6. Gedichte (für Sprechübungen)

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Vom Fuchs und der Gans
Ich hab den Tonfall noch im Ohr
mit dem der Fuchs die Gans beschwor,
ihm zuzuhören.
Er sprach sehr leise und sehr kühl,
als ängstige ihn das Gefühl,
sie zu verstören.
Er sagte sinngemäß, sein Schwanz
sei jener Teil, an dem er ganz
besonders hänge.
Das heißt, im Grunde hinge er,
der Schwanz, an ihm, ein Umstand, der
ihn nun bedränge.
Denn jemand stände auf dem Schwanz,
und darum frage er die Gans,
ob sie drauf stehe.
Ihm sei so. Und sie sei recht schwer;
weshalb er für den Vorschlag war,
dass sie bald gehe.
Die Gans hielt stumm den Kopf gesenkt.
Sie wurde durch was abgelenkt,
das essbar schien und rot war.
Sie biss wie träumerisch hinein
und wollte noch »Äh! Haare!« schrein
und schwieg, da sie schon tot war.
Materialien zu einer Kritik der bekanntesten Gedichtform italienischen Ursprungs
Sonette find ich sowas von beschissen,
so eng, rigide, irgendwie nicht gut;
es macht mich ehrlich richtig krank zu wissen,
dass wer Sonette schreibt. Dass wer den Mut
hat, heute noch so'n dumpfen Scheiß zu bauen;
allein der Fakt, dass so ein Typ das tut,
kann mir in echt den ganzen Tag versauen.
Ich hab da eine Sperre. Und die Wut
darüber, dass so'n abgerückter Kacker
mich mittels seiner Wichserein blockiert,
schafft in mir Aggressionen auf den Macker.
Ich tick nicht, was das Arschloch motiviert.
Ich tick es echt nicht. Und wills echt nicht wissen:
Ich find Sonette unheimlich beschissen.
Psalm
Bei dem Tanz ums goldene Kalb
gab es unschöne Szenen.
Ich möchte hier nur dreieinhalb
der unschönsten erwähnen:
David beispielsweise trat
Aaron auf die Zehen,
was er mit dem Satz abtat,
es sei gern geschehen.
Oder Saul, der plötzlich schrie,
er sei Gottes Enkel,
denn er trage seine Knie
unterhalb der Schenkel.
Oder Habakuk, der Hirt,
der beim Tanz so patzte,
dass sein Leitbock sich verwirrt
an den Leisten kratzte.
Oder Moses, der das Kalb,
statt es zu erschießen —
doch das sind schon dreieinhalb
Szenen. Ich muß schließen.
Sela.
Trost im Gedicht
Denk dir ein Trüffelschwein,
denks wieder weg:
Wird es auch noch so klein,
wird nie verschwunden sein,
bleibt doch als Fleck.
Was je ein Mensch gedacht,
lässt eine Spur.
Wirkt als verborgne Macht,
und erst die letzte Nacht
löscht die Kontur.
Hat auch der Schein sein Sein
und seinen Sinn.
Musst ihm nur Sein verleihn:
Denk dir kein Trüffelschwein,
denks wieder hin.
Was ist Kunst
Hab'n Sie was mit Kunst am Hut?
Gut.
Denn ich möchte Ihnen allen
etwas auf den Wecker fallen.
Kunst ist was?
Das:
Kunst, das meint vor allen Dingen
andren Menschen Freude bringen
und aus vollen Schöpferhänden
Spaß bereiten, Frohsinn spenden,
denn die Kunst ist eins und zwar
heiter. Und sonst gar nichts. Klar?
Ob das klar ist? Sie ist heiter!
Heiter und sonst gar nichts weiter!
Heiter ist sie! Wird es bald?
Heiter! Hab'n Sie das geschnallt?
Ja?
Dann folgt das Resümee;
bitte sehr:
Obenstehendes ist zwar
alles Lüge, gar nicht wahr,
und ich meinte es auch bloß
irgendwie als Denkanstoß aber wenn es jemand glaubt:
ist erlaubt.
Mag ja sein, dass wer das mag.
Guten Tag.
Du da
Du, komm mal her und hör mal zu.
Du nicht,
du nicht,
du auch nicht —
du!
Hand auf's Herz und Ohr auf's Bein möchtest du ein Spreizfuß sein?
Nein — sag nicht ja!
Bedenke erst,
ob du dadurch dein Glück vermehrst!
Ein Fuß ist Knecht wär dir das recht?
Dein Herr mag frieren oder heizen du musst dich spreizen.
Er mag sich strecken oder hocken du steckst in Socken.
Um ihn herrscht Aufruhr oder Ruhe um dich sind Schuhe.
Dein Herr ist Opfer oder Täter auf dir, da steht er.
Willst du s o leben?
Gut, dann tu's.
Gib mir die Hand —
sei fortan Fuß.
Mondgedicht
..,Fertig ist das Mondgedicht
Robert Gernhard
Lichtung
manche meinen
lechts und rinks
kann man nicht velwechsern
werch ein illtum
Ottos Mops
Ottos Mops trotzt
Otto: fort Mops fort
Ottos Mops hopst fort
Otto: soso
Otto holt Koks
Otto holt Obst
Otto horcht
Otto: Mops Mops
Otto hofft
Ottos Mops klopft
Otto: komm Mops komm
Ottos Mops kommt
Ottos Mops kotzt
Otto: ogottogott
glückwunsch
wir alle wünschen jedem alles gute:
daß der gezielte schlag ihn just verfehle;
daß er, getroffen zwar, sichtbar nicht blute;
daß, blutend wohl, er keinesfalls verblute;
daß, falls verblutend, er nicht schmerz empfinde;
daß er, von schmerz zerfetzt, zurück zur stelle finde
wo er den ersten falschen schritt noch nicht gesetzt wir jeder wünschen allen alles gute
sieben weitwunder
und das wievielte bin ich?
und das wievielte bist du?
und das wievielte ist die kuh?
und das wievielte ist der uhu?
und das wievielte ist das känguruh?
und das wievielte ist der marabu?
und wie viele bleiben übrig
wenn es den marabu und das känguruh und den uhu
und die kuh und dich und mich einmal nicht mehr gibt?
sommerlied
wir sind die menschen auf den wiesen
bald sind wir die menschen unter den wiesen
und werden wiesen, und werden wald
das wird ein heiterer landaufenthalt
Die Sonne geht auf und zu
Ein Kasperlkopf – Der Tag taucht auf
Ein Keulenhieb – die Nacht schlägt drauf
Ernst Jandl
JOHANN WOLFGANG VON GOETHE
Ein gleiches
Über allen Gipfeln
Ist Ruh',
In allen Wipfeln
Spürest Du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur! Balde
Ruhest Du auch.
ABENDGEBET EINER ERKALTETEN NEGERIN
Ich suche Sternengefunkel
All mein Karbunkel
Brennt Sonne dunkel.
Sonne drohet mit Stich.
Warum brennt mich die Sonne im Zorn?
Warum brennt sie gerade mich?
Warum nicht Korn?
Ich folge weißen Mannes Spur.
Der Mann war weiß und roch so gut.
Mir ist in meiner Muschelschnur
So neglige zu Mut.
Kam in mein Wigwam weit übers Meer,
Seit er zurückschwamm,
Das Wigwam Blieb leer.
