Erlebnispädagogik Doris Grünbeck Mai 2011 1 Erlebnispädagogik Doris Grünbeck Mai 2011 E R L E B N I S P Ä D A G O G I K Die Erlebnispädagogik versteht sich als Alternative und Ergänzung etablierter Erziehungsund Bildungseinrichtungen. Sie ist in der Reformpädagogik verwurzelt und gewinnt in dem Maße an Bedeutung, je mehr sich traditionelle Pädagogikrichtungen kreativen Problemlösungsstrategien verschließen. Die Geschichte der Erlebnispädagogik Es ist ein fragwürdiges Unterfangen zu versuchen, die Geschichte der Erlebnispädagogik zusammenzufassen, da sich ihre Geschichte aus der Geschichte der Philosophie, der Psychologie und der Pädagogik zusammensetzt. Und es ist kaum möglich all den Entwicklungen hier gerecht zu werden. Aber eins steht fest: Die Erlebnispädagogik ist kein neu erfundener pädagogischer Zweig, sondern war schon seit jeher eine Methode, die versucht hat, den reformbedürftigen Erziehungsmethoden der jeweiligen Zeit etwas entgegenzusetzen. Hier also nur auf die Konzentration auf die wichtigsten Vertreter, das sind Jean Jacques Rousseau, Henry David Thoreau, und Kurt Hahn - wobei man Kurt Hahn besonders hervorheben muss, da er als der Urvater der deutschen Erlebnispädagogik gilt. Die Vordenker Die ersten Vordenker der Erlebnispädagogik lassen sich schon in der Antike finden. Platon vertrat schon damals die Ansicht, dass man, um innere und äußere Wohlgestimmtheit zu erlangen, neben der Vernunft und dem damit verbundenem Erwerb von Wissen auch über sportliche Fähigkeiten verfügen muss. Ganz bedeutende Grundlagen der Erlebnispädagogik finden wir dann in der neueren Zeit bei Jean-Jacques Rousseau (1712 - 1778), welcher in seinem Buch "Emile oder über die Erziehung" für eine "Natürlich Erziehung" plädiert. "Alles ist gut, wie es aus den Händen des Schöpfers kommt, alles entartet unter den Händen des Menschen?" So lautet der berühmte erste Satz aus "Emile" und verdeutlicht gleich zu Beginn die Quintessenz des Werkes, die häufig mit dem Schlagwort "Zurück zur Natur" wiedergegeben wird. Rousseaus Ziel ist eine Erziehung ohne Erzieher, die durch natürliche Strafe, d.h. die negativen Folgen von unpassenden Handlungen, zum freien Menschen führt. Nach Rousseau wird der Mensch durch drei Dinge erzogen: Die Natur oder die Dinge oder die Menschen , wobei die Reihenfolge der Erwähnung ihre Bedeutung anzeigt . Demnach orientiert sich das Lernen nicht so sehr an der Person des Erziehers, sondern vielmehr an den Wirkungen, die sich aus dem Umgang mit gegenständlichen Dingen in der Natur ergeben. Die Erziehung durch Menschen hat das einzige Ziel, die Erziehungsgewalt der Natur und der Dinge zu stärken und negative Einflüsse, wie Gesellschaft, Wissenschaft, Kunst und Zivilisation zu verhüten. Rousseau kann als Vertreter des handlungsorientierten Lernens gesehen werden: "Leben heißt nicht Atmen, sondern Handeln" Erlebnis und Unmittelbarkeit sind die beiden wichtigsten Säulen Rousseaus Erziehungsutopie. Damit errichtete Rousseau bereits im 18. Jahrhundert die Grundmauern zum Gedankengebäude der Erlebnispädagogik. 100 Jahre später wurde diese Arbeit von David 2 Erlebnispädagogik Doris Grünbeck Mai 2011 Henry Thoreau (1817 - 1862) weitergeführt. Thoreau Ziel war das ursprüngliche und unmittelbare Leben ohne Mittler. Thoreau machte den damals herrschenden Zeitgeist, wie Luxus, Bequemlichkeit, Mode, Zivilisation und Technik für den Verlust der Unmittelbarkeit verantwortlich. Er suchte nach den eigentlichen Lebensbedürfnissen des Menschen und versuchte in einer selbstgebauten Blockhütte am Walden-See nahe seiner Heimatstadt Concord zweieinhalb Jahre lang ein bedürfnisloses Leben zu führen, um zum eigentlich Wichtigen vorzustoßen. Neben der Natur, an der jeder jederzeit kostenlos lernen konnte, war Thoreau der Ansicht, das man Volkshochschulen einrichten sollte, die Bildung und Weltsicht verschaffen sollten. Erlebnistherapie nach Kurt Hahn Kurt Hahn (* 5. Juni 1886 Berlin; † 14. Dezember 1974 in Salem). Da Hahn keine konventionelle Karriere als Lehrer oder Erzieher vorweisen kann, fällt die Einordnung und Würdigung seiner Person und seines Werkes mitunter schwer. Er wird oft als "Vater der Erlebnispädagogik" bezeichnet, obwohl er weder studierter Pädagoge noch Politiker mit Mandat war. Trotzdem - oder vielleicht gerade deswegen - hat er Teilbereiche der Pädagogik entscheidend beeinflusst. Die Erlebnispädagogik hatte somit um 1930 in Deutschland ihren (ersten) Höhepunkt. Sie wurde in der Reformpädagogik zu einem wichtigen Pfeiler des Unterrichtsverständnisses. Hahn selbst war Vertrauter und politischer Berater des Prinzen Max von Baden und leitete 1920 bis 1933 das Landerziehungsheim Schule Schloss Salem. Er gründete 1934 im britischen Exil die "British Salem School" in Gordonstoun (Schottland), da er aufgrund seiner Ideen und seiner jüdischen Herkunft in Deutschland nicht mehr sicher war. 1941 gründete er eine Kurzschule mit mehrwöchigen Kursen, die (erlebnispädagogischen) Modellcharakter gewann. Hahn wandte sich mit seiner Pädagogik gegen die von ihm durch Beobachtungen diagnostizierten "Verfallserscheinungen" seiner Zeit: Mangel an menschlicher Anteilnahme Verfall körperlicher Tauglichkeit, Mangel an Initiative und Spontaneität Mangel an Sorgsamkeit Mit einem erlebnistherapeutischen Konzept sollten diese Krankheiten der Gesellschaft bekämpft werden, um so heilenden Kräften zur Entfaltung zu verhelfen. Kurt Hahn war stets 3 Erlebnispädagogik Doris Grünbeck