H
H
.
.
X
X
H H
H
H H
Abbruchreaktion
a) durch Rekombination
H
X
.
X
.
H
H H X
+ H
H H
H
H
H H
H
X
b) durch Disproportionierung
H
X
.
X
H
.
+ H
H H
X
H H
X
H
+
H H
H
H
Die benötigten Startradikale können z.B. durch den thermischen Zerfall von als Initiatoren
zugesetzten Azoverbindungen oder Peroxiden gebildet werden:
a) Die am häufigsten eingesetzte Azoverbindung ist das Azo-bis-isobutyronitril (AIBN), auf
dessen Verwendung hier jedoch verzichtet wird, da die gebildeten Radikale zum
gesundheitsschädlichen Tetramethylbernsteinsäuredinitril rekombinieren können:
CH3
H3C
CN
N
N
CN
CH3
CH3
N2
2 HC
3
CH3
.
CN
H3C
NC
CH3
CN
CH3
CH3
b) Ein häufig verwendeter peroxidischer Initiator ist das Dibenzoylperoxid (BPO)
O
O
O
O
2
O
O
.
2
.
- 2 CO2
Die Praxis kennt verschiedene verfahrenstechnische Ausführungsformen der Polymerisation,
z.B. in Substanz, Lösungspolymerisation, Emulsionspolymerisation, Suspensionspolymerisation. Diese verschiedenen Verfahren wurden entwickelt, weil die technische Durchführung
der Polymerisation in erster Linie ein Problem des Wärmeaustausches ist. Die Monomere
sind flüssig oder gasförmig und die gebildeten Polymere fest oder - bei höheren Temperaturen - zähplastisch. Die Polymerisation ist eine exotherme Reaktion. Um also ein
"Durchgehen" der Reaktion zu verhindern, muss man genügend kühlen und durch starkes
Rühren für guten Wärmeaustausch sorgen.
Nur wenige Monomere polymerisieren so langsam, dass sie ohne Gefahr in Substanz, also
unverdünnt, polymerisiert werden können. Aber nach diesem Verfahren erhält man die
reinsten und gleichmäßigsten Polymerisate. Unter anderem können Polymethylmethacrylat,
Polystyrol und Guss-Polyamid aus Caprolactam nach dieser Methode hergestellt werden
(Versuche 9 und 10).
Bei der Lösungspolymerisation wird das Monomer in einem Lösemittel gelöst (Versuch Nr.
8), das auch das entstehende Polymere gut zu lösen vermag. Das Lösemittel sollte möglichst
unpolar sein (Toluol, Xylol, Pentan, Cyclohexan), um unerwünschte Nebenreaktionen zu
vermeiden. Diese Art von Polymerisation wird vor allem für Klebstoff- und Lackrohstoffe
angewendet, die in Lösung zur Verarbeitung gelangen, denn die Gewinnung des reinen
Polymerisates aus der Lösung ist sehr schwierig, da das Polymerisat Reste von Lösemitteln
hartnäckig festhält.
Unter Fällungspolymerisation wird eine Polymerisation verstanden, bei der das Monomere
im Reaktionsmedium löslich, das Polymere aber unlöslich ist und deshalb ausfällt.
Die Substanzpolymerisation geht in eine Fällungspolymerisation über, wenn das Polymere
im Monomeren unlöslich ist. Entsprechendes gilt für die Lösungspolymerisation. Bei der
Fällungspolymerisation scheidet sich das Polymere als Niederschlag oder Gel ab. Durch
Fällungspolymerisation
werden
beispielsweise
Methacrylsäuremethylester
in
Wasser/Methanol (Versuch Nr. 10) oder Mischpolymerisate des Vinylchlorids in
Kohlenwasserstoffen oder Alkoholen hergestellt.