Drüben am Walde
Kängt ein Guru — —
Warte nur balde
Känguruhst auch Du.
ICH HABE DICH SO LIEB
Ich habe dich so lieb!
Ich würde dir ohne Bedenken
Eine Kachel aus meinem Ofen
Schenken.
Ich habe dir nichts getan. Nun ist mir traurig zu Mut. An den Hängen der Eisenbahn Leuchtet der
Ginster so gut.
Vorbei - verjährt - Doch nimmer vergessen. Ich reise.
Alles, was lange währt, Ist leise.
Die Zeit entstellt Alle Lebewesen. Ein Hund bellt. Er kann nicht lesen. Er kann nicht schreiben. Wir
können nicht bleiben.
Ich lache.
Die Löcher sind die Hauptsache
An einem Sieb.
Ich habe dich so lieb.
Im Park
Ein kleines Reh stand am ganz kleinen Baum
Still und verklärt wie im Traum.
Das war des Nachts elf Uhr zwei.
Und dann kam ich um vier
Morgens wieder vorbei,
Und da träumte noch immer das Tier.
Nun schlich ich mich leise - ich atmete kaum Gegen den Wind an den Baum,
Und gab dem Reh einen ganz kleinen Stips.
Und da war es aus Gips.
Ruf zum Sport
Auf, ihr steifen und verdorrten
Leute aus Büros,
reißt euch mal zum Wintersporten von den Öfen los.
Bleiches Volk an Wirtshaustischen,
stellt die Gläser fort.
Widme dich dem freien, frischen
frohen Wintersport.
Denn er führt ins lodenfreie
Gletscherfexlertum
und bedeckt uns nach der Reihe
all mit Schnee und Ruhm.
Doch nicht nur der Sport im Winter,
jeder Sport ist plus,
und mit etwas Geist dahinter
wird er zum Genuss.
Sport macht Schwache selbstbewusster.
Dicke dünn, und macht
Dünne hinterher robuster,
gleichsam über Nacht.
Sport stärkt Arme, Rumpfund Beine,
kürzt die öde Zeit,
und er schützt uns durch Vereine
vor der Einsamkeit.
Nimmt den Lungen die verbrauchte
Luft, gibt Appetit;
was uns wieder ins verrauchte
treue Wirtshaus zieht.
Wo man dann die sporttrainierten
Muskeln trotzig hebt
und fortan in Illustrierten
Blättern weiterlebt.
Joachim Ringelnatz
Ein Klassiker von Loriot
Advent
Es blaut die Nacht, die Sternlein blinken
Schneeflöckchen weiß herniedersinken.
Auf Edeltännleins grünem Wipfel,
häuft sich ein kleiner weißer Zipfel,
und dort vom Fenster her durchbricht,
den dunklen Tann ein warmes Licht.
Im Forsthaus kniet bei Kerzenschimmer,
die Försterin im Herrenzimmer.
In dieser wunderschönen Nacht,
hat sie den Förster umgebracht.
Er war ihr bei des Heimes Pflege
seit langer Zeit schon sehr im Wege.
So kam sie mit sich überein,
am Niklausabend soll es sein.
Und als das Rehlein geht zur Ruh,
das Häslein tut die Augen zu,
erlegte sie direkt von vorn,
den Gatten über Kimm und Korn.
Vom Knall geweckt rümpft nur der Hase
ein-,zwei- dreimal die Schnuppernase
und schlummert weiter, süß im Dunkeln,
derweil die Sternlein traulich funkeln.
Und in der guten Stube drinnen,
da läuft des Försters Blut von hinnen.
Nun muss die Försterin sich eilen,
den Gatten sauber zu zerteilen.
Schnell hat sie ihn bis auf die Knochen,
nach Waidmannssitte aufgebrochen.
Voll Sorgfalt legt sie Glied auf Glied,
( was der Gemahl bisher vermied )
behält ein Filet zurück,
als festtägliches Bratenstück.
Und packt zum Schluss, es geht auf vier,
die Reste in Geschenkpapier.
Da tönt`s von fern wie Silberschellen,
im Dorfe hört man Hunde bellen.
Wer ist`s, der in so tiefer Nacht,
im Schnee noch seine Runde macht ?
Knecht Rupprecht kommt im gold`nen Schlitten,
auf seinem Hirsch herangeritten:
„He, gute Frau, habt ihr noch Sachen,
die armen Menschen Freude machen ?
Des Försters Haus ist tief verschneit,
doch seine Frau steht schon bereit:
Die sechs Pakete heil`ger Mann,
ist alles was ich geben kann.
Die Silberschellen tönen leise,
Knecht Rupprecht macht sich auf die Reise.
Im Försterhaus die Kerze brennt,
ein Sternlein blinkt – es ist Advent.
THOMAS GSELLA
VÖLKER DER WELT (1275)
Die Nilvölker
Nil: Das klingt nach Amazonas
Klingt nach Wäldern, die nicht enden
Klingt nach Hasch und Rumaromas
Und nach Reggae in den Lenden –
Nil: Das riecht nach Mississippi
Riecht nach krausen Sklavenmähnen
Riecht nach Rinds- und Farmerpippi
Und rostbraunen Schaufelkähnen –
Nil: Das hat auch was von Donau
Was von Idar-Oberstein
Was von Dresden, Hamburg, Gronau –
Nil, ach du mein Vater Rhein!
Im Stadion
Torabstoß. Der Torwart schießt —
nein, er tritt haarscharf daneben.
Laut sein Fluch: »Verdammter Mist!«
Aber Gott, das soll es geben.
Wieder läuft er an, doch wieder
bleibt der Ball da, wo er ist.
Torwart hockt sich langsam nieder
und flucht wieder: »So ein Mist!«
Dritter Anlauf. Und vor Schreck
wird das Publikum ganz stumm:
Kurz vorm Abstoß rutscht er weg
und fällt lauthals fluchend um.
Vierter Anlauf. Von dem Flutlicht
hell erleuchtet rennt er los,
und er trifft... er trifft den Ball nicht!
Imposant sein Fluchausstoß.
Aber Torwart gibt nicht auf,
denn er will's nochmal versuchen.
Fünfter Anlauf - und kurz drauf
hört man ihn sehr lauthals fluchen.
Später rennt er mit Gezeter
auf den Ball zu und verfehlt
ihn um achtzig Zentimeter.
Folgen Flüche ungezählt dann der Anlauf Nummer sieben:
Jener Ball ist, wo er war,
auch in diesem Fall geblieben.
Torwart flucht mit Haut und Haar,
flucht mit Macht und nimmt, o Graus,
nun den Ball in beide Hände
zum Ballabwurf und — rutscht aus.
Seine Flüche füllen Bände
auch bei Abwurf acht, neun, zehn.
Mit Verlaub, das ist zuviel.
Nein, ich werd's wohl nie verstehn,
so ein Frauenfußballspiel.
Erich Kästner:
Sogenannte Klassefrauen
Sind sie nicht pfui teuflich anzuschauen!
Plötzlich färben sich die "Klassefrauen",
weil es Mode ist, die Nägel rot!
Wenn es Mode wird, sie abzukauen
oder mit dem Hammer blau zu hauen,
tun sie's auch. Und freuen sich halbtot.
Wenn es Mode wird, die Brust zu färben
oder, falls man die nicht hat, den Bauch...
