Segelpädagogik für schwierigste Jugendliche – Ein Auslaufmodell? Längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen vor dem Hintergrund pädagogischer, gesellschaftlich-politischer und finanzieller Aspekte Diplomarbeit zur Diplomprüfung an der Fachhochschule Münster, Fachbereich Sozialwesen vorgelegt am 14. Mai 2002 von Mark Huhnen Studiengang Sozialpädagogik Betreuer: Herr Dr. rer. soc; Dipl.-Päd. Frevel Zweitprüfer: Herr Prof.Dr.rer.soc. Doehlemann 1 Gliederung und Inhalt 1. Einleitung: Zwei Beobachtungen aus zwei Praktika ........................................... 4 2. Eingrenzung des Problemfeldes: Längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen in psycho-sozialen Notlagen .............................................................. 6 2.1 Terminologische Fragen ................................................................................ 6 2.2 Fragestellung und Arbeitshypothesen ......................................................... 11 2.3 Wie werden die Arbeitshypothesen geprüft?............................................... 15 2.4 Mitglieder mit Segelprojekten im „Bundesverband Erlebnispädagogik e.V.“ (BE) – Indiz für die Entwicklung des Umfangs ........................................ 17 3. Pädagogische Aspekte ....................................................................................... 19 3.1 Grundsätzliches: Wie soll die Wirksamkeit oder der Erfolg pädagogischer Maßnahmen festgestellt werden? ................................................................ 19 3.2 Zeit und Raum auf Segelschiffen: Die Besonderheiten eines Mediums ..... 21 3.3 Was kann an Bord gelernt werden? – Mögliche Erziehungsziele ............... 25 3.4 Alle in einem Boot! – Symmetrie vs. „Totale Institution“ , Hierarchie und Demokratie an Bord..................................................................................... 28 3.5 Und dann wieder zuhause... Die Transferproblematik ................................ 32 3.6 Segelpädagogik oder Segeltherapie? ........................................................... 34 3.7 Sinn oder Unsinn, das ist hier die Frage – Einschätzungen des pädagogischen Erfolgs ................................................................................. 36 3.8 Andere Konzepte für junge Menschen in psychosozialen Notlagen ........... 39 3.9 Für wen ist nun was sinnvoll? – Zielgruppe(n) I ......................................... 40 4. Gesellschaftliche und politische Aspekte .......................................................... 42 4.1 „Finales Rettungskonzept“ und „Soziale Verklappung“ ............................. 42 4.2 Rechtliche Grundlagen ................................................................................ 44 4.3 Gibt es noch „genügend“ junge Menschen in psychosozialen Notlagen, für die längerfristige Segelprojekte sinnvoll sind? – Zielgruppe(n) II .............. 47 4.4 Wahrnehmung in der Öffentlichkeit ............................................................ 51 4.5 Pädagogik in Abhängigkeit von Gesellschaft und Politik ........................... 57 4.6 Die Verwaltung junger Menschen – Jugendämter und „Neue Steuerung“ . 61 5. Finanzielle Aspekte ........................................................................................... 63 5.1 Weniger zur Verfügung stehende Finanzen bei den öffentlichen Trägern? 63 5.2 Freier Träger – Leistungsberechtigter – Träger der öffentlichen Jugendhilfe................................................................................................... 65 5.3 Betriebswirtschaftliche Überlegungen des freien Trägers........................... 67 5.4 Was ist teurer, Segeln oder „Knast“? .......................................................... 70 6. Rückblick und Ausblick .................................................................................... 73 6.1 Zurück zu den Arbeitshypothesen ............................................................... 73 6.2 Woran lag es nun? – Noch einmal die „Macher“ ........................................ 76 6.3 Warum es immer weniger längerfristige Segelprojekte für junge Menschen in psychosozialen Notlagen gibt – eine vorläufige Antwort und ihr Wert 78 6.4 Was nun? ..................................................................................................... 79 2 Anhang I: Quellenverzeichnis ............................................................................... 80 I.1 Veröffentlichte Quellen ................................................................................ 80 I.2 Unveröffentlichte Quellen ............................................................................ 86 Anhang II: Prüfungsarbeiten zu Segelprojekten .................................................... 88 Anhang III: Fälle in der Jugendhilfestatistik ......................................................... 92 III.1 Tabelle 3: Vergleich von begonnenen und beendeten Hilfen nach § 34 (unter besonderer Berücksichtigung der Wohnform Heim) und §35 KJHG zum jeweiligen Bestand am Jahresende (1991-1998) ............................................... 92 III.2 Tabelle 4: Bestände in der Wohnform Heim nach Altersklassen jeweils zum 31.12. eines Jahres (1991-1998) ................................................................ 93 III.3 Tabelle 5: Bestände in Intensiver sozialpädagogischer Einzelbetreuung nach Altersklassen jeweils zum 31.12. eines Jahres (1991-1998) ..................... 94 Anhang IV: Im weiteren Sinne zum Thema gehörige Presseartikel ..................... 95 Anhang V: Weitere Tabellen ............................................................................... 109 V.1 Tabelle 6: Gesamtpreisindex der Lebenshaltung aller privaten Haushalte in der BRDeutschland (1991-1998) ..................................................................... 109 V.2 Tabelle 7: Ausgaben der Jugendämter für Leistungen nach § 34 KJHG (Heime, sonstige betreute Wohnform) in tausend DM (1992-1998)............... 109 Anhang VI: Modell angelehnt an die ANNA-CATHARINA ............................. 110 VI.1 Tabelle 8: Monatliche Ausgaben und Einnahmen .................................. 110 VI.2 Tabelle 9: Monatliches Ergebnis bei verschiedener Besetzung .............. 111 3 1. Einleitung: Zwei Beobachtungen aus zwei Praktika Zwischen Ende Februar und Anfang April 2001 leistete ich mein Blockpraktikum auf dem Schulschiff ANNA-CATHARINA, das von der Gesellschaft für Jugendund Familienhilfe e.V. (GJFH) betrieben wird, ab. Die ANNA-CATHARINA fährt seit 1981 mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen zur See, seit 1989 von der GJFH getragen. Im Rahmen des Praktikums hörte ich meinen Praxisanleiter Dipl.Päd. Thomas Piruzgar-Merkle hin und wieder sagen, es gebe immer weniger solcher Schiffe, die längerfristige Projekte mit jungen Außenseitern machen. Im August und September 2001 leistete ich ein weiteres Praktikum auf einem anderen Segelschiff ab. Diesmal segelte ich mit Jugendlichen und pädagogischem Personal der Jugendwohngruppe der Flensburger Abteilung von „Sozialarbeit und Segeln“ auf einem gerade erst für die Jugendarbeit zugelassenen alten Giekewer1 namens HANS VON WILSTER. HANS war damit nach langer Zeit, in der es nur ein Segelschiff, die GALATEA VON BUXTEHUDE, bei „Sozialarbeit und Segeln“ gab, wieder ein Segelschiff dieses Trägers, mit dem auch längerfristige Projekte verbunden werden sollten. Bewohner aus der Wohngruppe sollten, bzw. sollen während der Sommersaison an Bord als Stammbesatzung mitfahren, wenn HANS für kürzere Freizeiten von anderen Gruppen gechartert wird. Diese beiden Erfahrungen erschienen mir gegensätzlich, bzw. gegensätzliche Tendenzen widerzuspiegeln. Das lässt sich aber möglicherweise dahingehend auflösen, dass HANS „gegen den Strom“ fährt, also entgegen der allgemeinen Tendenz. Oder vielleicht gibt es aber gar nicht immer weniger Segelschiffe, die längerfristige Projekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen machen. Was ist nun also die allgemeine Tendenz? Gibt es tatsächlich immer weniger Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen? Und wenn dies so ist, warum ist es so? Mit diesen Fragen, besonders mit der letzten, werde ich mich in dieser Diplomarbeit beschäftigen. Um aber nicht von der Beantwortung der ersten Frage abhängig zu sein, sollen evtl. auch unabhängig von einer Veränderung die Bedingungen und der Hintergrund solcher Projekte untersucht werden. Dazu werde ich zunächst das Problemfeld genauer eingrenzen, terminologische Fragen versuchen zu klären, einen Hinweis geben, wie die allgemeine Tendenz ist, die Frage des „Warum“ konkretisieren und dazu Arbeitshypothesen aufstellen, die im weiteren Verlauf der Arbeit überprüft werden sollen. 1 Ein Giekewer ist ein Plattboden-Segelschiff mit einem Mast. 4 In dieser Arbeit werden auch immer wieder „die Macher“ solcher Projekte zu Wort kommen, deswegen werde ich auch noch kurz auf die Technik des Experteninterviews eingehen. 5 2. Eingrenzung des Problemfeldes: Längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen in psycho-sozialen Notlagen 2.1 Terminologische Fragen Segeln kann als eine Angebotsform der Erlebnispädagogik verstanden werden, bzw. das Segelboot oder das Segeln an sich als Medium, wenn nicht sogar als das klassische Medium, für die (erlebnis)pädagogische Arbeit2. Der Streit, ob es sich bei der Erlebnispädagogik um eine Teildisziplin der Erziehungswissenschaften oder (lediglich) um eine handlungsorientierte Methode handelt3, ist dabei und besonders für diese Arbeit unerheblich. Der Einwand, dass der Begriff Erlebnispädagogik inhaltlich verkürzend wirken könnte, da durch den Teilbegriff Erlebnis eine gewisse Einmaligkeit und Kürze und damit Nichtübertragbarkeit in den Alltag nahegelegt wird, scheint da schon wichtiger. Erlebnispädagogik und hier die Angebotsform Segeln ist aber zunächst möglicherweise zu mehr in der Lage, als ein einmaliges Erlebnis zu verschaffen. Zumindest soll für diese Arbeit diese schon vorweggenommene Einschränkung vermieden werden und später noch genauer darauf eingegangen werden. Hier sei noch angemerkt, dass für „...Kurt Hahn (, der) [Ergänzung d.d.V.] häufig als ihr (, der Erlebnispädagogik – d.V.) Vater bzw. Begründer genannt und ausgegeben wird, der aber weder Urheber des Gedankens ist noch den Begriff der >>Erlebnispädagogik<< benutzte, sondern den einer >>Erlebnistherapie<<.“ 4 das Entscheidende eines Erlebnisses für einen Lernerfolg, d.h. auch für eine potentielle Übertragung, die Intensität und nicht die Dauer sei. Je intensiver ein Erlebnis ist, desto höher sind die Chancen, dass die erinnerte Erfahrung in einem späteren Augenblick hilfreich sein kann.5 Auch der nun eingeführte Begriff Segelpädagogik hat sicherlich seine Mängel. Was soll Segelpädagogik heißen? Das Segeln gelehrt und gelernt wird? Diese Fragen sind berechtigt, schließlich ist jede Lehr-Lern-Situation Pädagogik. Und 2 Vgl.: Galuske, Michael, Methoden der Sozialen Arbeit. Eine Einführung, Weinheim München 1998, S. 212f. / Vgl.: Heckmair, Bernd, Michl, Werner, Erleben und Lernen. Einstieg in die Erlebnispädagogik, Neuwied, Kriftel, Berlin 31998, S. 171 3 Vgl.: Galuske, a.a.O., S. 207 4 Bauer, Hans G., Erlebnis- und Abenteuerpädagogik. Eine Literaturstudie, München 31987, S. 5 / Vgl.: Reiners, Annette, Erlebnis und Pädagogik, München 1995, S. 15 / Vgl.: Antes, Wolfgang, Erlebnispädagogik. Fundierte Methode oder aktuelle Mode?, Münster 1999, S.14 –in: Jugendstiftung Baden-Württemberg (Hrsg.), Erlebnispädagogik. Theorie und Praxis in Aktion, Münster 1999, (S. 11-24) 5 Vgl.: Reiners, Annette, Praktische Erlebnispädagogik. Neue Sammlung motivierender Interaktionsspiele, München 1991, S. 2 6 dass Segeln erst gelernt werden muss, um es zu beherrschen, ist unstrittig. Es gäbe also kein Segeln mehr, würde es nicht gelehrt und gelernt. Die im Titel dieser Arbeit gestellte Frage wäre unsinnig und könnte sinnvoll nur noch lauten „Segeln – ein Auslaufmodell?