1 Vorlesung Experimentalphysik I am 18.1.1999 und 19.1.1999 J. Ihringer 5.4 Lösungen Eine Lösung ist eine homogene Mischphase, bei der von einer Komponente nur so wenig vorhanden ist, daß deren feinverteilte Partikel untereinander keine Verbindung haben. Die erste Komponente ist das Lösungsmittel, die zweite ist die gelöste Substanz. 5.4.1 Gase in Gasen Cavendish (1781) und Dalton (1802) fanden empirisch das „Daltonsche Partialdruckgesetz“: Der Gesamtdruck einer Gasmischung ist die Summe aller Partialdrucke der Gaskomponenten. Der Partialdruck einer Komponente ist der Druck, den diese Komponente ausüben würde, befände sie sich alleine mit der gleichen Teilchenzahl im Behälter. Im Bild der Gaskinetik ist das leicht verständlich, weil der Druck der in einer Zeiteinheit übertragene Impuls auf die Wand ist. Die Impulsüberträge der einzelnen Teilchensorten sind voneinander unabhängig und additiv. Formel Anmerkung n p ges p1 p 2 .... pi Daltonsches Partialdruckgesetz i 1 Die im Volumen A v t befindlichen Teilchen übertragen ihren Impuls pro Zeiteinheit auf die Wand Beispiel für eine Lösung mit zwei Gas Sorten: 1 2 n1 m1 v1 3 1 2 p 2 n2 m2 v 2 3 p1 A v t Druck einer Gassorte A pi 1 2 n i mi v i 3 Tabelle 1 Das Daltonsche Partialdruckgesetz 2 5.4.1.1 Die relative Luftfeuchtigkeit Darunter versteht man den Partialdruck des Wasserdampfes in Luft. Sie zeigt das Verhältnis des Partialdrucks des Wasserdampfes zum Sättigungsdampfdruck. Formel f r 100% p H 2O p S (T ) p H 2O Einheit Anmerkung % Relative Luftfeuchtigkeit mbar Partialdruck des Wasserdampfes Sättigungsdampfdruck des Wassers, er wird der Dampfdruckkurve entnommen: 1000 pS 800 mbar 600 mbar mbar p S (T ) Wasser 400 Dampf 200 0 0 50 Celsius 100 T Tabelle 2 Relative Luftfeuchtigkeit und Dampfdruckkurve des Wassers 5.4.2 Gase in Flüssigkeiten Die in der Flüssigkeit gelöste Gasmenge ist zum Partialdruck dieses Gases über der Lösung proportional. Das ist die Aussage des Henry-Daltoschen Gesetzes, das um so besser gilt, je schwächer die Lösung ist und je mehr das gelöste Gas einem idealen Gas gleicht. Um Kohlensäure in Mineralwasser zu lösen wird deshalb der Partialdruck der Kohlensäure über dem Wasser stark erhöht. Mit steigender Temperatur nimmt die Löslichkeit meistens zu. Aber: Durch Abkochen wird z. B. Wasser luftfrei. 5.4.3 Gase in Festkörpern Die Anlagerung von Gasmolekülen in Festkörpern wird als Okklusion bezeichnet. Kleine Gasatome (z.B.. Helium) dringen weit in Metalle ein. In Vakuum Apparaturen können die über lange Zeiten aus metallischen Wänden austretende Gase sehr störend sein. Nur durch Erhitzen bei gleichzeitigem Abpumpen, man spricht von „Ausheizen“, kann die Entgasung beschleunigt werden. 5.4.4 Feste Stoffe in Flüssigkeiten Wasser und Ammoniak sind gute Lösungsmittel für Verbindungen aus Ionen oder polaren Bausteinen. Die Teilchen beider Lösungsmittel sind elektrische Dipole, sie zeigen von der Richtung abhängige Ladungen, obwohl sie im ganzen elektrisch neutral sind. Deshalb können sie sich deshalb an die elektrisch geladenen Teilchen des gelösten Stoffes anlagern. Man bezeichnet diesen Effekt als Solavatation oder, bei Wasser, als Hydradation. 