Natur Der KLIMAWANDEL und seine Auswirkungen auf das Leben FOTO: © OLEKSANDR KOTENKO - FOTOLIA 4 Lange wurde bezweifelt, ob es so etwas wie einen Klimawandel überhaupt gibt – heute ist aus der Vermutung aber eine Tatsache geworden und man ist sich sicher, dass der Klimawandel in Zukunft alle Bereiche unseres Lebens und unserer Umwelt beeinflussen wird. TEXT: MAG. DR. HELMUT ZWANDER D er Begriff des „Klimawandels“ ist im Verlauf der letzten Jahre zu einem allseits bekannten Thema aus dem Bereich der Wissenschaften geworden. Im Fachbereich der Klimatologie arbeiten heute tausende Wissenschaftler/innen auf der ganzen Welt. Viele Menschen stellen sich die Frage, ob es überhaupt möglich ist, ein verlässliches Klima­szenario für 03/2016 | www.kneippbund.at die nächsten Jahrzehnte zu beschreiben, wo es ja schon schwierig genug ist, die täglichen Wetterverhältnisse für mehr als eine Woche verlässlich vorherzusagen. WETTER – KLIMA Mit der Vorhersage des Wetters beschäftigt sich die Meteorologie und mit dem Klima die Klimatologie. Beide Wissenschaftsdisziplinen beschreiben die ver- schiedenen Zustände unserer Atmosphäre – unter Wetter versteht man aber die möglichst exakte Beschreibung des aktuellen Wettergeschehens mit der Temperatur der Luft und des Wassers, der Luftfeuchtigkeit, den Windverhältnissen und dem Niederschlag in flüssiger oder fester Form. Diese Wetterwerte können zeitlich und räumlich schnell wechseln und sind deshalb auch schwierig vorherzusagen. Der 5 Natur PROBLEMATISCH: CO2 Begriff Klima steht hingegen für eine statistische Beschreibung der zeitlichen Entwicklung des Wetters auf dem Planeten Erde über viele Jahrzehnte hinweg. Und gerade hier zeigen sich deutliche Veränderungen, die dazu führen, dass man heute zu Recht von einer Klimaänderung spricht. In den Alpen wird die Waldgrenze als Folge des Klimawandels um 100 bis 150 Höhen­meter ansteigen. Die verlässlichste Auskunftsstelle für das Klimaszenario der Zukunft ist der Weltklimarat der Vereinten Nationen, der sog. Auf die Strahlungsstärke der Sonne und „Zwischenstaatliche Ausschuss über Kliauf die Vulkanausbrüche hat der Mensch maveränderung/Intergovernmental Panel keinen Einfluss, wohl aber auf die Atmoon Climate Change (IPCC)“. sphäre, die in den letzten Jahrzehnten zunehmend mit Treibhausgasen ange- Das wahrscheinlichste Zukunftsszenario reichert wurde. Die Treibhausgase (vor für Europa geht davon aus, dass bis zum allem Kohlenstoffdioxid, Wasserdampf, Jahr 2100 die JahresdurchschnittstemMethan und Stickoxide) sind verantwort- peratur um 3 Grad zunehmen wird. Damit lich für den sogenannten Treibhauseffekt, verbunden ist ein Rückgang der Alpender verhindert, dass die langwellige Wär- gletscher auf 10-20 % der heutigen Flämestrahlung der Erde vom Boden zurück che und eine Abnahme des Niederschlags in das Weltall gelangt. in Form von Schneefall. Clusius-Enzian Die Sommermonate werden südlich der Alpen trockener und es muss vermehrt mit Hitzewellen und Dürreperioden gerechnet werden. ,, WELCHE EINFLÜSSE DES KLIMAWANDELS SIND AUF DIE PFLANZENWELT IN ÖSTERREICH ZU ERWARTEN? Es ist jedenfalls damit zu rechnen, dass sich die Zusammensetzung des Baumbestandes in den Wäldern verändern wird. Verlierer in der Ebene und in den mittleren Höhenlagen sind die Fichten und die Tannen. Gewinner sind aller Wahrscheinlichkeit nach die Rotbuche, die Hainbuche und die Eichen-Arten. Es wird zunehmend schwieriger werden, in der k Für viele unserer schönsten Alpenpflanzen wird der Lebensraum zwischen dem höher rückenden Wald und den Berggipfeln immer stärker eingeengt. Alpenglöckchen FOTOS: © ZWANDER Mit der Berechnung all dieser Komponenten versuchen die Klimatologen, mögliche zukünftige Veränderungen des Klimas zu erfassen. Dies ist rechentechnisch eine immense Herausforderung und kann nur mit Rechenmodellen in großen Rechenzentren durchgeführt werden. Das Problem bei diesen Rechenmodellen ist, dass bereits kleinste Veränderungen bei den Ausgangsdaten zu großen Unterschieden bei den Klimaprognosen führen. Welche Einflüsse der ansteigende CO2Gehalt auf die Biomasseproduktion bei Pflanzen haben wird, ist derzeit eine Frage von vielen wissenschaftlichen Studien. Es wird befürchtet, dass in vielen Regionen der Welt künftig die Fotosyntheserate abnehmen wird und dass damit auch die Produktion von Biomasse zurückgehen wird. Dies könnte gewaltige Einflüsse auf den Ertrag in der Landwirtschaft und auf die Versorgung mit Nahrungsmitteln haben. ,, Generell sind am Zustandekommen des globalen Klimas verschiedene Faktoren beteiligt. Dazu zählen die Sonne, die unseren Planeten mit Strahlungsenergie