“. Der Begriff Segelpädagogik soll deshalb bedeuten, dass, wie eben angedeutet, Segeln, bzw. das Segelboot als Medium für eine pädagogische Situation, die über das Segeln hinaus geht, herangezogen wird, dass also neben dem (rein technischen) Segeln lernen und lehren andere Erziehungs- oder Bildungsziele im Vordergrund stehen. Nun deckt dieser Begriff der Segelpädagogik immer noch ein weitläufiges Feld ab: Vom Teamtraining mit Managern bis zur Klassenfahrt auf dem IJsselmeer6. Aus diesem Grund wird an dieser Stelle aus dem immer noch recht weitläufigen Feld der Erlebnispädagogik auf Segelschiffen ein spezieller Bereich für diese Arbeit herausgegriffen: Längerfristige Arbeit bzw. längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen. Dieser Bereich ist besonders interessant, weil er noch originär soziale Arbeit darstellt. Bei den o.g. Teamtrainings für Manager und Segelfreizeiten für „normale“ junge Menschen ist dies nur äußerst eingeschränkt der Fall. Von eben diesen Teamtrainings und Segelfreizeiten sind längerfristige Projekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen abzugrenzen: Durch Längerfristigkeit und junge Menschen in psychosozialen Notlagen. Längerfristigkeit impliziert eine mehr als oberflächliche soziale Beziehung zwischen den jungen Menschen und dem pädagogischen Personal. Die jungen Menschen werden dabei während eines Abschnitts ihres Lebens begleitet. Als Orientierung kann § 35 des KJHG herangezogen werden, unter den eine Ferienfreizeit selbst mit jungen Menschen, denen Hilfen zur Erziehung gewährt wird und die in einer psychosozialen Notlage sind, gewiss nicht fallen würde. Jedoch heißt es auch im § 35 KJHG: „...auf längere Zeit angelegt...“ 7, ohne dass genauer konkretisiert wird. Längerfristigkeit steht hier auch im Gegensatz zu „Outward Bound-Kursen“ mit einer Kurslänge von 12 Tagen8. Wenn die Zeitspanne für erlebnispädagogische Maßnahmen von einem Tag bis hin zu einem Jahr oder länger reicht 9, dann liegt 6 Bei Klassenfahrten auf dem IJsselmeer steht beispielsweise das einmalige Erlebnis durchaus mit im Vordergrund. 7 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kinder- und Jugendhilfe (Achtes Buch Sozialgesetzbuch), Berlin 102000, S. 53 8 Vgl.: Jagenlauf, Michael, Wirkungsanalyse Outward Bound – Ein empirischer Beitrag zur Wirklichkeit und Wirksamkeit der erlebnispädagogischen Kursangebote von Outward Bound Deutschland, München 21994, S. 78 –in : Bedacht, Andreas u.a. (Hrsg.), Erlebnispädagogik: Mode, Methode oder mehr?. Tagungsdokumentation des Forums Erlebnispädagogik, München 2 1994, S. 72-95 9 Reiners, 1995, a.a.O., S. 57 7 hier der Fokus eher bei Zweiterem, mindestens aber bei 10 „...Betreuungsarrangements von mehr als zwei Monaten Dauer.“ Diese Längerfristigkeit muss zunächst nicht der von Kurt Hahn geforderten oben angedeuteten Intensität entgegen stehen bzw. sie ausschließen. Sie bietet möglicherweise aber noch andere, darüber hinausgehende Möglichkeiten (und Risiken). Dies wird später noch angesprochen. Als junge Menschen können Menschen bezeichnet werden, die in der Lebensphase der Jugend sind. „Jugend beginnt mit der >>physiologischen Revolution<<, die zur Geschlechtsreife führt. Wann Jugend aufhört, ist eine Frage gesellschaftlicher und persönlicher Definitionen. Gemeinhin gilt die Jugendzeit als beendet, wenn die jungen Leute ökonomisch >>auf eigenen Beinen stehen<<, ein eigenes Domizil haben, eine – der Absicht nach – lebenslange Verbindung (Ehe) eingehen und die Verantwortung von Elternschaft auf sich nehmen und juristisch volljährig sind.“ 11 Diese soziologische Definition lässt sich nicht in Lebensjahre umrechnen. Schließlich sind auch nicht alle Menschen gleich und bei gleichem Lebensalter gleich erwachsen. Juristisch betrachtet ist nach §7(2)Nr. 2 u. 3 KJHG „...Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist, .. junger Volljähriger, wer 18, aber noch nicht 27 Jahre alt ist“12. Für diese Arbeit sollen – an die soziologische Definition angelehnt – Jugendliche und junge Volljährige zusammengefasst werden zu „junge Menschen“. Im alltagssprachlichen Gebrauch kann der Begriff „Jugendlicher“ schon häufig ein Fehl- oder abweichendes Verhalten implizieren. In dieser – zunehmend älter werdenden – Gesellschaft kommt dies zum Beispiel in Ausrufen, wie „Die Jugend von heute“ oder in der statistischen Abgrenzung von „Jugendkriminalität“ zum Ausdruck. Niemand redet von „Erwachsenenkriminalität“. In solchen Zusammenhängen entsprechen Jugendliche damit paradoxerweise nicht dem gesellschaftlichen Ideal der Jugendlichkeit, das z.B. zum Ausdruck kommt in den Worten: „jung, dynamisch und erfolgreich“. In dieser Überhöhung der Jugendlichkeit deutet sich ein zweites mögliches Missverständnis an: Jugendlichen ginge es grundsätzlich schon so gut, dass ein Bedarf an Hilfe unvorstellbar wird. Für etwas mehr Neutralität scheint da der Begriff „junger Mensch“ zu sorgen, der nicht in dem Maße zu einer Zuschreibung positiver oder negativer Eigenschaften führt. 10 Klawe, Willy, Bräuer, Wolfgang, Erlebnispädagogik zwischen Alltag und Alaska. Praxis und Perspektiven der Erlebnispädagogik in den Hilfen zur Erziehung, Weinheim München 1998, S. 8 11 Doehlemann, Martin, Junge und ältere Menschen: Soziologie der Altersphasen, Neuwied Kriftel Berlin 1994, S. 98 – in: Biermann, Benno u.a., Soziologie. Gesellschaftliche Probleme und sozialberufliches Handeln, Neuwied Kriftel Berlin 1994, S. 95-120 12 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, a.a.O., S. 42 8 Auf diese Weise ist der Begriff des „devianten Jugendlichen“, als der ein schwierigster Jugendlicher bezeichnet werden könnte, möglicherweise doppelt etikettierend. Devianz bedeutet nämlich abweichendes Verhalten13. „Als a. V. gilt jenes Verhalten von Individuen und Gruppen, das mit den als richtig und erwünscht angesehenen Normen .. und Werten einer Gesellschaft nicht im Einklang steht.“14 Die Definition eines abweichenden Verhaltens ist also gesellschaftsbedingt. Natürlich ist Gesellschaft auch hierbei kein homogenes Gebilde. Was abweichendes Verhalten ist, wird von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen sehr unterschiedlich definiert und anderen Gruppen zugeschrieben. Trotzdem gibt es einen mehr oder minder klaren Mainstream. Je weiter entfernt davon und je seltener Verhaltensweisen auftreten, desto stärker werden sie als abweichend wahrgenommen. Gerade auf junge Menschen bezogen steigt also die Wahrnehmung ihres Verhaltens als abweichend, je geringer ihr Anteil an der Bevölkerung wird. Das Gegenteil von abweichendem Verhalten ist konformes Verhalten15 (immer auch relativ zu einem mehr oder minder diffusen Mainstream), also angepasstes Verhalten. Pädagogische Maßnahmen, die auf konformes Verhalten abzielen, würden mit Sicherheit dazu beitragen, dass der oder die vorher Deviante in der Gesellschaft konfliktfreier leben kann. Sie oder er wäre wunderbar angepasst und fiele gar nicht auf. Damit einher ginge ein hohes Maß an Autoritäts- bzw. Obrigkeitshörigkeit bis blinder Gehorsam, die Grundlage totalitärer Systeme. Mindestens kommt es dadurch immer auch zur Reproduktion und Verstärkung tradierter gesellschaftlicher Werte und Normen. Zu einer kritischen Auseinandersetzung mit Werten, Normen, Regeln, Hierarchien und Befehlen wird nicht angeregt. Eine auf Konformität abzielende Pädagogik verhindert den mündigen Menschen, der als handelndes Subjekte der Demokratie die Grundlage unserer Verfassung darstellt. Aufgrund dieser indirekten Implikation soll in dieser Arbeit weitgehend auf den Begriff der Devianz verzichtet werden. Der Begriff schwierigste Jugendliche bzw. schwierigste junge Menschen, oder auch schon „,schwierige’ Jugendliche“16 ist jedoch auch nicht besonders gut geeignet. Er deutet wieder darauf hin, dass in erster Linie die Gesellschaft mit ihm oder ihr ein Problem hat und erst dadurch und danach der junge Mensch ein 13 Vgl.: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, Fachlexikon der sozialen Arbeit, Stuttgart 1997, S. 216 14 van den Boogaard, Hilde, Abweichendes Verhalten, Stuttgart 1997, S. 5 –in: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, a.a.O., S.5-6 15 Vgl.: Grohall, Karl-Heinz, Soziologie des abweichenden Verhaltens und der sozialen Kontrolle, Neuwied Kriftel Berlin 1994, S. 133 ff. –in: Biermann, Benno u.a., a.a.O., S. 133-172 16 Reiners, 1995, a.a.O., S. 57 9 Problem hat oder bekommt. Etwas klarer wird das in der Formulierung „Kinder und Jugendliche, die als besonders schwierig gelten“17. Des weiteren deutet dieser Begriff darauf hin, dass es besonders schwierig ist, mit dem jungen Menschen umzugehen, was in vielen Fällen gar nicht stimmt. Ein großer Anteil junger Menschen in psychosozialen Notlagen ist sehr „umgänglich“ bzw. freundlich und unauffällig und verhält sich (zumindest oberflächlich) völlig konform. Als Beispiel ist ein junger Mensch denkbar, der immer ausgesprochen höflich ist, aber fast gar kein Selbstvertrauen hat. Eine für diese Arbeit sehr brauchbare Definition der Zielgruppe der längerfristigen Projekte ist folgende: „Delinquente und deprivierte Heranwachsende in psycho-sozialen Notlagen, wie Schulverweigerer oder hyperaktive Kinder ...“18 Die Aufzählung könnte sicherlich noch weiter geführt werden. Die Begriffe Delinquenz19 und Deprivation20 sollen eine eher unterstützende und helfende Wirkung pädagogischer Maßnahmen andeuten und nicht sosehr, dass die jungen Menschen in Richtung geltender Normen und Werte hin geformt werden. Wobei der Begriff Delinquenz eine nur relativ entstigmatisierende Wirkung zum Begriff der Jugendkriminalität hat21 und diese wohl mit seiner zunehmenden Bekanntheit einbüßen wird. Der Begriff Deprivation (von engl. deprive – einschränken, verwehren) deutet da eher eine erlittene „...Einengung in vielen Lebensbereichen...“22 an. Insgesamt ist – angelehnt an die o.g. Definition und das Vorherige – die Definition der Zielgruppe als junge Menschen in psychosozialen Notlagen sehr angemessen. Sie ist weit genug – psychosoziale Notlagen können sehr vielfältig sein – und trotzdem klar. Die Andeutung einer Trennlinie könnte das KJHG und dort die Hilfen zur Erziehung sein. Die Hilfen zur Erziehung setzen einen Bedarf, eine Notwendigkeit voraus23. Das Projekt war bei Kurt Hahn elementarer Bestandteil des von ihm (mit-) begründeten Outward Bound-Konzeptes, das auch in seinen Kurzschulen zum tragen kam. Unter einem Projekt verstand Kurt Hahn, dass eine Aufgabe im handwerklichen, technischen oder geistigen Bereich von einem Schüler selbstständig bearbeitet und gelöst werden sollte24. Wenn hier von längerfristigen Segelprojekten mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen die Rede ist, so 17 Klawe, Bräuer, a.a.O., S. 7 Fischer, Thorsten, Ziegenspeck, Jörg W., Handbuch Erlebnispädagogik Von den Ursprüngen bis zur Gegenwart, Bad Heilbrunn 2000, S. 272 19 Vgl.: Scheerer, Sebastian, Delinquenz, Stuttgart 1997, S. 195 f. –in: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, a.a.O. 20 Vgl.: Iben, Gerd, Soziale Benachteiligung, Stuttgart 1997, S. 845 –in: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, a.a.O. 21 Vgl.: Scheerer, Delinquenz, a.a.O, S. 195. 22 Grohall, Soziologie des abweichenden Verhaltens und der sozialen Kontrolle, a.a.O., S. 161 23 Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, a.a.O., S.51 24 Vgl.: Reiners, 1991, a.a.O., S. 3 / Vgl.: Antes, a.a.O., S. 15 / Vgl.: Heckmair, Michl, 1998, a.a.O., S. 25 18 10 ist damit nicht gemeint, dass die jungen Menschen längere Zeit alleine segeln sollen. Der Begriff wird hier anders, nämlich eher im Sinne einer Maßnahme bzw. einer Institution, die solche Maßnahmen anbietet, verwendet. Durch die Fokussierung auf längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen entfallen Untersuchungen längerfristiger Projekte mit „normalen“ jungen Menschen, wie z.B. das Projekt „High Seas (sic!) High School (HSHS)“25 auf der „THOR HEYERDAHL (sic!) als DreimastToppsegelschoner“26 in Kooperation mit der Hermann-Lietz-Schule Spiekeroog27. Diese ist eine Privatschule, die „Kosten zw. DM 3300,- und DM 3500,-“28 angibt. Natürlich können auch hier schon vorher oder während des Projekts psychosoziale Notlagen vorhanden sein oder auftreten. Häufig sind diese ja nicht offenkundig. Die Zielsetzung ist aber in erster Linie eine andere: Nämlich Schule – also in diesem Fall Gymnasium – nur für ein halbes Jahr auf dem Meer. Dies ist sehr stark an Kurt Hahns „Schule zur See“ angelehnt, aus der die gesamte Segelpädagogik mit hervor gegangen ist. Diese Arbeit wird sich jedoch auf außerschulische Projekte im Rahmen der Hilfen zur Erziehung konzentrieren. 