Zur Herausbildung der arabisch-islamischen Stadt: Einflüsse der

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DIE STADT IN DER ARABISCH-ISLAMISCHEN WELT
1. Zur
Herausbildung
der
arabisch-islamischen
Stadt:
Einflüsse
der
altorientalischen und der hellenistisch-römischen Stadt
Ebenso wenig wie die islamische Kultur ist die arabisch-islamische Stadt aus dem Nichts
entstanden.
Seit der Mitte des 4. Jahrtausend v.Chr. finden sich in Vorderasien Siedlungen, die als
Städte bezeichnet werden können. Ihre Existenz ist von so entscheidender Bedeutung, dass
bisweilen eine Gleichsetzung von Hochkultur und Stadtkultur erfolgt. Die Stadt sollte fortan
das Tempo der gesellschaftlichen Entwicklung bestimmen. Galten früher der Mauerring und
das Vorhandensein eines Tempelbezirks in herausgehobener Lage als die entscheidenden
städtischen Charakteristika, so betrachtet man heute die Marktfunktion als wichtigstes
urbanes Merkmal. In diesen Siedlungen waren – ganz wie in unseren heutigen Städten – die
drei Grundfunktionen urbanen Lebens vertreten, nämlich religiöse und geistige Institutionen,
Herrschaft sowie eine arbeitsteilige nicht-agrarische Wirtschaft.
An der Spitze einer hierarchischen Gesellschaft stand die Elite, die ihre privilegierte Position
zunächst religiös legitimierte. Die Herrschenden galten als Repräsentanten der lokalen
Gottheiten. Ihnen floss der Überschuss aus der landwirtschaftlichen Produktion ebenso zu
wie der größte Teil der Kriegsbeute. Sie verwalteten diesen Reichtum, indem sie
Lebensmittelvorräte für die Bevölkerung anlegten, die für das Leben der Gemeinschaft
wichtigen Informationen sammeln ließen und den gesamten gesellschaftlichen Ablauf
organisierten.
Bis in die Mitte des 3. Jahrtausends bildete in Mesopotamien jede Stadt zugleich einen
Staat. Die permanenten Kämpfe zwischen diesen Stadtstaaten beeinträchtigten die
ökonomische Entwicklung, bis es einzelnen Herrschern gelang, stabile Reiche zu gründen.
Die Regenten bedurften nun nicht mehr einer religiösen Legitimation. Deshalb drängten
Palastbauten die Tempel zurück, die Dominanz der Herrschaft war somit in Stadtbild und
Stadtstruktur unübersehbar.
Die Gesellschaft war eine horizontal und vertikal gegliederte. Sie war nicht allein sozial
geschichtet, sondern auch nach Tätigkeitsbereichen segmentiert und lokalisiert: Kaufleute,
Priester, Handwerker und in der Landwirtschaft Tätige lebten getrennt voneinander in
verschiedenen Stadtbezirken. So finden sich nicht nur aufwendig ausgestattete Wohnhäuser,
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in Borsippa konnte durch Archäologen auch ein als Vorstadt angelegtes Patrizierviertel
freigelegt werden.
Zwar gibt es "gewachsene" Städte, zumeist aber entstand die Stadt in einem bewusst
planerischen Akt, wobei das geometrische räumliche Grundmuster ein meist ovales war und
sich in Nordwest-Südost-Richtung orientierte, da dem "segensreichen Nordwestwind" eine
besondere Bedeutung zugemessen wurde.
Zu Beginn des 3. Jahrtausends erreichten die sumerischen Städte eine beachtliche
Ausdehnung. So umfasste etwa Ur eine Fläche von über 100 ha und wies eine
Einwohnerzahl von einigen Zehntausend auf. Babylon, das biblische Babel, schließlich
wurde zum Synonym der frühen Großstadt. Mit seinen Tempeln, den Umfassungsmauern
und riesigen Toren – darunter dem sich heute in Berlin befindlichen Ischtar-Tor -, der
Prozessionsstraße, den Palästen und den "Hängenden Gärten" hatte die Stadt nicht
Ihresgleichen auf der Welt.
Der sumerische Typ der Tempelstadt bildete ein breites Oval, das von einer turmbewehrten
Mauer und Wasserläufen umschlossen war. Die Straßen sind gewunden und weisen enge
Passagen auf. Der Städtebau der Assyrer hingegen ergab sich aus der Praxis eines
Militärstaates und beruhte auf einer strengen Gesetzesmäßigkeit. Die babylonische Stadt
schließlich vereinigte diese beiden Traditionen: Ihre Hauptmerkmale sind die zentrale Lage
des Hauptheiligtums und die exzentrische Situierung des Palastkomplexes, der meist
bollwerkartig mit der Stadtmauer und dem Wasserweg verklammert wird.
Während die Hauptstraßen einem geometrischen Netz folgen, wirken die einzelnen
Stadtquartiere unsystematisch. Die Binnenstruktur der Viertel resultiert aus den privaten
Besitzverhältnissen, wie sie sich durch Kauf und Vererbung entwickeln und verändern.
Grund und Boden innerhalb der Städte befanden sich bereits im Besitz ihrer Bewohner,
während das Stadtgebiet extra muros noch im Namen der jeweiligen Gottheit
gemeinschaftlich bearbeitet wurde. Der willkürliche Verlauf der Straßen, ihre wechselnde
Breite und das Vorhandensein zahlreicher Sackgassen entspricht den in der arabischislamischen Stadt von heute immer noch typischen Stadtquartieren der Handwerker und
Händler. Das Straßenbild wird durch die fensterlosen Mauern der ein- oder zweistöckigen
Hofhäuser geprägt, die sich nur mit einer schmalen Tür zur Straße hin öffnen. Die Gassen
sind zu eng, als dass sie sich für den Wagenverkehr eigneten. Die Waren dürften wohl – so
wie heute noch in der Medina – vor den Stadttoren auf Esel umgeladen worden sein.
Die Stadt im Alten Orient und die islamische Stadt weisen somit deutliche Parallelen auf.
Die Eroberung Vorderasiens und Ägyptens durch Alexander den Großen (334-331 v.Chr.)
stellte einen entscheidenden Einschnitt in der Geschichte dieses Raumes dar. Für fast
tausend Jahre sollten nun die Länder des Orients durch die hellenistische, später durch die
römische und schließlich die byzantinische Kultur geprägt werden.
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Die Stadt war der charakteristische Lebensort der Griechen. Diese Urbanität des
Griechischen hat sich im Osten noch stärker ausgeprägt, da dort der Gegensatz zwischen
Stadt und Land ein viel größerer war. So kam bei der Verbreitung der hellenistischen Kultur
der Stadt eine besondere Bedeutung zu. Alexander soll, um seine Idee eines makedonischgriechisch-orientalischen Reiches zu realisieren, zahlreiche Städte – Plutarch spricht von 70
– gegründet haben, in denen Soldatensiedler und Veteranen neben der autochthonen
Bevölkerung angesiedelt wurden. Hatten die einen Siedlungen den Charakter von
"kulturellen Kolonien", dienten andere als Stützpunkte der militärischen Absicherung des
besetzten Landes.
Die Herrscher der hellenistischen Nachfolgestaaten setzten die Politik Alexanders fort, wobei
der militärische Aspekt in den Vordergrund trat: Die neuen Monarchien sollten durch Städte
stabilisiert werden. Überdies galt der Gründer einer Stadt als göttlicher Heros. So sind bei
den
Stadtgründungen
der
Diadochen
neben
politischen
und
militärischen
auch
Prestigegründe erkennbar. Nicht zuletzt waren es auch ökonomische Aspekte, die zu
Stadtgründungen – etwa die des ägyptischen Alexandria nach Plänen des Deinokrates von
Rhodos – führten. Echte Neugründungen waren jedoch selten, meist handelte es sich bei
den neuen Städten lediglich um Zusammenschlüsse von Dörfern oder die Gräzisierung
autochthoner Städte.
Die hellenistische Stadt folgt den Planungsvorgaben des Hippodamos für Milet und Piräus.
Kolonisation und Kriegszerstörungen hatten an verschiedenen Orten den schnellen Aufbau
von Stadtvierteln oder gar neuen Städten erforderlich gemacht, die fortschreitende
Demokratisierung wiederum verlangte eine gleichmäßige Verteilung des Baulandes, dem
besonders durch die Zuteilung von Land- und Baulosen in den Kolonien Rechnung getragen
wird.
Dies
alles
fördert
die
Entwicklung
rationaler
Planungsmethoden,
die
im
hippodamischen System ihren vorläufigen Höhepunkt erreichten.
Nach der Festlegung des Straßennetzes als Rechteckraster erfolgte auf Basis eines
Flächenwidmungsplanes die Zuweisung gewisser Areale für bestimmte Nutzungen, etwa als
Wohnfläche, Hafengebiet, für militärische Einrichtungen oder für öffentliche Gebäude. Das
Stadtareal wird dabei in rechteckige Baublöcke gleichen Zuschnitts, die insulae, gegliedert,
die von einem streng geometrischen Straßennetz mit sich orthogonal kreuzenden Achsen
begrenzt werden. Die Straßen sind meist in N-S und W-O-Richtung orientiert. Ihre Breite und
ihr Abstand folgen standardisierten Maßeinheiten. Die Kolonadenstraße ist zumeist 23m
breit, die insulae weisen eine Länge von 120 bis 130m und eine Breit von 45 bis 50m auf. In
der Stadtmitte und beim Hafen sind meist einige insulae nicht mit Wohnhäusern überbaut.
Diese Freiflächen dienen als Agora und werden von Heiligtümern und öffentlichen Gebäuden
gesäumt.
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Die meisten hellenistischen Gründungen sind bis heute Stadt geblieben, der ursprüngliche
Baubestand ist allerdings zum Teil bereits in römischer Zeit, vor allem aber im islamischen
Mittelalter und in der Neuzeit durch Überbauung zerstört worden. Allerdings scheint – wie die
Beispiele von Latakia, Aleppo und Damaskus zeigen – im Stadtgrundriss das Muster der
hellenistischen insulae häufig noch recht deutlich auf.
Wesentlich klarer und mit beeindruckenden bis heute erhaltenen Baudenkmälern ist der
Städtebau der römischen Kaiserzeit in Nordafrika und im Nahen Osten dokumentiert. Zu den
bekanntesten kaiserzeitlichen Ruinenstätten zählen Djerash in Jordanien, Palmyra, Apamaia
und Bosra in Syrien, Baalbek im Libanon, Leptis Magna und Sabratha in Libyen sowie
Timgad und Volubilis in Algerien bzw. Marokko. Da diesen Städten großteils keine
Siedlungskontinuität beschieden war und sie im vergangenen Jahrhundert restauriert
wurden, gehören sie heute zu den imposantesten antiken Zeugnissen.
Aber auch in Städten wie Damaskus, Aleppo oder Tripolis, die bis heute kontinuierlich
bewohnt und vom islamischen Mittelalter an bis in die Gegenwart immer wieder überbaut
wurden, finden sich in das Stadtbild integrierte römische Elemente. Viele Bauten behielten
auch nach der islamischen Eroberung ihre Funktion, manche wiederum erfuhren eine
Umwidmung wie das Theater in Bosra.
Der Grundriss der kaiserzeitlichen Städte im Orient – er stellt eine Weiterentwicklung des
hippodamischen Systems dar – ist durch die sich rechtwinklig kreuzenden Hauptachsen, die
cardines und decumani, bestimmt: Der Cardo führt vom Nord- zum Südtor, der decumanus
vom West- zum Osttor, die Nebenstraßen werden rasterförmig eingefügt. Die Hauptachsen
sind beiderseits von Kolonnaden gesäumt, die Kreuzungen dieser Hauptrouten durch
Tetrapylen architektonisch besonders hervorgehoben.
