Richtig schultern Dr. Martin Quarz, ist Chefarzt an der orthopädischen Klinik, Rehazentrum Bernkastel-Kues und ärztlicher Berater von mobil “Put your head on my shoulder..”, Wer kennt sie nicht: Paul Ankas Edelschnulze aus dem Jahr 1959, in der er seine Schulter dem weiblichen Geschlecht schmachtvoll anbietet. Die kranke Schulter braucht in jedem Falle jedoch weit mehr als Anlehnung. Mit „der Schulter“ verbinden wir Bilder der Stärke und Solidarität gleichermaßen. Frauen, so sagt man, lehnen sich gern an starke, breite Schultern an und wir „schultern Lasten“ oder „suchen den Schulterschluss“. Wenn dieses große und funktionell wichtige Gelenk seinen Dienst und seinen phänomenalen Aktionsradius versagt und Schmerzen bereitet, sollte man einen Arzt aufsuchen. Zunächst gilt es Schulterschmerzen abzugrenzen von Beschwerden, die mit der Halswirbelsäule, der Brustwirbelsäule oder dem Ellbogen zu tun haben könnten. Auch wird zu klären sein, inwieweit das Herz (Angina Pectoris, Herzinfarkt), die Lunge oder gar der Magen (Tumor) die Ursache sein könnten. Mit einigen Fragen und einer gründlichen Untersuchung, die die Funktionsbeeinträchtigung der Schulter wie der Nachbargelenke und der Wirbelsäule aufspüren soll, lässt sich dann in der Regel der Sachverhalt schon deutlich eingrenzen. Vier Einzelgelenke = Schulter Um die möglichen Entstehungsursachen besser verstehen zu können, müssen wir uns ihre Anatomie und Funktion vergegenwärtigen. Genau genommen besteht die Schulter aus vier einzelnen Gelenken, die in ihrem aufeinander abgestimmten Zusammenspiel den größten Bewegungsumfang aller unserer Gelenke ermöglichen. Das eigentliche Schultergelenk (Glenohumeralgelenk) besteht aus einer knorpeligen halbkugelförmigen Gelenkfläche an der Innenseite des Oberarmkopfes und der Gelenkpfanne, welcher Teil des Schulterblatts ist. Dieses Gelenk alleine ermöglicht Bewegungen des Arms nach vorne von etwa 90 Grad und zur Seite von nur wenigen Graden. Bei darüber hinausgehenden Bewegungen müssen die benachbarten Gelenke mitbewegt werden. So wird bei Abspreizbewegungen des Arms das Gelenk, mit dem sich das Schlüsselbein am seitlichen oberen Rand des Brustbeins abstützt, (Sternoclaviculargelenk) ebenso aktiviert wie die Ebene auf dem rückseitigen Brustkorb, über die das Schulterblatt gleitet (thorako-scapuläre Gleitebene). Dabei handelt es sich nicht um ein Gelenk im engeren anatomischen Sinne, gleichwohl wirkt es wie eins. Es unterstützt das Anheben des Arms, wenn dieser die Waagerechte überschritten hat. Das Schultereckgelenk am Schulterdach hingegen (Acromio-Claviculargelenk)ist zwar anatomisch ein Gelenk mit knorpeligen Gelenkflächen, wird aber mit straffen Bändern derart fest zusammengehalten, dass es kaum ein Bewegungsspiel zulässt. Das Schultergelenk selbst ist kein lasttragendes Gelenk. Demzufolge ist der Druck auf die Gelenkflächen des eigentlichen Schultergelenks (Glenohumeralgelenk) vergleichsweise gering. Bewegung in zwei Muskelschichten Grob eingeteilt besteht die Schultermuskulatur aus zwei Schichten. Die obere hebt den Arm in die verschiedenen Richtungen. Dabei staucht sie zwangsläufig den Oberarmkopf unter das Schulterdach. Damit wäre nur sehr eingeschränkter Bewegungsumfang möglich. Um ihn zu verbessern, zentriert eine tiefer liegende, am Oberarmkopf direkt anliegende Muskelschicht, die sogenannte Rotatorenmanschette, den Gelenkkopf in der Gelenkpfanne. So wird auch sein Einklemmen unter dem Schulterdach vermieden. Kommt es durch Erkrankungen (siehe weiter unten) zu einer mangelnden Koordination der beiden Muskelschichten, ist der Bewegungsumfang durch geringe Zentrierung des Gelenkkopfs in der Gelenkpfanne und der