3 5.4.4.1 Osmose Steht eine Lösung, z. B. Zucker in Wasser, über eine semipermeable Wand in Kontakt mit dem Lösungsmittel, also reinem Wasser, dann wandern die Wassermoleküle durch die Wand in die Lösung. Umgekehrt streben die Zuckermoleküle danach, durch die Wand in das Wasser zu gelangen, bis der Partialdruck beider Stoffe auf beiden Seiten gleich ist. Den Zuckermolekülen gelingt es aber nicht, die semipermeable Wand zu durchqueren, weil sie zu groß dafür sind. Deshalb tritt nur Wasser von der Seite des Lösungsmittels in die Lösung, so daß sich der Druck einseitig erhöht: Es baut sich ein osmotischer Druck auf. Tritt das Wasser durch die h Membran in ein Steigrohr, dann wird der Partialdruck p LM des Wassers an der Membran um den Schweredruck erhöht. Das Gleichgewicht ist erreicht, wenn der Schweredruck p h der Säule gleich dem Partialdruck des gelösten Stoffes ist, weil dann die Partialdrucke des Wassers auf beiden Seiten der Membran gleich sind. Druck in der Lösung Start der Osmose p0 p LM p LM 0 Außendruck Osmotischer Druck=Partialdruck des gelösten Stoffes Partialdruck des Lösungsmittels im Bereich der Lösung Partialdruck des reinen Lösungsmittels p0 p LM p0 0 p LM p LM 0 Die Säule steigt, bis Schweredruck=Osmotischer Druck Während der Diffusion des Lösungsmittels erhöht sich der Partialdruck des Lösungsmittels um den Schweredruck p h p LM p0 ph h ph p LM Der Anstiegs der Säule endet, wenn die Partialdrucke des Lösungsmittels an beiden Seiten der Membran gleich sind. Der Schweredruck ist dann gleich dem osmotischen Druck pLM p0 ph p0 h ph h p0 p LM Tabelle 3 Die Osmose. Anfangs sei der Schweredruck vernachlässigbar klein. Bei einer Anordnung nach der Skizze nimmt mit der Steighöhe das Volumen zu und der osmotische Druck deshalb ab (Van’t Hoffsches Gesetz, s.u.). 4 Der osmotische Druck ist proportional zur Konzentration der Lösung. Wegen ihrer hohen Verdünnung im Lösungsmittel verhalten sich die Teilchen der Lösung annähernd wie ein ideales Gas. Das Van’t Hoffsche Gesetz entspricht der allgemeinen Gasgleichung mit dem osmotischen Druck, dem Volumen der Lösung, der gelösten Stoffmenge und der Temperatur: Formel V Stoff R T Anmerkung Van’t Hoffsches Gesetz Osmotischer Druck Anzahl der im Volumen V der Lösung befindlichen Mol des gelösten Stoffes Volumen der Lösung, allgemeine Gaskonstante und Temperatur in K Stoff V, R, T Tabelle 4 Van’t Hoffsches Gesetz Das Van’t Hoffsche Gesetz zeigt, daß der osmotische Druck bei Zunahme des Volumens abnimmt. Große Steighöhen erreichen Lösungen in Gefäßen, die nach oben in Kapillaren enden. Bei Anstieg der Säule nimmt dann das Volumen nur wenig zu, der osmotische Druck bleibt nahezu konstant. Diese Bauweise ist in der „Pfefferschen Zelle“ realisiert. Abbildung 1 Wilhelm Pfeffer Wilhelm Pfeffer (9.3.1845-31.1.1920), ursprünglich Apotheker, lehrte als Professor für Botanik in Bonn, Basel und 1878-1887 in Tübingen. Er führte, neben wesentlichen pflanzenphysiologischen Forschungen, grundlegende osmotische Untersuchungen durch. In der Pfefferschen Zelle steht ein mit Lösung gefüllter Behälter mit dünnem Steigrohr durch eine semipermeable Membran getrennt in einer Lösung. Nun steigt die Lösungssäule, bis der Schweredruck den osmotischen Druck kompensiert. Der osmotische Druck bleibt annähernd konstant, weil das Volumen der Lösung praktisch unverändert bleibt. Für die Steighöhe gilt dann: Formel Lsg g h Anmerkung Osmotischer Druck in der Pfefferschen Zelle h Steighöhe in der Kapillare Lsg g Spezifisches Gewicht der Lösung Tabelle 5 Steighöhe und osmotischer Druck in der Pfefferschen Zelle 5 Kapillare Semipermeable Membran Lösung Lösungsmittel Abbildung 2 Die Pfeffersche Zelle zur Messung des osmotischen Drucks einer Lösung Versuch 1 Die Pfeffersche Zelle. Wasser diffundiert osmotisch durch eine semipermeable Wand in eine Zuckerlösung, man kann den Anstieg der Lösungssäule in der Kapillare beobachten. 