In die Wohnviertel sind verschiedene öffentliche Bauten und Platzanlagen eingefügt, die
durch ihre prunkvolle und monumentale Architektur die römische Macht sichtbar machen
sollen. Dazu zählen Forum und Kapitol, Tempelbezirke, Basiliken, Theater, Thermen und
Aquädukte sowie seit dem vierten Jahrhundert auch Kirchen. Auffällig ist, dass Stadtplanung
und
–gestaltung
einem
strengen
reichseinheitlichen
Kanon
und
verbindlichen
architektonischen Vorgaben folgten.
Dieser einheitliche Aspekt findet sich noch ausgeprägter in den römischen Castra. Der
überall gleiche Aufbau dieser Militärlager mit genau festgelegten Plätzen und Funktionen für
die Truppenteile bedeutete für den einzelnen Soldaten den vertrauten Rahmen des
geordneten Lebens, egal in welchem Teil des Imperiums er diente. Vor allem aber sollte im
Ernstfall – etwa bei einem feindlichen Angriff – eine fast schon automatisiert sichere
Reaktion garantiert sein. Die arabischen Militärlager übernahmen Grundüberlegungen der
römischen Castra.
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2. Stadtgründungen und –erweiterungen im islamischen Mittelalter
Nach dem Niedergang des römischen Reiches wurde die Einheit des Mittelmeerraumes
durch das Vordringen des Islam weitgehend zerstört. Die Araber eroberten zunächst die
stark urbanisierten Gebiete im hellenistischen Orient und formten die besetzten Städte,
darunter Alexandria, Antiochia oder Jerusalem, nach ihren Vorstellungen um. Damaskus
sollte die Hauptstadt der ersten arabischen Dynastie, der Umaiyaden, werden.
Eine urbane Kultur war den Arabern nicht fremd. Lange vor der Entstehung des Islam hatten
sich im Hijas Städte als wichtige Etappenorte entlang der großen Karawanenstraßen
entwickelt, auf denen die bedeutendsten Produkte Südarabiens, Gewürze und Weihrauch,
transportiert wurden. Kurz vor dem Auftreten des Islam erlebten die Städte des Hijas einen
bedeutenden ökonomischen Aufschwung. Ursächlich dafür war der Niedergang der
südarabischen Staaten, die nach der Eroberung durch die Äthiopier (525) und Perser (572)
ihre Unabhängigkeit einbüßten. Dadurch wuchs die Bedeutung Zentral- und Nordarabiens für
den Zwischenhandel; Mekka vor allem profitierte vom Ruin Südarabiens. Es scheint eine
enge Verbindung zwischen dem Aufstieg der Städte im Hijas und der Herausbildung der
neuen Religion zu bestehen. Obwohl der Aufstieg des Islam sich in einem genau definierten
sozialen Rahmen vollzieht, nämlich dem des Kontaktes zwischen Nomaden und Sesshaften,
ist das Ideal des Islams seinem Wesen nach ein urbanes. Die Stadt bildet den Mittelpunkt
der neuen Lehre, der Kaufmann seinen repräsentativen Beruf ("Händlerreligion"). Die
Dynamik der nomadischen Reitervölker war aber entscheidende Voraussetzung für die
Expansion des Islam.
Im Zuge des weiteren militärischen Vorstoßes zogen es die Araber vor, in den im Osten und
Westen eroberten Gebieten Städte neu zu gründen. So entstanden Kairuan, Rabat, Fes oder
Kairo. Das Recht, Städte zu gründen, galt als Privileg des Herrschers, wie sich am Beispiel
Bagdads, das vom Kalifen al-Mansur als Medina as-Salam oder Samarras, das vom Kalifen
al-Mutawakkil gegründet wurde, aufzeigen lässt. Bei diesen Neugründungen wurden sehr
unterschiedliche regelhaft-geometrische Grundrisse gewählt, die zum Teil auf astronomische
Berechnungen zurückgingen oder sich an der Qibla orientierten.
Mit dem Entstehen eines islamischen Reiches und einer islamischen Gesellschaft, die die
Welt des Indischen Ozeans mit der mediterranen verband, bildete sich eine Städtekette, die
von Cordoba in Spanien über Nordafrika, den Vorderen Orient und Mittelasien bis nach
Indien rechte. Im 10. und 11. Jahrhundert waren die großen Städte der islamischen Länder
die bevölkerungsreichsten der westlichen Hemisphäre. Obwohl eine Quantifizierung
schwierig ist, dürften Bagdad und Kairo mit über 250.000 Einwohnern die größten Städte er
Welt gewesen sein. Andere – etwa Aleppo, Damaskus und Tunis – erreichten eine
5
Einwohnerzahl von 50.000 bis 100.000. Mit dieser Zahl konnten im gesamten Abendland nur
Florenz, Venedig, Mailand und Paris konkurrieren.
In vielen vor allem älteren Monographien über die orientalische Stadt wird die
Desorganisation als das Hauptcharakteristikum der orientalischen Stadt genannt:Tendenzen,
die eine Loslösung vom hippodamischen System bringen sollten, finden sich aber bereits in
byzantinischer Zeit und sind etwa an der Kolonnadenstraße in Palmyra bzw. in Latakia gut
erforscht.
Andererseits war ein geometrisch-regelhaftes Grundmuster mit sich rechtwinklig kreuzenden
Straßen bis ins 9. Jahrhundert hinein für die Planung islamischer Städte leitend, etwa in
Anjar oder Samarra. Der im Zuge der Expansion hergestellte Kontakt mit anderen Kulturen
führte wiederum auch im Städtebau zu originellen Lösungen: So dürfte es sich bei den
kreisrunden islamischen Neugründungen Bagdad und Raqqua um eine Fortführung der
parthischen und sassanidischen Rundstädte handeln.
Schließlich ist die "Regellosigkeit", d.h. die bauliche Verdichtung der Innenstädte, Resultat
eines starken Bevölkerungsrückgangs, der sich am schwindenden Umfang der Stadtareale
ablesen lässt. Durch Kriege oder Erdbeben zerstörte Monumentalbauten wurden nicht mehr
repariert, sei es, dass ihre Bestimmung entfallen war – etwa bei Theatern oder
Amphitheatern -, das Geld für den Betrieb – etwa der Thermen – fehlte oder der
gemeinsame Wille, den öffentlichen Straßen- und Platzraum offen zu halten, nicht mehr
vorhanden war. Häufig wurden solche Räume mit Wohnbauten zugesetzt. Analoge
Tendenzen sind auch in den Römerstädten der europäischen Provinzen feststellbar, da
Stadtverfall und –verarmung am Ausgang der Antike in Orient und Okzident in fast gleicher
Weise erfolgten.
Auch eine Änderung im Transportwesen – nicht mehr Wagen, sondern Kamele und Esel
wurden zur Beförderung der Waren eingesetzt – dürften zu einer Verschmälerung der
Straßen beigetragen haben.
Entscheidend für die Veränderung im Städtebau ist aber der durch den Islam ausgelöste
ideologische Wandel, der an die Stelle der Öffentlichkeit die Privatheit als Grundprinzip
sozialer Interaktion setzt, ein Aspekt auf den später noch genauer eingegangen werden wird,
und das Fehlen eines rigiden Baurechts wie im mittelalterlichen Europa.
Aufgrund all dieser Merkmale ist die islamische Stadt des Mittelalters mehr mit der
altorientalischen als mit der hellenistischen Stadt vergleichbar. Dem gegenüber wirken die
tausend Jahre der klassischen Antike – von den hellenistischen bis zu den frühchristlichen
Jahrhunderten -, was die Stadtentwicklung in Nordafrika und Vorderasien anlangt, fast wie
ein bloßes Intermezzo. Trotz der griechischen und römischen Einflüsse, die auf die
islamische Stadt einwirkten, konnten sich die Prägungen durch den Alten Orient behaupten.
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3. Urbanistische Veränderungen durch den Kolonialismus
Seit dem 19. Jahrhundert gerieten Nordafrika und Vorderasien immer mehr in den
Einflussbereich imperialistischer Tendenzen. Ökonomische Motive – etwa der Wunsch nach
der Kontrolle über die Rohstoffe dieses Raumes sowie die Schaffung neuer Absatzmärkte für
die europäischen Industriewaren – führten binnen weniger Jahrzehnte zum Ruin ganzer
Handelszweige.
europäischen
Der
chronische
Großbanken
Kapitalmangel
und
in
diesem
Investitionsgesellschaften,
Raum
in
ermöglichte
es
verschiedenste
Wirtschaftsbereiche, aber auch in große Infrastrukturprojekte wie den Bau des Suez-Kanals
und der Bagdadbahn zu investieren. Aufgrund der harten Kreditkonditionen und dem
permanenten Druck zur Neuverschuldung verloren die Staaten der Region immer mehr
Souveränitätsrechte; die hohe Verschuldung bot schließlich den Vorwand zur militärischen
Besetzung dieser Länder bzw. ihrer Eingliederung in den europäischen Machtbereich. Der
aus der ungelösten sozialen Frage resultierende Siedlungskolonialismus wiederum traf vor
allem Algerien, wo 1914 Immigranten aus Frankreich nicht nur etwa 10 Prozent der
Bevölkerung ausmachten, die colons kontrollierten auch fast ein Drittel des Bodens.
Wo immer sich Kolonialmächte etablierten, versuchten sie die Kontrolle über die lokale
Bevölkerung zu erlangen, indem sie deren soziale Strukturen vernichteten und ihre Kulturen
unterliefen, etwa durch Deformierung oder Musealisierung. Von diesem zivilisatorischen
Imperialismus waren vor allem die orientalischen Städte betroffen.
Schon seit dem 19. Jahrhundert hatten sich in der Stadtplanung und –gestaltung der
orientalischen Welt immer stärker westliche Ideen und Konzeptionen durchgesetzt. Diese
Modernisierungsmaßnahmen waren vor allem von den osmanischen Herrschern und
teilweise auch von lokalen Dynastien initiiert worden. Durch die Modernisierung des Schulund Rechtswesens sowie durch die Übernahme moderner Transport- und Kommunikationsmittel sollte auf die europäische Herausforderung reagiert werden. Obwohl die positiven
Aspekte dieser Veränderungen etwa im Bereich der Hygiene oder der Medizin nicht außer
Acht gelassen werden sollten, hatte die Europäisierung Nordafrikas und Vorderasiens für
seine Menschen nachteilige Konsequenzen.
Das starke Bevölkerungswachstum – zwischen 1800 und 1914 kam es zu einer
Verdoppelung – führte zu verstärkten Urbanisierungstendenzen. Reformen und der
europäische Einfluss forderten die Herausbildung einer dualen Gesellschaft.
Diese dualen Strukturen sind auch an der Stadtentwicklung ablesbar. Neben der Medina
entstanden am Rande der großen Ausfallstraßen in den wichtigen Städten "villes nouvelles"
für die ausländischen Militärs, Verwaltungsbeamten und deren Familien. Diese von den
Europäern für sich selbst oder die ansässige Oberschicht geschaffenen Neustädte
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übernahmen als Sitze der Macht, der Administration und als Verteilplatz der großen
öffentlichen und privaten Investitionen die Rolle der früheren Residenzen.
Am radikalsten erfolgte diese bevölkerungsmäßige Trennung in den französischen
Protektorats- und Mandatsgebieten, besonders in Tunesien und Marokko. Diese Neustädte
sollten nicht nur als Rückzugsgebiet im Fall von Aufständen oder Kriegen dienen, sie sollten
ihre Bewohner auch vor Seuchen schützen und ihnen vor allem die Wahrung des eigenen
Lebensstils garantieren. So verfügten sie über ihre eigene Infrastruktur in Form von Schulen,
Krankenhäusern, Kirchen, Post, Bahnhof, Hotels sowie Banken und Markthallen. Um die
Straßenbahn und den Autoverkehr nicht zu behindern, waren die Straßen auch breiter bzw.
wurden durch die Medina auch Schneisen geschlagen.