daraus resultierenden Enge unter dem Schulterdach deutlich herabgesetzt. Grundsätzlich kann man unterscheiden zwischen Schultererkrankungen, die Schmerzen verursachen, ohne dass strukturelle Organschäden vorliegen und Erkrankungen, bei denen die Schmerzen durch Gewebeschäden verursacht werden. PHS simplex Zur Gruppe von Erkrankungen ohne strukturelle Veränderungen zählt die „Periarthropathia humeroscapularis (PHS) simplex“. Hinter dem Wortungetüm verbirgt sich auch gleich die präzise Beschreibung seiner Symptome. „peri“ für „um“ oder „herum“, arthros = Gelenk, pathia = krank, „humero“ = Oberarm, scapuraris = Schulterblatt, simplex = einfach. Er beschreit eine Erkrankung, die die Schulter einschließlich des Schulterblatts und deren unmittelbare Umgebung betrifft. „Einfach“ steht für „keine dauerhaften Gewebeschäden“. Über heftige Schmerzen insbesondere beim aktiven Bewegen des Armes, aber auch beim Liegen auf der Seite oder sogar auf dem Rücken wird dabei geklagt. Das Engpassyndrom Eine PHS-Sonderform stellt das Engpassyndrom (Impingementsyndrom) dar. Dabei stößt die Rotatorenmanschette unter dem Schulterdach an (englisch: to impinge=anstoßen) und wird dabei in Abhängigkeit vom Abspreizwinkel zusammen mit einem Schleimbeutel „gequetscht“. Bezeichnenderweise tritt dann der typische „schmerzhafte Bogen“ zwischen einem Armabspreizwinkel von 80 bis 120 Grad auf. Beiden Erkrankungen liegt letztlich ein muskuläres Problem zugrunde. Aus im Einzelnen oft nicht mehr klärbaren Ursachen (unglückliches nächtliches Liegen, Überlastung und anderes) kommt es zu einer mangelnden Koordination zwischen den einzelnen Muskelschichten. Beispielsweise zieht die obere Muskelschicht zu kräftig, während die darunter liegende Rotatorenmanschette den Gelenkkopf nicht ausreichend in der Pfanne zentriert. Es kommt zu einem Einstauchen des Kopfes unter dem Schulterdach bei gleichzeitiger Quetschung des zwischen den Muskelschichten liegenden Schleimbeutels (Bursa subacromialis). Die Kalkschulter Bei der (PHS calcarea = kalkhaltig), spielt sich ein ähnliches Muster ab, aber unter dem Schulterdach, so dass man auch von einem Impingement sprechen könnte. Ein Kalkdepot in der Rotatorenmanschette löst dabei einen mechanischen Reizzustand des Schleimbeutels aus. Kalk wird auch gelegentlich bei Menschen nachgewiesen, die noch nie Schulterschmerzen hatten. In einem solchen asymptomatischen Fall liegt dann natürlich auch keine PHS vor. Die gefrorene Schulter Bei der gefrorenen Schulter (Periarthropathia humeroscapularis adhaesiva = verklebt) besteht eine deutliche Bewegungseinschränkung infolge einer Verklebung der Gelenkkapsel und der einzelnen Muskelschichten. Die Ursachen können mannigfaltig sein. Wird eine Schulter konsequent nicht bewegt, zum Beispiel durch chronische Schmerzen oder eine Verletzung, neigt sie zu Verklebungen, sodass der Arm nur noch begrenzt angehoben, abgespreizt oder in den Rücken gedreht werden kann. Betroffen ist dann immer nur das eigentliche Schultergelenk. Das Anheben des Arms wird zum Teil dadurch ermöglicht, dass die „Schultergleitebene“ vor ihrem eigentlichen Eingreifen die Bewegung unterstützt. Eine verklebte Schulter muss in der Behandlung von Oberarmbrüchen regelhaft und zwangsläufig in Kauf genommen werden (notwendige Ruhigstellung der Schulter). Verschleiß im Alter Eine Rotatorenmanschettenruptur ist eine „Verschleißerkrankung“. Ob sie überhaupt Beschwerden macht, hängt allerdings auch vom individuellen Bewegungsanspruch ab, sowie von deren Größe. Untersuchungen in der Pathologie an betagt Verstorbenen ergaben, dass über 80 Prozent von ihnen derartige Schäden an Rotatorenmanschetten aufwiesen. Von den wenigsten