Mai 2011 bemüht, möglichst viele Jugendliche zu erreichen. Er begann mit einer Reihe von Lehrgängen mit Jugendlichen, bei denen körperliches Training im Mittelpunkt stand, bevor er in Aberdovey gemeinsam mit dem Reeder Laurence Holt die erste Bildungsstätte mit dem Namen "Outward Bound" gründete, in der ausschließlich kurzzeitpädagogische Kurse durchgeführt wurden. Die Teilnehmer an den vierwöchigen Kursen waren 16 - 20 jährige Schüler. Den vier festgestellten Mangel- und Verfallserscheinungen, setzte Kurt Hahn Elemente seiner Erlebnistherapie entgegen: o durch körperliches Training (unter anderem durch leichtathletische Übungen und Natursportarten wie Segeln, Kanufahren, Bergwandern) o dem Dienst am Nächsten (hier explizit von seinen Schülern, je nach Standort, geleistete Küstenwache bzw. See- oder Bergrettungsdienst) o dem Projekt (Aufgabenstellung mit hoher, aber erreichbarer Zielsetzung bei selbständiger Planung und Durchführung im handwerklich-technischen bzw. künstlerischen Bereich) o die Expedition (meist mehrtägigen Berg- oder Skitouren, Floßfahrten etc., bei denen es neben der natursportlichen Aktivität auch um lebenspraktische Alltagserfahrungen gehen sollte, wie z. B. versorgen, transportieren, Nachtlager bereiten ...) Die Wirksamkeit der Erlebnistherapie hängt nach Hahn im wesentlichen von der Erlebnisqualität der Aktionen ab. Denn je mehr der Teilnehmer die Aktionen für sich als außergewöhnliches Erlebnis wahrnimmt, desto tiefgreifender ist die heilende Wirkung. Heilsame Erinnerungsbilder, die auch Jahre später noch abrufbar sind, sollten bei späteren Bewährungsproben steuernd wirken Kurt Hahn verstand die Natur- und Kulturlandschaften als erste und wichtigste Handlungsfelder seiner Erziehung. Voraussetzung und Bedingungen waren für ihn die Ernsthaftigkeit und Unmittelbarkeit der Situation. Echtzeit, Direktheit und Authentizität sind heutzutage in einer hochtechnisierten und durchmediatisierten Welt gefragter denn je. Körperlichkeit und das Gefühl, physische und psychische Anstrengungen als lustvoll zu erleben sind Ansatzpunkte zeitgemäßer, moderner Erlebnispädagogik. Erlebnispädagogik von 1945 bis heute 4 Erlebnispädagogik Doris Grünbeck Mai 2011 In der deutschen Erziehungswissenschaft nach 1945 wurde die Erlebnistherapie nach Kurt Hahn nur am Rande wahrgenommen. Die Instrumentalisierung kulturkritischer Attitüden und erlebnispädagogischer Elemente durch die Nationalsozialisten mag ein Grund gewesen sein, dass erlebnispädagogische Ansätze zunächst nicht aufgegriffen wurden. Die Alliierten versuchten mit Nachdruck in die Erziehung der deutschen Jugend einzugreifen. Dazu wurde ein Programm aufgelegt, das die vorhandenen Einprägungen des Nationalismus löschen sollte. Jugendverbänden wurde anfangs verboten, sich überregional organisieren, wahrscheinlich aus Vorbehalt der Alliierten gegenüber uniformtragenden deutschen Gruppierungen, wie beispielsweise den Pfadfindern. Aber es waren doch vornehmlich Jugendverbände, die seit 1945 in Deutschland mit ihren pädagogischen Ansprüchen und Inhalten auf Elemente der Erlebnistherapie zurückgriffen, meistens jedoch unbewusst und intuitiv. Jedoch würde man der Jugendarbeit im Nachkriegsdeutschland mit dem Etikett "Erlebnispädagogik" nicht gerecht werden, da das "Freiluft" leben keine pädagogischen Beweggründe hatte. Meistens ging es dabei aber mehr um verbandspolitische Interessen. Die von Kurt Hahn initiierten Bildungsstätten des "Outward Bound" nahmen eine recht kontinuierliche Entwicklung, obwohl sie in der deutschen Entwicklung der Erlebnispädagogik zunächst wenig Beachtung fanden. 1946 wurde der Outward Bound-Trust in London gegründet, und ist heute weltweit als "Outward Bound International" bekannt, und betreibt heute über 50 Einrichtungen in 35 Ländern.Formularende Grundlagen der modernen Erlebnispädagogik Damit man einen Einblick in die moderne Erlebnispädagogik und ihre Besonderheiten bekommt, muss man sich neben der Auseinandersetzung mit der Geschichte, auch noch mit verschiedenen anderen Aspekten dieser besonderen Form der Pädagogik befassen. Im Folgenden befindet sich ein Überblick über die wichtigsten Gesichtspunkte der Erlebnispädagogik und eine Erklärung der wichtigsten Elemente und Begriffe. Das Erlebnis Der zentrale Begriff bei allen erlebnispädagogischen Ansätzen ist das "Erlebnis". "Erlebnisse sind Bewusstseinsvorgänge, in denen der Mensch tief innerlich und ganzheitlich von der Sinn- und Wertfülle eines Gegenstandes ergriffen wird." 5 Erlebnispädagogik Doris Grünbeck Mai 2011 Wichtig dabei: Erlebnisse ergeben sich, im Gegensatz zu Ereignissen, nur aus der subjektiven und individuellen Ansicht des einzelnen Menschen. Einzelne Situationen werden erst dann zu Erlebnissen, wenn sie vom Betrachter als etwas Besonderes bzw. Außeralltägliches wahrgenommen werden. In der Erlebnispädagogik beinhaltet das Erlebnis soziologische, psychologische und pädagogische Dimensionen. Zur Popularität von Erlebnissen In unserer heutigen Gesellschaft hat "Erleben" und "Erlebnis" Konjunktur, was Begriffe wie Erlebnisparks, Erlebnisreisen oder Erlebnisbäder belegen. Es wurde geschafft, dass der Erlebniswert der Dinge wichtiger ist, als der Gebrauchswert, anders ausgedrückt: es gibt ein Streben nach Risiko in unserer Gesellschaft. Und so werden normale Konsumgüter zum Erlebnis gemacht, um sie besser verkaufen zu können. Doch muss man immer beachten, dass man nicht das Erlebnis selbst kaufen