5.4.4.2 Dampfdruckerniedrigung, Siedepunkterhöhung Im Gleichgewicht entspricht der Dampfdruck der Flüssigkeiten an den Oberflächen der Pfefferschen Zelle dem an dieser Stelle herrschenden äußeren Luftdruck. Berücksichtigt man, daß der äußere Druck mit zunehmender Höhe abnimmt, dann folgt, daß der Dampfdruck an der Oberfläche der aufgestiegenen Lösung im Steigrohr kleiner ist als der unten an der Oberfläche des Lösungsmittels. Es gilt das Raoultsche Gesetz: Die Dampfdruckerniedrigung ist proportional zur Menge des gelösten Stoffes ph VD h D V Lsg p0 0 Abbildung 3 Pfeffersche Zelle im Volumen VD für den Dampf, zur Herleitung des Raoultschen Gesetzes für die Dampfdruckerniedrigung 6 Die Dampfdruckerniedrigung zeigt, daß die gelösten Stoffe die Teilchen des Lösungsmittels kohäsiv im Flüssigkeitsverband festhalten. Formel p ph p0 D g h D Lsg g h Stoff R T VLsg Anmerkung Druckabnahme in der Höhe h Dampfdruck im Volumen um die Pfeffersche Zelle Van’t Hoffsches Gesetz, mit dessen Hilfe wird in p die Steighöhe h eliminiert Stoff Anzahl der gelösten Mol des gelösten Stoffes V Lsg Volumen der Lösung Stoff R T p D D Lsg Lsg VLsg p D R T VD D VD p Stoff D V D Stoff m D p D Lsg V Lsg D m Lsg mD D M D M D M LM mLM LM m LM m Lsg mD D mLsg LM p Stoff p LM mLM LM p ist durch die Daten des Dampfes, der Lösung und des gelösten Stoffs ausgedrückt. Die Anteile des Dampfes sollen eliminiert werden. Zustandsgleichung für das als in Näherung ideal angenommene Gas im Volumen VD Zahl der Mol im Dampf Volumen im Dampfraum Jetzt werden noch die Massen durch die molaren Massen ausgedrückt Masse und molare Masse des Dampfes Der Dampf besteht fast nur aus Lösungsmittel, deshalb kann seine molare Masse durch die des Lösungsmittels ersetzt werden. Masse des Lösungsmittels in der Lösung Anzahl der Mol des Lösungsmittels in der Lösung Für verdünnte Lösungen ist die Masse des Lösungsmittels etwa gleich der Masse der Lösung Masse des Dampfes, durch Mol des Dampfes, die Masse der Lösung und Mol des Lösungsmittels in der Lösung ausgedrückt Raoultsches Gesetz: Die Dampfdruckerniedrigung ist zur Menge des gelösten Stoffes proportional Tabelle 6 Herleitung des Raoultschen Gesetzes Versuch 2 Der Dampfdruck über reinem Lösungsmittel wird mit dem Dampfdruck über der gleichen Menge einer Zuckerlösung verglichen. Zunächst werden die Räume über beiden Flüssigkeiten verbunden, ein Manometer zeigt das Gleichgewicht an. Trennt man die Räume, dann zeigt das Manometer den niedereren Dampfdruck über der Lösung an. 7 Zur Pumpe Lösungsmittel Lösung Abbildung 4 Apparatur zum Versuch der Dampfdruckerniedrigung 5.4.4.3 Siedepunkterhöhung, Gefrierpunkterniedrigung Die Lösungen sind bestrebt, ihren Existenzbereich nach beiden Seiten auszudehnen. Als Folge davon ist die Siedetemperatur erhöht und der Gefrierpunkt abgesenkt. Kritischer Punkt p fest flüssig Gefrierpunktserniedrigung Histogramm im Ortsraum: Die Schwärzung jeder Zelle ent-T spricht der Anzahl der SiedepunktserBesuche in höhung 10‘‘ Abbildung 5 Siedepunkterhöhung und Gefrierpunkterniedrigung in Lösungen (gestrichelt) 5.4.5 Die Erzeugung tiefer Temperaturen 