Menschen war jedoch bekannt, dass sie zu Lebzeiten in größerem Umfang längere Zeit darunter gelitten hätten. Entscheidend ist offensichtlich, ob es sich um eine kurzfristige oder um eine sich sehr allmählich entwickelnde Schädigung handelt. Stürze und Unfälle bringen in der Regel nur eine vorgeschädigte Rotatorenmanschette zum Reißen, so dass Verletzungen überwiegend in der zweiten Lebenshälfte auftreten. Typisch sind dann Schmerzen wie bei einem „Impingement“, da die Zentrierung des Kopfes in der Gelenkpfanne nicht mehr vollumfänglich gewährleistet ist. Seltene Arthrose & regelhafte Arthritis Eine Arthrose des eigentlichen Schultergelenks (Omarthrose) ist vergleichsweise selten, weil die knorpeligen Gelenkflächen im Alltag eigentlich selten einem hohen Druck ausgesetzt sind, lediglich beim Handstand, beim Hantieren mit schwerem Gerät wie zum Beispiel Bohrmaschinen und beim abspreizenden Heben von schweren Gegenständen. So treten Omarthrosen auch meist als Folgeerkrankungen im Rahmen einer entzündlich rheumatischen Erkrankung (direkte Knorpelschädigung), einer Rotatorenmanschettenruptur oder bei Gelenkpfannenverletzungen (mangelnde Kopfzentrierung) auf. Die Schultergelenkbeteiligung im Rahmen einer entzündlich rheumatischen Erkrankung wird „Omarthritis“ genannt. Sie findet bei fortgeschrittenen Verläufen, insbesondere bei der rheumatoiden Arthritis, regelhaft statt. Therapieziele: Schmerzfrei und beweglich Jede Therapie einer kranken Schulter verfolgt zwei wesentliche Ziele: Schmerzfreiheit und Wiedererlangung der vollen Beweglichkeit – in exakt dieser Reihenfolge: Zunächst muss eine ausreichende Schmerzmittelgabe gewährleisten, dass rund um die Uhr weitgehende Schmerzfreiheit besteht. Dies wird in der Regel durch übliche nichtsteriodale Antirheumatika (NSAR) unter Zugabe eines Magenschutzes erreicht. Falls dies nicht ausreicht, können Opiode oder gar Opiate ebenfalls lang wirkend hinzugegeben werden (Therapie entzündlicher Schulterschmerzen siehe auch Seiten….) Zeitgleich sollte eine Bewegungstherapie mit krankengymnastischer Anleitung durchgeführt werden. Hilfreich sind auch Bewegungsübungen in Eigenregie, beispielsweise mit kreisenden Bewegungen auf der Wasseroberfläche. Beim Impingementsyndrom empfiehlt sich das gezielte Anspritzen des Raums unter dem Schulterdach (subacromialer Raum) mit dem Schleimbeutel (Bursa subacromialis). Verwendet werden dafür Lokalanästhetika und Kortison. In der Regel sind zwei bis vier Spritzen notwendig, um die Beschwerden deutlich zu bessern. Bewegungstherapeutisch sollte die behutsame „Traktion“ also das Ziehen am Arm durch den Krankengymnasten ergänzt werden, damit sich der Raum unter dem Schulterdach vergrößert. Elektrotherapie ist bei der PHS erfolgreicher als beim Impingementsyndrom. In den allermeisten Fällen kann mit der Kombinationstherapie aus Medikamenten, Bewegungstherapie und eventuell Elektrotherapie das Krankheitsbild binnen weniger Wochen beseitigt werden. Vorausgesetzt schulterbelastende Tätigkeiten wie wiederholende Hebearbeiten werden gemieden. Ist diese Therapie über einen längeren Zeitraum nicht erfolgreich, muss von einer chronischen Schädigung des subacromialen Raums ausgegangen werden. In diesem Fall ist nach langen, therapieresistenten Verläufen an eine Operation zu denken. Kein anderes Gelenk reagiert so schnell mit Einsteifung wie die Schulter. Deshalb ist Bewegungstherapie das A und O. Im chronischen Stadium ist dafür die Rheuma-Liga mit ihren vielfältigen Bewegungsangeboten eine gute Adresse. Vielleicht ertönt ja auch Musik dazu, wie „Put your head on my shoulder, hold me in your arms ..” oder noch besser für die Schultern ein Ententanz.