kann, sondern nur das Erlebnisangebot. Zur unserer Gesellschaft gehört ebenso, dass individuelle Risiken beinahe ausgeschlossen sind. Dem stehen zwar globale Risiken, wie beispielsweise der Treibhauseffekt, entgegen, die jedoch nicht mehr berechenbar sind. Das führt zu einem erhöhten Erlebnishunger und einer gesteigerten Risikobereitschaft. Jugendliche hohlen sich ihre "Kicks" durch Drogenkonsum, waghalsige Autorennen, Schlägereien, S-Bahn-Surfen, etc., den logischen Steigerungsformen riskanten Verhaltens. Erlebnisse sind dabei nicht etwas, was man haben kann, sondern etwas, was man haben muss, um jemand zu sein. Charakteristika des Erlebens Wenn man sich mit dem Begriff des "Erlebnisses" auseinander setzt verbindet man gewöhnlich Begriffe wie Aktivität, Unmittelbarkeit, Spannung, Emotionalität, Abwechslung und Authentizität damit. Sie bringen das Besondere, das nicht Alltägliche zum Ausdruck Dementsprechend sehen Heckmair und Michl (siehe Literatur am Ende des Artikels) das Erlebnis und den Alltag als "zwei schlecht verträgliche Dinge" Ein Erlebnis ist also nicht etwas Alltägliches, sondern ein besonderes Ereignis. Man verbindet Erlebnisse eher mit dem Neuen, Ungewohnten und Unbekannten, obwohl aus psychologischer Sicht das "Erleben" als wertneutral definiert wird. Sowohl banale alltägliche Dinge als auch intensive außergewöhnliche Eindrücke sind hier einbezogen In der Psychologie bezieht sich das Erleben auf die unterschiedlichsten Dinge, wie beispielsweise auf Umwelteindrücke, auf das 6 Erlebnispädagogik Doris Grünbeck Mai 2011 eigene Handeln, auf seelische und körperliche Prozesse oder auf zwischenmenschliche Einflüsse. Inhalte des Erlebten, die als bedeutungsvoll angesehen werden, werden zu Eindrücken verarbeitet, die positive oder negative Gefühle oder Erinnerungen hervorbringen können. Für den Menschen stellt das Erleben etwas Persönliches und Subjektives dar, das unmittelbar wahrgenommen wird. Wichtig für die Erlebnispädagogik ist aber, dass nur die Qualität der Wirkungen von Erlebnissen subjektiv und unmittelbar ist, nicht aber die Herkunft. Während erlebnispädagogischer Maßnahmen ist der größte Teil der gemachten Erlebnisse durch eine pädagogische Konzeption (Setting) sozial konstruiert bzw. beeinflusst. Pädagogik und Erlebnis In der Pädagogik können Erlebnisse als etwas Gewolltes oder Erwünschtes angesehen werden, sind aber nicht planbar oder voraussagbar. Erlebnisse sind zufällige, vielleicht sogar unbeabsichtigte Vorkommnisse, die erst durch die persönliche Einordnung in individuelle Kategorien, durch Reflexion und Vergleich zu Besonderheiten werden - im Nachhinein. Hier wird ein häufiger Kritikpunkt an der Erlebnispädagogik deutlich. Da Erlebnisse subjektiv und unwillkürlich entstehen, lassen sie sich nicht zielgenau herbeiführen und sind damit nicht pädagogisch vorausplanbar. Jedoch besteht darin der pädagogische Ansatz der modernen Erlebnispädagogik. Ein pädagogisches Setting lässt sich so gestalten, dass Lernziele, Wirkungen und Erfahrungen möglich oder sehr wahrscheinlich werden. Die Wirkung von erlebnispädagogischen Lernangeboten ergibt sich daher nicht direkt aus den abenteuerlichen Erlebnisfeldern, sondern durch die spezifische Weise in der sie genutzt, präsentiert und kombiniert werden. Gelehrt werden soll, sich selbst einzuschätzen zu können und sich selber wahrzunehmen, um die eigene Position im persönlichen wie im gesellschaftlichen Umfeld zu finden. Begriff und Merkmale Wie bedeutsam und umfangreich die Erlebnispädagogik in den letzten 20 Jahren geworden ist, zeigt ein vergleichender Blick in Nachschlagewerken und Fachlexika. Eine allgemeingültige Definition des Begriffs Erlebnispädagogik ist nicht leicht, und zwar aus drei Gründen: 7 Erlebnispädagogik Doris Grünbeck Mai 2011 Es existieren mittlerweile eine Reihe von Begriffen die zum Teil Synonym und zum Teil konkurrierend genutzt werden und alle das Verhältnis von Erlebnis und Erziehung beschreiben wollen Es gibt an einigen Stellen der erlebnispädagogischen Diskussion eine Tendenz zur Entgrenzung zu beobachten, wonach jedes handlungsorientierte Lernarrangement als Erlebnispädagogik bezeichnet wird. Es gibt heutzutage eine größere Angebotspalette, die einerseits Kurzzeitmaßnahmen von wenigen Tagen umfasst und auf der anderen Seite langfristige Projekte wie mehrmonatige Segeltörns oder Reiseprojekte für Jugendliche im Ausland. Die folgende Definition von Heckmair und Michl versucht, die oben genannten Probleme zu berücksichtigen: "Erlebnispädagogik ist eine handlungsorientierte Methode und will durch exemplarische Lernprozesse, in denen junge Menschen vor physische, psychische und soziale Herausforderungen gestellt werden, diese in ihrer Persönlichkeitsentwicklung fördern und sie dazu befähigen, ihre Lebenswelt verantwortlich zu gestalten." Dieser Versuch einer Definition kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine eindeutige Definition immer noch fehlt, was nicht überrascht, da eine tragfähige Fundierung der Erlebnispädagogik weiterhin aussteht. Dennoch lassen sich aus dieser Definition bestimmte Merkmale ableiten, die für die moderne Erlebnispädagogik charakteristisch sind: Handlungsorientierung und Ganzheitlichkeit Im Mittelpunkt des Lernprozesses steht die tätige Auseinandersetzung mit einer Aufgabe, wobei Erfahrungen selbst gemacht werden müssen. Wissen, Fähigkeit und Werte werden über direkte Erfahrungen erarbeitet und vermittelt. Unter Ganzheitlichkeit ist zu verstehen, dass alle Dimensionen des Menschen angesprochen werden, d.h. Körper, Geist und Seele. Lernen in Situationen mit Ernstcharakter Von besonderer Bedeutung für das Setting ist in einer erlebnispädagogischen Maßnahme der Ernstcharakter einer Situation. Es müssen Lernsituation gefunden werden, deren Charakter derart beschaffen ist, dass sich Aufgaben und Anforderungsstruktur als natürlicher Sachzwang ergeben. 