Wenn es Mode wird, als Kind zu sterben
oder sich die Hände gelb zu gerben,
bis sie Handschuhn ähneln,
tun sie's auch.
Wenn es Mode wird, sich schwarz zu schmieren.,
Wenn verrückte Gänse in Paris
sich die Haut wie Chinakrepp plissieren...
Wenn es Mode wird, auf allen Vieren
durch die Stadt zu kriechen,
machen sie's.
Wenn es gälte, Volapük zu lernen
und die Nasenlöcher zu zu nähn
und die Schädeldecke zu entfernen
und das Bein zu heben an Laternen
-morgen könnten wir's bei ihnen sehn.
Denn sie fliegen wie mit Engelsflügeln
immer auf den ersten besten Mist.
Selbst das Schienbein würden sie sich bügeln!
Und sie sind auf keine Art zu zügeln,
wenn sie hören, dass was Mode ist.
Wenn's doch Mode würde, zu verblöden!
Denn in dieser Hinsicht sind sie groß.
Wenn's doch Mode würde, diesen Kröten
jede Öffnung einzeln zuzulöten!
Denn dann wären wir sie endlich los.
Bürger, schont eure Anlagen
Arbeit lässt sich schlecht vermeiden,
und sie ist der Mühe Preis.
Jeder muss sich mal entscheiden.
Arbeit zeugt noch nicht von Fleiß.
Arbeit muss es quasi geben.
Denn der Mensch besteht aus Bauch.
Arbeit ist das halbe Leben,
und die andre Hälfte auch.
Seht euch vor, bevor ihr schuftet!
Zieht euch keinen Splitter ein.
Wer behauptet, dass Schweiß duftet
ist (ganz objektiv) ein Schwein
.
Zählt die Arbeit zu den Strafen!
Wer nichts braucht, braucht nichts zu tun.
Legt euch mit den Hühnern schlafen.
Wenn es geht: pro Mann ein Huhn.
Manche geben keine Ruhe,
und sie schuften voller Wut.
Doch ihr Tun ist nur Getue,
und es kleidet sie nicht gut.
Lasst euch auf den Sofas treiben!
Gut geträumt ist halb gelacht.
Hände sind zum Händereiben.
Sprecht schon morgens: "Gute Nacht."
Lasst die Wecker ruhig rasseln!
Zeigt dem Krach das Hinterteil.
Lasst die Moralisten quasseln.
Bietet euch nicht täglich feil.
Wozu macht ihr Karriere?
Ist die Erde denn kein Stern?
Tut, als ob stets Sonntag wäre,
denn es ist der Tag des Herrn.
Vieles tun heißt vieles leiden.
Lebt, so gut es geht von Luft.
Arbeit lässt sich schlecht vermeiden,
doch wer schuftet, ist ein Schuft!
Im Auto über Land
An besonders schönen Tagen
ist der Himmel sozusagen
wie aus blauem Porzellan.
Und die Federwolken gleichen
weißen, zart getuschten Zeichen,
wie wir sie auf Schalen sahn.
Alle Welt fühlt sich gehoben,
blinzelt glücklich schräg nach oben
und bewundert die Natur.
Vater ruft, direkt verwegen:
"n Wetter, glatt zum Eierlegen!"
(Na, er renommiert wohl nur.)
Und er steuert ohne Fehler
über Hügel und durch Täler.
Tante Paula wird es schlecht.
Doch die übrige Verwandtschaft
blickt begeistert in die Landschaft.
Und der Landschaft ist es recht.
Um den Kopf weht eine Brise
von besonnter Luft und Wiese,
dividiert durch viel Benzin.
Onkel Theobald berichtet,
was er alles sieht und sichtet.
Doch man sieht's auch ohne ihn.
Den Gesang nach Kräften pflegend
und sich rhythmisch fortbewegend
strömt die Menschheit durchs Revier.
Immer rascher jagt der Wagen.
Und wir hören Vater sagen: Dauernd Wald, und nirgends Bier."
Aber schließlich hilft sein Suchen.
Er kriegt Bier. Wir kriegen Kuchen.
Und das Auto ruht sich aus.
Tante schimpft auf die Gehälter.
Und allmählich wird es kälter.
Und dann fahren wir nach Haus.
Erich Kästner
Die Made
Hinter eines Baumes Rinde
wohnt die Made mit dem Kinde.
Sie ist Witwe, denn der Gatte,
den sie hatte, fiel vom Blatte.
Diente so auf diese Weise
einer Ameise als Speise.
Eines Morgens sprach die Made:
»Liebes Kind, ich sehe grade,
drüben gibt es frischen Kohl,
den ich hol. So leb denn wohl!
Halt, noch eins!
Denk, was geschah,
geh nicht aus, denk an Papa!«
Also sprach sie und entwich.-Made junior aber schlich
hinterdrein; und das war schlecht!
Denn schon kam ein bunter Specht
und verschlang die kleine fade
Made ohne Gnade. Schade!
Hinter eines Baumes Rinde
ruft die Made nach dem Kinde ...
Die Kuh
Auf der saftiggrünen Wiese
weidet ausgerechnet diese
eine Kuh, eine Kuh.
Ach, ihr Herz ist voller Sehnen,
und im Auge schimmern Tränen
ab und zu, ab und zu.
Was ihr schmeckte, wiederkautse
mit der Schnauze, dann verdautse
und macht muh, und macht muh
Träumend und das Maul bewegend
schautse dämlich in die Gegend,
grad wie du, grad wie du.
Der Einsame
Einsam irr ich durch die Gassen,
durch den Regen, durch die Nacht.
Warum hast du mich verlassen,
warum hast du das gemacht?
Nichts bleibt mir, als mich zu grämen!
Gestern sprang ich in den Bach,
um das Leben mir zu nehmen;
doch der Bach war viel zu flach.
Einsam irr ich durch den Regen,
und ganz feucht ist mein Gesicht
nicht allein des Regens wegen,
nein, davon alleine nicht.
Wo bleibt Tod in schwarzem Kleide?
Wo bleibt Tod und tötet mich?
Oder besser noch: uns beide?
Oder besser: erst mal dich?
Heinz Erhard
Die erste alte Tante sprach:
„Wir müssen nun auch dran denken,
Was wir zu ihrem Namenstag
Dem guten Sophiechen schenken."
Drauf sprach die zweite Tante kühn:
„Ich schlage vor, wir entscheiden
Uns für ein Kleid in Erbsengrün,
Das mag Sophiechen nicht leiden."
Der dritten Tante war das recht:
„Ja", sprach sie, „mit gelben Ranken!
Ich weiß, sie ärgert sich nicht schlecht
Und muß sich auch noch bedanken."
Ein dicker Sack — den Bauer Bolte,
Der ihn zur Mühle tragen wollte,
Um auszuruhn, mal hingestellt
Dicht bei ein reifes Ährenfeld —
Legt sich in würdevolle Falten
Und fängt 'ne Rede an zu halten.
„Ich", sprach er, „bin der volle Sack.
Ihr Ähren seid nur dünnes Pack.
Ich bin's, der euch auf dieser Welt
In Einigkeit zusammenhält.
Ich bin's, der hoch vonnöten ist,
Dass euch das Federvieh nicht frisst;
Ich, dessen hohe Fassungskraft
Euch schließlich in die Mühle schafft.
Verneigt euch tief, denn ich bin der!