Bei der Emulsionspolymerisation (wasserlösliche Katalysatoren!) werden Monomere und
Polymere mittels geeigneter Emulgatoren in feiner Verteilung im wässrigen Dispergiermittel
gehalten. Das Polymerisat kann nach Beendigung des Prozesses nach verschiedenen
Verfahren abgeschieden und zu feinem Pulver aufgearbeitet werden oder als feinteilige
wässrige Dispersion (Latex mit Teilchendurchmesser zwischen 50 und 200 nm) zur
Anwendung kommen. Polyvinylchlorid, Polystyrol, Polyacrylester, synthetischer Kautschuk
aus cis-1,4-Polybutadien (Buna®) oder Butadien-Acrylnitril-Copolymeren (Perbunan® N) und
andere Vinylderivate entstehen auf diese Weise. Die Emulsionspolymerisation ist eines der
wichtigsten großtechnischen Verfahren der organischen Chemie.
Die Suspensionspolymerisation (im Monomeren lösliche Katalysatoren!) vollzieht sich in
einer wässrigen Dispersion unter Zusatz gewisser Schutzkolloide. Die Reaktionskinetik der
Suspensionspolymerisation ist der der Substanzpolymerisation ähnlich; jedes einzelne
Monomertröpfchen stellt für sich ein System für eine Substanzpolymerisation dar, dessen
Reaktionswärme durch das umgebende Wasser abgeführt wird. Das Polymerisat fällt hierbei
in Form von Tröpfchen an, die sich absetzen und zu einem rieselfähigen Korn oder in
Perlform erstarren. Wird die Suspensionspolymerisation so durchgeführt, dass das
Polymerpulver aus weitgehend gleichmäßigen, runden Kügelchen (meist zwischen etwa 10
und 100 µm Durchmesser) besteht, spricht man auch von einer Perlpolymerisation. Nach
dem Verfahren der Suspensionspolymerisation werden Polymethacrylate, Polystyrol,
Polyvinylchlorid u.a. hergestellt.
Ein interessantes Verfahren, das in kürzester Zeit besondere Bedeutung gewonnen hat, ist die
stereospezifische
Polymerisation
(Ziegler/Natta
1953/54)
mit
Ziegler´schen
Mischkatalysatoren auf metallorganischer Basis. Die stereospezifische Polymerisation führt
zu Polymeren mit einem hohen Kristallinitätsgrad. Auch bei niedrigem spezifischen Gewicht
weisen solche stereoregulären Polymere (s. Kapitel 3.1. - Taktizität) außerordentlich gute
mechanische Festigkeiten bei gleichermaßen verbesserten chemischen Eigenschaften auf. So
wurden beispielsweise aus isotaktischem Polypropylen Fasern mit einer Festigkeit bis zu 70
kg/mm2 erhalten. Diese Festigkeit entspricht derjenigen des Stahls.
4.1. Thermoplast, Duroplast, Elastomer, Duromer
Kunststoffe mit linearen (oder verzweigten) unvernetzten Makromolekülen sind prinzipiell
plastisch verformbar
Das Fließverhalten (Viskosität) von Polymeren hängt in starkem Maße vom Molekulargewicht
ab. Polymere mit niedrigem Molekulargewicht sind häufig bei Raumtemperatur honigartig.
Bestehen nur geringe Sekundärkräfte zwischen den Molekülketten, können diese leicht
aneinander abgleiten. Das Material verändert ohne große Krafteinwirkung seine Form und
verfliesst. Ferner sind derartige Produkte in der Regel leicht löslich.
Kunststoffe höheren Molekulargewichts mit langen Ketten weisen im allgemeinen höhere
Festigkeit auf. Ursachen dieser erhöhten Festigkeit sind verstärkte Wechselwirkungen zwischen
den Ketten (van der Waals, Dipol-Dipol, H-Brücken-Bindungen), Verhakungen und
Verschlaufungen der verschiedenen Polymerketten untereinander und kristalline Bereiche. Die
Summation dieser Einzelkräfte und die Art der Tertiärstruktur (s. 3.3.) bewirken, dass die Ketten
bei normaler Temperatur und in vielen Fällen auch noch bei sehr hoher Temperatur aneinander
festgehalten werden und nur schwer voneinander abgleiten können. Erst bei höherer Temperatur
werden die Sekundärbindungen durch die Wärmebewegung geschwächt, und die
Kettenmoleküle gleiten unter Zug oder Druck aneinander ab; die Stoffe sind thermoplastisch.