Am klarsten erfolgte die Umsetzung dieses Kolonialkonzepts in Marokko durch Marschall
Lyantey. Als Gouverneur in Algerien hatte er erlebt, wie dort durch die colons sowohl die
traditionelle Bausubstanz wie auch die gewachsenen Strukturen der Altstädte (Kasbah)
vernichtet wurden. Sein Ziel als Generalresident in Marokko war eine strikte Trennung von
alter und neuer Wohnbevölkerung, die Restaurierung der Medina sowie die Anwendung
modernster Grundsätze von "urbanisme" in den "villes nouvelles".
Diese Haltung konnte aber Veränderungen in der Medina nicht aufhalten. Obwohl die
Infrastruktur der Altstädte verbessert wurde, begann vor allem die westlich orientierte
Oberschicht aus der Medina abzuwandern, während immer mehr verarmte Zuwanderer vom
Land nachrückten.
Auch das britische Kolonialkonzept hatte in seinem Einflussbereich von Palästina bis zum
Golf eine deutliche Trennung zwischen Wohnvierteln der Europäer und der Einheimischen
vorgesehen. Anders als in Indien, wo eine solche Form von "cantonments" oder "civillines" –
etwa in der Trennung von New und Old Delhi – umgesetzt wurde, unterblieb dies in
Vorderasien, da die Kosten dafür zu hoch und die Dauer der britischen Herrschaft zu kurz
waren.
4. Städtebaulicher Wandel in der Gegenwart
Die Entwicklung der arabisch-islamischen Stadt in der Gegenwart ist geprägt durch die
politischen, sozialen und ökonomischen Veränderungen, die im 20. Jahrhundert diese
Region erfassten. Diese Vorgänge sollen nur stichwortartig dargestellt werden.
Die wichtigsten politischen Ereignisse neben der Unabhängigwerdung der arabischen
Staaten waren die Gründung Israels, die die Nahostkriege zur Folge hatte, sowie der Kampf
um die regionale Hegemonie, aus der die beiden Golfkriege resultierten. Da der Region
demokratische Tendenzen fremd sind, kam es zur Etablierung autoritärer Regime (Nasser,
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Assad, Ghadafi) oder dem Fortbestand der autokratischen Monarchien. Die komplizierte
religiöse und ethische Situation sowie der Aufstieg des Islamismus führten zu blutigen
Bürgerkriegen im Libanon, im Irak, im Jemen und in Algerien, die riesige Flüchtlingsströme
zur Folge hatten. Der Ressourcenreichtum der Region wiederum weckte die Begehrlichkeit
ausländischer Mächte, vor allem der USA. Arbeitsmigration, sowohl nach Europa wie in die
reichen Golfstaaten, ist ein weiters Merkmal, ebenso wie die Auflösung der traditionellen
Lebensformen. Die Wirtschaftsentwicklung war eine höchst ungleichförmige, was sich am
BSP und BIP ablesen lässt. Weitere Stichwörter wären gesteigerte Mobilität, die
Disparitäten, wie sie für Drittweltländer spezifisch sind, sowie die Negativerscheinungen der
modernen Massengesellschaft. Mehr noch als der Norden wurde Vorderasien und Nordafrika
von dem erfasst, was als die "Krise der modernen Stadt" bezeichnet wird.
Schon in den 30er Jahren begann sich das Bild der traditionellen orientalischen Stadt
deutlich zu verändern. Zwischen den Weltkriegen setzte der Exodus aus der Medina ein.
Ursächlich dafür waren die räumliche und soziale Beengtheit, wie sie vor allem von der
Ober- und Mittelschicht empfunden wurde. Das Auto –Transportmittel und Statussymbol
zugleich – konnte in den engen Gassen der Medina kaum verkehren. Noch bedrückender
war vor allem für die jungen und westlich orientierten Menschen die soziale Kontrolle, die
von der Medina ausgeht. Ein Leben in der Altstadt schien mit einem modernen Lebensstil
unvereinbar.
Im Zuge der Entkolonialisierung erfolgte in den europäischen Neustädten ein fast
vollständiger Bevölkerungsaustausch, wobei die Wohnungen und Häuser der freiwillig oder
erzwungen abgewanderten Franzosen, Briten und Italiener von der westlich orientierten
einheimischen Elite übernommen wurden. Dieser Vorgang sollte sich beim Abzug der
orientalischen Juden nach dem Sechstagekrieg wiederholen.
In
der
Folge
änderte
sich
die
Struktur
der
Medina,
durch
die
Zuwanderung
einkommensschwacher Schichten aus dem agrarischen Umland. Größere Wohnhäuser
wurden in Gemeinschaftswohnungen umgewandelt, in denen einer ganzen Familie häufig
nur ein Zimmer zur Verfügung steht und die sanitären Verhältnisse prekär sind.
Eine stark wachsende Bevölkerung verlangte nach Schaffung von neuem Wohnraum. So
entstanden in den letzten Jahrzehnten in fast allen größeren Städten dieses Raumes
großflächige Wohnviertel. Solche Wohnanlagen, die oft den Charakter von Satellitenstädten
annehmen können – etwa Sadat City im Norden Kairos – sind von recht unterschiedlicher
Qualität, je nachdem, ob sie für die Elite, den Mittelstand oder als Sozialwohnungen geplant
wurden. Entscheidend ist hierbei neben der Bau- und Ausstattungsqualität der Wohnungen
sowie dem Vorhandensein infrastruktureller Einrichtungen vor allem ihre Lage. Bevorzugte
Standorte der Wohnungen der Elite sind in Kairo das Nilufer – hier müssen für Appartments
bis zu 2 Millionen Dollar bezahlt werden – oder die Garden City, in Bagdad das Tigris-Ufer, in
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Damaskus der Berghang über der Stadt bzw. in Beirut die Lage am Meer. Die einförmigen
häufig desolaten Wohnquartiere der einkommensschwachen Schichten sind hingegen in der
Wüste oder den Steppen zu finden. Wie in den Quartieren der Medina kommt es dadurch
aber auch zu einer gewissen Homogenisierung der Bevölkerung (sozialer Status, Kaufkraft,
Konsumgewohnheiten, Orientierung,….).
Da der Wohnungsbedarf weit über der Zahl der errichteten Neubauten liegt und diese häufig
für ärmere Zuwanderer unerschwinglich sind, kam es seit den 30er Jahren zur Entstehung
von Spontansiedlungen.
Die radikalste Veränderung der Wohnverhältnisse erfolgte in den Emiraten am Persischen
Golf. Ausgelöst durch den Ölboom und die ungeheuer gesteigerte Kaufkraft verließ die
altansässige Bevölkerung ihre einfachen Lehmbauten in der Medina und zog in
Villenquartiere am Stadtrand. In der Altstadt wurden die traditionellen Wohnquartiere durch
modernste Hochhäuser ersetzt, deren Skyline die Uniformität moderner Architektur in Europa
und den USA widerspiegelt.
Ein Sonderfall in dieser Entwicklung stellt Beirut dar. Durch den Abriss der Gebäude an der
"Green Line" soll die Erinnerung an einen Krieg, der 170.000 Menschen das Leben gekostet
und Kriegskosten von 15 Billionen Dollar verursacht hatte, gleichsam städtebaulich und
architektonisch gelöscht werden.
Die durch Terror und Kriege ausgelösten Flüchtlingsströme wiederum führten zu "wilden
Siedlungen", die im Gaza-Streifen eine der dichtest besiedelten Agglomerationen der Welt
schufen.
Veränderungen ergaben sich aber auch in ökonomischer Hinsicht. Die Zahl der im
traditionellen Handwerk Beschäftigten ist höher als die in den anderen Sektoren. Die
Änderung der Konsumgewohnheiten und Importe führten zu einer Krise des Handwerks.
Überlebenschancen
hat
dieses
nur
durch
Modernisierung,
wobei
rückgekehrten
Gastarbeitern eine besondere Rolle zukommt, durch Nutzung von Marktnischen, etwa in
Verbindung mit dem Tourismus oder im Bereich des "Reparaturhandwerks". Dennoch ist die
Zahl der Arbeitslosen und Unterbeschäftigten sehr hoch. Während die Klein- und
Mittelbetriebe im Suq verblieben, vor allem als "Hinterhofgewerbe", haben sich die mittleren
und großen Industriebetriebe aus verkehrstechnischen Gründen außerhalb der Altstadt
angesiedelt.
Nicht zuletzt ist dem Basar durch moderne Geschäftsviertel eine starke Konkurrenz erwachsen. Schon in kolonialer Zeit hatten sich diese, die den westlichen Konsumgewohnheiten entgegenkamen, in den "villes nouvelles" gebildet. In den Emiraten – in Dubai
etwa oder in Abu Dhabi – wo die Kaufkraft eine exorbitant hohe ist, wurden seit den 80er
Jahren
riesige
"Konsumtempel"
Luftfahrtgesellschaften,
Ausstellungs-
geschaffen,
und
in
denen
Verkaufsräume
sich
internationale
multinationaler
Konzerne,
10
Computergeschäfte, Fast Food – Läden vor allem aber Luxusgeschäfte mit Designerwaren
niedergelassen haben. Obwohl diese Geschäfte den amerikanischen "Malls" entsprechen,
wird
versucht,
durch
orientalische
Bauformen
sowie
einer
basarähnlichen
Branchensortierung traditionellen Bedürfnissen entgegenzukommen.
5. Funktionen einer arabisch- islamischen Stadt
Entscheidend für die Herausbildung einer Stadt war die Übernahme zentralörtlicher
Funktionen. Sie konnte politisches, religiöses oder ökonomisches Zentrum sein. Je mehr
Funktionen eine Stadt auf sich vereinigte, desto bedeutsamer wurde sie, was sich in der
Einwohnerzahl und in ihrer Größe widerspiegelte.
Wie in Europa war auch in der arabischen Welt das Entstehen von Städten eng mit ihrer
Marktfunktion verbunden. Besonders günstig war es, wenn ein Ort an den Grenzen
unterschiedlicher Wirtschaftsräume lag, wie etwa Aleppo, wo Getreide aus Hauran-Ebene,
Früchte aus dem Norden, Schafe aus den Bergen und Kamele aus der Syrischen Wüste
gehandelt wurden. Überregionale Bedeutung erlangte eine Stadt aber meist nur, wenn sie
hochrangige Funktionen auf mehreren sehr unterschiedlichen Sektoren ausübte, wie etwa
Fes, das unter den Meriniden Hauptstadt eines großen Reiches und zugleich bedeutendstes
religiöses und theologisches Zentrum Marokkos war, aber auch als Finanzplatz, Handwerksund Gewerbezentrum sowie als zentraler Markt fungierte. Andere Städte dienten nur als
Häfen wie Alexandria, als Wallfahrtsort wie Mekka oder als Zentren des Fernhandels.
Auffällig ist, dass der Orient im Laufe seiner Geschichte deutlich mehr Hauptstädte aufweist
als er Okzident. So besitzt Marokko etwa heute noch vier Königsstädte: Rabat, Meknes, Fes
und Marrakesch. Auch erfolgte in der arabischen Welt ein häufiger Wechsel, während in
Europa eine Stadt oft Jahrhunderte lang Kapitale eines Landes blieb. Eine Ursache dafür
war, dass beim Sturz einer Dynastie und dem Aufstieg einer anderen diese den Neubeginn
durch die Wahl einer neuen Hauptstadt dokumentieren wollte. So verlor etwa Damaskus mit
der Vernichtung der Umaiyaden seine Funktion als Hauptstadt, indem die Abbasiden Bagdad
zur neuen Kapitale machten, da sie in Damaskus mit Anhängern des alten Systems rechnen
mussten. Auch Sicherheitsgründe – die Geschichte der arabischen Länder war und ist bis
heute eine sehr blutige – konnten den Regenten dazu bewegen, eine neue Residenzstadt zu
gründen. So schuf der Kalif al-Mutasim mit Samarra einen neuen Regierungssitz und umgab
sich zudem mit turkstämmigen Militärs.