Was wäret ihr, wenn ich nicht war'?"
Sanft rauschen die Ähren:
„Du wärst ein leerer Schlauch, Wenn wir nicht wären."
Die Selbstkritik hat viel für sich.
Gesetzt den Fall, ich tadle mich;
So hab' ich erstens den Gewinn,
Dass ich so hübsch bescheiden bin;
Zum Zweiten denken sich die Leut,
Der Mann ist lauter Redlichkeit;
Auch schnapp' ich drittens diesen Bissen
Vorweg den ändern Kritiküssen;
Und viertens hoff' ich außerdem
Auf Widerspruch, der mir genehm.
So kommt es denn zuletzt heraus,
Dass ich ein ganz famoses Haus.
Ich hab' in einem alten Buch gelesen
Von einem Jüngling, welcher schlimm gewesen.
Er streut sein Hab und Gut in alle Winde.
Von Lust zu Lüsten und von Sünd zu Sünde,
In tollem Drang, in schrankenlosem Streben
Spornt er sein Ross hinein ins wilde Leben,
Bis ihn ein jäher Sturz vom Felsenrand
Dahingestreckt in Sand und Sonnenbrand,
Dass Ströme Bluts aus seinem Munde dringen
Und jede Hoffnung fast erloschen ist.
„Ich aber hoffe" — sagt hier der Chronist —,
„Die Gnade leiht dem Jüngling ihre Schwingen."
Im selben Buche hab' ich auch gelesen
Von einem Manne, der honett gewesen.
Es war ein Mann, den die Gemeinde ehrte,
Der so von sechs bis acht sein Schöppchen leerte,
Der aus Prinzip nie einem etwas borgte,
Der emsig nur für Frau und Kinder sorgte;
Dazu ein proprer Mann, der nie geflucht,
Der seine Kirche musterhaft besucht.
Kurzum, er hielt sein Rösslein stramm im Zügel
Und war, wie man so sagt, ein guter Christ.
„Ich fürchte nur" — bemerkt hier der Chronist —,
„Dem Biedermanne wachsen keine Flügel."
Du warst noch so ein kleines Mädchen
Von acht, neun Jahren ungefähr,
Da fragtest du mich vertraut und wichtig: „
Wo kommen die kleinen Kinder her?"
Als ich nach Jahren dich besuchte,
Da warst du schon über den Fall belehrt,
Du hattest die alte vertrauliche Frage
Hübsch praktisch gelöst und aufgeklärt.
Und wieder ist die Zeit vergangen.
Hohl ist der Zahn und ernst der Sinn.
Nun kommt die zweite und wichtige Frage:
„Wo gehen die alten Leute hin?"
Madame, ich habe mal vernommen,
Ich weiß nicht mehr so recht, von wem:
Die praktische Lösung dieser Frage
Sei eigentlich recht unbequem.
Wilhelm Busch
VOLKER KRIEGEL
Wie sich das nackte Schaf mal schwer gehen ließ
Eins von den splitternackten Schafen,
das konnte nachts partout nicht schlafen.
Es lief zur Wirtschaft um halb zehn
und blieb direkt am Tresen stehn.
»Herr Ober!« schrie das nackte Tier,
»ein Fernet und ein Weizenbier!« —
Es kippte rasch den Schnaps, den braunen,
die Herren konnten nur noch staunen.
Das Schaf betrank sich wie ein Schwein.
Acht Weizen waren es allein,
dazu elf Fernet und drei Gin —
macht vierzehn Schnäpse. Immerhin!
Viel später dann (es war schon vier)
begann das angesoffne Tier
SEHR laut zu singen, aber wie! –
Die Herren staunten wie noch nie.
Das Schaf sang schwer obszöne Lieder,
eins nach dem ändern, immer wieder.
Die Herren dachten: Nicht zu fassen!
Wie kann man sich so gehen lassen?!
Trotzdem sind sie dann noch geblieben
bis ganz zum Schluss, so gegen sieben.
Der Wirt gab noch zwei Runden aus,
dann wankte man erschöpft nach Haus.
KURT SCHWITTERS
Kleines Gedicht für große Stotterer
Ein Fischge, Fisch, ein Fefefefefischgerippe
Lag auf der auf, lag auf der Klippe.
Wie kam es, kam, wie kam,
wie kam es Dahin, dahin, dahin?
Das Meer hat Meer, das Meer,
das hat es Dahin, dahin, dahingespület,
Da llllliegt es, liegt, da llllliegt, llliegt es
Sehr gut, sogar sehr gut!
Da kam ein Fisch, ein Fefefefefisch,
ein Fefefefefefe-fefefe-fefefe(schriller Pfiff) feFe feFe feFe feFefischer,
Der frischte, fischte frische Fische.
Der nahm es, nahm, der nahm,
der nahm es Hinweg, der nahm es weg.
Nun llllliegt die, liegt, nun llliegt die Klippe
Ganz o o o ohne Fischge Fischgerippe
Im weiten, weit, im We Weltenmeere
So nackt, so fufu furchtbar nackt.
ROR WOLF
Wetterverhältnisse
es schneit, dann fällt der regen nieder,
dann schneit es, regnet es und schneit,
dann regnet es die ganze zeit,
es regnet und dann schneit es wieder.
Vorstellung der beteiligten
waldmann tritt heraus aus dem kontor
und er stellt uns die personen vor.
rechts, am rande, sehen wir den scheich.
seine hand ist weich, der scheich ist reich.
neben ihm, die hand am telefon,
nummer zwei: wir sehen den baron.
nummer drei, der graf, bei dem man sieht,
dass er schläft, der graf, er rührt kein glied.
neben ihm, direkt an dem klavier,
der direkter, spielend, nummer vier.
links die gräfin, fünftens, lang und schlank,
sechstens die baronin, und im schrank
steht der fremde, siebtens, schwarz maskiert,
waldmann hat das alles arrangiert.
waldmann stellt sich nun noch in die mitte,
das sind die personen, sagt er: bitte.
ungefähr fünf versunkene figuren
als der scheich versinkt im roten moor,
tritt hans waldmann aus dem wald hervor.
der direkter sinkt in den morast.
waldmann sagt: darauf war ich gefasst.
auch der graf steckt tief im dunklen schlämm,
waldmann macht ihn darauf aufmerksam.
der baron ist bis an das genick
eingehüllt in einen grünen schlick.
doch der fremde, schwarz und elegant,
steht mit seinem stock am waldesrand.
waldmann sagt: das ist ein guter grund
und nimmt die zigarre aus dem mund.
darauf liegt der fremde mit dem frack
schon im sumpf und fertig ist der lack.
nur der köpf ragt etwas aus dem graben
mit dem hut, und darauf hocken raben.
kurz und gut, die sache ist getan,
waldmann steigt in eine Straßenbahn.
Aus: Fußball-Sonette
DER MEISTER wirbelt hungrig übers Feld
Und füttert seine Spitzen sehr geschickt.
Er tanzt durch alle Sperren, quirlt und zwickt.
Vom Flutlicht ist der Rasen jetzt erhellt.
Der Rammer zugedeckt und kaltgestellt.
Der Brecher auf der Linie, ganz geknickt.
Das Leder hängt im Netz, hineingenickt.
Im halben Lande stöhnt die Fußballwelt.
Der Trainer auf der Bank, man sieht ihn fluchen.