Thermoplaste sind bei normaler Temperatur spröde oder zähelastische Kunststoffe, die sich
ohne wesentliche chemische Veränderung durch Erwärmen reversibel in den plastischen
Zustand bringen und verformen lassen. Thermoplaste sind schmelzbar und bei nicht zu hohem
Molekulargewicht in Abhängigkeit von ihrem chemischen Aufbau mehr oder weniger gut
löslich. Das vielseitige Verhalten der zahlreichen verschiedenen Stoffe bei Raumtemperatur vom transparenten zum undurchsichtigen, vom spröden zum zähelastischen Material ermöglicht hinreichende Auswahl für jeden Zweck.
Polymere mit räumlich vernetzten Molekülen sind nicht mehr (oder nur sehr wenig) plastisch
verformbar.
Einige
gummielastisch:
spezielle
Polymere
mit
lose
vernetzten
Molekülketten
sind
Durch die Zug- oder Druckbeanspruchung können die verknäuelten Kettenteile zwischen den
Netzbrücken aneinander abgleiten und sich strecken. Im ganzen werden die Ketten aber durch
die vernetzenden Primärbindungen festgehalten (Abb. 12b). Sie können nicht aneinander
vorbeifliessen. Beim Nachlassen der äußeren Kraft nehmen die Kettenteile aufgrund von
Wärmebewegung wieder die ursprüngliche verknäuelte Lage ein (Abb. 12a). Derartige
Polymere werden Elastomere genannt. Sie sind bei tiefer Temperatur spröde und hart, bei
höherer Temperatur elastisch (= gummielastisch), nicht schmelzbar, unlöslich, aber quellbar.
Abb. 12:
a) Kautschukmoleküle in der wahrscheinlichsten Lage;
b) Kautschukmoleküle im gedehnten Zustand
a)
b)
Bei Kunststoffen mit räumlich eng vernetzten Molekülen sind diese durch Primärbindungen
allseitig miteinander verankert (theoretisch ein einziges großes Molekül!). Solche Kunststoffe
sind - wie der Fachmann sagt - vernetzt und werden häufig als Duromere oder Duroplaste
bezeichnet.
Duroplaste sind bei normaler Temperatur sehr hart und spröde. Sie sind temperaturbeständig,
nicht plastisch verformbar, nicht schmelzbar, nur schwer quellbar und unlöslich. Sie entstehen
durch Vernetzung reaktionsfähiger linearer und verzweigter Makromoleküle. Man nennt einen
solchen Prozess "Härtung". Das Harz muss zur Formgebung vor der Härtung plastisch geformt
werden.
Es sei darauf hingewiesen, dass diese Wortschöpfung widersinnig, jedoch gängig ist.
Sinngemäß übersetzt wären Duroplaste nämlich "hartweiche Stoffe" (durus (lat.) =
hart/plastikos (griech.) = formbar). Ein sprachlich besserer Gegensatz zu Thermoplast
(warm/formbar) wäre Thermodur (bei Wärme hart); jedoch hat sich dieser Terminus nicht
durchsetzen können. Hingegen wird häufig als Synonym für Duroplast auch Duromer (meros
(griech.) = Teil/also: hartes Teil) verwandt, was jedoch sprachlich besser als Gegensatz zu
Elastomer verstanden werden sollte, unabhängig vom thermoplastischen oder duroplastischen
Charakter.
Duroplastische Kunstharze sind nach dem Aushärten immer glasig-starr. Das nicht gerade
günstige mechanische Verhalten wird häufig dadurch verbessert, dass die Harze zusammen mit
Harzträgern oder Füllstoffen verarbeitet werden (z.B. Gesteinspulver, Talkum, Kieselsäure,
Holzmehl, organische oder anorganische Fasern, Glasfasern und Glasgewebe). Diese wirken je
nach ihrer Art, verstärkend wie Zuschläge und Bewehrung im Beton. Ihr Anteil am Endprodukt
liegt etwa bei 40 -80%. Man spricht bei diesen "gefüllten" Kunststoffen auch von Composites
oder Verbundwerkstoffen, die es im übrigen auch auf Basis thermoplastischer Harze gibt (s.
Kapitel 8.2.5.).
Herunterladen