Die unterschiedliche ökonomische Entwicklung des Raumes konnte ebenfalls zum
Niedergang der alten und zum Aufstieg einer neuen Hauptstadt führen, da Herrschaft auf
dem
Surplus
einer
bestimmten
Region
beruhte.
Schließlich
musste
auch
die
11
stammesmäßige Struktur berücksichtigt werden, stützten sich doch verschiedene Dynastien
auf einzelne Stämme. Aber auch geostrategische und religiöse Überlegungen können
angeführt werden, wie die Beispiele Rabat oder Meknes zeigen.
Auffällig ist auch, dass "Herrschen und Regieren" in der arabischen Welt mehr Raum
beanspruchten als in Europa. Meist umfassten die Residenzen ganze Städte wie etwa Fes
Djedid.
Im Zuge der Entkolonialisierung und der Entstehung der jungen arabischen Nationalstaaten
sollten zahlreiche neue Hauptstädte geschaffen werden: Amman, Beirut, Al-Kuwayt, AdDawhah, Al-Manamah, Ar-Riyad, Tunis, Abu Zaby oder Tripolis.
Eine besondere Bedeutung kommt in der arabischen Welt den Wallfahrtsstädten zu. Zwar
spielen auch in anderen Religionen Pilgerstätten eine große Rolle. Im Islam aber stellt die
Hadsch als fünfte Säule eine Grundverpflichtung jedes Moslems dar, die zudem das soziale
Prestige des Wallfahrers als Hadschi steigert. Wichtigster Pilgerort ist Mekka, das im
Rahmen der Hadsch jährlich von über einer Million Gläubiger aus der gesamten islamischen
Welt aufgesucht wird. Da die Hadsch sich auf einen Monat beschränkt, muss die gesamte
Infrastruktur
auf
diese
riesige
Pilgerzahl
ausgerichtet
werden,
was
gravierende
Konsequenzen hat. Medina, Jerusalem und Kairuan sind weitere bedeutende sunnitische
Wallfahrtsorte, die wichtigsten schiitischen sind Kerbela und Nedschaf im Irak, wo sich die
Grabmoscheen Alis und Husseins befinden. Da es Ziel der Schiiten ist, nahe dieser Heiligen
beigesetzt zu werden, finden sich in diesen Städten riesige Nekropolen.
Ein für die orientalische Welt spezifischer Siedlungstypus ist die Oasenstadt. Im Gegensatz
zu Europa sind im Orient Gebiete mit dichter Besiedlung und sesshafter Landnutzung durch
weite agrarisch nicht nutzbare Landstriche voneinander getrennt. Diese Insel- und
Lückenhaftigkeit sind die Grundcharakteristika der Kulturlandschaft im Orient, was auch
bedeutsame Konsequenzen für die dortige Stadtentwicklung hatte. Viele Städte sind der
natürliche Mittelpunkt einer Oase oder einer landwirtschaftlich intensiv genutzten Landschaft.
Eine entscheidende Rolle kam und kommt zum Teil heute noch der Oasenstadt im
Transsaharahandel zu. Zur Zeit des Karawanenhandels bildeten diese überlebensnotwendige Raststationen, wo die Kamele getränkt und die Vorräte ergänzt werden konnten.
Sie waren aber auch wichtige Umschlagplätze für den Fernhandel, die dem Kauf und
Verkauf von Waren dienten. Reich wurden diese Städte durch die Erhebung von Zöllen und
Abgaben, da sie von Karawanen nicht umgangen werden konnten. Ein beeindruckendes
Beispiel für diesen Stadttypus ist Ghadames in Libyen, das durch den Sklavenhandel reich
wurde.
Manche Siedlung verdankt ihren Aufstieg zur Stadt dem lokalen Gewerbe. Für die Qualität
von deren Produkten spricht, dass diese in Verbindung mit dem Siedlungsnamen in die
deutsche Sprache eingegangen sind: Damaszener, Musselin… Bedeutende Beispiele
12
solcher Gewerbestädte sind Aleppo oder Fes. Die Produktion dieser und anderer Orte ging
weit über den lokalen oder regionalen Bedarf hinaus. Häufig erfolgte eine Spezialisierung auf
ein bestimmtes Produkt: in Aleppo etwa auf hochwertige Textilien, in Fes auf Lederschuhe –
die Gerbereien sind heute noch eine Touristenattraktion – oder in Tunis auf die offizielle
Kopfbedeckung im Osmanischen Reich, den Fes. Da die Produktion die lokale Nachfrage bei
weitem überstieg, war die Herstellung weiträumiger Handelskontakte durch Großkaufleute,
Fernhändler und Unternehmer notwendig.
Lange Zeit waren die orientalischen Städte am Mittelmeer kontinental orientiert. Die
militärische Überlegenheit von Byzanz reduzierte die maritimen Aktivitäten der Araber auf
das Rote Meer bzw. auf den Seehandel mit Indien. So verloren die Hafenstädte ihren
urbanen Charakter und wurden zu bloßen Bollwerken gegen die byzantinische Flotte: Der
Handel wurde in die Städte hineingenommen, die Häfen bestanden nur mehr aus einfachen
Anlagen für den Umschlag von Waren, die auf Kamelen in die Städte transportiert wurden.
Lediglich Alexandria und Tripolis konnten ihren Charakter als Hafenstädte dauerhaft
bewahren. Die Trennung von Hafen und Stadt ergab sich aber auch durch den Umstand,
dass weite Küstenstriche des östlichen Mittelmeers versumpft und malariaverseucht waren.
Im Hochmittelalter gerieten die meisten Häfen der Levante unter die Kontrolle der
christlichen Kreuzfahrerstaaten (Tripoli, Akkon). In der Folge gelang es den islamischen
Herrschern ihre Seemacht auszubauen und vor allem das östliche und südliche Mittelmeer
unter ihre Kontrolle zu bringen. Mit dem Niedergang der muslimischen Zentralmacht im 19.
Jahrhundert wurde die Piraterie zu einer Gefahr für die westliche Schifffahrt, was schließlich
Frankreich zu einem offensiven Vorgehen und zu einer Besetzung Algiers veranlasste. Es
sollten schließlich die Hafenstädte sein, die als erste orientalische Städte europäisiert
wurden.
6. Privatheit als Merkmal der arabisch-islamischen Stadt
War in griechisch-römischer Zeit der homo publicus das gesellschaftliche Ideal, so ändert
sich dies in islamischer Zeit: Privatheit wird nun zum vorzüglichen Merkmal. Dieser Wandel
zeigt sich im Bereich der Stadtgestaltung, in der Architektur, aber auch in der Religion und
Herrschaft.
So war etwa das Betreten der Altstadt von Fes Europäern noch in der 2. Hälfte des 19.
Jahrhunderts bei Androhung der Todesstrafe verboten. Mekka ist immer noch für NichtMuslime tabu, ebenso wie die Moscheen in Maghreb. Das Fotografieren von öffentlichen
Gebäuden in Libyen ist unter Strafe gestellt. Die Königspaläste in Marokko können selbst bei
Abwesenheit des Herrschers nicht besichtigt werden. Einladungen in ein arabisches
13
Wohnhaus sind äußerst selten. Auch zeigt sich die Geringschätzung des öffentlichen
Raums, indem unbekümmert Abfälle an den Straßen abgeladen werden.
Die orientalische Stadt ist in streng voneinander getrennte Wohnviertel und Quartiere
gegliedert. Die Einwohnerschaft splittert sich in eine größere Zahl von ethnischen,
sprachlichen oder religiösen Gruppen auf, die sich fremd oder bisweilen sogar feindlich
gegenüberstehen. Diese Gliederung geht historisch auf Großfamilien oder Sippenverbände
zurück, bisweilen war die Neugründung einer Stadt auch mit Umsiedlungen verbunden. So
wurden etwa bei der Gründung von Kairo Griechen, Armenier, Türken, Kurden, Araber und
Berber in gesonderten Quartieren angesiedelt. Jedes dieser Wohnviertel verfügte über eine
eigene Infrastruktur. Die Zahl der Quartiere war unterschiedlich hoch, wobei in jeder dieser
Einheiten einige Hundert bis zu 2000 Menschen lebten. Die Quartiere waren durch Tore
getrennt, die häufig nachts verschlossen und bewacht wurden, da die Stadt von außen wie
von innen bedroht war.
In beinahe allen orientalischen Städten außerhalb der Arabischen Halbinsel lebten christliche
und jüdische Gruppen. Diese spielten im öffentlichen Leben – als Ärzte, Verwaltungsbeamte,
Fernhändler oder auch als Handwerker – eine recht bedeutende Rolle, bildeten aber einen
eigenen Teil der Gesellschaft. Als Dhimmi durften sie zwar ihre Religion ausüben, waren
aber von den Muslimen durch die Kopfsteuer, Erkennungszeichen wie die Kleidung und
besondere Ehe- und Erbgesetze geschieden. Konvertiten aber konnten in höchste
Staatsämter aufsteigen. Da das Verhältnis zwischen Muslimen und Nichtmuslimen kein
ungetrübtes war – bisweilen kam es zu Pogromen – bedeutete dieses Zusammenleben auch
Schutz und Solidarität. Andererseits waren die Vorsteher der Gemeinden verantwortlich für
die Einhaltung der Bedingungen der Dhimma.
Während es in den meisten islamischen Städten erst im 19. Jahrhundert zur Herausbildung
klar abgegrenzter Juden- und Christenviertel kam – Jerusalem etwa wurde um 1800 in 5
religiös definierte Stadtteile geteilt – erfolgt dieser Vorgang in Maghreb schon früher. So
wurden um 1325 alle Juden aus Fes el-Bali in die Mellah von Fes Djedid nahe dem
Sultanspalast zwangsumgesiedelt, weil sie dort besser kontrolliert, aber auch geschützt
werden konnten. Ihr einstiger Reichtum lässt sich heute noch an den Fassaden ihrer Häuser
ablesen, da sie diesen im Gegensatz zu den Muslimen offen zeigten. Als Folge des
Sechstagekrieges übersiedelten die meisten maghrebinischen Juden nach Israel, die
Bausubstanz zerfällt und es kommt zur "Muslimisierung" der Mellah.
Der Wunsch nach Privatheit findet aber auch in der Straßenführung seinen Ausdruck. Breite
Durchzugsstraßen verbinden das Stadtzentrum mit den Toren sowie der Quartieren der
Medina und stehen im öffentlichen Besitz. Innerhalb der Quartiere sind die Gassen so
schmal, dass nur zwei Esel einander passieren können. Die Gassen gelten als halbprivater
Bereich und werden deshalb von Straßenkehrern und ambulanten Händlern gemieden. Meist
14
sind sie auch viel reinlicher als die öffentlichen Straßen, da sie von den Anwohnern sauber
gehalten
werden.
In
Zeiten,
da
die
städtische
Gewalt
schwach
war,
konnten
Durchzugsstraßen durch den Kauf des gegenüberliegenden Grundstücks in Sackgassen
umgewandelt werden. Im Gegensatz zu der strikten Einhaltung der Straßenfluchtlinie im
europäischen Mittelalter waren die Bauvorschriften in der orientalischen Stadt wesentlich
pragmatischer. Dieses Sackgassensystem kann zudem als ein Erbe der altorientalischen
Stadt betrachtet werden.
Der Wunsch nach Privatheit äußert sich vor allem aber in der Architektur der Wohnhäuser.
Meist liegen diese an einer Sackgasse, ihr Äußeres ist schlicht und die straßenseitige
Fassade ist beinahe fensterlos. Die Eingangstüren von gegenüberliegenden Häusern sind
meist versetzt. Zusätzlich führt der Gang um die Ecke, um fremde Blick abzuweisen.