Sein Kopf sitzt locker und eventuell
Beißt man im Herbst schon in den Abstiegskuchen.
Der Rammer steht herum und ganz speziell
Den Brecher muss man mit der Lupe suchen.
Da muss sich vieles ändern und zwar schnell.
NUN BRICHT der Brecher durch, er explodierte
Im Mittelfeld, der Rammer steht ganz frei.
Von den Tribünen hört man das Geschrei.
Und wieder schreit es, als der blutverschmierte
Genähte Rammer jetzt vorbeispazierte,
Ganz elegant am letzten Mann vorbei.
Im Sprung erwischt er mit dem Kopf das Ei,
Das ihm der Brecher seidenweich servierte.
Das war ein Pfund, das war ein kalter Schlag.
Der Meister wankt. So ändern sich die Zeiten.
Die Prämie steigt, das steht in dem Vertrag.
Der Vorstand sagt: das sind doch Kleinigkeiten.
Das wars. Und einen schönen guten Tag.
Noch mehr vom Fußball auf den nächsten Seiten.
WIE LANGE noch? Vielleicht noch zehn Minuten.
Der Sturm hängt in der Luft, das ist beschissen.
Und wie es ausgeht, das kann keiner wissen,
Das weiß man nicht, das kann man nur vermuten.
Der Rammer rechts betastet den beschuhten
Geknickten Fuß, wir springen von den Kissen.
Der Brecher hat sich bis zum Schluss zerrissen.
Der Regen rauscht, die Schienbeinschützer bluten.
Ganz ausgepumpt und das Trikot zerfetzt
Und umgesenst. Da schweigen alle Lieder.
Der Stopper hat ihm wirklich zugesetzt.
Er geht in ihn hinein und sägt ihn nieder.
Die Pfeife schweigt. Kein Pfiff. Soviel für jetzt.
Am nächsten Sonntag sehen wir uns wieder.
Bauz schwingt zierlich den Zylinder,
Bauz entstellt sich hiermit vor.
Bauz hat 4 5 Kinder
Und nen Bruch im Wasserrohr.
Bauz ist ohne alle Frage,
Bauz ist geradezu direkt,
Bauz macht jede Nacht zum Tage,
Bauz hat einen Schlauchdefekt.
Bauz ist jeder Krone Gipfel,
Bauz ist jedes Ärmels Loch,
Bauz ist auf dem I das Tipfel,
Bauz kroch, wo noch keiner kroch.
Bauz ist wiederum hingegen,
Bauz ist zwecks zu dem behuf,
Bauz ist andernteils deswegen,
Bauz ist ohne Widerruf!
KLABUND
CHRISTIAN MORGENSTERN
Die Fingur
Es lacht die Nachtalp-Henne,
es weint die Windhorn-Gans,
es bläst der schwarze Senne
zum Tanz.
Ein Uhu-Tauber turtelt nach seiner Uhuin.
Ein kleiner Sechs-Elf hurtelt
von Busch zu Busch dahin...
Und Wiedergänger gehen,
und Raben rufen kolk,
und aus den Teichen sehen
die Fingur und ihr Volk...
Anfang wollt ich fast verzagen
Und ich dacht, ich trüg es nie.
Und ich hab es doch getragen.
Aber fragt ich bloß nicht, wie!
Heinrich Heine
GISBERT HAEFS
Der Eremit im Pfälzer Wald
Als mir die Stadt zum Hals heraushing,
wie's schon mal kommt, wie's manchem geht,
war's mir zum Sterben noch zu früh,
zum Nicht-geboren-Sein zu spät.
Es gab kein Vorwärts, kein Zurück,
doch fand ich einen Ausweg bald:
jetzt bin ich glücklich und zufrieden
als Eremit im Pfälzer Wald.
Jetzt blüh ich auf in der Natur,
zieh vor dem Wildschwein meinen Hut,
ich stell den Hirschen Wechsel aus
und mach den Trauerweiden Mut.
Ich hab Beton und Chrom vergessen,
wie alles, was mir einst viel galt,
und ich bin glücklich und zufrieden
als Eremit im Pfälzer Wald.
Ich hätt was andres werden können,
ein Lustmolch oder Ölmagnat,
morbider Deichgraf oder Melker,
ein Modeschöpfer oder Schrat,
vielleicht Beschneider oder Clown,
oder gar weise, reich und alt,
doch ich bin glücklich und zufrieden
als Eremit im Pfälzer Wald.
Beginnen mich Natur und Schönheit
durch ihren Überfluss zu quälen,
geh ich manchmal nach Kaiserslautern,
um die Kasernen dort zu zählen.
Hat mich die Hässlichkeit geheilt,
kriech ich zurück in meinen Spalt,
dort bin ich glücklich und zufrieden,
als Eremit im Pfälzer Wald.
Ich kann am Langholz mich erbauen,
so hoch, so roh, so monoton.
Sing mit den Wieseln oft Choräle,
legt für die Füchse Telefon.
Auch hab ich mich, mit viel Erfolg,
in eine Waldfee jüngst verknallt,
und ich bin glücklich und zufrieden
als Eremit im Pfälzer Wald.
Spiel manchmal Schach mit einem Biber,
der sich 'ne zweite Dame nagt,
stink mit dem Iltis um die Wette
und scheuche Eulen, bis es tagt.
Und wisset: wenn zur Dämmerung
mein Lied durch Berg und Tal erschallt,
dann bin ich glücklich und zufrieden
als Eremit im Pfälzer Wald.
Es war als hätt´ der Himmel
Die Erde still geküsst,
Dass sie im Blütenschimmer
Von ihm nur träumen müsst.
Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis´ die Wälder,
So sternklar war die Nacht.
Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande
Als flöge sie nach Haus.
Joseph von Eichendorf
Der Panther
Im Jardin des Plantes, Paris
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.
Der Schwan
Diese Mühsal, durch noch Ungetanes
schwer und wie gebunden hinzugehn,
gleicht dem ungeschaffnen Gang des Schwanes.
Und das Sterben, dieses Nichtmehrfassen
jenes Grunds, auf dem wir täglich stehn,
seinem ängstlichen Sich - Niederlassen - :
in die Wasser, die ihn sanft empfangen
und die sich, wie glücklich und vergangen,
unter ihm zurückziehn, Flut um Flut ;
während er unendlich still und sicher
immer mündiger und königlicher
und gelassener zu ziehn geruht.
Da leben Menschen, weißerblühte, blasse,
und sterben staunend an der schweren Welt.
Und keiner sieht die klaffende Grimasse,
zu der das Lächeln einer zarten Rasse
in namenlosen Nächten sich entstellt.
Sie gehn umher, entwürdigt durch die Müh,
sinnlosen Dingen ohne Mut zu dienen,
und ihre Kleider werden welk an ihnen,
und ihre schönen Hände altern früh.
Die Menge drängt und denkt nicht sie zu schonen,
obwohl sie etwas zögernd sind und schwach, —
nur scheue Hunde, welche nirgends wohnen,
gehn ihnen leise eine Weile nach.
Sie sind gegeben unter hundert Quäler,
und, angeschrien von jeder Stunde Schlag,
kreisen sie einsam um die Hospitäler
und warten angstvoll auf den Einlasstag.
Dort ist der Tod. Nicht jener, dessen Grüße
sie in der Kindheit wundersam gestreift,
der kleine Tod, wie man ihn dort begreift;
ihr eigener hängt grün und ohne Süße
wie eine Frucht in ihnen, die nicht reift.