5.4.5.1 Verdunstungswärme Bei Verdunstung an der Oberfläche eines Körpers wird dem Körper ständig Wärme entzogen, weil sich die Teilchen immer dann ablösen, wenn sie gerade besonders energiereich sind. Fluktuationen in der Energie der einzelnen Teilchen gibt es immer, im Mittel bleibt die Energie aber im Körper erhalten und wird nur unter den Teilchen ausgetauscht. Bei der Verdunstung nehmen die abgelösten Teilchen Energie mit, der Körper kühlt sich deshalb ab. Zur Verdunstung von 1kg Flüssigkeit bei 25°C sind 2442kJ Wärme erforderlich, entsprechend 583 kcal. Versuch 3 Kühlung eines Thermometers durch Besprühen mit Chloräthyl 8 5.4.5.2 Kältemischung Das Auflösen eines festen Körpers in einer Flüssigkeit entspricht bei Betrachtung der Teilchen und ihrer Beweglichkeit dem Übergang von der Flüssigkeit zum Gas. Auch hier verlassen die Teilchen mit größter Energie den Festkörper: Das System kühlt sich ab. Versuch 4 Eine Eis- Salzmischung kühlt sich bis auf –15°C ab. 5.4.5.3 Expansion von realen Gasen Bei einer Expansion von realen Gasen wird gegen die van der Waalschen Anziehungskräfte zwischen den Teilchen Arbeit verrichtet. Die Energie wird der inneren Energie des Systems entnommen. Unterhalb einer für das Gas spezifischen „Inversionstemperatur“ kühlt sich das Gas bei Expansion ab. Die Inversionstemperatur liegt für CO2 und Luft weit über der Zimmertemperatur, beide kühlen sich also bei Expansion ab. Mit dem Joule-Thomson Effekt werden Luft und CO2 verflüssigt. He- und Wasserstoff erwärmen sich aber, wenn sie aus einer Druckflasche ausströmen: Ihre Inversionstemperatur liegt unterhalb –80°C. Um diese Gase durch Expansion zu verflüssigen müssen sie zuerst mit flüssiger Luft unterhalb ihre Inversionstemperatur abgekühlt werden. Versuch 5 Erzeugung von Kohlesäureschnee Versuch 6 Mit Joule-Thomson Kühlung wird aus einer Flasche ausströmender Stickstoff nach ca. 10 Minuten flüssig. Versuch 7 Versuche mit flüssiger Luft: Eine Bleiglocke klingt rein, wenn sie mit flüssiger Luft gut gekühlt ist. Gummi wird spröde. 5.5 Kinetische Gastheorie Man nehme an, man könne die einzelnen Teilchen eines Gases beobachten und notiere in festen Zeitabständen ihre Anzahl, Orte und Geschwindigkeiten. Zur praktischen Durchführung beschränkt man die Beobachtung auf ein festes Volumen. Man teilt es in einzelne Zellen ein und erstellt eine Liste, in der man für jede Zelle die Anzahl der Teilchen aufschreibt, die sich zum Beobachtungszeitpunkt darin befinden. Für die Geschwindigkeiten geht man in analoger Weise vor: Man wählt Geschwindigkeitsintervalle gleicher Größe und notiert für jedes Intervall die Anzahl der Teilchen, die sich zum Zeitpunkt der Beobachtung darin befinden. 5.5.1 Verteilungen Die Anzahl der Teilchen in einem Volumen variiert nach der Poisson Statistik. An dem schon am Anfang des Kapitels über Wärmelehre genannten Vergleich der Verteilungen für die Abzählung von wenigen und sehr vielen Teilchen in einem Volumen erkennt man, daß bei großer Anzahl der Teilchen sehr genau definierte Mittelwerte folgen. Auch wenn eine Größe, z. B. die Geschwindigkeit, bei Betrachtung eines einzelnen Teilchens in weiten Grenzen schwankt, ist ihr über sehr viele Teilchen gemittelter Wert scharf. Dieses ist eine wesentliche Eigenschaft der kinetischen Gastheorie. 