Größere Häuser besitzen meist zwei Innenhöfe, wodurch der Frauenbereich noch klarer
getrennt ist. Enge Holzgitter vor dem Fenster, die maschrabya, ermöglichen zwar einen Blick
nach außen, verhindern aber den fremden Einblick ins Innere des Hauses. Auch die
Festlegung der Stockwerkzahl – zumeist zwei – dient dazu, die Privatheit zu wahren.
Eine Ausnahme bildet das Turmhaus, wie es seit Jahrhunderten typisch für den Jemen ist.
25 bis 30m hoch war es einerseits Zufluchtstätte vor dem extremen Wüstenklima, diente der
Sicherheit und dem Schutz in einem Land, wo diese Aufgabe der Familie und Sippe zukam
und z.T. heute noch zukommt, und sollte auch deren Macht und Reichtum repräsentieren.
Eine regionale Besonderheit der Bauformen findet sich in den Oasengebieten am Rande der
Sahara. Die Grenzsituation, d.h. die Notwendigkeit einer wirksamen Verteidigung und des
Unterhalts der Bewässerungsanlagen, war wohl verantwortlich für das Leben in straff
organisierten Gemeinschaften. So entstanden streng geordnete, häufig geometrisch
gegliederte, außerordentlich dichte Siedlungsgefüge mit hohen Wehrmauern, Türmen und
einem zentralen Torgebäude: die Ksour.
All diese Faktoren sichern Privatheit, Solidarität und Sicherheit. Allerdings ist die soziale
Kontrolle eine sehr ausgeprägte. Zwar gibt es Nachbarschaftshilfe und die Kriminalitätsrate
ist intra muros bedeutend geringer als außerhalb der Medina. Unter dem Mangel an
Rückzugsmöglichkeiten haben vor allem die Frauen zu leiden.
7. Der Basar als eigentliches Charakteristikum der orientalischen Stadt
Der Basar bzw. Suq stellt das innovative Element der arabisch-islamischen Stadt dar und
zugleich ihr prägendstes. Dies bedeutet allerdings nicht, dass es in vorislamischer Zeit keine
Vorläufer gegeben hätte, so finden sich in den hellenistischen Städten unter den Arkaden der
15
Kolonnadenstraßen Räumlichkeiten für den Einzelhandel, die allerdings keine Überdachung
aufweisen und in denen auch Wohnungen vorhanden waren.
Seit dem Mittelalter lassen sich Basare als im Stadtzentrum gelegene Komplexe
spezialisierter Basarbauten und als ein vielschichtiges und vernetztes System ökonomischer
und sozialer Funktionen nachweisen. Viele Fragen, etwa weshalb der Handel seine
Aktivitäten in die Stadtzentren verlegte oder wie die Khane zu Standorten des Großhandels
wurden und welche historischen Vorläufer sie hatten, sind noch ungeklärt.
Der Basar ist wesentlich mehr als ein Einkaufs- und Gewerbezentrum; er ist wirtschaftliches
Organisationszentrum, Finanz- und Kreditplatz. Anders als im Westen offenbart sich dies
jedoch dem durchschnittlichen Besucher nicht. Auch sind die verschiedenen Funktionen
nicht klar voneinander getrennt.
Diese
Multifunktionalität
des
Basars
(Einzelhandel,
Dienstleistungen,
Groß-
und
Zwischenhandel, Fernhandel, Finanz- und Kreditwesen, Makler, Handwerker….) äußert sich
architektonisch in einem Baubestand: Basargassen für Einzelhandel und Handwerk, Khane –
auch Wakalat oder Funduq genannt – für Groß- und Zwischenhandel bzw. Fernhandel,
überdachte Hallen und Bedesten. Aber auch Moscheen, Medresen, Hammams, Brunnen,
Kaffeehäuser und Garküchen gehören zum Baubestand des Basars. Diesem kommt also
auch eine religiöse und politische Bedeutung zu: Kaufleute sind wichtige Meinungsbildner
und der Streik der Bazaris – etwa in der Westbank – hat politisches Gewicht. Was die
Bedeutung des Basars anlangt, meint Wirth, dass diesem vergleichbare multifunktionale
Gebäudesysteme in Europa und Nordamerika kaum vor dem 2.Weltkrieg existiert hätten und
der islamische Orient einen Vorsprung von einem halben Jahrtausend gehabt hätte.
Charakteristisch für den Basar ist die ursprünglich strenge räumliche Branchentrennung und
–sortierung, das heißt, dass die nebeneinander liegenden Läden – früher meist offene Boxen
von weniger Quadratmetern Fläche – die jeweils gleichen Waren anbieten. Allerdings kann
es zu einer Vergesellschaftung kommen, etwa Schuhverkäufer, Schuhmacher und
Lederverkäufer oder zwischen dem Einzelhandel in den Basaren und dem Großhandel mit
gleichen Waren in den Khanen, da aufgrund des Kapitalmangels und der Größe der
Geschäfte keine aufwendige Lagerhaltung möglich ist. Das Angebot kann sich aber auch an
Kundengruppen (Pilger, Frauen….) orientieren.
Da die Wertigkeit der Standorte des Basars eine sehr unterschiedliche ist, ergibt sich daraus
eine gewisse Hierarchie. Diese ist jedoch nicht von der rituellen Reinheit der Waren oder von
der Entfernung zur Hauptmoschee abhängig, entscheidend ist vielmehr die Stärke und
Richtung der Passantenströme. In den Hauptbasargassen nahe den Toren sind die
besonders geachteten oder die heute besonders zahlungskräftigen Branchen angesiedelt:
Handel
mit
hochwertigen
Textilwaren,
Juweliergeschäfte,
hochwertige
technische
Konsumgüter, Antiquitäten oder Gewürze.
16
Typisch für den Basar ist die strikte Trennung von Wirtschaften und Wohnen. Dies erklärt
sich einerseits aus der Bedeutung der Privatheit, d.h. bei einer Durchmischung von Wohnund Wirtschaftsstandorten wären Abgeschlossenheit und Intimität des Familienlebens nicht
mehr gewahrt gewesen, andererseits aus dem Sicherheitsbedürfnis für die z.T. wertvollen
Waren, sodass nachts und an Feiertagen die Zugänge zum Basar abgesperrt wurden.
Wahrscheinlich war es auch der Wunsch nach Schutz der Waren vor Räubern, aber auch
Feuer, die zu einer steinernen Überwölbung der Basare und zur Schaffung besonders
gesicherter Gebäude, der Khane, geführt haben. In Marokko, wo die Basare nicht so prächtig
sind, besteht diese Überdachung nur aus Holzrosten oder Schilfmatten.
Zu den wichtigsten Basartypen zählen der Linienbasar, der Flächenbasar und der zentrale
Einzelhandelsbasar mit umgebenden Khanen. Der Linienbasar besteht aus einer einzigen
lang gestreckten Basargasse, welche beiderseits von Khanen gesäumt ist, wie etwa der
Basar des Midan im südlichen Damaskus. Beim Flächenbasar hingegen handelt es sich um
einen größeren geschlossenen Komplex paralleler und sich kreuzender Basargassen mit
Khanen und Hallenkomplexen. Das schönste Beispiel für diesen Typus findet sich in Aleppo.
Zentrale Einzelhandelsbasare mit umgebenden Funduqs finden sich vor allem in Marokko.
Ergänzt werden diese großen Basare durch die für die Versorgung eines Wohnviertels mit
einfachen Gütern zuständigen Quartierbasare und die sich meist bei den Stadttoren
befindlichen Basare für die Besucher vom Land.
Mit dem Aufstieg von Einkaufszentren – beginnend in der Kolonialzeit – hat der Basar an
Bedeutung verloren. Vor allem ist der Großhandel abgewandert. Allerdings hat der Basar
sein Publikum aus der Unter- und Mittelschicht behauptet und z.T. konnte er durch
Spezialisierung – etwa auf Touristen – sein Überleben sichern (Khan al-Khalil in Kairo).
Selbst in den reichen Ölstaaten am Persischen Golf wurde – seit den 70er Jahren – in den
außerhalb der Städte errichteten Ladenpassagen und Geschäftsgallerien eine Synthese
zwischen traditionell-überwölbter Basarhalle und westlich-orientiertem Kaufhaus geschaffen.
In Verbindung mit dem Basar müssen auch die städtischen Investoren angesprochen
werden.
In
der
älteren
Literatur
findet
sich
immer
wieder
der
Begriff
des
"Rentenkapitalismus", d.h. die orientalisch-islamische Stadt hätte sich dem umgebenden
Land
gegenüber
völlig
parasitär
verhalten
und
alle
über
das
Existenzminimum
hinausgehenden Erträge abgeschöpft und wäre deshalb für die ländliche Unterentwicklung
verantwortlich. In Wirklichkeit ist die Stadt ein Ausstrahlungszentrum für Innovationen und
die städtische Lebensform wirkt bis in die entferntesten Winkel.
Was die städtischen Investoren anlangt, spielen Fromme Stiftungen eine bedeutsame Rolle.
Durch eine letztwillige Erklärung konnte der Eigentümer seinen Besitz – vor allem Immobilien
– vor Teilung oder Veräußerung nach seinem Tode schützen, wobei die Erträge häufig
religiösen oder sozialen Einrichtungen zugute kamen. Jüngste Untersuchungen haben
17
ergeben, dass noch heute der größte Teil der Immobilien, auf denen etwa die Basare stehen,
sich in Waqf-Besitz befinden.
8. Die wichtigsten Gebäudetypen der orientalischen Stadt
Jede Kultur, jede historische Epoche hat eine für sie spezifische Architektur hervorgebracht.
Die verschiedenen Gebäudetypen reflektieren das Selbstverständnis einer Gesellschaft in
einem bestimmten historischen Abschnitt. Diese Feststellung gilt nicht nur für das antike
Rom, das europäische Mittelalter oder die Moderne mit ihren spezifischen Gebäudetypen,
sondern auch für die islamische Architektur.
8.1 Religiöse Bauwerke
Die Moschee
Lange Zeit war den Muslimen – abgesehen von der Ka´ba – ein spezielles Gebäude, das
dem Gebet diente, unbekannt. Mit dem Begriff "Moschee" wurde kein besonderer
Gebäudetypus benannt, sondern "Masdjid" (=Ort der Niederwerfung) bezeichnete nur einen
Ort, wo sich die Gläubigen zum Gebet versammelten. Dies konnte irgendein ebener Platz,
der anfangs durch einen Graben oder eine Mauer von der Umgebung getrennt war, sein,
ebenso der Innenhof eines Hauses. So diente der Hof von Mohammeds Haus in Medina als
Ort des Gebets und für die Predigt, in ihm wurden aber auch Staatsgeschäfte erledigt und
Steuern eingenommen, d.h. ein großer Teil des öffentlichen und politischen Lebens fand hier
statt.
Das Wohnhaus des Propheten, das nach dessen Tode in eine Moschee umgewandelt
wurde, sollte für die Entwicklung dieses Gebäudetyps prägend sein: nämlich für den Typus
der Hofmoschee (auch Hypostystil- oder "arabische Moschee" genannt) mit einem
rechteckigen Hof, auf drei Seiten umlaufenden Arkaden und dem mehrschiffigen Säulenwald
des Betraums. Ein Beispiel für diesen Typus ist die Al-Aksa-Moschee in Jerusalem oder die
Ibn Tulun-Moschee in Kairo. Im Kontakt mit anderen Kulturen sollten sich die weiteren
Moscheetypen herausbilden.
Bisweilen wurden für die Moschee Plätze gewählt, an denen zuvor Heiligtümer anderer
Religionen gestanden hatten. Dabei wurden jedoch selten einfach Tempel oder Kirchen
übernommen und in Moscheen umgewandelt, sondern wie im Fall der Johanneskirche in
Damaskus diese abgetragen und aus deren Bauteilen die Umaiyadenmoschee errichtet. Der
Felsendom war der erste – wenn auch byzantinisch beeinflusste – religiöse Bau.