8 Erlebnispädagogik Doris Grünbeck Mai 2011 Gruppenorientierung Erlebnispädagogik stellt sich überwiegend als gruppenpädagogisches Angebot dar. Sozialpädagogische Angebote zielen dabei auf die Förderung von Sozialen Kompetenzen und Kooperationsfähigkeit durch das Arrangement von Lernsituationen, die verdeutlichen, dass Zusammenarbeit notwendig ist. Erlebnischarakter Die bisher genannten Merkmale ließen sich auch in alltäglichen Situationen konstruieren. Charakteristisch für die Erlebnispädagogik ist, dass die Lernsituationen außergewöhnlich sind, d.h. vielfältig, nicht alltäglich, real und ernsthaft sein müssen, um so Grenzerfahrungen zu ermöglichen. Ungewöhnliche und außerordentliche Situationen erhöhen die Chance, dass aus einem Ereignis ein nachhaltig wirkendes Erlebnis wird. Deshalb findet Erlebnispädagogik mit Distanz zum Alltag statt. Freiwilligkeit Jeder Mensch muss selbst entscheiden, ob er an einer erlebnispädagogischen Maßnahme teilnehmen will oder nicht. Das Prinzip der Freiwilligkeit geht davon aus, das Lernerfolge nicht erzwungen werden können und deshalb abhängig von der Motivation und Wahlfreiheit des Einzelnen sind. Die Aufgabe der Erlebnispädagogen besteht darin, die Teilnehmer zu ermutigen und anzuspornen, sich in die Lernsituation zu wagen, Die endgültige Entscheidung wird von dem Teilnehmer selbst getroffen und muss vom Pädagogen akzeptiert werden. Pädagogisches Arrangement Erlebnisträchtige Situationen werden erst dann zum erlebnispädagogischen Arrangement, wenn sie pädagogisch instrumentalisiert werden. Dazu gehören einerseits gezielte Planungen und Realisierungen von Angeboten, andererseits aber auch - was wichtig für den Erfolg der Maßnahme ist - die Begleitung von erlebnispädagogisch geschulten Begleitern. Das Lernen Lernen ist ein wichtiger Bestandteil des menschlichen Lebens. Wir lernen von Geburt an durch ein selbstverständliches "Mitleben" und alltägliches "Dabeisein". Es ist ein Anliegen 9 Erlebnispädagogik der Pädagogik Doris Grünbeck Mai 2011 im Rahmen initiierten Lernens dem jungen Menschen zur Persönlichkeitsentwicklung und sozialen Integration Inhalte, Werte und Fähigkeiten vermitteln. Simon Priest geht davon aus, dass alles Lernen auf Erlebnissen basiert. Zu Erfahrungen werden sie, wenn das Erlebte reflektiert und transferiert wird. Erfahrungslernen geschieht demnach, wenn die Reflexionen für die Veränderung verantwortlich sind. Die verschiedenen Lern - und Transfermodelle der Erlebnispädagogik sollen im folgenden vorgestellt werden. Lernmodelle in der Erlebnispädagogik In der modernen Erlebnispädagogik lassen sich drei Modelle unterscheiden, die zwar Ergebnis einer geschichtlichen Entwicklung sind, in der Praxis aber nebeneinander existieren und sich nicht gegenseitig ausschließen. Aus verschiedenen Blickwinkeln wird ein und derselbe Prozess dargestellt. "The Mountain Speaks for Themselves"-Modell Dieses Modell lehnt sich an dem Thoreau`schen Motto: "Die Natur ist die beste Lehrmeisterin" an. Es unterstellt die allgemeine Effizienz erlebnispädagogischer Maßnahmen in der Natur hinsichtlich Verhaltensänderungen. Es vertraut gänzlich auf den Sachzwang der Natur. Die Situation steht für sich selbst und ist so konstruiert, dass das Erlernte notwendige Folge des Handelns ist. Es ist nicht notwendig, mit Reflexion eine Aufarbeitung des Erlebten zu leisten. "Outward Bound Plus"-Modell Dieses Model baut auf die Vorstellungen "The Mountains Speak for Themselves" auf. Allerdings sieht es eine anschließende Reflexion vor. Metaphorisches Modell Das Metaphorische Modell gilt als das Modell der Zukunft, das in den letzten Jahren auch hierzulande Verbreitung fand. Das "Outward Bound Plus"-Model lag unter anderem der Kritik, dass Erlebnispädagogik sich aufgrund der Verschiebung hin zur Reflexion zu einer 10 Erlebnispädagogik Doris Grünbeck Mai 2011 konventionellen therapeutischen Methode entwickelt. Das Metaphorische Model wurde entwickelt, um Reflexion zu fördern, aber gleichzeitig die Erfahrungen und Erlebnisse nicht zu zerreden bzw. zu überfrachten. Die Lernsituation soll möglichst ähnlich zur Lebensrealität der Teilnehmer ausgestaltet werden. Die Lernrichtung der Teilnehmer kann u.a. durch Beispiele, Geschichten und Metaphern beeinflusst werden. Der Transfer Der Transfer ist ein entscheidender Faktor des Lernens aus erlebnispädagogischen Aktivitäten und Maßnahmen und meint die Übertragung von Lernerfahrungen in Lebenszusammenhänge und Alltagssituationen der Teilnehmer. Es werden in der Erlebnispädagogik drei verschiedene Formen des Transfers unterschieden: 1. Der fachspezifische Transfer Beim fachspezifischen Transfer werden konkrete Verhaltensweisen und Lerninhalte soweit verinnerlicht, dass sie auch in anderen Lernsituationen verfügbar sind. (Beispiel: das Sichern beim Klettern kann auf das Sichern beim Abseilen übertragen werden) Diese Erfahrungen haben in der Regel kaum Bedeutung für den Alltag. 