9 5.5.1.1 Autos auf einem Straßenstück: Ein Beispiel für Bewegung in einer Dimension Man beobachte die Autos auf einer Straße. Bei jeder Beobachtung fügt man für jedes Ereignis einen Baustein zum entsprechenden Intervall der Histogramme für die Orte und Geschwindigkeiten. Bei sehr vielen Beobachtungen zeigen die Histogramme die Verteilungsfunktionen für die Orte und die Geschwindigkeiten. Das folgende Bild zeigt die Situation bei einer einzigen Beobachtung. Abbildung 6 Autos auf einem Straßenstück. Die Position der Hinterachse gibt den Ort an, die Geschwindigkeit ist als Vektor der Antenne beigefügt. Das obere Histogramm zeigt die Orte, das untere die Geschwindigkeiten zur dargestellten Beobachtung. Die Höhen der Türme zeigen die Häufigkeit der beobachteten Orte und Geschwindigkeiten. 5.5.1.2 Verteilung von Ort und Geschwindigkeit in 2 Dimensionen Dazu gibt es ein Computer animiertes Modell für ein „Gas“ in 2 Dimensionen, indem der logische Weg vom Verhalten des Individuums zum thermodynamischen Mittelwert sichtbar wird. Das nächste Bild zeigt das Ergebnis. Das Modell besteht aus einem „Massenpunkt“, der sich auf einer Fläche mit gleichförmiger Geschwindigkeit bewegt, bis er an den Rand der Fläche trifft. Dort wird er reflektiert, aber nicht elastisch: Er bekommt einen Stoß mit zwei durch Zufall ermittelten Geschwindigkeitskomponenten zwischen 0 und einem Maximalwert, er fliegt also mit zufälliger Geschwindigkeit in eine durch Zufall ermittelte Richtung Die Fläche der Bewegung ist das grünumrandete Fenster oben links im Diagramm. Die Histogramme für Ort und Geschwindigkeit sind jetzt 2dimensional. Nach jeweils 1/10 Sekunde wird die Situation beobachtet und protokolliert. Nach etwa 10 Sekunden wird die Fahrt angehalten und die Bilanz gezogen. Aus den Beobachtungen der einzelnen Energiewerte wird die mittlere Energie, aus der Verteilung der Orte und der Geschwindigkeiten die Entropie berechnet und in die Histogramme für die mittlere Energie und die Entropie eingetragen. Danach wird ein neuer Massenpunkt auf die Fahrt geschickt. Wiederholt man diese Fahrten oft, dann zeigen die Mittelwerte der Verteilungen für die Energie und Entropie die thermodynamischen Größen des Systems. Im Einzelnen: 10 1. Die Wege eines Punktes, dessen Fahrt etwa 10 Sekunden lang beobachtet wird, sind im Diagramm oben in der Mitte protokolliert. Dem Histogramm der Orte im 1-dimensionalen „Auto“ Bild entspricht das Fenster oben links mit grünem Rahmen: Es ist in einzelne quadratische Zellen unterteilt. Der Grad der Schwärzung zeigt die Häufigkeit des „Besuchs“ der Zellen. Man erkennt bei Vergleich mit dem Diagramm in der Mitte, daß hohe Schwärzung Kreuzungspunkte der Wege anzeigt. Diese Häufigkeiten sind die Dichten i zu jeder Zelle i, aus denen die Entropie der Konfiguration berechnet wird. 2. Die Vektoren der Geschwindigkeit sind im Quadrat oben rechts mit orange gefärbtem Rahmen eingezeichnet. Die Mitte ist null, die Linien zeigen das Achsenkreuz für die Geschwindigkeiten, die Kreise zeigen die Spitze des Vektors. Allerdings ist hier für jede Geschwindigkeit nur jeweils ein Kreis gezeichnet, auch wenn sie, z. B. bei einer langsamen Fahrt des Punktes, mehrmals hintereinander beobachtet wurde. Diese Fläche ist aber - wie der Ortsraum – in (nicht dargestellte) Zellen unterteilt, deren Besuchsfrequenz protokolliert wird. Die Häufigkeiten der Besuche pro Zelle sind weitere Dichten i zu jeder Zelle i, aus denen die Entropie der Konfiguration berechnet wird. Die Räume für Ort und Geschwindigkeit bilden gemeinsam den „Phasenraum“. Jeder Punkt dieses Raumes definiert einen mechanischen Zustand des Massenpunktes eindeutig. 