Der Freitagsmoschee kommt eine besondere Bedeutung zu: In ihr wird von der
Gemeinschaft der Gläubigen das Freitagsgebet verrichtet, in ihr hält der Imam die Predigt,
18
die durchaus auch politische Inhalte haben kann. Ursprünglich sollte es in jeder Stadt nur
eine Freitagsmoschee geben, was sich angesichts der wachsenden Größe der Städte jedoch
nicht aufrechterhalten ließ.
Allmählich bildete sich ein festes Architekturprogramm der Moschee heraus. Dazu zählt der
in die Qibla eingelassene Mihrab, der aus der Thoranische oder Apsis hervorgegangen ist,
die die Gebetsrichtung – bis 630 Jerusalem dann Mekka – anzeigt. Weiters der Minbar
(Kanzel), von der aus der Imam predigt, einige erhöhte Plattformen (Kursi) zur Verlesung des
Koran, Brunnenanlagen im Hof oder an der Seite der Moschee für die kultischen
Waschungen und die Minarette, von denen aus der Muezzin zum Gebet ruft. Zur Moschee
gehören aber auch die Armenküche, Bibliothek, Toilette und früher manchmal eine
Schatzkammer, wie sie heute noch in der Umaiyaden-Moschee in Damaskus zu sehen ist.
Andere religiöse Bauwerke
Die Moschee sollte lange Zeit das einzige Bauwerk der islamischen Welt bleiben. Erst
allmählich entstanden Mausoleen, Gebetshäuser, Medresen und Koranschulen, die sowohl
religiösen wie sozialen Interessen dienten.
Da es dem islamischen Gleichheitsprinzip der Anfangszeit widersprach, sollte erst im 9.
Jahrhundert in Samarra mit dem Grabmal des Kalifen el-Mutazz das erste Fürstengrab
errichtet werden. Architektonisch lehnt es sich bei aller Schlichtheit dem Felsendom und
byzantinischen Martyrien an. Im 10. besonders aber im 12. Jahrhundert entfalteten die
Grabbauten – seien es Herrscher- oder Heiligengräber – einen besonderen Prunk. Beispiele
dafür sind die Mausoleen von Saladin in Damaskus oder von Idris II. in Fes.
Märtyrergräber finden sich vor allem im schiitischen Bereich und erfuhren ihre größte
Prunkentfaltung in den Grabmoscheen von Ali in Nedjef bzw. von Hussein in Kerbela. Für
Marokko typisch sind die Marabuts, die Grabmäler lokaler Heiliger, in denen diese um
Beistand und Hilfe angerufen werden, da viele als Wundertäter gelten. Bisweilen sind
Mausoleen
in
größere
Komplexe
integriert,
etwa
in
Moscheen,
Medresen
oder
Krankenhäuser.
Ein anderes religiöses Bauwerk ist die Medrese, an der islamisches Recht gelehrt wird. Da
Staat und Religion eins sind, mussten sich die Herrscher in ihren Entscheidungen jeweils auf
das islamische Recht berufen. Während der Konflikte zwischen den Dynastien bildeten sich
im sunnitischen Islam vier Rechtsschulen heraus. Die Medresen sind jeweils einer von ihnen
verpflichtet.
Die Medresen sind um einen oder mehrere Innenhöfe gruppiert, im Erdgeschoss finden sich
die Hörsäle, im Obergeschoss sind Studenten und Professoren untergebracht. Häufig ist
eine Moschee angeschlossen, bisweilen auch eine Bibliothek und ein Archiv. Die
19
architektonisch interessantesten Beispiele finden sich in Aleppo sowie in Kairo, besonders
aber in Fes.
Die Koranschule ist das verbreitetste religiöse Gebäude in einer orientalischen Stadt. Da sie
zumeist aus einem einzigen, zudem sehr kleinen Raum bestehen, finden sich in jedem
Quartier mehrere. Sie verfügen über kein Mobiliar, und meist ist lediglich ein Fenster hoch in
der Mauer angebracht, um die Schüler nicht vom Lernen abzulenken. Sie sind vorzüglich an
vielbegangenen Gassen und Kreuzungen situiert, damit die Passanten das Rezitieren des
Koran hören können.
Militärische Anlagen
Vom ersten Auftreten des Islam bis in die unmittelbare Gegenwart bestimmten kriegerische
Auseinandersetzungen den Nahen Osten. Dabei waren es nicht nur äußere Konflikte – etwa
mit Byzanz oder mit den Kreuzfahrern – sondern vor allem auch innerislamische zwischen
den verschiedenen Dynastien oder Rebellionen der Stadtbevölkerung. Die architektonischen
Spuren, die diese Auseinandersetzungen hinterließen, können an den Befestigungsbauten
abgelesen werden: an Mauern, Toren und Zitadellen. Da auch Kreuzfahrer ihre
Verteidigungsbauten im Nahen Osten errichteten (Krak de Chevaliers, Kerak….) war es nur
konsequent, dass wehrtechnische Fortschritte vom jeweiligen Gegner rasch aufgegriffen und
in seine Strategie eingebaut wurden. So können christliche und muslimische Verteidigungsanlagen oft nur aufgrund des Dekors, der Bauinschriften oder der Zinnengestaltung unterschieden werden.
Noch heute sind vor allem in Marokko (Rabat, Fes, Marrakesch) die gewaltigen Stadtmauern
größtenteils intakt. Mauern umgürteten aber nicht nur die Stadt, sie grenzten zum Teil auch
die verschiedenen Quartiere voneinander ab. Wie in Europa wurden aber durch sie auch
Stadt und Land deutlich voneinander geschieden.
Durchbrochen werden die Mauern von Toren, die in Ägypten wie in Marokko sowohl der
Verteidigung dienten, aber auch Macht und Reichtum demonstrieren sollten. Vor diesen
Toren befinden sich bis heute kleine Suqs, die vor allem ein ländliches Publikum
ansprechen. Heute sind sie auch Ausgangspunkt für die Sammeltaxis.
Die Zitadelle schließlich diente als Rückzugsmöglichkeit, wenn die Stadt nicht mehr gehalten
werden konnte. Bisweilen war sie, wie in Damaskus, am äußersten Rand der Stadt errichtet
und durch starke Mauern von ihr getrennt. Manchmal wurde sie auf einer Anhöhe über der
Stadt, aber auf deren Territorium erbaut, wie in Kairo oder in Aleppo. Manche der Zitadellen
hatten eine bloße militärische Funktion, andere dienten als Palast mit Prunkräumen und
Gärten. Da einige von ihnen auch heute noch militärisch genutzt werden, sind sie für
Besucher ganz oder teilweise gesperrt, wie in Kairo, wo ein Teil der Zitadelle immer noch als
Kaserne dient.
20
Weitere bedeutsame Bauten
Zu den wichtigsten städtischen Einrichtungen gehörten öffentliche Brunnen. Nicht nur, dass
Wasser in dieser Region häufig knapp ist – es waren auch große Anstrengungen
(Aquädukte, Schacht- und Stollensysteme, Norias) erforderlich, das notwendige Nass in die
Stadt zu bringen - , und selbst dann, wenn genügend Quellen zur Verfügung standen, wurde
frisches Trinkwasser nur in Moscheen, Medresen, in Hammams sowie in vornehme
Wohnhäuser eingeleitet. Die Mehrheit der Bevölkerung war auf öffentliche Brunnen
angewiesen, von wo das Wasser in Krügen und Eimern in die Wohnungen getragen wurde.
Da den Brunnen eine solche Bedeutung zukam, galt die Errichtung eines solchen als eine
besonders wohltätige Stiftung. Die schönsten öffentlichen Brunnen finden sich in Marokko.
Das islamische Bad nimmt innerhalb der Bädergeschichte eine besondere Position ein, da
es die einzige Bäderform ist, die bis heute weitgehend unverändert geblieben ist. Mit den
großen Thermen der Römerzeit haben die kleinen islamischen Funktionsbauten allerdings
wenig gemein, sieht man von der Raumfolge ab. Da physische und rituelle Reinheit im Islam
nicht zu trennen sind, konnte auch nur fließendes Wasser diese Ansprüche erfüllen. Das
älteste erhaltene muslimische Bad ist der Hammam al-Buzuriya in Damaskus aus dem 12.
Jahrhundert. Es besteht aus drei Räumen und seitlichen Kammern, die für intime
Waschungen und die Entfernung der Körperhaare dienten. Statt Hypokausten besitzt es
einen einfachen Heizkanal. Im Stadtbild sind die Hammame an ihren flachen Kuppeln leicht
zu erkennen. Neben der Waschung dienten sie auch der Körperpflege und der Massage. Als
Begegnungsstätte hatten sie besonders für Frauen große Bedeutung. Gab es kein eigenes
Frauenbad, so standen die Hammams nachmittags den Frauen zur Verfügung. Dort konnten
sie sich mit ihren Freundinnen ungezwungen treffen, ihre Angelegenheiten besprechen und
häufig dienten diese Einrichtungen auch der Brautschau.
Unter den Gemeinschaftseinrichtungen ist vor allem das Hospital zu nennen. Die arabische
Medizin war der europäischen weit überlegen, sowohl was den Kenntnisstand der Ärzte wie
die Organisation des Gesundheitswesens anlangte. Alle Städte von Bedeutung besaßen ein
Krankenhaus. Die Hospitäler waren großzügig angelegt, verfügten über verschiedene
Abteilungen und umfassten auch eine Bibliothek, eine Apotheke und eine Leichenhalle.
Bedürftige Kranke und Mekkapilger wurden kostenlos versorgt, da sich die Krankenhäuser
aus Stiftungen finanzierten. Die Hospitäler dienten auch der Ausbildung von Medizinstudenten, woraus sich die besondere Größe der Krankensäle erklärt. Erst im Gefolge der
Kreuzzüge gelangte die Institution des Krankenhauses nach Europa. Der besterhaltene
"Maristan" (Lehrkrankenhaus) befindet sich in Damaskus.
Als letzte öffentliche Einrichtung soll das Gerichtsgebäude erwähnt werden. Dieses befand
sich meist im Stadtzentrum. In ihm war auch die Wohnung des Kadi untergebracht. Zusammen mit dem Mufti, dem Imam u.a. gehörte er der geistigen Elite, der Ulama, an.
21
Europäisch-westlich beeinflusste Bauten
Während der Kolonialzeit trachteten die europäischen Mächte danach, ihren in Vorderasien
und Nordafrika stationierten Militärs und Beamten eine ihnen vertraute Lebenswelt zu
schaffen, was auch architektonische Konsequenzen für die arabischen Städte hatte.
Andererseits waren es einheimische Reformer, etwa Mohammed Ali in Ägypten oder Ahmed
Bey in Tunesien, die durch die Übernahme westlicher Technik und westlichen Gedankenguts
den Anschluss an das überlegene Europa finden wollten.
Architektonische Erneuerungen ergaben sich aber auch aus dem Umstand, dass mit der
Übernahme von Post, Eisenbahn und anderen Einrichtungen zugleich eine bestimmte
architektonische Formensprache übernommen wurde. Verstärkt wurden diese Tendenzen
auch dadurch, dass die meisten einheimischen Architekten in Europa ausgebildet wurden.
Entstanden ist dabei eine westliche und orientalische Synthese, die sowohl klassizistische
wie neoorientalische und Jugendstilelemente übernahm. Beispiele für dem Klassizismus
nachempfundene Bauten sind das Nationalmuseum und das Opernhaus in Kairo, aber auch
Hotels, Banken, Ministerien und Wohnbauten.
Die Architektur jener Jahre in Vorderasien ist hingegen, da es unter osmanischer Herrschaft
stand, von Vorbildern aus Istanbul geprägt. Beispiele dafür sind etwa die Bahnhöfe in
Damaskus oder Aleppo. Eine auffällige Besonderheit dieses Raumes sind die Uhrtürme, die
damals in allen größeren Städten als Mahnmal für Pünktlichkeit und Ordnung errichtet
wurden.