2. Der fachübergreifende Transfer Hierbei werden spezifische Lernerfahrungen zu künftigen Einstellungen, Prinzipien oder Verhaltensweisen verallgemeinert. Es werden keine Fertigkeiten sondern grundlegende Muster übertragen. (Beispiel: Problemlösungs- und Konfliktbewältigungsstrategien werden von einer erlebnispädagogischen Herausforderung in den Alltag transferiert.) 3. Der metaphorische Transfer Ein metaphorischer Transfer findet statt, wenn in einer zum Alltag analogen bzw. "isomorphen" (von gleicher Gestalt) erlebnispädagogischen Situation Lernerfahrungen gemacht werden, die zu Verhaltensänderungen führen können. Der Transfer findet hier entweder während der Aktivität anhand ähnlicher Strukturen oder nach der Aktivität mit Hilfe von Reflexion statt. 11 Erlebnispädagogik Doris Grünbeck Mai 2011 Der Transfer stellt das "zentrale Problem" der Erlebnispädagogik dar. Folgende Transferhindernisse gilt es deshalb zu beachten bzw. zu verhindern: Die Alltagssituation ist häufig viel komplexer gestaltet als die Lernsituation. Bei kurzzeitpädagogischen Maßnahmen können keine langfristigen Lernprozesse initiiert werden. Die Teilnehmer werden häufig im Transferprozess nicht begleitet. Das Freizeitgefühl - häufig verursacht durch die Durchführung erlebnispädagogischer Maßnahmen in Urlaubsregionen - blockiert die Transfermotivation. Der Transferproblematik entgegenwirken können klare Ziel- und Erwartungsabsprachen, bewusste Zusammensetzung der Teilnehmergruppen, längerfristige Vor- und Nacharbeit und die bewusste Anwendung von Transfertechniken. 12 Erlebnispädagogik Doris Grünbeck Mai 2011 E R L E B N I S P Ä D A G O G I K „ Das Erlebnis kann man nicht nur rational vermitteln, es muss emotional erfahren werden. Man kann es nicht lehren, man muss es bisweilen inszenieren.“ ( Kurt Hahn) Die Begriffe „erleben“ und „Erlebnis“ und vor allem die damit verbundenen Assoziationen haben zurzeit Konjunktur. Unsere Gesellschaft scheint von einer Erlebnisorientierung als Ausdruck eines neuen Lebensgefühls und von einer Naturentfremdung und Erlebnisarmut bestimmt zu sein. Kaum ein anderer Begriff wird öfter in der Werbung und in den Massenmedien benutzt. Es ist eine regelrechte „Inflation“ des Erlebnisbegriffes zu beobachten, der gedankenlos auf alle möglichen Zusammenhänge übertragbar wird. So werden zum Beispiel Erlebniseinkäufe, Erlebnisgastronomie, Sparerlebnisse, Erlebnisparks und Erlebnisreisen angeboten. Dahinter steht oftmals die Erfahrung, das viele Menschen erlebnisunfähig geworden sind. Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind zunehmend mit Reizüberflutungen aus verschiedensten Bereichen konfrontiert. Die Grenzen des inszenierten Erlebens und Abenteuers verschieben sich immer mehr, und die Kluft zwischen Realität und Scheinwelt wird immer größer. Das Eintauchen in virtuelle Welten bedingt eine Reduktion von Sozialkontakten, Kommunikation und Verlust des Gegenwartsbezuges. Auch das Fernsehen macht sich diesen Trend des inszenierten Erlebens zunutze, und reagiert mit Shows die Erlebnis und Abenteuer direkt via Bildschirm in die Wohnzimmer sendet. Der Weltbezug geschieht oftmals über Computer, Fernsehen oder Zeitungen. „Erlebnisvoyerismus „ als Ausgleich zum Alltagsgeschehen. Je ausgefallener die Kombination aus Abenteuer und Grenzerlebnissen, je mehr Kick, umso höher steigt die Wertigkeit in der Erlebnisgesellschaft. Vor allem Kindern wird die Möglichkeit genommen, über das, Erleben zu einem „Begreifen“ in wörtlichem Sinn zu kommen, da bereits viel an Erlebnismöglichkeiten vorweg genommen wird. Sei es durch Medien, Computer oder mit Hilfe von Videos. Aber auch durch Veränderungen in der Lebensumwelt der Kinder und Jugendlichen. Je mehr solche Sekundärerfahrungen allerdings gemacht werden, umso weniger sind Primärerfahrungen möglich und wichtige Bereiche des sozialen Lernens und der Persönlichkeitsentwicklung gehen verloren. 13 Erlebnispädagogik Doris Grünbeck Mai 2011 Hier erleben andere Dinge, die sie selber gerne machen möchten, aber nicht können. Eigene aufrüttelnde, das Leben verändernde Erfahrungen machen sie kaum. So entsteht eine immer größere Entfremdung zur Wirklichkeit zu einem Vermitteln, einem „Secondhand – Leben“. So zeichneten viele Kindern, auf die Frage, wie denn ein Kuh ausschaut, die allseits durch das Fernsehen bekannte „Milka-Kuh“, in den Farben violett und weiß, da sie nie die Möglichkeit hatten, einen realistischen Eindruck zu bekommen. Die Kuh aus dem Fernsehen entsprach ihrem Denken von Realität. Auch die Wirtschaft nutzt die Forderung der Konsumenten, das Einkaufen ein ultimatives Erlebnis sein muss. Herkömmliche Formen des Einkaufens werden zunehmend durch Einkaufszentren ersetzt, was wiederum zu einem Verlust an persönlichen Kontakten und Kommunikation führt. Konsumenten fordern Einkaufen eingebettet in ein Erlebnis aus musikalischer Berieselung, Wetterunabhängigkeit und Angeboten quer durch die gesamte Palette der Konsumgesellschaft. Nicht der Kauf notwendiger Artikel steht im Vordergrund, sondern gemütliches Bummeln und „Auslagenschauen“. Daraus resultierend entsteht oft eine von der Werbung gesteuerte Kauflaune, die dann zum Kauf von Artikeln führt, die der Käufer eigentlich nicht unbedingt bräuchte und wollte. Weiters greifen Schlagwörtern wie Mega- Events, Adrenalinjunkies, Bungee Jumping von der Europabrücke, Manager in nassen Hosen, Abenteuer für Führungskräfte, House - Running zunehmend um sich. Je aufregendere und teilweise auch an der Grenze zur Lebensgefahr absolvierte Camps absolviert