2.2 Fragestellung und Arbeitshypothesen Nach diesen Eingrenzungen die eingangs angedeuteten Fragen konkretisierend lautet die zentrale Frage dieser Arbeit: Unter welchen Bedingungen und vor welchem Hintergrund finden längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen in der Bundesrepublik Deutschland statt? Wobei „in der Bundesrepublik Deutschland“ nicht heißen soll, dass die Projekte tatsächlich in der Bundesrepublik stattfinden. Das wären aufgrund des geringen Seeraums der BRD evtl. nur sehr wenige. Außen vor blieben Schiffe, wie die anfangs erwähnte ANNA-CATHARINA, deren Heimathafen Gibraltar ist. Sie wird von der GJFH, die in Überlingen, also in der BRD, sitzt, betrieben und auf ihr fahren Jugendliche aus Deutschland mit. „in der Bundesrepublik Deutschland“ bezieht sich darauf, dass die Träger in Deutschland ihren Sitz haben und die jungen Menschen ihren Wohnsitz in Deutschland haben. Die o.g. zentrale Frage soll hier besonders aus der Perspektive der (möglichen bundesdeutschen) Anbieter von längerfristigen Segelprojekten mit jungen 25 http://www.thor-heyerdahl.de/high_sea_high_school.htm, 13.01.2002 http://www.thor-heyerdahl.de/das_schiff.htm, 13.01.02 / Ein Dreimast-Toppsegelschoner ist einer von vielen möglichen Typen von Segelfahrzeugen. Segelfahrzeuge ist dabei der offizielle Sprachgebrauch im Seerecht. Eine Definition und Unterscheidung von Segelboot und Segelschiff gibt es dort nicht. In dieser Arbeit können die Begriffe Segelboot und Segelschiff trotzdem synonyn für Segelfahrzeug vorkommen. 27 Vgl.: http://www.thor-heyerdahl.de/high_sea_high_school.htm, 13.01.2002 28 http://www.privatschulen-suche.de/schulen/internate/niedersachsen/Hermann_Lietz_Spiek.html, 13.01.2002 26 11 Menschen in psychosozialen Notlagen, also den „Machern" diskutiert werden. Schließlich sind sie es, die ein solches Angebot machen oder nicht. Deswegen muss die zentrale Frage ergänzt werden durch: Wo sehen (oder sahen) die Anbieter solcher Projekte spezielle Chancen und Risiken? Mit welchen Problemen haben sie zu kämpfen? Was veranlasst die (potentiellen) Anbieter, eben so ein Angebot zu machen oder nicht (mehr) zu machen? Diese Frage lässt sich aufteilen in drei weitere: Gelten längerfristige Projekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen in der Fachdebatte überhaupt (noch) als sinnvoll? Wie lassen sie sich finanzieren? Vor welchem gesellschaftlichen und politischen Hintergrund können sie ablaufen? Die Frage nach der Zielgruppe – junge Menschen in psychosozialen Notlagen – muss dabei aufgeteilt werden und unter zwei der eben genannten Fragen subsummiert werden: 1. Die Frage, für welche Zielgruppe – also auf welche besonderen Merkmale abzielend – solche Projekte konzipiert sind, fällt unter die Frage der pädagogischen Fachdebatte. Es gibt verschiedene psychosoziale Notlagen. Nicht bei jeder ist ein längerfristiger Aufenthalt auf einem Segelschiff notwendig und sinnvoll. In manchen Fällen würde sich die Lage eventuell verschlechtern. 2. Die Frage, ob nun eine solche Zielgruppe (in ausreichender Größe) in der BRD existiert, fällt unter die Frage nach dem gesellschaftlichen Hintergrund. Es könnte ja durchaus sein, dass es zwar noch junge Menschen in psychosozialen Notlagen in der BRD gibt, deren Notlagen aber dergestalt sind, dass sie durch Segelpädagogik nicht zu erreichen sind oder, wie gerade angedeutet, deren Notlagen durch Segelpädagogik noch verschärft würden. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass die Zielgruppe, für die es notwendig und sinnvoll ist, von vernachlässigbarer Größe ist. Die eben aufgeworfene Frage der Finanzierung muss, vor allem für eine sinnvolle Betrachtung des gesellschaftlichen und politischen Hintergrunds, einen Vergleich der Kosten solcher Projekte zu anderen Möglichkeiten mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen umzugehen, beinhalten. Politisches und Gesellschaftliches ist natürlich miteinander auf das Engste verwoben. Je nach Sichtweise ist es sogar beinahe deckungsgleich. In dieser Arbeit sollen aber leicht unterschiedliche Schwerpunkte angedeutet werden: Als ein eher gesellschaftlicher Aspekt ist mit Sicherheit die Frage der Zielgruppe – ob sie in relevanter Größe vorhanden ist – zu nennen. Auch die Wahrnehmung in der (nicht fachlichen) Öffentlichkeit, z.B. in Artikeln von Tageszeitungen und Wochenmagazinen, zählt eher dazu. Politische Entscheidungen in Bund, Ländern und Kommunen werden davon natürlich nicht unbeeinflusst getroffen. Durch die 12 politische Lenkung wiederum werden die für den Aspekt der Finanzierung so wichtigen Jugendämter beeinflusst. Auch die Frage nach dem rechtlichen Hintergrund fällt unter die Frage nach dem politischen Hintergrund, da geltendes Recht Ausfluss der Politik ist. Ausgehend von den eben aufgestellten Fragen wird sich diese Arbeit im weiteren in drei Hauptkapitel unterteilen: a) Pädagogische Aspekte, b) Gesellschaftlich-politische Aspekte (inkl. rechtlicher Aspekte) und c) Ökonomische Aspekte Zu jedem dieser drei Kapitel wird nun je eine Arbeitshypothese aufgestellt, die in gewisser Weise die eben dargestellten Fragen vorläufig beantwortet, an der sich die Kapitel im wesentlichen orientieren. Die Kapitel sollen einen Beitrag leisten, diese Arbeitshypothesen zu untermauern oder zu verwerfen: a) Die Sicht der pädagogischen Fachwelt auf die Sinnhaftigkeit und Legitimation der Segelpädagogik im allgemeinen und längerfristiger Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen im besonderen hat sich nicht grundlegend geändert. Die Fachwelt sah und sieht Segeln immer noch als pädagogisch sinnvoll an. Es gibt / gab mit Sicherheit immer wieder einige kritische, gewichtige und ernstzunehmende Anmerkungen zur Pädagogik an Bord von Segelfahrzeugen, zur möglichen „totalen Institution“ Segelschiff und Hinweise auf Gefahren und Risiken. Grundsätzlich wird die Erlebnispädagogik allgemein und speziell die Segelpädagogik weiterhin als sinnvolle Möglichkeit betrachtet, jungen Menschen in psychosozialen Notlagen eine (womöglich letzte) Chance zu bieten, auch wenn es als wünschenswert angesehen wird, eine solche Möglichkeit nicht nur an eine Notlage zu koppeln. Eine tatsächliche Wirksamkeit ist, wie in der Pädagogik allgemein, nicht direkt nachweisbar, wird die klassische Konditionierung, bei der in der Wirkung eines Reizes direkt eine Reaktion sichtbar wird, ausgelassen. Eine Wirksamkeit kann nur auf Erziehungsziele hin anhand von Wirkmodellen eingeschätzt werden. b) Das politische und öffentliche Klima gegenüber vermeintlich teuren pädagogischen Maßnahmen und besonders gegenüber Segelprojekten hat sich verschlechtert. Es gibt trotzdem – in vorläufiger Beantwortung der oben angedeuteten Frage – eine (mehr als) genügend große Zielgruppe von jungen Menschen in psychosozialen Notlagen, für die nach pädagogischen Gesichtspunkten, also nach fachlichen Überlegungen und unter Ausklammerung finanzieller Aspekte, ein längerfristiges Schiffsprojekt angezeigt wäre. 13 In der Tages- und Wochenpresse erschienene Artikel über Segelmaßnahmen befassten sich kaum mit dem pädagogischen Sinn und den möglichen „Entbehrungen“ der Teilnehmer, wie dem Herausgerissensein aus dem gewohnten sozialen Umfeld und der Arbeit, die das Segeln, besonders auf etwas älteren Schiffen mit sich bringt. Es wurde das Bild des jugendlichen Abweichlers und Kriminellen gezeichnet, der für seine Untaten auch noch mit einem teuren Luxusurlaub, einer Kreuzfahrt auf Kosten des Steuerzahlers, belohnt wird. Das musste Empörung bei all jenen in der Gesellschaft und Politik hervorrufen, die „harte und gerechte Bestrafung“ befürworten und die „volle Härte des Gesetzes“ fordern. Dadurch trat bei allen an der Finanzierung Beteiligten eine eventuell übertriebene Skepsis oder Vorsicht gegenüber solchen Maßnahmen auf – je wichtiger das eigene Bild in der Öffentlichkeit, umso stärker. Ein weiterer Effekt ist, dass MitarbeiterInnen solcher Projekte zunehmend in die Position gedrängt wurden, etwas vermeintlich „Unrechtes“ rechtfertigen zu müssen. Mitarbeit in einem solchen Projekt wurde zunehmend unattraktiver und die Suche nach geeignetem Personal wurde immer schwieriger, zumal bei einem hohen Maß an nötiger Qualifikation bzw. Mehrfachqualifikation (pädagogisch und seglerisch, im Ausland auch noch fremdsprachlich) und einigen „Entbehrungen“ (24 Stunden am Tag „im Dienst“, weit weg von der Familie oder dem sonstigen sozialen Umfeld) eher wenig Gehalt gezahlt wird. Eine weitere Ursache ist, wenn auch weit hergeholt, der Neoliberalismus, der sich in den letzten Jahren mehr und mehr zum gesellschaftlichen und politischen Mainstream entwickelt und auch die soziale Arbeit voll erfasst hat. Begriffe wie Effizienz und Qualitätskontrolle haben mit Sicherheit auch ihr Gutes. Einfach nur „ein bisschen rumpädagogisieren“ ist schließlich nicht erstrebenswert. Sehr schnell tritt dann aber das eben angedeutete Problem der Nichtnachweisbarkeit von Wirkungen auf. Dieses ist nun bei längerfristigen Segelprojekten noch größer, zumal sich mögliche Wirkungen erst „auf lange Sicht“ erschließen, anders als bei der Unterbringung im Sinne einer Ruhigstellung. Begünstigt werden also Maßnahmen, bei denen gewünschte Effekte leichter und schneller sichtbar zu Tage treten. c) Die Besetzungspraxis von Seiten der Jugendämter und größeren Träger hat sich verändert und ist für die zumeist kleineren Träger von Segelprojekten ungünstiger geworden. Dadurch wurden diese Projekte, die recht teuer sind, betriebswirtschaftlich unrentabel bzw. ein Verlustgeschäft. Ganz allgemein gilt aber, dass eine einmalige und zunächst teurere, aber erfolgreiche Teilnahme bei einem längerfristigen Segelprojekt auf Dauer Geld spart, z.B. bei der Sozialhilfe. So sind die bei der Besetzung eines Schiffs maßgeblichen und damit für die Finanzierung unerlässlichen Jugendämter nicht unabhängig von politischer 14 Steuerung, sei es auf kommunaler bzw. Kreisebene oder auf Landesebene über die Landesjugendämter. Gesellschaftliche und politische Aspekte haben also direkt Auswirkungen auf die Finanzierung. Je größer der (pädagogische) Erfolg von längerfristigen Segelprojekten bzgl. eines Erziehungsziels Selbstständigkeit oder „das eigene Leben in den Griff kriegen“ ist, desto stärker helfen sie Geld zu sparen. Im Vergleich zu einer vermutlich pädagogisch weniger erfolgreichen Jugendhaftanstalt mit hoher Rückfallquote, wie auch im Vergleich zu einem weiteren, sehr langen Verbleib in der persönlichen Unselbstständigkeit, also in Betreuung, sind sie zeitlich überschaubarer und günstiger. 