versorgt, mögliche Vulkanausbrüche, die mit ihren Ascheteilchen die Sonneneinstrahlung abschwächen können und vor allem die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre. FOTO: © ZWANDER WAS BEEINFLUSST DAS KLIMA? Vielfach wird der Klimawandel mit dem Anstieg des Kohlenstoffdioxid-Gehalts in der Luft in Zusammenhang gebracht. Der CO2-Gehalt in der Luft ist im Verlauf der letzten 200 Jahre von 0,028 auf 0,04 Prozent angestiegen. CO2 ist aber nicht nur ein Treibhausgas, sondern auch ein essentieller Nährstoff für die Pflanzen zur Durchführung der Fotosynthese. Roter Steinbrech www.kneippbund.at | 03/2016 Alpen-Mannsschild Ebene und in montanen Lagen die Fichte als Wirtschaftsbaum zu betreiben. Eine sichere Auswirkung des Klimawandels wird auch die alpine Waldgrenze betreffen. Von Bedeutung ist hier nicht die vom Menschen künstlich hergestellte Waldgrenze im Bereich der Almwirtschaft, sondern die klimatische Waldgrenze. Für diese Grenzlinie sind ausschließlich die Temperatur und die Dauer der Wachstumsperiode von Bedeutung. Dabei muss die Wachstumsperiode mindestens drei Monate betragen und in dieser Zeit muss die mittlere Temperatur mindestens 6,4 °C erreichen. Mit der zu erwartenden Erwärmung wird sich diese Minimalanforderung nach oben verschieben und der Wald wird immer höher gelegenere Berggebiete besiedeln können. Dies wäre ja an und für sich nicht schlecht, aber man muss bedenken, dass damit viele unserer alpinen Pflanzen, die waldfreie Gebiete benötigen, in eine prekäre Situation kommen: von unter rückt der Wald nach und nach oben hin gibt es keine uneingeschränkten Ausweichmöglichkeiten. Untersuchungen an der Universität Innsbruck haben gezeigt, dass sich in den Zentralalpen eine neue Waldgrenze ausbilden wird, die im Vergleich zum 19. Jahrhundert etwa 100 bis 150 Meter höher liegen wird. ,, Paradieslilie Kraut-Weide Der Begriff Klima steht für eine statistische Beschreibung der zeitlichen Entwicklung des Wetters auf der Erde. ARM, ÄRMER: POLLENALLERGIKER Für Pollenallergiker hat der Klimawandel leider keine guten Auswirkungen. Die Vegetationsperiode und damit die Zeit der Pollenfreisetzung verlängert sich. Es gibt ein immer früheres Auftreten der Frühlingsphasen und damit verbunden eine immer frühere Freisetzung von Erlenund Haselpollen. In der Blühperiode des Jahres 2016 konnten an vielen Standorten Österreichs bereits Anfang Jänner stäubende Haselkätzchen beobachtet werden. Leider endet aber die Pollenallergie-Saison deshalb nicht früher, sondern weitet sich auch immer stärker in die Herbstmonate aus. So muss beispielsweise bis Mitte September mit einem allergenen Pollenflug des Traubenkrautes (Ragweed, Ambrosia) gerechnet werden. Für Pollenallergiker bleiben somit nur mehr drei sichere Monate, in denen keine gesundheitlichen Beschwerden auftreten können. Dazu kommt, dass Als Folge des Klimawandels wird der allergene Pollenflug an alle Pflanzen mit ­Intensität zunehmen. Diese Tendenz ist bei der Freisetzung von Birkenpollen deutlich zu erkennen. allergologisch rele- 03/2016 | www.kneippbund.at FOTOS: © ZWANDER Natur ,, 6 vanten Pollentypen als Folge der Klimaveränderungen vermehrt Blütenstaub erzeugen und freisetzen. Der in Kärnten seit dem Jahr 1980 beforschte Pollenflug zeigt deutlich diese Erhöhung der Pollenfreisetzung. KLIMAVERÄNDERUNG – FÜR DIE NATUR NICHTS NEUES? An und für sich sind klimatische Auswirkungen auf die Pflanzenwelt nichts Neues – bereits seit vielen Millionen Jahren beeinflusst das sich ständig verändernde Klima die Pflanzenwelt. Vor 7.500 Jahren war die heutige Wüste Sahara ein fruchtbares Weideland mit Flüssen, in denen Nilpferde lebten. Auch in Mitteleuropa gab es immer schon extreme Klimaereignisse wie z. B. die gegenwärtige quartäre Eiszeit, die seit etwa 2,6 Millionen Jahren für immer wiederkehrende Vereisungsphasen gesorgt hat. Noch vor 18.000 Jahren war fast der gesamte Alpenbogen von Gletschereis bedeckt. Um 1000 n. Chr. begann die mittelalterliche Klimagunstperiode, in welcher die Wikinger auf Grönland Ackerbau und Viehzucht betreiben konnten. Ab dem 14. Jahrhundert begann die Kleine Eiszeit, die bis Mitte des 19. Jahrhunderts für Missernten und winterliche Katastrophen sorgte. Seit etwa 150 Jahren nimmt die Lufttemperatur am Erdboden wieder zu: wir leben derzeit in einer Wärmegunstperiode. Das größte Problem mit dem Klimawandel hat der Mensch mit seiner empfindlichen Infrastruktur und seiner technisierten Welt. Wir Menschen verlangen, dass alles immer funktionieren muss und dass keine Wetterkapriolen unsere Lebenswelt beeinflussen – nur spielt leider das Klima bei diesem Wunschdenken nicht mit! ◆