wurden, umso höher die Akzeptanz der Kollegenschaft. Der harte Kampf in der wilden Natur, das Ernähren nur mit Dingen, die der Wald uns bietet, je verwegener das Erleben, desto mehr an Selbstkompetenz und Survival- Fähigkeiten werden Teilnehmern suggeriert. Oftmals wird die Grundaussage „Gelobt sei, was hart macht“ als Slogan gesehen, um Abstand zum herkömmlichen Leben zu finden, um die Bestätigung zu erhalten, das Mann oder Frau fähig zu einem Leben außerhalb der Zivilisation wäre. Der Adrenalinkick als Herausforderung an Anbieter diverserster Sportarten, Erlebnismöglichkeiten und Reiseveranstalter. Das Erleben dieser Grenzerfahrung als Notwendigkeit, um dem Leben das zu geben, was mit herkömmlichen Methoden nicht mehr erreicht werden kann. Das teilweise auch verächtliche Belächeln von sogenannten „0815“ Angeboten und „Usern“. Gerade da erscheint es unbedingt notwendig, sich mit den eigentlichen Grundhaltungen der Erlebnispädagogik zu beschäftigen. All diese sicherlich auch mit Erlebnis verbundenen Bereiche stehen aber in keinem Zusammenhang mit dem in der Sozialpädagogik verwendeten Begriff . Dadurch wird aber auch die Aktualität des Erlebnisbegriffes deutlich und es ist auch ein zunehmendes Interesse an Erlebnispädagogik ersichtlich. Aber gerade dadurch erscheint eine Differenzierung zur herkömmlichen Verwendung des Begriffs Erlebnis und den im sozialpädagogischen Arbeitsfeld eingesetzten Methoden der „Integrativen Outdoor Aktivitäten“ notwendig. 14 Erlebnispädagogik Doris Grünbeck Mai 2011 Erlebnispädagogik (in der Kd.- und Jugendarbeit, im sp. Arbeitsfeld.....) Diese Richtung der Pädagogik versucht Kontrapunkte zu setzen. EP will ökologisches Bewusstsein durch Erfahrungen in und mit der Natur schaffen Das ist ein wichtiges Bildungsziel .Viele Jugendliche kennen nur noch die Betonwüste Stadt oder die aufbereitete Natur der Freizeit.- und Ferienparks Sie können aber nicht mehr in natürlichen Räumen leben. Von diesen Grundlagen aus hat EP schon lange bekannte Freizeitaktivitäten aufgegriffen und qualifizierte EP Aktionen sind z.B.: Kanutour mit Übernachtung im Zelt, Nachtwanderung, Orientierungslauf, Fahrradtour ohne feste Zielpunkte, Freizeiten in Selbstorganisationen ,Bergtouren, Abenteuerfreizeiten,....... Das hört sich alles nach Pfandfinderromantik an und ist es auch, dann gerade die PfadfinderInnen haben ihre alten Traditionen in den 70er Jahren überprüft und in Richtung EP entwickelt. Allerdings hat mittlerweile fast die gesamte verbandliche und offene Jugendarbeit erlebnispäd. Angebote ins Programm genommen. Bedeutung der EP: Was gehört zur Erlebnispädagogik? *Die Bereitschaft, sich neuen Horizonten aufzumachen, also Neugierde und das Suchen nach dem bisher Unbekannten *der Mut, sich herauszufordern zu lassen .Herausforderungen anzunehmen und sich selbst herauszufordern *der Reiz ,neues in Erfahrung zu bringen zu wollen, und Altes neu zu sehen und zu verstehen *die Wahrnehmungsleistung als Chance zu erkennen und gebotene zu nutzen. *das Hineinhören in sich selbst, und das Zuhören können, weil eins das Andere bedingt *die Sensibilität gegenüber der psychischen Verfassung des Nächsten *das Bewusstsein, von der Zerbrechlichkeit und Schutzbedürftigkeit unserer Welt, und daraus resultierenden Denk- und Handlungsmuster EP sollte auch immer im gleichen Atemzug genannt werden mit: *Freude ,Spaß und Lust *mit Schönheit der Natur, der Erlebnisse und für sich selbst *auch mitlernen, leisten und Erfolg nach Überwindung und bei Überwindung von Widerständen *mit Selbstbestimmung und kritischer Überprüfung von Fremdbestimmung *mit neuen Erkenntnissen durch selbst gewonnen Erfahrungen *letztlich mit der Durchsetzung vitaler Interessen ( wo das JA zum LEBEN in seiner grenzüberschreitenden Bedeutung nicht- wie so oft –verbal und folgenlos bleibt) *mit dem Ernstnehmen natürlicher Bedürfnisse(in denen die Einheit Körper und Erde in jedem Menschen spürbar wird) und 15 Erlebnispädagogik Doris Grünbeck Mai 2011 *mit menschlicher Herzlichkeit ( die –wenn sie den Ausdruck findet – das bisherige Denken und Handeln in einer doch so ganz anders strukturierten Welt wohltuend verändert) Damit gehören zur EP ebenfalls Wunsch und Wille nicht mehr alles laufen zu lassen, wie es läuft und nicht mehr alles Anderen zu überlassen; das eigene Glück zu definieren. Und es gehört dazu sich kritisch und engagiert dort einzubringen und einzulassen, wo diese Welt gefährdet scheint, denn nicht der Mensch bewohnt diesen Planeten, sondern MENSCHEN. EP ist jedoch weder Überlebenstraining (survival) noch Rangerausbildung und hat auch nichts mit dem verhängnisvollen Slogan zu tun: „Gelobst sei, was hart macht!“ EP ist Erziehung; die jugend.