Rainer Marie Rilke
Regenballade
Ich kam von meinem Wege ab, weil es so nebeldunstig war.
Der Wald war feuchtkalt wie ein Grab und Finger griffen in mein Haar.
Ein Vogel rief so hoch und hohl, wie wenn ein Kind im Schlummer klagt
und mir war kalt, ich wusste wohl, was man von diesem Walde sagt!
Dann setzt' ich wieder Bein vor Bein und komme so gemach vom Fleck
und quutsch' im letzen Abendschein schwer vorwärts durch Morast und Dreck.
Es nebelte, es nieselte, es roch nach Schlamm, verfault und naß,
es raschelte und rieselte und kroch und sprang im hohen Gras.
Auf einmal, eh ich's mich versehn, bin ich am Strom, im Wasser schier.
Am Rand bleib ich erschrocken stehn, fast netzt die Flut die Sohle mir.
Das Röhricht zieht sich bis zum Tann und wiegt und wogt soweit man blickt
und flüstert böse ab und an, wenn es im feuchten Windhauch nickt.
Das saß ein Kerl! Weiß Gott, mein Herz stand still, als ich ihn sitzen sah!
Ich sah ihn nur von hinterwärts, und er saß klein und ruhig da.
Saß in der Abenddämmerung, die Angelrute ausgestreckt,
als ob ein toter Weidenstrunk den dürren Ast gespenstisch reckt.
"He, Alter!" ruf ich, "beißt es gut?" Und sieh, der Baumstamm dreht sich um
und wackelt mit dem runden Hut und grinst mit spitzen Zähnen stumm.
Und spricht, doch nicht nach Landesart, wie Entenschnattern, schnell und breit,
kommt's aus dem algengrünen Bart: "Wenn's regnet, hab' ich gute Zeit"!
"So scheint es", sag ich und ich schau in seinen Bottich neben ihn.
Da wimmelts blank und silbergrau und müht sich mit zerfetztem Kiem´,
Aale, die Flossen zart wie Flaum, glotzäugig Karpfen. Mittendrin,
ich traue meinen Augen kaum, wälzt eine Natter sich darin!
"Ein selt'nes Fischlein, Alter, traun!" Da springt er froschbehend empor.
"Die Knorpel sind so gut zu kaun" schnattert listig er hervor.
"Gewiss seid ihr zur Nacht mein Gast! Wo wollt ihr heute auch noch hin?
Nur zu, den Bottich angefasst! Genug ist für uns beide drin!"
Und richtig watschelt er voraus, patsch, patsch am Uferrand entlang.
Und wie im Traume heb ich auf und schleppe hinterdrein den Fang.
Und krieche durch den Weidenhag, der eng den Rasenhang umschmiegt,
wo, tief verborgen selbst am Tag, die schilfgebaute Hütte liegt.
Da drinnen ist nicht Stuhl, nicht Tisch, der Alte sitzt am Boden platt,
es riecht nach Aas und totem Fisch, mir wird vom bloßem Atmen satt.
Er aber greift frisch in den Topf und frisst die Fische kalt und roh,
packt sie beim Schwanz, beißt ab den Kopf und knirscht und schmatzt im Dunkeln froh.
"Ihr esst ja nicht! Das ist nicht recht!" Die Schwimmhand klatscht mich fett aufs Knie.
"Ihr seid vom trockenen Geschlecht, ich weiß, die Kerle essen nie!
Ihr seid bekümmert? Sprecht doch aus, womit ich Euch erfreuen kann!"
"Ja", klappre ich: "Ich will nach Haus, aus dem verfluchten Schnatermann."
Da hebt der Kerl ein Lachen an, es klang nicht gut, mir wurde kalt.
"Was wisst denn Ihr vom Schnatermann?" "Ja", sag ich stur," so heißt der Wald."
"So heißt der Wald?" Nun geht es los, er grinst mich grün und phosphorn an:
"Du dürrer Narr, was weißt du bloß vom Schnater-Schnater-Schnatermann?!"
Und schnater-schnater, klitsch und klatsch, der Regen peitscht mir ins Gesicht.
Quatsch´ durch den Sumpf, hoch spritzt der Matsch, ein Stiefel fehlt - ich acht es nicht.
Und schnater-schnater um mich her, und Enten- ,Unken-, Froschgetön.
Möwengelächter irr und leer und tief ein hohles Windgestöhn...
Des andern Tags saß ich allein, nicht weit vom prasslenden Kamin
und ließ mein schwer gekränkt´ Gebein wohlig von heißem Grog durchziehn.
Wie golden war der Trank, wie klar, wie edel war sein starker Duft!
Ich blickte nach dem Wald - es war noch sehr viel Regen in der Luft...
Ina Seidel (1885-1974)
Die Legende von der Entstehung das Buches Tao Te King
auf dem Wege des Weisen Lao Tse in die Emigration
Als er Siebzig war und war gebrechlich
Drängte es den Lehrer doch nach Ruh
Denn die Güte war im Lande wieder einmal schwächlich
Und die Bosheit nahm an Kräften wieder einmal zu.
Und er gürtete die Schuh.
2
Und er packte ein, was er so brauchte:
Wenig. Doch es wurde dies und das.
So die Pfeife, die er abends immer rauchte
Und das Büchlein, das er immer las.
Weißbrot nach dem Augenmaß.
3
Freute sich des Tals noch einmal und vergaß es
Als er ins Gebirg den Weg einschlug
Und sein Ochse freute sich des frischen Grases
Kauend, während er den Alten trug.
Denn dem ging es schnell genug.
4
Doch am vierten Tag im Felsgesteine
Hat ein Zöllner ihm den Weg verwehrt:
"Kostbarkeiten zu verzollen?" - "Keine."
Und der Knabe, der den Ochsen führte, sprach: "Er hat gelehrt."
Und so war auch das erklärt.
5
Doch der Mann in einer heitren Regung
Fragte noch: "Hat er was rausgekriegt?"
Sprach der Knabe: "Dass das weiche Wasser in Bewegung
Mit der Zeit den harten Stein besiegt.
Du verstehst, das Harte unterliegt."
6
Dass er nicht das letzte Tageslicht verlöre
Trieb der Knabe nun den Ochsen an
Und die drei verschwanden schon um eine schwarze Föhre
Da kam plötzlich Fahrt in unsern Mann
Und er schrie: "He, du! Halt an!
7
Was ist das mit diesem Wasser, Alter?"
Hielt der Alte: "Intressiert es dich?
Sprach der Mann: "Ich bin nur Zollverwalter
Doch wer wen besiegt, das interessiert auch mich.
Wenn du's weißt, dann sprich!
8
Schreib mir's auf! Diktier es diesem Kinde!
So was nimmt man doch nicht mit sich fort.
Da gibt's doch Papier bei uns und Tinte
Und ein Nachtmahl gibt es auch: ich wohne dort.
Nun, ist das ein Wort?"
9
Über seine Schulter sah der Alte
Auf den Mann: Flickjoppe. Keine Schuh.
Und die Stirne eine einzige Falte.
Ach, kein Sieger trat da auf ihn zu.
Und er murmelte: "Auch du?"
10
Eine höfliche Bitte abzuschlagen
War der Alte, wie es schien, zu alt.