2.3 Wie werden die Arbeitshypothesen geprüft? Wie eben erwähnt sollen in dieser Arbeit auch die „Macher“, also der Kreis von Personen, die längerfristige Projekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen anbieten oder angeboten haben, zu Wort kommen. Sie sind ja letztlich diejenigen, die sich wohl begründet entscheiden, ein solches Angebot neu zu etablieren, ein solches Projekt weiterzubetreiben oder einzustellen. Sie sind diejenigen, die näher an dem Thema sind, als jeder und jede andere. Sie können Aussagen dazu machen, was längerfristige Segelprojekte zu etwas besonderem macht. Und vor allen Dingen können sie am besten selbst über die eigenen Erfahrungen, die pädagogischen, aber besonders auch die Erfahrungen mit den finanziellen und sonstigen Problemen beim Betrieb solcher Projekte berichten. Wie sollten nun aber die „Macher“ zu Wort kommen? Eine Vollerhebung mit schriftlichen Fragebögen, die in Richtung quantitativer Sozialforschung gegangen wäre, schien im Rahmen dieser Arbeit aus mehreren Gründen weder möglich noch sinnvoll: Als erster Grund, der eine Reihe anderer Gründe nach sich zieht, ist die Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit zu nennen. Eine Vollerhebung hätte die Erstellung und Verschickung – nach Recherche der aktuellen Adressen – eines Fragebogens bedeutet. Dabei wäre aber immer noch nicht geklärt, ob nach Recherche der aktuellen Adressen wirklich alle Projekte abgedeckt würden. Danach müsste bei diesem Verfahren eine angemessene Zeit auf Rücklauf gewartet werden, bis mit der Auswertung zu beginnen wäre. Angesichts der Tatsache, dass wahrscheinlich nur sehr wenige Projekte noch existieren, würden bei einer Vollerhebung einzelne abweichende Meinungen und nicht zurückgelaufene Fragebögen direkt relativ große Prozentzahlen ausmachen und damit das Gesamtbild stark verzerren. Quantitative Sozialforschung macht eben besonders bei großen Mengen Sinn. Für diese Arbeit werden u.a. deshalb im Sinne qualitativer Forschung wenige halbstandardisierte bis nichtstandardisierte intensive Experteninterviews geführt und verwertet. Halbstandardisiert waren diese Interviews, weil einige 15 Hauptfragen, die sich stark an den eben beschriebenen Fragen orientierten, jedes Mal gestellt wurden. Aus der Beantwortung der Fragen heraus entwickelten sich aber immer wieder neue Fragen, die vertiefend nochmals angesprochen wurden. Da jedoch die Hauptfragen nicht vorformuliert waren, sondern als Stichpunkte vorlagen, gingen die Interviews zugleich in Richtung nichtstandardisierter Interviews.29 Diese intensiven Interviews beinhalteten besonders Fragen nach (besonderen) pädagogischen Chancen und Risiken und damit nach dem pädagogischen Sinn, nach dem Eindruck, wie die Projekte in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurden und nach der Finanzierbarkeit der Projekte. Dabei konnten, wie schon angedeutet, im Rahmen dieser Interviews einzelne Fragen, z.B. wenn sie zunächst unklar waren, genauer geklärt und vertieft werden. Die „Macher“ urteilen aufgrund ihres persönlichen Bezugs jedoch möglicherweise etwas undistanzierter und subjektiver. In bestimmtem Maße sind sie betriebsblind. Ihre Aussagen sind als nicht rein fachlich, sachlich und objektiv zu bewerten. Zu einem nicht unwesentlichen Anteil sind ihre Aussagen von eigenen Interessen geprägt. Wer würde z.B. die eigene Arbeit als nicht sinnvoll und zur Erfolglosigkeit verdammt hinstellen, selbst wenn dies so wäre? Eine Überprüfung der Aussagen der „Macher“, ein Vergleich mit anderen Aussagen von Menschen mit bis zu entgegengesetzten Positionen ist daher unerlässlich. Auch die anderen Aussagen werden aber wieder von Interessen geleitet sein, selbst die „wissenschaftlichen“. Aus einem Vergleich der Aussagen von Menschen mit sehr verschiedenen Positionen und damit unterstellten unterschiedlichen Interessen ergeben sich treffendere Aussagen. Für Überprüfung und Vergleich bot sich (Fach-) Literatur in Buch- und Zeitschriftenform an. Anhand des Vergleichs von Literatur und Interviews und deren gegenseitiger Ergänzung sollten die Arbeitshypothesen geprüft werden. Für das folgende Hauptkapitel „Pädagogische Aspekte“ wird im wesentlichen (Fach-) Literatur herangezogen und u.a. mit Aussagen aus den Interviews aber auch mit Inhalten von Konzepten von solchen längerfristigen Projekten mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen verglichen. Dabei sollen besondere pädagogische Chancen und besondere pädagogische Risiken herausgearbeitet werden. Geklärt werden soll, ob, inwieweit und unter welchen Voraussetzungen solche Projekte als sinnvoll anzusehen sind. Darüber hinaus sollen chronologisch sortierte Prüfungsarbeiten einen zusätzlichen Eindruck vermitteln, inwiefern längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen als sinnvoll erachtet werden. 29 Vgl.: Phillips, Bernard S., Empirische Sozialforschung. Strategie und Taktik, Wien 1970, S. 136f. 16 Im darauf folgenden Hauptkapitel „Gesellschaftliche und politische Aspekte“ soll die aktuelle Rechtslage besonders auf die Paragraphen hin untersucht werden, die Rechtsgrundlage für längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen sein können. Der Frage des Vorhandenseins und des Umfangs potentieller Zielgruppen soll anhand qualitativer aber auch quantitativer, statistischer Aussagen nachgegangen werden. Der Frage der „gesellschaftlichen Ordnung“ (Stichwort Neoliberalismus) und ihrer Auswirkungen auf Segelprojekte soll hauptsächlich mit Literatur nachgegangen werden. Die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit soll hauptsächlich durch Presseartikel dargestellt werden. Im Hauptkapitel „Finanzielle Aspekte“ soll anhand qualitativer und quantitativer, statistischer Aussagen die finanzielle Lage der öffentlichen Träger der Jugendhilfe insbesondere auf kommunaler Ebene untersucht werden. Anhand des Materials aus den Interviews (und ergänzendem schriftlichen Material) sollen Kalkulationen der Träger(-vereine) nachvollziehbar gemacht werden. Anhand einer auf realen Daten basierenden Modellrechnung soll ein Vergleich bzgl. der Kosten zwischen Jugendstrafvollzug und Segelprojekten geführt werden. 2.4 Mitglieder mit Segelprojekten im „Bundesverband Erlebnispädagogik e.V.“ (BE) – Indiz für die Entwicklung des Umfangs Versucht man die Anzahl sozialpädagogischer oder sozialtherapeutischer Segelprojekte zu bestimmen, stößt man auf den „Bundesverband Erlebnispädagogik e.V.“. Dieser ist 1992 durch Umbenennung aus dem 1987 gegründeten „Bundesverband Segeln – Pädagogik – Therapie e.V.“ hervorgegangen.30 „Im ,Bundesverband Segeln – Pädagogik – Therapie e.V.’ schlossen sich 1987 zahlreiche (36) und recht unterschiedliche Institutionen, Vereine, Projekte und Persönlichkeiten zusammen, die dem Segeln als erzieherische Möglichkeit ... einen hohen Stellenwert beimaßen.“31 Bis 1990 gab es 54 Projekte, die umfangreich beschrieben wurden.32 Später, aber immer noch zu Zeiten des „Bundesverband Segeln – Pädagogik – Therapie e.V.“ ist sogar von 60 Projekten die Rede.33 Wie sich die Satzungs- und Namensänderung des Bundesverbandes 1992 auf die Zahl der Mitglieder mit Segelprojekten ausgewirkt hat, ist im Rahmen dieser Arbeit mangels vorliegender Zahlen nicht zu klären. Als weitere Quelle liegt eine Mitgliederliste des „Bundesverband Erlebnispädagogik e.V.“ aus dem Jahr 1995 als Fax vor. Hier hat die derzeitige Vgl.: Ziegenspeck, Jörg, Erlebnispädagogik. Rückblick – Bestandsaufnahme – Ausblick, Lüneburg 1992, S.85f 31 ebd., S. 80 32 Vgl.: ebd., S. 81 33 Vgl.: ebd., S. 83 30 17 Geschäftsführerin des Bundesverbands, Christiane Thiesen, die Mitglieder angekreuzt, die mit Sicherheit mit Segeln zu tun haben; dies sind noch 30. Bei 6 weiteren mit Fragezeichen gekennzeichneten ist dies nicht sicher. Eine weitere Liste, die auch als Fax vorliegt, kommt der Antwort auf eine Anfrage bzgl. einer längerfristigen Unterbringung eines jungen Menschen in einer psychosozialen Notlage auf einem Segelschiff gleich. Hier sind es noch 11 Anbieter. Für ein paar Mitglieder auf der Liste von 1995 kann das Ende des Projektes als gesichert angenommen werden: So hat der „Ausbildungsschiff Liekedeeler e.V.“ aus Oldenburg nach eigenen Angaben noch 1995 aufgehört, Jugendhilfe auf Segelbooten zu leisten. Die „Interessengemeinschaft Segeln u. Fahrt (I.G.S.F.)“ wurde auf Betreiben des vorher beteiligten Bezirksamtes Hamburg-Mitte eingestellt, so der in der Adressenliste für dieses Projekt genannte Stefan Thomsen. Der „Jugendschiff ,Outlaw’ e.V.“ veräußerte nach eigenen Angaben ca. 1998 sein gleichnamiges Schiff. Laut „Bundesverband Erlebnispädagogik e.V.“ ist Herr Peer Helge Leyh, der heute ein Projekt auf dem Festland an der Algarve macht, früher auch gesegelt. Das hier Dargestellte ist zwar kein Beweis für die eingangs zitierte These von Thomas Piruzgar-Merkle, es gäbe immer weniger Schiffe, die längerfristige Projekte mit jungen Außenseitern machen. Es ist ja schließlich nicht klar, ob mögliche neuentstandene Projekte außerhalb des Bundesverbandes geblieben sind. Als ein Indiz jedoch kann es schon verstanden werden. 18 3. Pädagogische Aspekte 3.1 Grundsätzliches: Wie soll die Wirksamkeit oder der Erfolg pädagogischer Maßnahmen festgestellt werden? Wird versucht, den Sinn oder Unsinn von pädagogischen Maßnahmen, in diesem Fall also von längerfristigen Segelprojekten mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen zu beschreiben, liegt es nahe, die Frage zu stellen, ob diese erfolgreich oder wirkungsvoll sind, bzw. wie die „Ergebnisqualität“34 ist. Im Falle von teureren Maßnahmen, was solche Projekte doch häufig sind, heißt die Frage darüber hinaus: Sind diese Maßnahmen besonders wirkungsvoll und erfolgreich, so dass sich der erhöhte finanzielle Einsatz lohnt? Könnten diese Fragen leicht beantwortet werden, wäre der Sinn damit zum überwiegenden Teil schon geklärt. Früher schien dies noch recht einfach: „Die Frage nach der Wirkung kam in der außerschulischen Bildung der 70er Jahre überhaupt nicht vor. Das wurde von den Beteiligten schlichtweg vorausgesetzt.“35 Die Situation scheint aber nun eine andere zu sein, und so „...ist diese Frage für Geldgeber, Träger und auch Pädagogen unumgänglich, wenngleich sie äußerst schwierig zu beantworten ist.“36 So scheint es „...klar, daß solche zeitlich begrenzten Maßnahmen, wie z.B. das Segeln in Gruppen, auf Langzeitwirkungen hin schwer zu untersuchen sind.“37 Wie sollen also nun solche Fragen nach Erfolg und Wirkung im Einzelfall und dann auch noch generell beantwortet werden? „Was heißt Erfolg?“38 fragt Bettina Lauterbach bei der Untersuchung des Erfolgs des NOSTRA-Projektes. Doch gehen wir zunächst einen Schritt zurück und stellen uns folgenden Fragen: „Ist es sinnvoll, Pädagogik [...] unter dem Gesichtspunkt der Wirkung zu betrachten?“39 Im Rahmen der klassischen Konditionierung, im Rahmen eines ReizReaktionsschemas, ist dies sicherlich sehr leicht möglich. Auf einen gegebenen Reiz erfolgt beobachtbar eine ganz bestimmte, bei gleichem Reiz 34 Haspel, Manuel, Erlebnispädagogik und ihre Qualität in der Jugendhilfe. Ansätze zur Qualitätssicherung in der erlebnispädagogischen Projektarbeit, Heidenheim 1996, unveröffentlichte Diplomarbeit, S.81ff. 35 Heckmair, Michl, a.a.O., S. 43 36 ebd., S. 43 37 Mustert, Rainer, Rogge, Michael, Erlebnispädagogik und Segeltherapie: Möglichkeiten der Verhaltensänderung bei Jugendlichen durch das Segeln in Gruppen, Bremen 1986, unveröffentlichte Diplomarbeit, S. 137 38 Lauterbach, Bettina, Öffentliche Erziehung auf einem Segelschiff – Erfahrungen aus dem Projekt „NOSTRA“ des Rauhen Hauses in Hamburg, Hamburg 1988, unveröffentlichte Diplomarbeit, S. 90 39 Schwiersch, Martin, Wirkt Erlebnispädagogik?. Wirkfaktoren und Wirkmodelle in der Erlebnispädagogik, München 11995, S. 140, -in: Kölsch, Hubert (Hrsg.), Wege Moderner Erlebnispädagogik, München 11995, S. 139 - 183 19 auch gleiche Reaktion als Wirkung. Mit einem in diese Richtung gehenden behavioristischen Ansatz, lässt es sich leicht nach Wirkungen fragen. Wird konstruktivistisch davon ausgegangen, dass Wirklichkeit im Subjekt selbst erst entsteht und von außen höchstens Angebote gemacht werden können, die im Innern zum Auslöser von Veränderung werden können, sind pädagogische Wirkungen wohl eher als Glücks- oder Zufälle zu sehen. „Wie können mögliche Wirkungen valide erfasst werden? Weiß man denn, wenn sich keine Wirkungen einstellen, ob die Pädagogik oder die Wirkungsforschung versagt hat?