In den letzten Jahrzehnten hat sich – vor allem in den reichen Ölstaaten – der postmoderne
Stil mit seiner austauschbaren Architektur durchgesetzt. Das wohl markanteste Beispiel
dafür ist in Dubai. Allerdings lassen sich seit einigen Jahren auch Versuche beobachten, zu
einer eigenständigen islamischen Architektur zurückzufinden. Diese Tendenzen werden
besonders durch "The Aga Khan Program for Islamic Architecture" unterstützt. Erste Erfolge
zeigen sich in den Werken des Ägypters Hassan Fathy, des Iraqi Rif´at al-Jadarji, aber auch
in dem in Mekka errichteten Hotel- und Konferenzzentrum, das der deutsche Architekt
Gutbrod in unmittelbarer Nähe zur Ka´ba errichtete.
9. Gibt es einen orientalisch-islamischen Stadttypus?
Da der Orient ab dem 7. Jahrhundert machtpolitisch, religiös und kulturell unter dem Einfluss
des Islam steht, tauchten in der Literatur schon früh Begriffe wie "orientalische Stadt",
"islamische Stadt" und "orientalisch-islamische Stadt" auf. Die wissenschaftliche Diskussion
bewegte sich vor allem um die Frage, wie weit wesentliche Elemente der Städte im Orient
altorientalischen Ursprungs sind oder ob sie dem Islam zuzuschreiben wären, ob es also
22
eine Kontinuität von altorientalischer und islamischer Stadt mit hellenistisch-römischen
Einflüssen gibt.
Geht man von den architektonischen Merkmalen der orientalisch-islamischen Stadt aus, so
muss festgestellt werden, dass sowohl der unregelmäßige Stadtgrundriss wie die
Sackgassenstruktur bereits in mancher Stadt des Alten Orients anzutreffen sind. Auch die
Gruppierung der Räume und Gebäudeteile um einen Innenhof herum, wie er nicht nur für
das islamische Wohnhaus, sondern ebenso für religiöse Bauten (Moschee, Medrese), aber
auch öffentliche Wirtschaftsgebäude (Khan, Karawanserei) typisch ist, findet sich bereits im
4. Jahrtausend v.Chr., nämlich im Hürdenhaus des Alten Orient. Die Quartiergliederung
wiederum, d.h. die Teilung der städtischen Wohnbevölkerung nach Sippen, Religionen,
Sprachgemeinschaften usw., ist ebenfalls kein bloß islamisches Phänomen. Bleibt einzig der
Basar, der als Ort des privatwirtschaftlichen Handels im Alten Orient nichts Vergleichbares
besitzt, da dort zumindest der Fernhandel staatlich kontrolliert wurde. Auch kam der
Moschee eine wesentlich geringere wirtschaftliche Bedeutung zu, wie sie häufig der
altorientalische Tempel hatte.
Auf rechtlicher und staatspolitischer Ebene wiederum bestehen starke Parallelen, etwa in der
Dominanz und Präsenz von Herrschaft, sowie in dem Faktum, dass es sich bei den
Städtebewohnern in beiden Kulturen nicht um "Bürger", sondern eher um "Untertanen"
handelt.
Auch war der Islam keine radikal neue Religion, sondern übernahm vorislamische Elemente
ebenso wie solche des Judentums und des Christentums, sodass aufgrund der
Gemeinsamkeiten von den abrahamitischen Religionen gesprochen wird, ohne die
Besonderheit des Islam zu leugnen.
Es war gerade die Offenheit des Islam, die ihn dazu befähigte, nicht nur ihm Fremdes in
Religion, Kultur und Wissenschaft
zu übernehmen, es zu integrieren und an andere
Kulturkreise zu vermitteln. Die Namen Ibn Sina latinisiert in Avicenna oder Averroes
eigentlich Ibn Rushd stehen für diese Tendenzen.
So scheint es nicht sinnvoll über das Vorhandensein einer "orientalisch-islamischen Stadt" zu
diskutieren, sondern sinnvoller von der Stadt in der orientalisch-islamischen bzw. der
arabisch-islamischen Welt zu sprechen.
10. Urbanisierungsquote der arabischen Welt
Der Verstädterungsgrad in der arabischen Welt liegt mit 55,6% über dem Asiens (48%) und
Afrikas (52,6%), reicht aber an die Urbanisierungsquote Lateinamerikas (71,5%), West- und
23
Nordeuropas (83,3%) oder gar Australien-Neuseelands (85,4%) bei weitem nicht heran.
Vergleicht man allerdings den für die arabische Welt ermittelten Wert mit den Angaben für
die gesamte Dritte Welt unter Ausschluss Lateinamerikas, so liegt letztere mit 34,3% deutlich
unter diesem. Auffällig ist auch, dass die Urbanisierungsquote der einzelnen arabischen
Staaten deutlich voneinander abweichen.
An der Spitze liegen die Golfstaaten Kuwait, Katar, Bahrain sowie die VAE mit einer
Urbanisierungsquote zwischen 96 und 78%, im Mittelfeld Libyen, Jordanien bzw. Ägypten
und am Ende der Skala Oman mit weniger als 10%.
Was die Größe der Städte anlangt, so finden sich lediglich zwei arabische Städte unter den
30 weltgrößten: Nämlich Kairo mit 9,6 Mio. Einwohnern an 13. und Bagdad mit 4,3 Mio. an
29. Stelle. Bei der Zahlenangabe für Kairo handelt es sich allerdings um Metro-Kairo, mit 6,8
Mio. für Kairo selbst fiele diese Stadt auf den 15. Rang zurück.
Der prozentuale Anteil der Hauptstädte an der jeweiligen Gesamtbevölkerung erreicht sehr
hohe Werte – für Bagdad liegt er bei über 20% - woraus sich große soziale, ökonomische
und infrastrukturelle Probleme ergeben. Auffällig ist auch die Dominanz der größten Städte –
jeweils der Hauptstadt, sieht man von Marokko, Kuwait und Syrien ab – gegenüber der
nächst größten. Das Verhältnis beträgt für Ägypten 2,1 : 1, für den Irak 6,8 : 1, für Jordanien
2 : 1, für den Jemen 1,8 : 1, für Katar 2,3 : 1, für den Libanon
7 : 1, für Libyen 1,2 : 1, für
Oman 3,9 : 1, für Saudi-Arabien 1,5 : 1 und für Tunesien 2,8 : 1.
Von Weltmetropolen kann aber – auch wenn Kairo die größte Stadt des Kontinents Afrika ist
– nicht gesprochen werden, da darunter dynamische Steuerungszentren der Weltwirtschaft,
die Schaltzentralen der Weltfinanz, die wichtigsten Knotenpunkte des Verkehrs und
Topzentren von Kultur, Medien, Sport, Mode und Trends verstanden werden.
11. Gegenwartsprobleme der arabischen Städte
11.1 Bevölkerungsentwicklung und Migration
Zu den gravierendsten Gegenwartsproblemen Nordafrikas und Vorderasiens zählen – wie
überall in der Dritten Welt – Bevölkerungswachstum und Migrationsprozesse.
Mit einem Bevölkerungszuwachs von 3,1% - Ostasien 1,6%, Südasien 2,2% und
Lateinamerika 2,1% - erreicht diese Region einen Spitzenwert, der mit dem des
subsaharischen Afrika ident ist.
Auffallend ist, dass die Zuwachsraten für die Städte deutlich niedriger sind als für die
betreffenden Länder. Der Bevölkerungszuwachs resultiert auch nicht aus einem Geburtenplus, sonder aus Migrationsgewinnen. Diese Bevölkerungszunahme ist innerhalb der Städte
ungleich verteilt, was zu erheblichen infrastrukturellen Problemen führt, wenn etwa in
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Bezirken Kairos Bevölkerungskonzentrationen von mehr als 100.000 Mensch pro qkm
(Vergleich Wien 5. Bezirk: 26.000) erreicht werden.
Was die Migration anlangt, so muss zwischen einer Binnenmigration und einer (temporären)
Arbeitsmigration unterschieden werden. Ursachen für die Binnenmigration sind das bessere
Arbeitsplatzangebot in den Städten, Landflucht, bisweilen aber auch die Flucht vor
kriegerischen Auseinandersetzungen.
Die (temporäre) Arbeitsmigration hat einerseits Europa zum Ziel – die meisten der her
beschäftigten arabischen Gastarbeiter stammen aus Marokko, Algerien und Tunesien -,
andererseits während des Ölbooms Libyen, die Golfstaaten und Saudi-Arabien. Mit der
wirtschaftlichen Rezession in diesen Ländern, besonders aber als Folge des 2. Golfkriegs ist
die Zahl der arabischen Arbeitsemigranten in diesen Ländern eine stark rückläufige.
11.2 Wohnraumsituation
In nahezu allen Großstädten der Dritten Welt stellt die sich verschlechternde Wohnraumversorgung für eine wachsende Bevölkerung – neben dem Mangel an Arbeitsplätzen, der
unzureichenden medizinischen Betreuung, dem wenig entwickelten Bildungssystem und der
nur rudimentär vorhandenen sozialen Absicherung – das Hauptproblem dar. Ausufernde
Marginalsiedlungen, illegale Landnahme und die Errichtung von Squattersiedlungen sind fast
überall die Folge.
Durch das dramatisch gestiegene Bevölkerungswachstum nach dem Zweiten Weltkrieg sind
die Stadtverwaltungen mit der Bereitstellung des benötigten Wohnraumes schlicht
überfordert. Dies umso mehr, als die bevölkerungsstärksten arabischen Länder zugleich die
ärmsten und umgekehrt die reichsten Länder – etwa die Emirate am Golf – eine zahlenmäßig sehr geringe eigene Bevölkerung aufweisen. Verschärft wird diese Situation noch
durch soziale Veränderungen, etwa die allmähliche Ablösung der Großfamilien, den
europäischen Lebensstil und die wachsende Mobilität.
Dem sozialen Wohnbau war – vor allem in den Ländern, die sich einem "arabischen
Sozialismus" verschrieben hatten (Ägypten, Syrien, Algerien) – besondere Priorität
eingeräumt worden: So wurden etwa in Kairo nach dem Vorbild des sozialen Wohnbaus in
Westeuropa sog. "Volkswohnungen" errichtet, die zu einer äußerst niedrigen Miete an
bedürftige Familien vergeben wurden. Die meisten dieser Wohnungen sind heute aber in
einem desolaten Zustand und überbelegt.
Gefördert wurde auch der genossenschaftliche Wohnbau, der die staatlichen Funktionsträger
(Militärs, Beamte, Ingenieure, Journalisten…) als Zielgruppe hatte. Die Bereitstellung von
Baugrundstücken weit unter Marktwert und günstige Kreditkonditionen führten aber
angesichts des Umstandes, dass die Zahl der im staatlichen Sektor Beschäftigten eine
außerordentlich hohe ist, zu sehr langen Wartezeiten bei der Wohnungszuteilung.
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Mit der Liberalisierung der Wirtschaft hat der private Wohnbau immer mehr an Bedeutung
gewonnen. Für Kairo etwa bedeutete dies, dass im steigenden Umfang Kapital aus den
reichen Ölstaaten in den Bau von Luxuswohnungen floss, die nur für eine äußerst schmale
Elite finanzierbar sind. Da die Preise für diese Wohnungen sehr stark steigen, werden sie
auch als Spekulationsobjekte verwendet, wodurch viele leer stehen.
Aber auch der Versuch, Großkairo durch die Errichtung von Satellitenstädten in der Wüste
zu entlasten, wodurch auch das fruchtbare Bewässerungsland geschont werden sollte, hat
nicht den erwarteten Erfolg gebracht. Der Staat stellte zu diesem Zweck voll erschlossenes
Bauland zur Verfügung, das zu einem äußerst niedrigen Preis an private Bauträger
abgegeben wurde. Zwar wurden – wie etwa in Madinat Nasar – zahlreiche Wohnungen
errichtet, Hunderte von Hektar aber blieben unbebaut, da bei einer über 150fachen
Steigerung des Grundstückpreises die Spekulationsgewinne geradezu atemberaubend
waren.