Denn er sagte laut: "Die etwas fragen
Die verdienen Antwort." Sprach der Knabe: "Es wird auch schon kalt."
"Gut, ein kleiner Aufenthalt."
11
Und von seinem Ochsen stieg der Weise
Sieben Tage schrieben sie zu zweit
Und der Zöllner brachte Essen (und er fluchte nur noch leise
Mit den Schmugglern in der ganzen Zeit).
Und dann war's soweit.
12
Und dem Zöllner händigte der Knabe
Eines Morgens einundachtzig Sprüche ein.
Und mit Dank für eine kleine Reisegabe
Bogen sie um jene Föhre ins Gestein.
Sagt jetzt: kann man höflicher sein?
13
Aber rühmen wir nicht nur den Weisen
Dessen Name auf dem Buche prangt!
Denn man muss dem Weisen seine Weisheit erst entreißen.
Darum sei der Zöllner auch bedankt:
Er hat sie ihm abverlangt.
Berthold Brecht
Des Schleusenwärters blindes Töchterlein
Im alten Spandau an der schönen Havel
steht eine Schleuse und die riecht nach Fisch.
Jedoch am Schleusentor winkt eine Tafel
da steht geschrieben "Wasser täglich frisch".
Der alte Schleusenwärter klinkt die Spundten
und wenn es achtern aus den Rahen drulpt,
pinnt er die Klieken über Luv nach unten
dann wird die Kellin in den Wind gehulpt.
Am Schleusenrand im Abendscheine
steht eine liebliche Gestalt.
Sie hält den Schleusenkater an der Leine,
sie faßt ihn sicher und sie gibt ihm Halt.
Das ist des Schleusenwärters blindes Töchterlein
das winkt die Schiffe ein mit sanftem Schwung.
Und mancher Havelschiffer hält mit Schiff hinein
und grinst sie an, sie ist ja noch so jung.
Mit weißer Mütze stand auf der Barkasse
ein wohlgestalt'er junger Maat
und dem gefiel des Wärters Sohn der Lasse,
die Tochter aber fand er fad.
Er ging in's Schleusenhaus mit jenem Knaben
wo er mit ihm ein Rendezvous besprach
doch auch die Tochter rief "Den will ich haben"
und schlich ihm heimlich in die Koje nach.
Der Maat legt Hand an ihre Hüfte
und zwickt sie auch, da sprach sie "Au".
Doch als er sie dann näher prüfte
rief er "Verflucht das ist ja eine Frau".
Jaja des Schleusenwärters blindes Töchterlein
kam statt des Bruders in der Dämmerung.
Jedoch der junge Maat hat es zu spät geahnt,
ja wie gesagt sie war ja noch so jung.
Und als der Schnösel sie nicht haben wollte
lief sie zum Vater der die Wanten spliss.
Ob dieser Schmach war er erbost und grollte,
bis er vor wut in einen Tampen biß.
Er schlenzte ihn und er kalpaukte,
maschkeute ihn und holt ihn kiel.
Und als der Maat dann schließlich nichts mehr taugte,
warf er ihn in den feuchten Pril.
Das sah der Lasse an, der schlanke Bruder,
der schalt den Vater einen krummen Hund.
"Er war mein Freund" rief er und griff ein Ruder
und stieß den Wärter in den kühlen Grund.
Na und des Schleusenwärters blindes Töchterlein
das sah ihm traurig nach wie er ertrunk,
warf eine handvoll Sand ins Wasser rein
und sang "Fahrt wohl ihr wart ja noch so jung".
Die Schleusenwärterin saß auf dem Poller,
die Hand am Kinn und dachte "Bäin se bäin".
Sie sah den Mord, da rief sie "Ach mein Oller
jetzt biste hin das muß gerochen sein".
Zum Sohn sprach sie "Du mußt jetzt scheiden"
und schnitt ihm rasch die Kehle ab.
Die Blinde aber mocht's nicht leiden
und stieß die Mutter in das feuchte Grab.
Und aus der Schleusenkammer kam die Oma,
die einen Jüngling unter'm Herzen trug.
Sie hat ein köstliches Aroma,
weil sie grad' Butterkuchen buk.
Die nahm des Schleusenwärters blindes Töchterlein
und warf es auch hinein zur letzten Ruh.
Doch ach der Schleusenkater stellt auch ihr ein Bein,
da fiel die Schleusenoma noch dazu.
Die alte Schleuse oben an der Havel,
die ist voll Blut und stinket fürchterlich.
Jedoch das macht ja nichts, verheist die Tafel
das Wasser ist ja morgen wieder frisch.
Thereses Recken
Es war einmal `ne Prinzessin, die war furchtbar scharf auf Ritter,
als jüngst ihr Gatte Bodo starb, war das bereits ihr Dritter.
Die Ritter in dem Land warn alle vorsichtig inzwischen;
Man wußte, die Therese will bestimmt noch mal ´nen Frischen.
Dazu kam, daß im ganzen Land schon lang nicht mehr geheim war,
daß Frau Therese da und dort schon ziemlich aus dem Leim war.
Sie sah wie eine Bettwurst aus mit aufgenähten Kissen,
kein Wunder, daß die Ritter sich nicht grade um sie rissen.
Der König schickte Büttel aus, die Ritter flohn mit Schrecken,
doch letzten Endes fand man noch drei kümmerliche Recken.
Die schleppte man aufs Schloß und wie gewohnt in solchen Fällen
begannen sie sich tölpelhaft dem König vorzustellen.
Zunächst Baron von Püperitz, ein Ritter ohnegleichen,
der hatte stets viel Wind gemacht und ließ gleich einen streichen.
„Oho“, rief die Prinzessin da, „das Ding hat sich gewaschen,
habt Ihr davon noch mehr zu Haus, so zieht sie Euch auf Flaschen !“
Als nächstes kam Graf Eierwatz, um höflichst vorzusprechen,
als diesen die Prinzessin sah, wollt sie sich gleich erbrechen.
„Mein Gott,“ rief sie, „der sieht ja aus wie Glöckner Quasimodo,
da hol` ich mir vom Leichenhaus doch lieber meinen Bodo.“
Nun trat der Dritte vor und sprach: „Paul Schippe ist mein Name ,
ich komm` aus Gelsenkirchen - Buer und grüß` Euch, edle Dame !“
Da rief der König laut heraus: „Gott schütze meine Sippe
vor Hungersnot und Pest und einem hergelaufnen Schippe !“
„Nun,“ meinte die Prinzessin mild, „das wird sich alles klären,
denn wer um meine Hand buhlt, muß sich erst einmal bewähren.
