Modul III Ao.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr. Manfred J. Lexer Universität für Bodenkultur Wien Österreichs Wald im Klimawandel Szenarien einer anthropogen bedingten Klimaänderung werfen die Frage nach möglichen Auswirkungen auf heimische Waldökosysteme auf. Prognosen über das Ausmaß sowie die zeitliche Entwicklng einer solchen Klimaänderung sind nach wie vor hochgradig mit Unsicherheit verbunden. Im Wesentlichen deuten alle verfügbaren globalen Klimamodelle (GCM; global circulation models) denselben Entwicklungstrend für den Bereich Mitteleuropa an: eine mehr oder weniger starke Erhöhung der Jahresmitteltemperatur im Ausmaß von bis zu +2 °C bis zum Jahr 2050. Hinweise deuten darauf hin, daß die Temperaturen im Winter stärker ansteigen werden als im Sommer, die Temperaturminima wiederum stärker als die Maxima. Die Aussagen in bezug auf den Niederschlag variieren zwischen den Klimamodellen sowohl in bezug auf die Richtung der Veränderung als auch in bezug auf Größenordnung und saisonale Differenzierung. Es ist davon auszugehen, dass insbesondere Niederschlagsveränderungen regional sehr unterschiedlich ausfallen könnten. Welche Möglichkeiten gibt es, die möglichen Auswirkungen eines Klimawandels auf Waldökosysteme abzuschätzen? Ökophysiologische Experimente (meist unter laborähnlichen Bedingungen) geben nur Aufschluss über kurzfristige Reaktionen von Pflanzen auf geänderte Umweltbedingungen. Vor allem aber ist es kaum möglich, die Reaktion von geschlossenen Waldbeständen damit längerfristig zu analysieren. Ein simples "in die Höhe Verschieben" von Vegetationszonen mit zunehmender Temperatur berücksichtigt keine standörtlichen Unterschiede, Analogieschlüsse ("die heutigen Wälder in Ungarn sind die morgigen Wälder in Österreich") greifen meist zu kurz, da davon auszugehen ist, dass es eben zu Standortsbedingungen kommt, für die es keinen Analogzustand gibt. Ähnliche Argumente sprechen z.T gegen die Verwendung von Paläoökologischen Forschungsergebnissen ("Pollenprofile aus dem Holozän"). Sämtliche quantitativen aktuellen Klimafolgenabschätzungen sind daher auf dynamische Waldökosystem-Simulationsmodelle angewiesen. Was sagen vorhandene Forschungsergebnisse in bezug auf mögliche Folgen eines Klimawandels für Österreichs Wald? In einer gemeinsamen Studie von BFW und BOKU (Lexer et al. 2001) ergaben sich folgende Resultate für Klimaänderungsszenarien von bis +2 °C Temperaturanstieg und Niederschlagsreduktion bis -15% bezogen auf das Jahr 2050: (a) In den nächsten Dekaden ist in tieferen Lagen mit z.T. drastischen negativen Auswirkungen durch Baummortalität zu rechnen. Insbesondere sekundäre Fichtenwälder in Tieflagen werden davon betroffen sein. Eine geregelte Bewirtschaftung von standortswidrigen Fichtenbeständen scheint dann nicht mehr möglich zu sein. (b) In höheren Lagen werden mittelfristige Auswirkungen nicht so offensichtlich sein. Es ist erhöhte Produktivität der Waldbestände zu erwarten (mehr Holzzuwachs). (c) Die erwarteten Langfristfolgen (unter der Voraussetzung, dass das Klima dann auf dem Status von 2050 stabil bleibt!) werden vermutlich in den Hochlagen stärker ausfallen als in den Tieflagen. Grund ist, dass es unter den dann wärmeren Bedingungen auch Laubbäumen möglich sein wird, mit den heute dominierenden Nadelbäumen zu konkurrieren. Der Entscheidungsspielraum für den Waldbewirtschafter wird sich vergrössern. (d) In den heute schon wärmeren Tieflagen wird die Buche als potentiell natürliche Baumart vertreten bleiben, Eichen werden im Vegleich zur Buche konkurrenzkräftiger. (e) "Versteppungsgefahr" ist unter den analysierten Klimaänderungsszenarien nur für wenige heute schon extreme Standorte zu befürchten. Welche aktiven Anpassungsmöglichkeiten gibt es für die Waldbewirtschaftung? Da wir ja nicht wirklich wissen, wie sich das Klima in Zukunft entwickelt, bleiben diesbezügliche Entscheidungen immer hochgradig mit Unsicherheit behaftet. Prinzipiell kann aber gelten: Orientiert man sich in sekundären Fichtenwäldern in den tieferen Lagen bei der Baumartenwahl an der heutigen potentiell natürlichen Waldgesellschaft (PNV), stellt dies in punkto Risikominimierung eine Win-Win-Situation dar. Wird das Klima wärmer, sind die heute natürlich vorkommenden Baumarten auf diesen Standorten mehrheitlich sicher noch immer relativ gut geeignet, Fichte sicher nicht mehr geeignet. Ändert sich das Klima nicht wesentlich, bedeutet dies immer noch eine beträchtliche Reduktion des Betriebsrisikos. Neben Erwärmung und eventuellem Niederschlagsrückgang ist auch mit verstärktem Auftreten von extremen Wetterereignissen (z.B. Stürme) zu rechnen. Obwohl ab bestimmten Windstärken immer mit Schäden zu rechnen ist, kann die Stabilität von Waldbeständen durch darauf abgestimmte Bewirtschaftung verbessert werden. Allerdings gilt auch: Welche Lösung gesucht wird, hängt auch davon ab, wie risikoavers Waldbewirtschafter und Gesellschaft in bezug auf mögliche negative Auswirkungen eines Klimawandels auf die jeweils mit der Waldbewirtschaftung verfolgten Zielsetzungen sind. Kann die Wissenschaft Planungs- und Entscheidungsgrundlagen bereitstellen? Fundierte Hinweise etwa in bezug auf Baumartenwahl sind in vielen Fällen möglich oder schon vorhanden. Vereinfacht gesagt war ein Defizit der bisherigen Waldsimulationsmodelle, dass nicht gleich gut sowohl die Auswirkungen des Klimas und der Umwelt UND von Bewirtschaftungsmaßnahmen in realistishcerweise im Modell abgebildet werden konnte. Erst jetzt werden langsam erste Modelltypen verfügbar, die es ermöglichen, die Konsequenzen von Waldbewirtschaftugsszenarien unter Mehrfachzielsetzung für grössere Flächen unter Klimaänderungsszenarien abzuschätzen. Auf jeden Fall besteht in diesem Forschungsfeld noch erheblicher Forschungsbedarf. Auf grösseren Flächen ist ein strategischer Ansatz, nach der Portfolio-Technik Risken zu diversifizieren und zu verteilen. Erste realistische Studien werden in kürze fertiggestellt sein. In jedem Fall handelt es sich bei "szenario-basierten" Analysen NICHT um Prognosen, da ja neben den vielen Unsicherheiten in bezug auf unser Wissen über Waldökosysteme ja das die "virtuelle" Waldentwicklung in den Simulationsmodellen bewirkende Klima eben ein SZENARIO bleibt.