3. Die Energie, das Quadrat der momentanen Geschwindigkeit, wird in das Histogramm unten rechts mit gelbem Rahmen eingetragen. In diesem Fenster ist tatsächlich jede Beobachtung verzeichnet: Bei langsamer Fahrt wächst die entsprechend Energiesäule, weil das Teilchen oft in diesem Zustand angetroffen wird. 4. Der Schwerpunkt dieser Verteilung, die mittlere Energie, ist im Fenster unten in der Mitte eingetragen. Man erkennt, daß deren Verteilung sehr viel schärfer als die der Energiewerte der einzelnen Teilchen ist. 5. Die Entropie der Verteilung der Orte und der Geschwindigkeiten auf die Zellen des Phasenraums wird nach jedem Lauf von ca. 10 Sekunden im Fenster unten links eingetragen. Der zeitliche Ablauf der Animation, die 50 mal das Leben eines einzigen Teilchens während 10‘‘ zeigt, kann auf die simultane Beobachtung mehrerer Teilchen im realen Gas übersetzt werden: Man habe 50 Beobachter und alle schauen 10‘‘ lang in ein Volumen. Der einzelne Beobachter verfolgt genau ein Teilchen und notiert in den zehn Sekunden 57 mal die Energie und notiert auch jeweils die Anzahl die Besuche in den Zellen der Räume für Ort und Geschwindigkeit. Jeden Wert der Energie trägt er in das „gelbe“ Histogramm unten rechts ein. Nach 10‘‘ ist sein Histogramm fertig und er errechnet dessen Schwerpunkt, die mittlere Energie seines Teilchens. Aus den Besuchszahlen errechnet er die Entropie. Jeder der 50 Beobachter liefert nach 10‘‘ genau einen Wert für die Energie- und Entropie ab. Diese werden in die Histogramme für Energie und Entropie (unten Mitte und links) eingetragen. Die so entstehenden Verteilungen zeigen die Energie und die Entropie des Systems mit ihren Standardabweichungen. Die Verteilung der Summe der Quadrate der Geschwindigkeit (gelb) zeigt die Form der Maxwell Verteilung für den Betrag der Geschwindigkeit in 2 Dimensionen Versuch 8 Bewegung der Massenpunkte in zwei Dimensionen an der Rüttelmaschine. 11 Versuch 9 Verteilungsfunktionen für Energie und Entropie bei der Bewegung eines Massenpunktes in zwei Dimensionen. Animation mit dem Programm ENTROPIE (ATARI, GfA Basic, J. Ihringer) Histogramm der Entropie: S~ i ln i Alle Zellen i =Anzahl der Besuche in der Zelle i der Fläche des Orts (oben links) und der Geschwindigkeit (o. rechts) während 10‘‘ Ortsraum, die Linien zeigen den Weg eines Teilchens während eines Fluges von 10‘‘ Dauer Vektoren der Geschwindigkeiten, die Punkte zeigen ihre Spitzen. Der Ursprung liegt in der Mitte des Diagramms im Schnittpunkt der Achsen. Histogramm der Schwerpunkte der Verteilungen rechts: Jeder Eintrag zeigt die über 10´´gemittelte Energie eines Teilchens: 57 Beobachtungen ergeben einen Eintrag Verteilung von v x v y für ein Teilchen bei 57 Beobachtungen während 10‘‘: 2-dimensionales. Pendant zur Maxwell Verteilung in 3 Dimensionen. Zu jeder Beobachtung gehört ein Eintrag 2 2 Abbildung 7 Verteilungsfunktionen für einen auf einer Fläche bewegten Punkt, Ergebnis einer Animation (Programm ENTROPIE) 12 5.5.1.3 Verteilungen in 3 Dimensionen Die Teilchen eines Gases bewegen sich in den3 Dimensionen des Raumes. Die einzelnen Komponenten der Geschwindigkeit sind nach einer Gaußkurve um 0 verteilt. Diese Verteilung heißt „Boltzmannsche Geschwindigkeitsverteilung“. Der