Du, Herr Baron von Püperitz, mit Deiner Bordkanone,
Du hol mir aus dem Silberwald die silberne Zitrone !“
„Oha,“ rief der Baron, „da gehts wie stets um Tod und Leben,
freiwillig wird der Förster mir die Südfrucht niemals geben.“
„Und Du, Graf Eierwatz, Du bleibst in Deinem Elemente,
Du hole mir das goldne Ei der siebenköpfgen Ente !“
„Au Backe,“ sprach Graf Eierwatz, „das ist ein harter Brocken,
zieht mich das Untier in den Teich, dann bleibt kein Auge trocken !“
„Und nun zu Dir, Paul Schippe,“ sprach die liebliche Therese,
„Du hol mir eine Currywurst, Pommes Frites und Mayonaise !“
Paul Schippe dachte : Wär ich bloß zu Haus bei meiner Trude,
wie sieht denn sowas aus, ein Ritter an `ner Schaschlikbude !“
Der König meinte, „Dein Problem, mir reichts, ich geh jetzt essen,
und wer von Euch versagt, der kriegt zur Strafe die Prinzessin !“
Von Püperitz zog in den Wald und brüllte dort entsetzlich :
„Förster, rück die Zitrone raus und zwar ein bißchen plötzlich !“
„Wer mir an die Zitrone will,“ tönt es zurück, „den töt`ich !“
Der Ritter meinte: „Försterchen, das ist doch gar nicht nötig;
Gib her das Ding, Du kriegst auch zehn Zigarren zur Belohnung !“
„Na gut,“ meint da der Förster und zog rauchend durch die Schonung .
Graf Eierwatz rief in den Teich: „Komm raus, du lahme Ente !“
Das Ungeheuer aber lag im hohen Schilf und pennte .
„Was ist denn los ?“ sprach Eierwatz, „ich glaube schier zu träumen,
wenn früher jemand rief, begann der Teich vor Wut zu schäumen .“
Die siebenköpfge Ente sprach mit einem ihrer Schnäbel :
„Bei mir schäumt es schon lang nicht mehr, bedeck nur deinen Säbel !“
Der Ritter bat : „Gib mir das Ei, dann kriegst du alter Schäumer
Von mir `ne Tube Badedas, die hilft auch gegen Rheuma .“
Der Eierwatz und der Baron, die lenkten ihre Rosse
zurück ins Reich und gingen zur Prinzessin auf dem Schlosse .
Der eine reichte ihr das Ei, der andre die Zitrone,
da warn sie aus dem Schneider, nur Paul Schippe kam ganz ohne.
Er druckste rum, dann rief er, denn es war nichts mehr zu retten :
„Es tut mir furchtbar leid, Madam, es gab nur noch Buletten !“
Der König sprach : „Jetzt bist Du dran, das kann ich Dir verraten !“
Er hob ihn in den Adelsstand, jetzt heißt er Paul von Spaten .
Er kriegt ein rotes Samtjackett, dazu ein goldnes Käppi,
die Hochzeitsglocken läuteten und alle waren happy.
Das Brautpaar drehte in der Nacht im Rausche der Gefühle
die Knöpfe von den Kissen ab und spielte damit Mühle.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann lassen sie schön grüßen,
Moral : Wer Pech im Leben hat, der soll auch dafür büßen !
Ullrich Roski
Die Nacht mit Weih davor
(c)1997 Oliver Kalkofe
Es war die Nacht mit Weih davor,
Die Ente schlief im Ofenrohr,
Fast alles ist genau wie immer Selbst Opa furzt im Herrenzimmer.
Das ganze Haus steckt voller Leute,
Doch niemand ist zu hören heute.
Liegt's vielleicht an der Weihenacht ?
Neeeeein, Mama hat sie umgebracht !
Im Festtagstrubel heute morgen
Ist sie mal kurz verrückt geworden.
So hat sie dann ganz ungeniert
Die ganze Sippe ausradiert
Ne Tasse Rattengift in' Stollen Den gab's zum Frühstück für den Ollen
(noch zweimal kurz nach Luft geschnappt,
Dann gab er schon den Löffel ab).
Der Omma dann 'ne Stunde später
'nen kleinen Sprengsatz ans Katheter Noch nicht mal richtig ausgeschissen
Hat sie's beim letzten Druck zerissen ! Hihi!
Dann Tante Ruth, die olle Kuh,
Kam in den Kühlschrank, Klappe zu,
Die Nachbarn wollten nur was fragen Die wurden gleich noch mit erschlagen,
Danach mit Säge, Axt und Feile
Den Onkel Heinz in kleine Teile.
Zum Schluss die Kinder - s`war schon spät –
Nach Bosnien als Care-Paket.
Nur Opa sitzt noch am Kamin
Und lässt genüsslich einen ziehn.
Doch plötzlich fragt er sich ganz leise:
Es ist so still, was soll die Scheisse ?
Er macht sich auf und geht zu Mama,
Die sitzt noch in der Speisekammer,
Hackt aus dem Dackel Rehragout.
Der Opa sägt verdutzt: "Nanu?,
Du hast ja alle totgemacht,
Was hast du dir dabei gedacht ?".
"Ach weisst du", spricht sie reuevoll,
"Ich hatte halt die Schnauze voll
Vom vielen Krach und Weihnachtssegen,
Vom Kochen, Backen, Waschen, Legen,
Vom Gänsebraten aus der Truhe Ich wollte einfach meine Ruhe !!"
Der Opa bleibt gewurzelt stehn
Und sagt: "Ich kann dich gut verstehn,
Denn mal privat, unter uns beiden,
ICH konnt die andern auch nicht leiden !
Mein Kind, das hast du gut gemacht,
ICH WÜNSCH DIR FROHE WEIHENACHT !!"
Weihnachten
Ganz helle erleuchtet ist die Gasse,
still und starrlich ruht der See,
auf der tief verschneiten Straße
liegt ein totgefahrenes Reh.
Weihnachten ist angekommen,
alle Kinder freu'n sich doll.
Mama is grad hingefallen,
Papa ist schon wieder voll.
Der Weihnachtsbaum ist hell erleuchtet,
denn grad fängt er zu brennen an,
da klingelts draußen an das Tore ist das wohl Herr Weihnachtsmann??
Doch es sind nur die Verwandten,
die da stehen vor der Türe.
Oma, Opa, Onkel, Tanten die alten Feiertagsgeschwüre.
Da kömmt Knecht Ruprecht mit dem Schlitten,
fährt voll in Papa's Manta rein.
Der sacht: Na, der kann was erleben,
dem hau ich jetzt die Fresse ein!
Die Kinder fangen an zu flennen,
von fernen naht die Polizei,
der Baum ist immer noch am brennen,
und Heilig Abend ist - vorbei!
Denkt Euch, ich habe das Christkind gesehen.
Ich hab's überfahren, es war ein Versehen.
Ich hatte gerade die Äuglein zu,
Ich träumte beim Fahren in himmlischer Ruh
Das Christkind hat in dieser heiligen Nacht
Bekanntschaft mit meinem Kühler gemacht.
Später sah ich auch noch den Weihnachtsmann
Er feuerte grad' seine Renntiere an.
Ich überholte den langsamen Wicht,
Doch sah ich den Gegenverkehr dabei nicht.
Ich wich noch aus, doch leider nicht Santa,
Ein kurzes Rumsen und er klebte am Manta.
Am Ende sah ich auch den Nikolaus,
Er stürmte gerade aus dem Freudenhaus.
Er kam ganz hektisch über die Kreuzung gelaufen,
Wollt am Automaten neue Präser sich kaufen.
Mein Auto und mich hat er wohl nicht geseh'n,
Jedenfalls blieben von ihm nur die Stiefel steh'n.
So ist die Moral von dem Gedicht,
Fahr zu schnell Dein Auto nicht.
Denn als ich zuhaus war, da musste ich heulen,
Mein schöner Wagen, der hatte drei Beulen,
Vom Christkind, vom Niklas und vom Santa Claus.
Ja, dieses Jahr fällt Weihnachten dann wohl aus...
O.Kalkofe
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