“40 Diese Frage führt direkt zur nächsten, nämlich der Frage, wie Wirkungsforschung überhaupt aussehen kann. Auf welche Weise sollen Wirkungen erforscht werden? Bevor diese Frage beleuchtet werden kann, muss erst klar sein, dass nach Wirkungen im Sinne von Erfolgen immer von den vorher gesetzten Zielen abhängen41. Bei diesen wiederum ist entscheidend, wer diese Ziele setzt: Werden die Ziele von Jugendämtern oder Pädagogen vor Ort bestimmt, werden sie gesellschaftlich definiert (siehe hierzu auch meine Ausführungen zur Devianz in Unterkapitel 2.1) oder dürfen Teilnehmende sich ihre Ziele selber setzen? Die Ziele können also sehr unterschiedlich sein und damit auch die Beurteilungen des Erfolgs. Den ersten drei Instanzen der o.g. Frage, also den Jugendämtern, den Pädagogen und der Gesellschaft, ist dabei aber eins gemeinsam: Sie setzen Ziele in gewisser Weise von außen und so „...wird das Subjekt, dessen Grad an Zielerreichung interessiert, zum Objekt degradiert.“42 Eine weitere Schwierigkeit bei der Kontrolle von Zielerreichung ist folgende: „.. Erziehungs- und Handlungsziele sind .. mehr oder weniger realistische Fiktionen, Hoffnungen, Wünsche, Erwartungen, selten aber klar erreichbare und kontrollierbare Ziele.“43 „Empirische Beweise für diese pädagogische Hoffnung zu führen, ist allerdings ein schwieriges Unterfangen.“44 Dementsprechend gibt es verschiedene mehr oder minder gute Möglichkeiten, „Wirkungen festzustellen“45: 1. Die Teilnehmenden können direkt befragt werden. Dadurch wird sozusagen die „Kundenzufriedenheit“ erfragt.46 Hier werden auch ganz klar die Teilnehmenden als Subjekte begriffen. 40 ebd., S.140 Vgl.: ebd., S. 141 42 ebd., S. 141 43 Heckmair, Michl, a.a.O., S. 44 44 ebd., S. 200 45 Schwiersch, a.a.O., S. 141 46 Vgl.: ebd., S. 142f. / Vgl.: Haspel, a.a.O., S. 81 41 20 Eine etwas andere Art von „Kundenzufriedenheit“ mag sich ergeben, wenn die zuständigen – und finanzierenden – Jugendämter befragt werden. Diese werden ihre Beurteilung eher nach folgendem richten: 2. Das weitere Verhalten der Teilnehmer nach der Maßnahme wird beobachtet, z.B. ob ein Hauptschulabschluss nachgeholt wird oder ob sich die Straftaten verringern. In diesem Falle wird nach den eben angeschnittenen gesellschaftlichen Zielen und dem Grad der Anpassung an die damit verbundenen Normen gefragt. 3. „Außenstehende“ Wirkungsforschende, meistens die Pädagoginnen und Pädagogen vor Ort, schätzen für das interessierende Subjekt, eine oder einen der Teilnehmenden, ein, ob Ziele erreicht wurden, die für das Subjekt stimmig sind, ob das Subjekt sozusagen „auf seinem eigenen Weg ist“ – unabhängig davon, ob dieser Weg für die Wirkungsforschenden stimmig sein kann.47 Etwaige eigene Interessen, die dabei – möglicherweise unterbewusst – eine nicht unerhebliche Rolle spielen können, können die Qualität der Aussagen aber doch entscheidend mindern. Ob dazu noch ergänzend die Mitarbeiterzufriedenheit, die Bekanntheit der Einrichtung und die Wirtschaftlichkeit als Indikatoren für die Ergebnisqualität48 herangezogen werden können, bleibt zweifelhaft, auch wenn sie im Rahmen der Qualitätssicherung interessant sein können. Selbst ein ausgefeilter und anonymisierter Fragebogen, der die Mitarbeiterzufriedenheit abfragt, wird an manchen Stellen möglicherweise nicht ganz ehrliche Antworten zutage fördern. Entgegen diesen Ausführungen hat es doch immer wieder Versuche gegeben, den Erfolg oder die Wirksamkeit von einzelnen, mehreren oder allen längerfristigen Projekten auch mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen zu beschreiben. Dabei ist immer auf eine, zwei oder alle drei o.g. Möglichkeiten zurückgegriffen worden. Vor dem Rückgriff auf die Ergebnisse solcher Untersuchungen ist es jedoch sinnvoll, zu bedenken, welche Wirkungen auftreten können. Oder besser: Welche Faktoren können an Bord wirken und sich wie auf den pädagogischen bzw. therapeutischen Prozess auswirken. Was sind also die Besonderheiten des Settings und was für (spezielle) Chancen und Risiken können sich daraus ergeben? 3.2 Zeit und Raum auf Segelschiffen: Die Besonderheiten eines Mediums Als eine erste, schon augenscheinliche Besonderheit ist die im Gegensatz zu Situationen auf dem Festland veränderte räumliche Situation zu nennen. Diese ist ambivalent. Einerseits ist ab einer gewissen Entfernung vom Ufer bei klarem Wetter in jede Richtung schon einige Meilen zu gucken ohne etwas anderes zu 47 48 Vgl.: Schwiersch, a.a.O., S.143 Vgl.: Haspel, a.a.O., S. 81ff. 21 sehen als Wasser und Himmel. Es kann ein Gefühl von Weite, eine Andeutung von Unendlichkeit entstehen, ein Gefühl sich in jeder Richtung mit dem Schiff sehr weit bewegen zu können und sehr lange an keine Grenze zu stoßen. Andererseits ist der Bewegungsraum auf dem Schiff sehr stark eingeschränkt. Hier stoßen die Menschen an Bord sehr schnell an die durch das Medium vorgegebenen Grenzen, z.B. die Reling. Die Weite des Meeres und der Mikrokosmos Schiff stehen also in einem krassen Gegensatz zueinander.49 Dadurch werden die auf dem Schiff befindlichen Menschen zu einer Schicksalsgemeinschaft ähnlichen Schiffsgemeinschaft. Dieser Schiffsgemeinschaft kann sich der oder die einzelne nicht bzw. kaum entziehen. Rückzugsmöglichkeiten sind wenn überhaupt nur sehr eingeschränkt gegeben, vielleicht in Form einer eigenen Kammer. Auftretende Konflikte – und Konflikte treten überall auf, wo Menschen zusammenleben, vor allen Dingen, wenn sie dies über längere Zeit auf so engem Raum tun – müssen daher ausgetragen werden. Vor dem Konflikt davonzulaufen, ist nicht möglich. Für junge Menschen, deren Konfliktlösungsstrategie dies war, bedeutet die Situation an Bord eine neue Erfahrung im Umgang mit Konflikten und die Möglichkeit, einen neuen Umgang mit Konflikten zu lernen. Im Rahmen dieser Schiffsgemeinschaft und der Enge, die sie zusammenschließt, bzw. der Dichte, mit der sie untereinander in Kontakt sind, und des eben angedeuteten Spannungsverhältnisses zur Weite des Meeres werden gruppendynamische Prozesse automatisch initiiert bzw. beschleunigt50. Es etabliert sich eine eigene Sozialstruktur mit hoher sozialer Dichte. Bei längerfristigen Projekten kann aufgrund der Enge und der damit verbundenen Überschaubarkeit der sozialen Beziehungen eine sehr stabile und für den jungen Menschen auch stabilisierende Beziehung zwischen ihr oder ihm und der Betreuungsperson bzw. den Betreuungspersonen entstehen, die für ein Lernen von Vorbildern und – viel wichtiger noch – für ein Vertrauensverhältnis, in dem Probleme bearbeitet werden können, unerlässlich ist. „Die Qualität der Maßnahme bestimmt die Wirkung; die erlebnispädagogische Maßnahme bestimmt die Qualität der Beziehung.“51 So sagen Jens Günther und Helga Arp von Gangway e.V. Hamburg, dass ihre Arbeit im wesentlichen Beziehungsarbeit ist.52 Die durch das Medium bedingten natürlichen Grenzen wirken sich bei genügend Entfernung vom Land als möglicherweise noch stärkere Barrieren aus als jede Mauer oder abgeschlossene Tür. Bei Projekten im Ausland stellen Sprache und „Fremdheit“ immer noch eine – wenn auch niedrigere – Hürde dar, selbst wenn das Schiff im Hafen liegt. Als die – wie viele erlebnispädagogische Konzepte suggerieren – vielfach unter dem Aspekt einer Alternative zu einer geschlossenen 49 Vgl.: Heckmair, Michl, a.a.O., S. 171 Vgl.: ebd., S. 171 51 Schwiersch, a.a.O., S. 157 52 Vgl.: Interview mit Helga Arp und Jens Günther, „Gangway e.V.“, Hamburg 20. Februar 2002 50 22 Unterbringung diskutierte Möglichkeit53 können längere Segeltörns in diesem Sinne, aber auch aus anderen Gründen wohl kaum gesehen werden54. „Segelschiffe sind wie geschlossene Einrichtungen. Anstatt Mauern und Türen gibt es hier eine Reling und danach das Meer.“55 Unterbringung auf Segelbooten ist also in gewisser Weise eine andere Form der geschlossenen Unterbringung. Ein wesentlicher Unterschied hierbei ist jedoch, dass die Grenzen eben durch das Medium vorgegeben sind und in dem Maße auch als natürliche wahrgenommen werden können, nicht so sehr als Schikane. Auch die Zeit wird an Bord eines Schiffes anders erlebt. Wer schon einmal mit einem Segelschiff einen Hafen verlassen hat und sich nach einer Stunde noch einmal umschaut, hat den Eindruck, der Hafen läge immer noch zum Greifen nah. Die beim Segeln mit großen Yachten und viel Wind erreichten Geschwindigkeiten von üblicherweise nicht über 10 Knoten – etwa 19 km/h, meistens aber weniger – im Zusammenspiel mit der eben beschriebenen Weite lassen ein Gefühl der Langsamkeit aufkommen. Im Kontrast zum oftmals hektischen Alltag bietet sich hier die Möglichkeit, die Langsamkeit wieder zu „entdecken“. Dieser Effekt könnte auch „Entschleunigung“56 genannt werden. Auch die Kontinuität und Struktur des Tages ist eine andere. „Als Gegensatz zum zerstückelten Tagesablauf zu Hause steht Geschlossenheit und Dichte des Erlebens.“57 Dies gilt natürlich auch für andere erlebnispädagogische Projekte, aber in ganz besonderer Weise für das Segeln. Ein weiterer räumlicher und zeitlicher Faktor ergibt sich aus der starken Einschränkung bis hin zur Unmöglichkeit der Benutzung moderner Kommunikationsmittel, wie Fernsehen aber auch Telefon und Internet, da diese an Bord meistens nicht oder aufgrund stark erhöhter Kosten nur für die Sicherheit zur Verfügung stehen. Dadurch wird der tägliche Kontakt zum Herkunftsmilieu erheblich erschwert oder sogar unmöglich. Briefe können nur im nächsten Hafen abgeschickt werden. Vielleicht kann hier auch eine Telefonzelle benutzt oder ein Internetcafé aufgesucht werden. Es entsteht dadurch, aber vor allem durch die darüber hinausgehende zeitliche und räumliche Trennung – bei Projekten im Ausland noch stärker – eine Distanz zum möglicherweise gefährdenden aber reizvollen Herkunftsmilieu, um den jungen Menschen durch die Kontrasterfahrung zum Alltag und den damit verbundenen Herausforderungen neue Lernprozesse zu ermöglichen und den Rückgriff auf alte Lösungsmuster, z.B. Konfliktstrategien, zu erschweren.58 Hier setzen 53 Vgl.: Klawe, Bräuer, a.a.O., S. 17f. / Vgl.: Fischer, Ziegenspeck, a.a.O., S. 273f. / Vgl.: Vgl.: Klawe, Bräuer, a.a.O., S. 18ff. 55 Interview mit Norbert Niemeyer, Stellvertretender Geschäftsführer der „Outlaw Gesellschaft für Jugendhilfe gGmbH“, Greven, 18. Februar 2002 56 Heckmair, Michl, a.a.O., S. 85 57 ebd., S. 173 58 Vgl.: ebd., S. 63 54 23 verschiedene Kritiken an: Befürworter eines lebensnahen Ansatzes sehen z.B. hierin ein Fehlen der Ressourcenerschließung der Lebenswelt des jungen Menschen.59 Auch die Transferproblematik steht hiermit im Zusammenhang. Fällt der junge Mensch, wenn er wieder zurück im Herkunftsmilieu ist, auch wieder zurück in die alten Lösungsstrategien? Diese Frage soll im Unterkapitel 3.5 bearbeitet werden. Dass die Natur als Erlebnisraum nicht einfach nur beherrscht werden kann – typischerweise Element diverser erlebnispädagogischer Maßnahmen seit David Henry Thoreau60 und Kurt Hahn61 – ist beim Segeln besonders klar. Segeln findet unter Gegebenheiten statt, die sich ständig verändern und dabei total entscheidend sind. Bei wenig bzw. gar keinem Wind macht das Schiff keine Fahrt, bei viel Wind wird es ungemütlich. Bei Wind aus der falschen Richtung kann ein bestimmtes Ziel nicht angelaufen werden. Jegliche Wetterphänomene wirken sich direkt und unmittelbar auf Schiff und Besatzung aus. Auf diese Weise ist das Wetter als der vielleicht am wenigsten beherrschbare Teil der Natur eine Größe, von der die Besatzung abhängig ist, an die sie sich anpassen muss und der sie sich aufgrund ihrer „Wirklichkeit“ nicht entziehen kann62. Damit umgehen zu können, stellt eine Anpassungsleistung mit damit verbundenem Erfolgserlebnis dar, ohne in Abhängigkeit menschlicher Macht und Herrschaft zu geschehen. Auch die Tätigkeit des Segelns hat gewisse Besonderheiten und stellt bestimmte Anforderungen an alle an Bord. Nur ganz moderne und kleinere Yachten sind alleine zu segeln. Die für die Jugendhilfe eingesetzten Schiffe sind meist etwas größer und älter. Sie sind nur zu besegeln, wenn eine bestimmt Anzahl von Menschen mit anpackt. Dabei ist dann zu beachten, dass Gruppengröße und Schiff in Relation zueinander stehen sollten. Es darf nicht sein, dass für mehrere Teilnehmer permanent nichts zu tun ist und diese damit unterfordert sind. Das Gegenteil, Überforderung, ist auch von Nachteil. Aufgaben müssen zu bewältigen sein, sonst führen sie zu Misserfolgserlebnissen. Gerade diese sollen aber vermieden und durch Erfolgserlebnisse ersetzt werden, wenn das Selbstwertgefühl gesteigert werden soll. Dabei kommt den Aufgaben meist aus Sicht der jungen Menschen, besonders wenn sie z.B. „Schulverweigerer“ oder „-versager“ sind, noch ein anderer Vorteil zu: Es sind meist praktische Aufgaben, die in ihrer Notwendigkeit leicht zu erkennen sind. „Man muss nicht viel erklären an Bord. 59 Vgl.: ebd., S. 63f. Vgl. etwa: Heckmair, Michl, a.a.O., S. 9ff. 61 Vgl. etwa: Fischer, Ziegenspeck, a.a.O., S. 229 62 Vgl.: Scheffers, Wilfried, Segeln als Medium sozialpädagogischer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, Köln 1994, unveröffentlichte Diplomarbeit, S. 73 60 24 Das meiste erklärt sich von selbst.