- und sozialerzieherische Potenz muss bei allen Vorhaben und unter allen Umständen definiert und sichtbar sein, also die jeweilige Praxis begründbar und transparent machen. DIFFERENZIERUNG VON OUTDOOR-AKTIVITÄTEN INDOOR-AKTIVITÄTEN INTEGRATIVE OUTDOOR-AKTIVITÄTEN Outdoor- Aktivitäten- O.A.: O.A sind in einer möglichst wenig beeinträchtigten Natur stattfindende, bewegungsbezogene Aufgaben und Herausforderungen an die/den Einzelnen /Gruppe. Diese Aktivitäten finden in einem sozial-räumlich anderen, für die Teilnehmer herausfordernden, anregenden, aber auch ungewöhnlichen – Bereich statt, in einem Bereich, der für die Teilnehmer im wesentlichen neu ist, d.h.: sie werden aus ihrem sozialen Umfeld „herausgeholt“. Dabei ergibt sich die Möglichkeit, persönlich bedeutsame Themen spielerisch und lustvoll anzugehen und unter pädagogisch und psychologisch professioneller Leitung zu reflektieren. Ziel ist es, die persönliche Handlungs- und Sozialkompetenz zu steigern. Lernen wird dabei als ganzheitlicher Prozess von KOPF, HERZ und HAND angesehen. O.A. beinhalten immer noch ein gewisses Restrisiko in sich, das allerdings nach bestem Wissen und Gewissen kontrolliert werden und eingegrenzt werden muss. Indoor- Aktivitäten- I.O.: Sind alle Aktivitäten in Räumen, wie Schulen, Internaten, Jugendwohlfahrtsbereich, Jugendgefängnissen und allen sportlichen Einrichtungen wie z.B.: Kletterwände, Eishallen,...... Diese Aktivitäten werden zusehends mit erlebnispädagogischen Elementen versetzt und daher für viele neue Bereiche nutzbar gemacht. 16 Erlebnispädagogik Doris Grünbeck Mai 2011 Integrative- Outdoor- Aktivitäten- I.O.A.: Sind grundsätzliche alle bewegungsbezogenen Aktivitäten mit pädagogischen oder sozialtherapeutischen Ansätzen. z.B.: *Aufgaben und Herausforderungen werden den Teilnehmern gestellt, um persönliche und gruppenbezogene Entwicklung einzuleiten, und die Auseinandersetzung mit grundlegenden Themen zu ermöglichen. *Themen entwickeln sich aus den lebensgeschichtlichen oder gruppendynamischen Aspekten. Die Themen werden aufgegriffen und situativ in Übungen eingekleidet. *Natur erhält als Erfahrungs- und ER -Lebensraum hohe Bedeutung *Lernen findet auf allen Ebenen der Persönlichkeit statt.(Körper-Geist-Gefühl) *Auf den Wechselbezug der Erfahrungen zum Alltag und dem möglichen Transfer von Handlungsweisen in den Alltag wird besonderen Wert gelegt. Methoden der Aufarbeitung sind pädgruppendynamische und psychotherapeutische. MEDIEN FÜR O.A.: Segelschiffe,Kajaks,Schlaucboote,Flöße,Mountainbikes,Gleitschirme,Pferde,.....usw.wobei die beiden Naturräume – See und Berg- einen besondere Herausforderungscharakter besitzen. In der Bergwelt kann man u.a. klettern, wandern, Skifahren, rodeln und Höhlenbegehungen veranstalten, während man an bzw. auf dem See u.a. segeln, surfen, Drachenfliegen, paddeln, schwimmen kann. Das Biwakieren unter Berücksichtigung entsprechender ökologischer Sensibilitäten und persönlicher Einschränkungen übt dabei einen besonderen Reiz aus. JEDER MENSCH BRAUCHT ERLEBNISSSE, UM ERFAHRUNGEN SAMMELN ZU KÖNNEN AUS BEIDEN NÄHREN SICH ERKENNTNISSE ERLEBNISPÄDAGOGIK IM SOZIALPÄDAGOGISCHEN ARBEITSFELD Im Bereich der Sozialpädagogik ist EP ein handlungsorientierter Ansatz, der folgende Elemente in einem Konzept pädagogisch zielgerichtet verbindet: das Erlebnis dem Erlebnis wird ein besonderer Stellenwert im Konzept des tiefen Verstehens eingeräumt. Ich-Erlebnisse (Identität),Gruppenerlebnisse (Wertschätzung, soziale Kompetenz) und Naturerlebnisse beinhalten ein hohes pädagogisches Potential. die Gruppe Interaktionserfahrungen, soziales Lernen 17 Erlebnispädagogik Doris Grünbeck Mai 2011 die Natur „heilende“ Kraft der Natur kennen lernen,(Reduktion auf Grundbedürfnisse, Auseinandersetzen mit den Elementen Feuer, Wasser, Luft, Distanz vom angestammten Milieu, unattraktive Fluchtmöglichkeiten, reduzierte Konsummöglichkeiten, spirituelle Dimensionen Durch einen förderlichen RAHMEN, Durchführungsgebiet- WO? Gruppengröße und Gruppenzusammensetzung Art und Funktion der Leitung zielorientierter Zeitrahmen Normen und Verbindlichkeiten innerhalb des Projekts Durch begründbare INHALTE, Subjektive Grenzerlebnisse (erleben von Angst, Hunger,...) Medien und Aktivitäten, gestaltbare Situationen Aufgaben mit Ernstcharakter Handlungsnotwendigkeiten durch situationsimmanente Problemstellungen (Selbstversorgung, Kooperation,....) Wagnis und Sicherheit Und entsprechende METHODEN, learning by doing lernen durch Versuch und Irrtum Selbstorganisation 18 Erlebnispädagogik Doris Grünbeck Mai 2011 Lernen durch Beobachtung und Imitation Lernen durch Reflexion und kognitive Verarbeitung Metaphorisches Handlungslernen (Einführung in eine spezifische Aktivität in Verbindung zur Lebenswirklichkeit des Teilnehmers) werden ganzheitliche (emotionale, motorische, kognitive) Lernprozesse mit situationsübergreifender Wirkung (TRANSFER) angestrebt, die je nach Zielformulierung und Konzeption schwerpunktmäßig einen erkennbaren präventiven, sozialpädagogischen und /oder therapeutischen Einfluss auf die Persönlichkeitsentfaltung haben. Rahmen, Inhalte und Methoden müssen auf die Zielgruppe und deren Ziele abgestimmt sein. Oberstes Ziel einer persönlichkeitsorientierten Veränderung ist die Verbesserung der Entscheidungs- und Handlungskompetenz. Im erlebnspäd .Projekt werden die TeilnehmerInnen sowohl ermutigt, mehr Eigenverantwortung, aber auch durch die Integration in die Gruppe, mehr Verantwortung für die Gemeinschaft zu übernehmen. Je nach Art des Settings und der Intervention der Leitung werden Lernziele angestrebt wie: Selbstvertrauen gewinnen Selbständigkeit erlangen verborgene Aktivpotentiale entdecken eigene Schwierigkeiten bewusst wahrnehmen Kritik –und Kontaktfähigkeit üben Partnerschaftliches Handeln erproben Der hohe Lerneffekt beruht auf der klaren Sichtbarkeit von Wirkung bezüglich erfolgter/nichterfolgter Handlungen und der Unmittelbarkeit von Feedback Die Gesamtheit des erlebnispädagogischen Settings ergibt sich aus: Schaffung von subjektiven Grenzsituationen Wagnis/Sicherheit Auseinandersetzung mit der Natur Körperlichkeit – Bezug zum eigenen Körper Ernstcharakter Solidarität Bedürfnisorientiertheit 19 