Betrag der Geschwindigkeit folgt der „Maxwellschen Geschwindigkeitsverteilung“ mit der Form einer 2 Verteilung. Näheres zu beiden Verteilungen findet sich im Skript „Boltzmann und Maxwell Verteilung“. Boltzmannsche Verteilung für die kartesischen Komponenten der Geschwindigkeit: 12 „Boltzmannsche Geschwindigkeitsverteilung“ für m vx 2 m f g (v x ) exp die einzelnen Komponenten der Geschwindigkeit, 2kT 2kT Form: Gaußverteilung Wahrscheinlichkeit, die Geschwindigkeitskomponente v x im Intervall zwischen v x und v x dv x anzutreffen dwv x f g v x dv x Maxwell Verteilung: m f C (v) 4v 2kT 32 2 m v2 exp 2kT „Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung“ für die Beträge der Geschwindigkeit, Form: 2 Verteilung Wahrscheinlichkeit, eine Geschwindigkeit mit Betrag v im Intervall zwischen v und v dv anzutreffen dwv f C (v) dv Tabelle 7 Boltzmann Verteilung für eine kartesische Komponente der Geschwindigkeit und Maxwell für den Betrag der Geschwindigkeit Der Schwerpunkt dieser Verteilung liefert die mittlere Geschwindigkeit, für diese gilt: 8 k T v v f C (v)dv m 0 v 2 v 2 (v)dv 0 E Kin m 2 3 v k T 2 2 3kT m Die mittlere Geschwindigkeit ist der mit der Maxwellverteilung f C (v) errechnete Erwartungswert der Geschwindigkeit. Leichte Teilchen fliegen schneller als schwere. Analog: Mittleres Quadrat der Geschwindigkeit Mittlere kinetische Energie und absolute Temperatur Die Translationsbewegung enthält 3 Freiheitsgrade. Deshalb gilt: Gleichverteilungssatz: Auf jeden „Freiheitsgrad“ kommt – 1 E Freiheitsgrad k T im Mittel - der gleiche Beitrag der Energie. Dieses Gesetz 2 gilt auch bei mehreren Freiheitsgraden. Tabelle 8 Temperatur und kinetische Energie, Gleichverteilungssatz. 13 Wahrscheinlichkeitsdichte 0,0008 0,0006 0,0004 0,0002 Te mp era tur K 0,0000 100 200 300 Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung für Neutronen 400 500 -6000 -5000 -4000 -3000-2000 -1000 600 010002000300040005000 6000 Geschwindigkeit m/s Abbildung 8 Boltzmannverteilung für eine Komponente der Geschwindigkeit eines Gases aus Neutronen. Für tiefe Temperaturen werden die Verteilungen schmaler. Wahrscheinlichkeitsdichte 0,0008 0,0006 0,0004 0,0002 Te mp era tur K 0,0000 100 200 300 Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung für Neutronen 400 500 600 1000 2000 3000 4000 5000 6000 Geschwindigkeit m/s Abbildung 9 „Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung“ am Beispiel eines (fiktiven) Gases aus Neutronen 14 Man erkennt im Modell und aus den Verteilungen in 3 Dimensionen, daß aus der völlig regellosen Bewegung des einzelnen Teilchens mit breiter Verteilung der Geschwindigkeiten und ihren Komponenten „scharfe“ Verteilungen für Energie und Entropie mit kleinen Standardabweichungen folgen. In Realität reicht die Maxwell Verteilung für die Energie des einzelnen Teilchens von 0 bis unendlich, trotzdem werden Entropie und Energie nahezu „unendlich“ scharf. 5.5.2 Brownsche Molekularbewegung Aus der Äquivalenz von Translationsenergie und Temperatur folgt, daß sich auch sehr schwere Teilchen bewegen, z. B. Staubteilchen, allerdings langsamer als leichte Teilchen. Versuch 10 Brownsche Molekularbewegung im Kugelmodell Versuch 11 Die Brownsche Molekularbewegung von Titanoxyd ist im Mikroskop sichtbar Versuch 12 DieLichtmühle läuft nur im richtigen Druckbereich: Zuviel Druck bremst, zu wenig liefert zu wenig antreibende Teilchen