“63 Und „...wenn man nicht mit anpackt, fährt das Schiff nicht dahin, wo es soll.“64 Wenn nun jeder Mensch seine Aufgabe hat, müssen die einzelnen Tätigkeiten noch koordiniert werden, soll z.B. ein Manöver gelingen. Dazu ist eine klare und direkte Kommunikation, wie sie auf der ANNA-CATHARINA betont wird, notwendig. Ironie und langes „Um-den-Brei-herum-reden“ funktioniert dann nicht. Das Medium Segeln befördert also eine Kommunikation, die möglicherweise eine „heilsame“ Erfahrung für junge Menschen ist, in deren Milieu sehr viel mit bzw. über Ironien und Zweideutigkeiten mitgeteilt wurde und die jungen Menschen sich immer fragen mussten, was wirklich gemeint ist. Trotz allem besteht auf einem Schiff aufgrund der eben angedeuteten Langsamkeit und Entfernung – auch zu Gefahren – an vielen Positionen die Möglichkeit, Fehler zu machen, ohne Konsequenzen für die Sicherheit, aber mit einer direkten Rückmeldung durch das Boot. Diese Fehler können zugelassen werden. Sie sind Teil eines Ausprobierens. Vielleicht wird eine andere Teilnehmerin oder ein anderer Teilnehmer gefragt, die oder der sich dadurch bestätigt fühlt. Auch hierdurch wird Gruppendynamik verstärkt.65 So sind „...Segeltörns .. geradezu Archetypen des Gruppenlernens in der Erlebnispädagogik.“66 Gruppendynamische Prozesse ermöglichen in hohem Maße soziales Lernen – auch und gerade der jungen Menschen untereinander und miteinander im Sinne der „Peergroup“ als Sozialisationsinstanz. 3.3 Was kann an Bord gelernt werden? – Mögliche Erziehungsziele Wird das Lernen an Bord von Segelschiffen betrachtet, kann zunächst unterschieden werden zwischen spezifischem Lernen, z.B. Lernen, ein Schiff zu steuern und nicht-spezifischem Lernen, z.B. dem eben angedeuteten Lernen neuer Problemlösungs- und Konfliktbewältigungsstrategien.67 Lernerfolge aus spezifischem Lernen bzw. die erworbenen spezifischen Fertigkeiten lassen sich dabei unmittelbar nur auf das Medium selber, also das Segelschiff, nutzbringend anwenden, sind also spezifisch für das Medium. Ein Schiff zu steuern, nutzt in Situationen, in denen es gar keine Schiffe gibt, eben nichts. Eine neue und bessere Problemlösungs- und Konfliktbewältigungsstrategie hingegen ist überall, wo Probleme und Konflikte auftreten können, von Nutzen. Betrachten wir aber zunächst das spezifische Lernen: Neben der Fähigkeit ein Schiff zu steuern, können sehr viele Fertigkeiten gelernt werden, die in der Nautik 63 Interview: Arp, Günther, a.a.O. Interview: Niemeyer, a.a.O. 65 Vgl.: Heckmair, Michl, a.a.O., S. 172 66 ebd., S. 86 67 Vgl. Reiners, 1995, a.a.O., S. 21 64 25 unter dem Begriff „Seemannschaft“ zusammengefasst werden. Dazu zählt sinnvolle Knoten knüpfen zu können ebenso wie Segel setzen und bergen usw. Wenn, wie bei einigen Einrichtungen, z.B. der ANNA-CATHARINA, auch noch Werftzeiten eingeplant sind oder wenigstens zwischendurch das Schiff gewartet wird, kommen noch handwerkliche Fertigkeiten dazu, wie z.B. Streichen, Polieren, Metall- und Holzbearbeiten usw. Bei der ANNA-CATHARINA und bei der UNDINE, die auch Fracht segelt68, führt das dazu, dass die Projekte den jungen Menschen auch als Praktikum vor der Ausbildung anerkannt werden können. Dieses spezifische Lernen hat aber noch eine viel wichtigere Funktion; hierüber kommt es teilweise erst zum unspezifischen Lernen. All diese eben genannten Aufgaben erfordern eine hohe Sorgfalt. Sorgfalt ist jedoch eine Eigenschaft, die in ganz anderen Zusammenhängen sinnvoll einsetzbar ist. Auch kann bei einem jungen Menschen bei der Feststellung, z.B. außerordentlich gut Streichen zu können, das Selbstbild, zu dem es gehört, nichts zu können, vielleicht weil er oder sie zuhause immer als Nichtsnutz etikettiert wurde, ins Wanken geraten und durch ein positiveres ersetzt werden. Oder: „Wer 45 Tonnen steuern kann, schafft auch noch ganz andere Sachen!“69 Und gerade wegen dieser und anderer gewünschter und angestrebter Lernmöglichkeiten oder Lern- oder Erziehungsziele werden die Maßnahmen durchgeführt. Hierin kommt die Bedeutung des Segelns und auch des Segelnlernens als Medium zum Ausdruck. Ein Medium ist etwas, was „dazwischen“, in der Mitte ist. Über ein Medium wird etwas ganz anderes „vermittelt“, kann Nicht-Spezifisches gelernt werden. So soll nun betrachtet werden, was alles, bezogen auf nicht-spezifisches Lernen, gelernt werden kann. Was sind also die Erziehungsziele, die in Theorien und Konzepten aufgeführt werden? Ob sie in der Praxis erreicht werden oder überhaupt zu erreichen sind, ist eine andere Frage, die später noch geklärt werden soll. Lernziele in der Erlebnispädagogik allgemein können nach Reiners grob unterteilt werden in „...die Entwicklung individueller Persönlichkeitsmerkmale wie Entwicklung von Eigeninitiative, Spontanität, Kreativität, Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl, Selbstwertgefühl, Selbstbewußtsein, Selbstverantwortung, realistischem Selbstbild, Überprüfung von Wertesystemen etc. ..., die Förderung sozialer Kompetenzen (Teamarbeit, Rücksichtnahme, Kommunikationsfähigkeit, Mitgefühl, Hilfsbereitschaft, Konfliktbewältigung etc.) und 68 Vgl.: Interview: Arp, Günther, a.a.O. Gesellschaft für Jugend- und Familienhilfe e.V., Projektkonzeption Jugendschiff AnnaCatharina, Überlingen 31996, unveröffentlicht , S. 16 69 26 das Wachsen eines systemischen ökologischen Bewußtseins.“70 Besonders in die erste Kategorie fallen die von Nickolai, Quensel und Rieder genannten Ziele „Identität, Zukunftshoffnung und sinnerfülltes Leben“, die Jugendlichen aus „sogenannten Randgruppen“ als Chancen eröffnet werden sollten.71 Diese Kataloge sind als noch halbwegs realistisch einzuschätzen. Es könnten aber noch sehr viele weitere mögliche Lernziele bzw. vermutete Wirkungen genannt werden, bis „recht ,blumige’ Kataloge“72 entstehen, „die sich wie ein Rundumschlag durch die gesamte Pädagogik lesen“73 und die oft „hochspekulativen ,Heilscharakter’ haben.“74 Da es sich aber zumeist nur mögliche Erziehungsziele handelt, könnte darauf erwidert werden, dass klar ist, dass diese nicht immer auch erreicht werden, zumal die besonders umfassenden Kataloge häufig noch nicht zielgruppenspezifisch sind, wie z.B. der recht umfassende Katalog von Hanspeter Hufenus, in dem „Selbständigkeit und Entscheidungsfähigkeit erlangen“ aber auch „Führungsprinzipien und Führungsstile kennenlernen und üben“ als Lernziele auftauchen75. Hier dürfte klar sein, dass das Letztgenannte wohl eher im Training für Manager Ziel sein kann, bei denen man ersteres mit hoher Wahrscheinlichkeit als erreicht voraussetzen kann. Möglicherweise kommt es dadurch zu überzogenen Erwartungen seitens der Theoretiker an die Praxis der Erlebnispädagogik im Allgemeinen, aber auch der Segelpädagogik im Speziellen.76 Diese Erwartungen werden aber noch später Gegenstand der Betrachtungen sein. Weitgehende Einigkeit herrscht wohl nach Klawe und Bräuer über folgenden Katalog zu erwartender Wirkungen, die dann auch für realistische Ziele herangezogen werden können: „Verbesserung der Selbstwahrnehmung Erhöhung der Selbstkontrolle und Ausdauer Schärfung des Einfühlungsvermögens in andere Personen anwachsende Motivation zu schulischer und beruflicher Weiterbildung Umgang mit dem eigenen Körper und eigenen Gefühlen Umgang mit Kritik und Mißerfolg, sowie Lob und Anerkennung (Steigerung der Frustrationstoleranz) 70 Reiners, 1995, a.a.O., S. 33 Vgl.: Nickolai, Werner u.a., Erlebnispädagogik mit Randgruppen, Freiburg im Breisgau 21991, S. 9 72 Klawe, Bräuer, a.a.O., S. 51 73 ebd., S. 51 74 ebd., S. 52f. 75 Vgl.: Hufenus, Hanspeter, Erlebnispädagogik – Grundlagen, Luzern 21997, S. 88 –in: Herzog, Fridolin (Hrsg.), Erlebnispädagogik. Schlagwort oder Konzept?, Luzern 21997, S.85-99 76 Vgl.: Klawe, Bräuer, a.a.O., S. 52f. 71 27 Veränderung der Beziehung zwischen Betreuer und Jugendlichen in Richtung auf gesteigerte gegenseitige Akzeptanz wachsende Bereitschaft, reflektiert und fundiert eigene Entscheidungen für den weiteren Lebensweg zu treffen“77. Als ein weiteres mögliches Erziehungsziel, welches früher in aller Munde war und heute scheinbar nicht mehr so große Bedeutung hat, soll hier das Erziehungsziel Emanzipation genannt werden, da es für folgende Betrachtungen noch von Wichtigkeit ist. 3.4 Alle in einem Boot! – Symmetrie vs. „Totale Institution“ , Hierarchie und Demokratie an Bord Seefahrt gilt als traditionell stark „hierarchisch, patriarchalisch und verengt leistungsorientiert“.78 In gewisser Hinsicht ist dies auch der Fall. Verwiesen sei hier insbesondere auf die militärische Schifffahrt, in der, wie im gesamten militärischen Bereich, eine sehr stark ausgeprägte hierarchische Struktur von Befehl und Gehorsam mit teils drakonischsten Strafen bei Befehlsverweigerung und Insubordination vorherrschte. Auch in der nicht direkt militärischen Seefahrt war so etwas anzutreffen, wie das Beispiel des auf historischen Tatsachen basierenden Romans „Meuterei auf der Bounty“ zeigt. Übersehen wird aber allzu häufig, dass es auch schon früher in der Handelsschifffahrt oder im Walfang und der Fischerei Formen von Partizipation – meist in Form eines Schiffsrates – gegeben hat. Da die Mannschaft häufig am Gewinn der Fahrt beteiligt war, war sie auch beteiligt an strategischen Überlegungen, z.B. ob ein bestimmter Hafen zum Wasser- und Vorrätefassen angelaufen werden soll oder zugunsten eines möglichen höheren Gewinns weitergefahren werden soll. Da beim Segeln alle an Bord gleichermaßen und für jeden wahrnehmbar unter einigen unabänderlichen Rahmenbedingungen wie, wie eingangs dieses Kapitels angedeutet, dem Wetter „leiden“, gibt es Elemente der Gleichheit an Bord. Vor dem Wetter sind gewissermaßen alle gleich. Auch der sonst so mächtige Pädagoge kann dagegen nichts tun. Alle sitzen in einem Boot. Auch müssen alle die Enge des Raumes hinnehmen. Und wahrscheinlich werden alle das gleiche essen. Auch kann der Pädagoge nicht, wie z.B. in einem Heim, nach seiner Schicht nach Hause gehen, während die Bewohner bleiben müssen. Es gibt also viele von der Situation vorgegebene Elemente der Gleichheit, die als gute Voraussetzung für ein symmetrisches Interagieren, für ein Miteinander anstelle einer Über-Unterordnung angesehen werden können. Eben diese 77 78 ebd., S. 53 Vgl.: Heckmair, Michl, a.a.O., S. 202 28 Symmetrie soll zu neuen Möglichkeiten der Beziehungsstrukturen, besonders zwischen Pädagoge und Teilnehmer, führen und Konflikte vermeiden helfen.79 Die Wirklichkeit sieht leider häufig ganz anders aus: In bestimmten Situationen, z.B. (sicherheitsrelevanten) Manövern, ist eine „klare Kommandostruktur“ sicherlich auch unerlässlich. Wenn es schnell gehen muss, bleibt eben keine Zeit, das Manöver erst „durchzudiskutieren“. Das gilt übrigens sogar im Freizeitbereich. Einer ist für die Sicherheit des Schiffes und der Besatzung juristisch verantwortlich – im Seerecht immer der mit dem höchsten Qualifikationsnachweis. Um dem gerecht werden zu können, muss er natürlich mit den nötigen Kompetenzen auch und gerade im Sinne von Befehlsgewalt ausgestattet sein. Derjenige, der aufgrund dieser Verantwortlichkeit an der Spitze der oben angedeuteten Kommandostruktur steht – Schiffsführer, Skipper oder Kapitän genannt – ist gleichzeitig auch immer in den pädagogischen Kontext eingebunden. Selbst jenseits des Juristischen und der Konsequenzen daraus haben aber die Betreuenden (Erwachsenen) an Bord meistens einen großen Wissens- und Fähigkeitsvorteil das Segeln betreffend, auch aufgrund der häufig gegebenen seglerischen Qualifikation80. Die dadurch allein schon entstehende Überlegenheit muss aber nicht zugleich eine autoritäre Hierarchie an Bord bedeuten. Oft herrscht aber eine über die Notwendigkeit im Manöver hinausgehende autoritäre Hierarchie an Bord. Durch die Pädagogen werden Tagesabläufe sehr stark strukturiert. Durch diese von den jungen Menschen so erlebte Fremdbestimmung oder Entmündigung bleiben wenig eigene 81 Gestaltungsmöglichkeiten . „Die Jugendlichen fühlen sich schikaniert und unfähig zugleich“82. Pädagogen und Teilnehmer stehen sich als getrennte Gruppen gegenüber83 – aber nicht symmetrisch. In diesem Zusammenhang von Partizipation zu reden, wäre verfehlt. Eben genannte Erziehungsziele wie Emanzipation und auch Verbesserung des Selbstbildes können so wohl kaum erreicht werden. So durchgeführte Segelprojekte können – wie viele erlebnispädagogische Maßnahmen84 – durchaus schon einige Merkmale einer „Totalen Institution“ haben, wie sie Erving Goffman beschreibt. Als Merkmale einer „Totalen Institution“ werden von Goffman genannt: 79 Vgl.: Klawe, Bräuer, a.a.O., S.17f. Vgl.: Interview: Arp, Günther, a.a.O. / vgl.: Interview mit Thomas Piruzgar-Merkle, Leiter der Anna-Catharina der Gesellschaft für Jugend- und Familienhilfe e.V., Düsseldorf, 25. Januar 2002 81 Vgl.: Sommerfeld, Peter, Erlebnispädagogisches Handeln, Weinheim München 1993, S. 104, S. 127 82 ebd., S. 136 83 Vgl.: ebd., S. 104f 84 Vgl.: Fatke, Reinhard, Kritische Anfragen der Erziehungswissenschaft an die Erlebnispädagogik, Luzern 21997, S. 45 –in: Herzog, a.a.O., S. 35-48 80 29 Der soziale Verkehr mit der Außenwelt und die Freizügigkeit sind beschränkt z.B. auch durch Wasser.85 Eine Trennung verschiedener Lebensbereiche, z.B. Wohnen und Arbeiten (Goffman nennt noch Spielen), ist aufgehoben. Die „Insassen“ verrichten ihre tägliche Arbeit in großen Gruppen, in denen alle das gleiche tun müssen und gleich behandelt werden. Die „Insassen“ sind einer einzigen Autorität strikt unterworfen.86 Mit den Bedürfnissen der „Insassen“ wird auch unabhängig von Notwendigkeiten bürokratisch umgegangen.87 An „Insassen“ gerichtete Erwartungen entsprechen einer „Insassenrolle“. Wechsel zwischen verschiedenen sozialen Rollen, eine eigene Rollenplanung ist nicht möglich.88 Die „Insassen“ und das Personal stehen einander als getrennt und evtl. auch feindselige Gruppen gegenüber.89 Es wird über das Schicksal der „Insassen“ ohne deren Kenntnis davon entschieden.90 Das Selbstbild der „Insassen“ wird durch verschiedenste Demütigungen verändert.91 Durch diese strukturellen und prozessualen Merkmale der „Totalen Institution“ soll es bei den „Insassen“ zu „depersonalisierenden Tendenzen“92 und der Ausprägung von Merkmalen wie Apathie und Unterwürfigkeit kommen. Nachdem noch kurz anzumerken ist, dass der wissenschaftliche Erkenntniswert des Konzepts „Totale Institution“ umstritten ist93, stellt sich die Frage, inwieweit die Merkmale einer „Totalen Institution“ im Falle längerfristiger Segelprojekte tatsächlich gegeben sind. Die Aufhebung der Trennung der Arbeitsbereiche ist tatsächlich gegeben. Ihr unterliegen aber anders als z.B. in geschlossenen Heimen und anders als von Goffman als typisch erachtet94 wie eben angedeutet nicht nur die Teilnehmenden sondern auch die Betreuenden. Hier deutet sich ein erstes Problem der Übertragbarkeit des Konzepts „Totale Institution“ an. Werden „Insassen“ mit Teilnehmenden übersetzt, kann dieses Merkmal als nur eingeschränkt erfüllt angesehen werden, weil es eben nicht nur für die „Insassen“ gilt. Andernfalls sind 85 Vgl.: Goffman, Erving, Asylums. Essays on the Social Situation of Mental Patients and other Inmates, 1961 –übersetzt: Lindquist, Nils, Asyle. Über die soziale Situation psychiatrischer Patienten und anderer Insassen, Frankfurt am Main 1972, S. 15f 86 Vgl.: ebd., S. 17 87 Vgl.: ebd., S. 18, S. 21 88 Vgl.: ebd., S. 25 89 Vgl.: ebd., S. 18f 90 Vgl.: ebd., S. 20 91 Vgl.: ebd., S. 22, S. 25 , S. 33, S. 43 u.v.m. 92 Fatke, a.a.O., S. 45 93 Vgl.: Höft-Dzemski, Reiner, Totale Institution, Stuttgart 1997, S. 960 –in: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, a.a.O., S. 960 94 Vgl.: Goffman, a.a.O., S. 18, S. 22 30 die Betreuenden selber auch „Insassen“. Dann können sie aber nicht alle einer Autorität strikt unterworfen sein, weil die Betreuenden ja selber die Autorität darstellen und dies auch nur in dem Maße, wie autoritär sie das Projekt gestalten. Von der Gestaltung der Maßnahme hängt es auch ab, ob und wie stark Rollenwechsel unmöglich gemacht werden, mit Bedürfnissen bürokratisch umgegangen wird und gedemütigt wird. Ob es ein eben beschriebenes Gegeneinander oder ein Miteinander gibt, ob und wie Teilnehmende an Entscheidungen, die ihre Geschicke betreffen, beteiligt sind, sind Fragen der konkreten Ausgestaltung. Längerfristige Segelprojekte können also durchaus unbeachtet der Problematik der Übertragbarkeit ein, mehrere oder alle Merkmale einer „Totalen Institution“ mit all ihren angesichts der oben angedeuteten Erziehungsziele kontraproduktiven Wirkungen haben. Für eine „Totale Institution“ ist laut Goffman bezeichnend, dass sie einen beträchtlichen Teil der Merkmale aufweist.95 Das erstgenannte Merkmal leitet sich direkt – wie auch eben angedeutet – aus dem Arbeitsauftrag eines Schiffes ab96. Die Erfüllung der anderen Merkmale hängt wesentlich von der konkreten Ausgestaltung der einzelnen Maßnahmen durch die Betreuenden vor Ort ab. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, möglichst viele Merkmale einer „Totalen Institution“ zu vermeiden: Anfangen kann das damit, dass größter Wert auf echte Freiwilligkeit bei der Teilnahme an der Maßnahme, dass heißt auch ein Ausschluss von Scheinfreiwilligkeiten, wie z.B. der Wahl zwischen Haft und Segelprojekt, gelegt wird, wie mittlerweile auch praktiziert97. Freiwilligkeit heißt dementsprechend auch, dass die jungen Menschen jederzeit die Maßnahme von sich aus abbrechen können, ohne deshalb negative Konsequenzen fürchten zu müssen98. Darüber hinaus könnte eine „behutsame Partizipation“ in die richtige Richtung weisen, d.h. eine mit den Fähigkeiten und Erfahrungen wachsende Aktivierung und Minderung von Passivität mit dem (wahrscheinlich nicht erreichbaren) Ziel eines symmetrischen Agierens außer in Sicherheitsbelangen99. Dabei kommen die Betreuenden in eine nicht ganz unkomplizierte Position. Sie sind juristisch für die Sicherheit verantwortlich und größere Experten für das Medium Schiff, gleichzeitig sind sie Erlebnisgefährten – alle in einem Boot – der Teilnehmenden, 95 ebd., S. 17 Vgl.: Hinze, Thomas, Langzeittörns mit verhaltensaufälligen Jugendlichen. Eine mögliche Alternative zur geschlossenen Unterbringung, Bielefeld 1988, unveröffentlichte Diplomarbeit – annotiert in: Buhl, Ines, Neumann, Kirsten, ANNOTIERTE BIBLIOGRAPHIE VON ERLEBNISPÄDAGOGISCH RELEVANTEN PRÜFUNGSARBEITEN. EINE DOKUMENTATION UND AUSWERTUNG VON 158 STUDIEN, Lüneburg 1996, S. 37 –in: Ziegenspeck, Jörg (Hrsg.), DIE ERLEBNISPÄDAGOGIK IM SPIEGEL VON 158 PRÜFUNGSARBEITEN. Annotierte Bibliografie, Lüneburg 1996, S. 11-71 97 Vgl.: Interview: Arp, Günther, a.a.O. / Vgl.: Interview: Piruzgar-Merkle, a.a.O. 98 Vgl.: ebd. / ebd. 99 Vgl.: Reiners, 11995, a.a.O., S. 25 96 31 bei denen es nötig sein kann, sehr klare Grenzen zu setzen. Außerdem müssen sie noch die Metaposition des pädagogischen oder gar therapeutischen Prozessbegleiters einnehmen100. 3.5 Und dann wieder zuhause... Die Transferproblematik Wenn nun ein junger Menschen aus dem möglicherweise für sie oder ihn gefährdenden Milieu (zu Hause) bewusst herausgenommen wird, um bestimmte Lernprozesse überhaupt erst zu ermöglichen, wie kann dann das Gelernte, wenn der junge Mensch wieder zurückkehrt, im alten Milieu weiter Anwendung finden? Ist die Gefahr nicht sehr groß, dass der junge Mensch in seine alten Verhaltensweisen, Lösungsmuster und Konfliktstrategien zurückfällt? Die Frage des Transfers des Gelernten ist also von ganz entscheidender Bedeutung für den Erfolg bzw. die Wirkung von milieufernen Projekten, zu denen längerfristige Segelprojekte ja ohne Zweifel zählen. Die Frage des Transfers ist wohl auch die mit am stärksten thematisierte und problematisierte in der Erlebnispädagogik überhaupt101. Vielleicht ist sie die „Gretchenfrage an die Erlebnispädagogik“102. „Mit der Beantwortung der Frage nach dem Transfer, so scheint es, steht und fällt der erlebnispädagogische Ansatz.“103 So fordert z.B. Willy Klawe: „Erlebnispädagogik ist ... keine Projektpädagogik, sondern wird aus dem Alltag abgeleitet und muß in den Alltag zurückfließen“104 Richard Münchmeier stellt fest: „Je weniger aber der thematische Gehalt des ,Erlebnisses’ z.B. in Bezug auf lebensweltliche und alltägliche Probleme der Lebensbewältigung reflektiert wird, desto geringer werden die für jeden pädagogischen Prozeß unverzichtbaren Transfermöglichkeiten aus der Lernsituation in das ,Leben’ [Hervorhebung d.d.V.]“105 „Genau im Alltag .. müssten sich die Lernerfolge der Erlebnispädagogik (wie natürlich jeder anderen Methode der Jugendpädagogik) bewähren.“106 Wie sich hier schon abzeichnet, betrifft das Transferproblem aber die gesamte Pädagogik und da besonders kurzzeitpädagogische Maßnahmen107, und da wieder noch stärker erlebnisorientierte kurzzeitpädagogische Maßnahmen.108 Besonders in diesem Zusammenhang, aber möglicherweise auch übertragbar auf 100 Vgl.: ebd., S.27f. Vgl.: Bauer, 31987, a.a.O., S. 55 102 Vgl.: Heckmair, Michl, a.a.O., S. 200 103 ebd., S. 200 104 Klawe, Willy, Randale und Gewalt auf der Straße. Erlebnispädagogische Maßnahmen im AgAG-Programm, Marburg 1996, -in: Becker, Peter u.a. (Hrsg.), Abenteuer – ein Weg zur Jugend?, Marburg 1996, S. 95-105 (DORT NICHT GEFUNDEN!!!) –hier zitiert nach: Klawe, Bräuer, a.a.O., S. 14 105 Münchmeier, Richard, München 1994, S. 30 –in: Bedacht u.a., a.a.O., S. 28-31 106 ebd., S. 30 107 Vgl.: Heckmair, Michl, a.a.O., S. 200 108 Vgl.: Bühler, J., Das Problem des Transfers. Kritisches zur erlebnisorientierten Kurzzeitpädagogik, 1986 –in: Deutsche Jugend 34/1986, S. 71101 32 längerfristige Projekte, haben sich drei Modelle nacheinander und auseinander entwickelt. Diese sollen im folgenden, wenn auch kurz, da es dazu genügend Literatur gibt, vorgestellt werden109: 1. „The Mountains Speak for Themselves” Bei diesem möglicherweise als “harten Weg”110 zu bezeichnenden Modell geht es darum, durch die erlebnispädagogische Ausnahmesituation den Teilnehmenden Schlüsselerlebnisse zu ermöglichen, mit deren Verarbeitung die Teilnehmenden dann aber allein gelassen werden. Hier kommt es besonders auf die schon anfangs angedeutete Erlebnistiefe (Intensität) an. Je tiefer das Erlebnis ist, desto stärker soll die persönlichkeitsbildende Wirkung sein. 2. „Outward Bound Plus“ Die wie beim vorangegangenen Modell gemachten Erfahrungen und Erlebnisse sollen durch angeleitete, gezielte Reflexion, also kognitiver Verarbeitung, stärker in das Leben der Teilnehmenden integriert werden und dadurch besser in den Alltag transferiert werden. 