Aber nicht allein wachsende Bevölkerungszahlen und Spekulationstendenzen sind
ursächlich für die Wohnungsnot. Ebenso drastisch können sich Krieg und Bürgerkrieg – wie
die Beispiele Irak, Algerien, besonders aber der Libanon und die Palästinensergebiete
zeigen – negative Konsequenzen für die Wohnsituation haben. Der Krieg im Libanon, der mit
externen wie internen Akteuren von 1975 bis 1990 dauerte, führte nicht nur zur Zerstörung
tausender Wohnungen sondern auch zu über 800.000 Vertriebenen. Die Wohnungsnot ist
bis heute eine ungelöste.
Der Fehlbestand an Wohnungen führt auch zu steigenden Mieten, die für viele
unerschwinglich sind. Da der formelle Wohnungsbau nicht in der Lage war, die Probleme zu
lösen, kommt dem informellen eine immer größere Bedeutung zu.
11.3 Städtische Armut
Was manchem uninformierten Besucher orientalischer Städten als pittoresk erscheinen mag,
ist in Wirklichkeit Ausdruck nackten Elends. Armut und Not hat es - wie literarische Quellen
belegen – in früheren Jahrhunderten immer gegeben und war der Gegenpol zu dem in dieser
Region vorhandenen immensen Reichtum.
Im
Zuge
der
Globalisierung
und
Liberalisierung
haben
die
einkommensmäßigen
Unterschiede noch zugenommen. Dies gilt sowohl für den zwischenstaatlichen – so liegt das
BSP je Ew. in Kuwait bei 9.266 US-$, im Jemen hingegen bei 360 US-$ - wie für den
innerstaatlichen Bereich. Nur wenn Niedriglohnempfänger gleichzeitig zwei oder drei Beschäftigungen nachgehen, sind sie in der Lage, ihre Familie zu erhalten. Andere Formen der
Existenzsicherung sind Kinderarbeit oder die Geldtransfers der Emigranten. Schätzungen
gehen davon aus, dass von einem Gastarbeiter bis zu vier Familien abhängen.
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Am augenscheinlichsten zeigt sich die städtische Armut in den Bidonvilles. Typisch für diese
Marginalsiedlungen sind ihre mangelhafte Bausubstanz (Blech, Plastik, Schilfmatten….), ihre
hohe Wohndichte (oft eine Familie pro Raum), eine unzureichende Infrastruktur und dass sie
überwiegend von unqualifizierten Zuwanderern mit geringem Einkommen bewohnt werden.
Solche Spontansiedlungen sind aber kein orientalisches Spezifikum, sondern finden sich in
allen Drittwelt-Ländern, aber zum Teil auch in den USA. Im Unterschied zu den Slums in
Nordamerika oder den Favelas in Brasilien sind aber die Familien und sozialen Interaktionssysteme dieser Hüttenquartiere meist intakt. Bei der Mehrzahl der Bewohner dieser
Bidonvilles handelt es sich um Zuwanderer vom Land, die auf der Suche nach Arbeit, nach
Lehr- und Ausbildungsplätzen für ihre Kinder oder einfach nach besseren Lebenschancen in
die Stadt gekommen sind. Die Landnahme erfolgt stets nach dem gleichen Muster: es wird
ein öffentliches Brachland besetzt und darauf werden primitivste Behausungen errichtet. In
der Folge wird versucht von den Behörden eine Zustimmung für die illegale Siedlung zu
erreichen. Was folgt sind erste Infrastruktureinrichtungen wie Wasser- und Stromanschluss
sowie Zugangswege. Sehr bald erfolgt eine Konsolidierung der Spontansiedlung: Eine
Moschee wird errichtet, eine Schule, eine Krankenstation. Da die staatliche Unterstützung
eine sehr geringe ist, bietet sich den Islamisten hier ein breites Betätigungsfeld.
Nicht alle Bidonvilles werden vom Staat einfach hingenommen. Bisweilen werden, wenn
etwa touristische Interessen verletzt werden, die illegalen Hüttenstädte mit Bulldozern
"abgeräumt" und ihre Bewohner umgesiedelt. Meist werden sie aber nur durch Mauern
entlang der Straßen für die Besucher "unsichtbar" gemacht. Obwohl diese Bidonvilles in
Algerien, Marokko oder Tunesien ungeheuere Dimensionen angenommen haben, werden
sie von den Behörden als "soziales Ventil" akzeptiert. Dies umso mehr, als – wie oben
dargestellt – die staatlichen Wohnbauprogramme weitgehend gescheitert sind. Mittlerweile
haben auch Hilfsorganisationen erkannt, welche Möglichkeiten dieses "Self-Housing" bietet
und beginnen ihre Programme darauf abzustimmen.
11.4 Infrastrukturprobleme
Die infrastrukturelle Situation in den Großstädten Nordafrikas und Vorderasiens ist – sieht
man von Saudi Arabien und den Golfstaaten ab – eine äußerst problematische.
Eines der Hauptprobleme mit denen diese Städte zu kämpfen haben, ist der Individualverkehr. Obwohl die Fahrzeugdichte – verglichen mit Europa – eine sehr geringe ist, kommt
es in den Städten mehrmals täglich zu riesigen Staus. Ägyptische Experten haben
berechnet, dass allein durch Staus im Großraum Kairo täglich mehr als 3 Millionen Arbeitsstunden verloren gehen.
Obwohl Kairo mittlerweile als einzige Großstadt dieser Region über eine U-Bahn verfügt, ist
das öffentliche Transportwesen völlig unterentwickelt. Zudem wurden Teile des Straßen-
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bahnnetzes in den letzten Jahren stillgelegt. Die Busse sind total überfüllt, sodass jeder, der
es sich leisten kann, eines der über 250.000 Taxis benutzt. Auch die Errichtung von Hochstraßen, weiteren Nilbrücken und einer Ringstraße hat die Verkehrssituation dieser
Metropole nur wenig entschärft. Verantwortlich für das Verkehrschaos sind auch Esels- und
Pferdekarren, die nach wie vor in den Städten anzutreffen sind. Als Nadelöhr erweisen sich
in Kairo vor allem die Nilbrücken, in anderen Städten die Medina.
Zu den großen städtischen Problemen gehören auch die Trinkwasserversorgung und die
Abwasserbeseitigung. Während in den Ölstaaten Meerwasserentsalzungsanlagen Wasser
zu einem, wenn auch kostspieligen, so doch überall reichlich vorhandenen Gut machen,
muss in anderen Städten Trinkwasser aus Flüssen entnommen und gereinigt werden.
Angesichts des starken Bevölkerungswachstums und der steigenden Lebensqualität erweist
sich dies als zunehmend schwieriger. Noch problematischer ist die Abwasserentsorgung. In
vielen Städten sind weniger als ein Fünftel der Haushalte an ein Kanalisationsnetz
angeschlossen. Die Abwässer fließen ungeklärt in Kanäle und Flüsse.
Positiver präsentiert sich die Situation im Bereich der Müllabfuhr und des Abfallrecycling. Für
die Beseitigung der Abfälle, die an öffentlichen Straßen oder Plätzen abgelagert werden, ist
der Magistrat zuständig. Privatmüll – soweit er nicht auf die oben genannte Art "entsorgt"
wird – wird vom privaten Müllbetrieb eingesammelt und recycelt. Eine besondere Situation
ergibt sich dabei in Kairo. In der größten Müllsiedlung am Fuß der Mokkatamberge leben
über 20.000 Menschen vom Abfall der Stadt. Mit ihren Eselskarren sammeln sie den Müll,
sortieren und verkaufen die brauchbaren Altmaterialien. Die organischen Abfälle werden, da
es sich bei den meisten Müllsammler um koptische Christen aus Mittelägypten handelt, an
Schweine verfüttert. Eine vollständige Privatisierung der Müllentsorgung könnte neben der
Schaffung weiterer Arbeitsplätze vor allem die ökologische Situation positiv beeinflussen.
12. Gibt es eine Zukunft für die orientalische Stadt?
Was die Besucher der historischen Altstädte im Orient fasziniert, bedeutet für die Behörden
dort eine ungeheure Belastung: die Erhaltung der alten Bausubstanz. Zwar waren schon in
französischer Protektoratszeit unter Marshall Lyautey Bemühungen in diese Richtung
unternommen worden, die Art und Weise, wie dies erfolgte, hat aber auch kritische
Kommentare bis hin zum Vorwurf des Rassismus ausgelöst, weil dies ohne Befragung und
Zutun der Betroffenen erfolgte.
Als in den 60er Jahren der internationale Tourismus die Länder der östlichen und südlichen
Mittelmeerküste zu entdecken begann, setzten auch in Tunesien, dem Libanon, aber auch in
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Jordanien und Syrien Bemühungen zur Erhaltung und Restaurierung ihrer Kulturdenkmäler
ein. Damit versuchten die jungen Staaten über ihre kulturelle Vergangenheit sich auch eine
nationale Identität zu geben.
Die Probleme, die sich hierbei ergaben, lagen einerseits in einer "Modernisierungseuphorie",
die – wie auch in Europa – im Alten nur das Hinderliche sah. Die Folge war, dass etwa in
Aleppo oder in Damaskus trotz Protesten breite Straßenachsen mitten durch die historische
Altstadt geschlagen wurden.
Ein weiteres Problem sind die gestiegenen Ansprüche vor allem der Mittel- und Oberschicht.
Da die Sackgassen den Autoverkehr behindern und die Infrastruktur der Medina nur
unzureichend entwickelt ist, verlässt die Oberschicht häufig ihre architekturgeschichtlich
bedeutsamen Innenstadthäuser und zieht in die Villenviertel der Vorstädte. Die alte
Bausubstanz verfällt, wenn sie leer steht oder in Massenquartiere für Immigranten
umgewandelt wird. Eine Inwertsetzung wäre nur möglich, wenn sich die alten Besitzer dafür
engagieren, die ohnedies finanzschwachen Stadtverwaltungen können diese Aufgabe nicht
übernehmen.
Die immer stärkere Verdichtung der Innenstädte durch Zuzügler vom Land überlastet die
vorhandene Infrastruktur, undichte Rohre führen zu Wasseraustritt, was Steinfraß zur Folge
hat. Noch schlimmer ist die Situation in Marokko, da sehr viele Gebäude aus Lehm errichtet
und damit noch anfälliger sind. Vor allem führt der Zuzug armer agrarischer Schichten zu
einer Verslumung der Innenstädte.
Die Innenstädte zu Freilichtmuseen für Touristen zu machen, erweist sich ebenfalls nicht als
zielführend. Die Einnahmen aus dem Tourismus sind zu gering, außerdem sind viele der
Länder in Nordafrika und Vorderasien zu instabil, was – wie das Beispiel Ägypten zeigt – zu
einem raschen Versiegen der Tourismuseinnahmen führen kann. Letztlich kann eine
"Musealisierung" auch nicht Ziel der Stadterhaltung sein.
Wie schwer diese Aufgabe für die finanzschwachen Länder ist, zeigt ein Blick auf die Liste
der "World Heritage Site". Unter den durch die UNESCO weltweit unter Schutz gestellten 81
Städten oder Altstadtbezirken liegen allein 18 in Nordafrika und Vorderasien, womit dieser
Raum klar überrepräsentiert ist. Allein in Kairo befinden sich über 500 denkmalgeschützte
Bauwerke. Was dies bedeutet, lässt sich am Beispiel Fes ablesen: Die Sanierung der
Altstadt wird mit 550 Millionen Dollar veranschlagt und das bei einer Auslandsverschuldung
von 19,06 Milliarden US-$. Hier wäre gerade die Solidarität vor allem der reichen Ölländer
bei der Erhaltung der arabischen Kulturstätten einzufordern.
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