Erlebnispädagogik Doris Grünbeck Mai 2011 Problemorientiertheit Alltagsorientiertheit Selbstorganisation der Gruppe Ganzheitlichkeit Was sind life skills? Im Wesentlichen sind es Haltungen und Fertigkeiten, die einen Menschen unabhängig von seinem Alter in eine lebendige und befriedigende Beziehung zu sich selbst und anderen Menschen bringen. Das bedeutet nicht, dass Harmonie und Gleichklang vorherrschen. Lebendige Beziehungen enthalten natürlich auch Konflikte, schwierige Situationen und heikle Probleme. Die Frage ist nicht, wie dieses Problem vermieden, sondern wie es gelöst werden kann. Beispiele für life skills: gute und ehrliche Selbsteinschätzung ehrlicher Umgang mit Gefühlen respektvolle Selbstbehauptung Fähigkeit zur Entscheidungsfindung Mut zu Kompromissen und zur kreativen Problemlösung Kommunikationsfreude TRANSFER Ein Erlebnis als solches muss noch nicht zwingend positive Lernerfahrungen mit sich bringen. In Untersuchungen z.B.: Inst. für Pädagogik- zeigt sich, das EP überraschend wirksam sein kann, wenn folgende Bedingungen erfüllt werden: klar definierte Ziele, wobei die erlebnispäd. Ziele mit den übergeordneten Zielen ident sein müssen, in einem Konzept muss das Setting und dessen zu erwartende Wirkung beschrieben sein überlegte Vorbereitung und gut strukturierte Transferphase mit den Elementen Wiederholung Feedback Umsetzung Die Bedeutung der EP für unser Arbeitsfeld ergibt sich vor allem aus den pädagogischen Prinzipien: in der EP kommt der GR als Lernfeld vorrangige Bedeutung zu soziales Lernen und soziale Kompetenz soll gefördert werden Individuell sollen Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl gesteigert werden – ich kann was! Das gemeinsame Aushandeln von Entscheidungen soll in demokratische Prozesse einüben 20 Erlebnispädagogik Doris Grünbeck Mai 2011 Dadurch, das die Konsequenzen von Entscheidungen erfahren werden, soll das Verantwortungsgefühl gesteigert werden in der EP geht es um unmittelbare Erfahrungen und persönliches Erleben. Im Gegensatz dazu ist das Reden über Erfahrungen zu sehen. Erleben muss hier – z.b. durch Literatur – erst vermittelt werden Mitgestalten, statt einfach nur konsumieren Neue Beziehungsdefinitionen von Leitenden und Teilnehmenden, wobei der Aspekt des gemeinsamen Tuns wichtig ist Kein Befehl- Gehorsam- Schema, sondern Mitwirkung in einem Gruppenprozess Keine Mutproben und Wettkämpfe, sondern gemeinsame Bewältigung von anstehenden Aufgaben Erst Reflexion macht das Ereignis zum Erlebnis EINIGE GEDANKEN ZUM ABSCHLUSS: - besonders verhaltensauffällige Kd./Jgdl. Brauchen intensives SICH-SELBST-ENTDECKEN entwicklungspsychologische Bedürfnisse, die nur eingeschränkt befriedigt werden/wurden erzeugen „ERLEBNISHUNGER“ (NACHREIFEN!!) - der Kerngedanke der EP ist es, gemeinsame Situationen zu planen und durchzuhalten, Erfahrungen mit sich und der Umwelt zu machen, die -HEUTE helfen, eine tragfähige Beziehung herzustellen und -MORGEN eine positive Erinnerung bleiben lassen .Erlebnisse entstehen, an die man gerne zurückdenkt. Beziehungen und positive Erlebnisse sind die Basis jeder Existenz, wir brauchen sie, um unsere Identität zu finden. - sie geben MUT für weitere Schritte in die Zukunft und -vermitteln das Gefühl, sinnvoll zu leben -Medien bewirken, daß den Kindern heute die Welt weitgehend bekannt ist ,bevor sie sie „erfahren“/“begreifen“ konnten. Nichts wirkt so destruktiv, wie das Bewusstsein, alles schon zu kennen. Gerade da bietet sich die EP als Möglichkeit an, Kd.;Jgdl.; an Geheimnisse und Gefahren heranzuführen. - Die Grundwerte der Erlebnispädagogik: ACHTUNG VOR SICH SELBST ACHTUNG VOR DEM ANDEREN ACHTUNG VOR DER NATUR 21 Erlebnispädagogik Doris Grünbeck Mai 2011 GRENZEN UND KRITKPUNKTE DER EP EP ist kein „ Allheilmittel“ und kann und will auch nicht aus den TeilnehmerInnen neue Menschen machen. EP kann aber neue Impulse setzen, die früher oder später zu tragen kommen, und die weitere persönliche Entwicklungen des Einzelnen mitbestimmen. Trotzdem scheint es wichtig auch die Grenzen zu erkennen. - so geht man in der Pädagogik grundsätzlich davon aus, das es sich um plan- und organisierbare Lernprozesse handelt. Erlebnis, eines der handlungsorientierten Ansätze in der EP ist jedoch nicht kalkulierbar. Was man erlebt, wie es erlebt wird, ist vorher nicht planbar, und auch nicht, welche Erlebnisse sich kurzfristig ergeben können. Weiters stellt nicht jedes Erlebnis für die TN eine pos. Erfahrung da, und hier ist vor allem die Kompetenz und Feinfühligkeit des EP gefragt. Seine Begleitung und das Aufspüren von Grenzen sollten diesem Handlungsansatz unterstützen. - EP findet weiters an besonderen Orten und Räumen statt. Wie sieht es aber mit der Übertragung auf die Alltagsräume aus? Die TN befinden sich meist in einem für sie oft neuen Ort oder Raum. Alles hier Erlebte steht unter einem anderen Blickpunkt als es vielleicht in der „ Realwelt“ gesehen werden würde. Hier kommt vor allem der Transferphase und der Betreuung nach dem Projekt eine große Bedeutung zu. Auch das gemeinsame Erarbeiten von schriftlichen Verträgen, die verbindlich sein sollten, kann gerade diesen Prozess fördern. - EP beinhaltet immer ein gewisses Maß an Restrisiko, im Extremfall Gefahren für Leib und Leben. Jede EP wird aber dahingehend sensibilisiert, das Restrisiko so gering wie möglich zu halten, und außerdem durch genaues Besprechen der STOP –Regeln, die Gruppe und den Einzelnen vor Gefahren zu schützen. 22