3. Metaphorisches Modell Um nicht doch wieder, entgegen der ursprünglichen Grundidee der Erlebnispädagogik, besonders die kognitive Dimension anzusprechen, sollte auf das nachträgliche „Drüber-Reden“ wieder verzichtet werden. Dazu sollten die Erlebnisse so gestaltet werden, dass die Übertragbarkeit der Erfahrung in den Alltag und auf Probleme des Alltags durch starke Metaphorik bzw. Isomorphie, also Gleichförmigkeit oder besser Gleichartigkeit oder Ähnlichkeit, offenkundig wird. Längerfristige Segelprojekte lassen sich dabei am ehesten – mit unterschiedlicher Gewichtung je nach konkreter Ausgestaltung – den letzten beiden Modellen zuordnen. Da die Menschen an Bord über längere Zeit zusammen sind, bleibt es nicht aus, dass über Erlebtes gesprochen und reflektiert wird. Gerade aber in Bezug auf die wichtigeren Lernziele im Bereich des nichtspezifischen Lernens sind starke „Isomorphien“111 zu erkennen: Das Leben in einer Gemeinschaft und die damit verbundenen Notwendigkeiten, z.B. gegenseitige Rücksichtnahme; die klare Kommunikation und das „Mitanpacken“, das zum Gelingen eines Vorhabens führt; das Navigieren auf See, wie im Leben, das durch eine gute Vorbereitung und Planung erleichtert wird; die Unkontrollierbarkeit des Wetters, mit der trotzdem zurechtzukommen ist und viele weitere. Trotzdem bleibt die Frage, ob das Erlernte trotz seiner möglichen offensichtlichen Übertragbarkeit unter den im alten Umfeld gegebenen und im Vergleich zur Maßnahme völlig verschiedenen Bedingungen auch tatsächlich Anwendung 109 Vgl. etwa: Reiners, 11995, a.a.O., S. 60ff / Heckmair, Michl, a.a.O., S. 53f / Galuske, a.a.O., S. 213f / Schwiersch, a.a.O., S. 147ff 110 Schwiersch, a.a.O., S. 47 111 wörtlich: Gleichförmigkeiten 33 findet. Zu einem bestimmten Anteil ist sicher davon auszugehen. Die lange Zeit und die eben beschriebenen Wirkmodelle werden bei dem jungen Menschen Spuren hinterlassen – auch in tieferen Ebenen seiner Persönlichkeit – die noch länger nachwirken. Wie schnell aber verblassen diese Eindrücke und verwehen diese Spuren? Die alten Erinnerungen aus der Zeit vor dem Segelprojekt sind ja nicht „gelöscht“, sondern immer noch da. Die Möglichkeit der Rückerinnerung und damit verbundenen Rückfälligkeit in alte Verhaltensweisen und Perspektiven besteht besonders auch angesichts der größeren Isomorphie zwischen der Situation vor und nach der Maßnahme als zwischen der Situation in und nach der Maßnahme. Hier kann Nachbetreuung ansetzen. Vielleicht ist es jedoch übertrieben, zu behaupten, in der Jugendhilfe sei der Transfer nur dann gewährleistet, wenn der Transferprozess begleitet wird.112 Im Rahmen der Nachbetreuung kann ein junger Mensch dabei begleitet und unterstützt werden, mit den neu erlernten Verhaltensweisen, Strategien und Perspektiven auf altbekannte Situationen der Lebenswelt zu reagieren. Segelprojekte, sowie überhaupt erlebnispädagogische Maßnahmen, sollten also integriert sein – vielleicht als Einstiegsmaßnahme - in ein darüber hinausgehendes individuelles Konzept, in dem Nachbetreuung auch durch qualifiziertes Personal weitergeführt wird.113 Dadurch kann der Erfolg eines Segelprojektes deutlich gesteigert werden.114 So folgen auch viele Diplomarbeiten, die sich mit längerfristigen Segelprojekten beschäftigen, einem Drei-Phasen-Modell von Vorbereitung, Seephase und Nachbereitung.115 Und so stellt etwa Münchmeier eine „...Tendenz, an die erlebnispädagogische eine Phase des Übergangs bzw. der ,Nachbetreuung’ anzuhängen, ...“116 fest. Dabei stellt es sich häufig als schwierig bis unmöglich heraus, die Kontinuität der Bezugspersonen zu gewährleisten. Gelöst ist dieses Problem z.B. bei Gangway e.V., wo nach der halbjährigen Seephase das Personal der UNDINE auch auf der Landstation mitarbeitet.117 3.6 Segelpädagogik oder Segeltherapie? So, wie Kurt Hahn nicht von Erlebnispädagogik, sondern von Erlebnistherapie sprach, könnte hier die Frage gestellt werden, inwieweit gerade in Bezug auf die als junge Menschen in psychosozialen Notlagen bezeichnete Zielgruppe von Segeltherapie die Rede sein muss. So gibt es auch einige Diplomarbeiten über therapeutisches oder sozialtherapeutisches Segeln, in denen von pädagogischen 112 Vgl.: Bedacht, Andreas, Manteler, Rolf, Theoriedefizit, Grenzen, Missverständnisse der Erlebnispädagogik, 1994, S. 123 –in: Bedacht u.a. (Hrsg.), a.a.O., S. 119-125 113 Vgl.: Fatke, a.a.O., S. 47 114 Vgl.: Interview: Piruzgar-Merkle 115 Vgl.: Buhl, Neumann, a.a.O., S. 21ff 116 Münchmeier, a.a.O., S. 30 117 Vgl.: Interview: Arp, Günther / Interview Niemeyer 34 und therapeutischen Möglichkeiten die Rede ist.118 Erlebnispädagogik allgemein soll ein ganzes Bündel verschiedenster psychotherapeutischer Effekte beinhalten und psychotherapeutischer Wirkungen entfalten, sodass das Erlebnis auch in der Psychotherapie wieder eine große Rolle spielt.119 Wenn Kurt Hahn sein Konzept Erlebnistherapie nannte, weil es sich an Defiziten orientierte120, an „sozialen Seuchen“, wie dem „Verfall der Unternehmungslust“, dem „Verfall der Sorgsamkeit“ und dem „Verfall der menschlichen Anteilnahme“121, aber sein „Ansatz zur Therapie .. ein pädagogisches Konzept“122 war, dann kann das auch unter Berücksichtigung der Erziehungsziele als ein Indikator zumindest für therapeutische Anteile in der Segelpädagogik gesehen werden. Letztlich ist es wahrscheinlich auch nicht sinnvoll, eine strikte Trennlinie zwischen Therapie und Pädagogik zu ziehen, gab es doch immer wieder Methoden, die in beiden Feldern sinnvolle Anwendung fanden – z.B. die nondirektive Gesprächsführung nach Carl Rogers123, Überschneidungen und Zusammenwirken. So gilt denn auch in der Projektkonzeption der ANNACATHARINA der sozialtherapeutische Ansatz als hilfreich für die pädagogische Arbeit an Bord.124 Die Lernprozesse hier haben durchaus schon therapeutischen Charakter, basieren sie doch auf dem Modell der „Logischen Ebenen“ nach Gregory Bateson125. Die logischen Ebenen sind (von unten nach oben) „Äußerer Zusammenhang“, „Verhalten/Fähigkeiten“, „Werte/Glaubenssätze“ und schließlich „Identität/Zugehörigkeit“. Krisen führen mit der Zeit auf immer höheren logischen Ebenen zu der Möglichkeit neuer Perspektiven.126 „Die Krise ist ein produktiver Zustand, man muß ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“127 So haben erlebnispädagogische Maßnahmen und besonders Segelprojekte nicht selten eine „...therapeutische Qualität...“128 oder „...großen therapeutischen Nutzwert.“129 118 Vgl.: Buhl, Neumann, a.a.O., S. 20ff Vgl.: Haf, Wolfgang, Michl, Werner, Psychotherapeutische Wirkungen der Erlebnispädagogik, München 21994, S. 151ff –in: Bedacht, Andreas u. a. (Hrsg.), a.a.O., S. 151-157 120 Vgl.: Reiners, 1995, a.a.O., S. 15 121 Vgl. etwa: Bauer, 31987, a.a.O., S. 23 122 Schad, Nico, Eckern, Monika, „See me, feel me, touch me, heal me...“. Erlebnis und Therapie = Erlebnistherapie?, München 21994, S. 180 –in: Bedacht u.a. (Hrsg.), a.a.O., S. 180-199 123 Vgl. etwa: Rogers, Carl R., Die nicht-direktive Beratung, München 1972 124 Vgl.: Gesellschaft für Jugend- und Familienhilfe e.V., a.a.O., S. 10 125 Vgl.: ebd., S. 8ff, S. 15 126 Vgl.: ebd., S. 15 127 Max Frisch, hier zitiert nach: Heckmair, Michl, a.a.O., S. 86 128 Münchmeier, a.a.O., S. 29 129 Heckmair, Michl, a.a.O., S. 88 119 35 3.7 Sinn oder Unsinn, das ist hier die Frage – Einschätzungen des pädagogischen Erfolgs Nach der vorangegangenen Darstellung einiger wesentlicher Wirkfaktoren, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, soll nun (entgegen den Ausführungen zu Anfang des Kapitels) eine Einschätzung des Sinns bzw. Erfolgs oder der Wirksamkeit von längerfristigen Segelprojekten gegeben werden. Dazu wurden die für diese Arbeit vorliegenden Arbeiten, meist Diplomarbeiten, die sich mit der Wirksamkeit einzelner oder mehrerer Projekte beschäftigen in chronologischer Reihenfolge aufgeführt, um einen Eindruck gewinnen zu können, ob sich die Sichtweise auf den Sinn verändert hat. Die jeweils aufgeführten Beurteilungen speisen sich in den meisten Fällen aus intensiven Beschreibungen einzelner Projekte vor dem Hintergrund theoretischer Überlegungen, ähnlich den hier vorangegangenen. Sie können daher ihrerseits wohl als Einschätzungen gelten. Alle in dieser Tabelle aufgeführten Arbeiten finden sich im Prüfungsarbeitenarchiv des Instituts für Erlebnispädagogik Lüneburg: 36 Tabelle 1: Prüfungsarbeiten aus dem Archiv des Instituts für Erlebnispädagogik Lüneburg Jahr Anzahl davon mit der positiver/ Arbeiten neutraler/ negativer Einschätzung 1978 1 0/0/1 1979 1 0/1/0 1983 3 1985 1986 1987 3 2 4 1988 8 1989 1990 3 3 1991 3 1992 1993 3 2 1994 1995 2 1 Besonderheiten der Untersuchungen dieses Jahres besonders relevante Kritik Kaum Verhaltensänderungen Erwägen von Innovation 1/2/0 Ergänzung zur Abgrenzung zum Heimerziehung Therapeutischen 3/0/0 Mehr Nachbetreuung 2/0/0 Mehr Nachbetreuung 3/0/1 Alternative zur Mangelnde wissenschaftliche herkömmlichen Prüfung und Prüfbarkeit Erziehung und geschlossener Unterbringung 4/4/0 Viel konzeptuelle Weiterentwicklung 1/2/0 Mehr Nachbetreuung 2/1/0 Auch Übertragung auf andere Zielgruppen 1/2/0 Konzeptuelle Weiterentwicklung und Übertragung auf andere Zielgruppen 1/2/0 0/2/0 Gefahr der Kommerzialisierung 2/0/0 1/0/0 ARGE-NOAH 130 130 Siehe auch Anhang II 37 Zusätzlich und nicht aus dem Prüfungsarbeitenarchiv: Stefan Kupko beschreibt in Auswertung eines sechsmonatigen Segeltörns 16 jugendliche Teilnehmende und deren positive Entwicklung sozialen Verhaltens und körperlicher Konstitution.131 Thomas Hegemann untersucht in einer katamnestischen132 Studie 61 Teilnehmende von achtmonatigen Maßnahmen des „heilpädagogischen Heims zur See ,Anna-Catharina e.V.’“ und stellt anhand der Bewertungskriterien Ausbildungsabbruch, Verwahrlosung, Delinquenz, Psychiatrie und betreute Einrichtung 51,3 und 88,8 Prozent fest.133 Die zwischen Oktober 1996 und Juli 1997 befragten Jugendämter schätzen laut Willy Klawe und Wolfgang Bräuer die Effekte erlebnispädagogischer Maßnahmen, von denen 15,2 Prozent Schiffsprojekte sind, meist positiv ein; selbst abgebrochene Maßnahmen können noch positive Effekte haben.134 Aus dem hier aufgeführten Katalog, der mit Sicherheit nicht vollständig alle zum Thema geschriebenen Arbeiten enthält, lässt sich natürlich nichts beweisen. Tendenzen lassen sich aber schon ablesen. Als ein Nebenergebnis könnte die Verteilung der Arbeiten angesehen werden. Die meisten wurden zwischen Mitte der 80er und Anfang der 90er Jahre geschrieben. Danach nahmen die Arbeiten zum Thema immer weiter ab. Eine dazu gezeichnete Kurve wäre bei geschickter Wahl des Maßstabs phasenverschoben zur Kurve eines unter 2.4 angedeuteten Umfangs der Projekte. Der Höhepunkt der Kurve „Anzahl der Prüfungsarbeiten“ geht dem Höhepunkt der Kurve „Anzahl der Projekte“ zeitlich voraus. Möglicherweise kann dies als weiteres Indiz für die These gewertet werden, das es immer weniger Projekte dieser Art gibt, zumindest aber, das die „Hochphase“ längerfristiger Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen vorbei ist. Die hier dargestellten Arbeiten zeichnen, obwohl mit Kritik und Verbesserungsvorschlägen nicht gespart wird, grundsätzlich ein eher positives Bild der Wirkungen solcher Projekte; und dies über Jahre sehr konstant. Eine Ablehnung, die sich mit der Zeit ergeben hätte, lässt sich hieraus nicht ableiten. 131 Vgl.: Uhlmann, Katharina, Effektivität und Wirkvariablen erlebnispädagogischer Langzeitprojekte bei Jugendlichen mit Störungen des Sozialverhaltens, Tübingen 1995, unveröffentlichte Diplomarbeit, S. 42 132 Katamnese bedeutet eine Betrachtung der „Nachgeschichte“ eines Teilnehmers einer Maßnahme (in gewisser Weise als Gegensatz zu Anamnese, die die „Vorgeschichte“ betrachtet) 133 Vgl.: Hegemann, Thomas, Untersuchungen zum Rehabilitationserfolg eines sozialtherapeutischen Segelschiffprojektes, Lüneburg 1992, S. 14ff –in: Zeitschrift für Erlebnispädagogik 3/1992, S. 14-22 134 Vgl.: Klawe, Bräuer, a.a.O., S. 94ff 38 3.8 Andere Konzepte für junge Menschen in psychosozialen Notlagen Wenn nun der pädagogische Sinn längerfristiger Segelprojekte weiterhin angenommen wird, heißt das noch lange nicht, dass es jeweils das einzig sinnvolle ist. Bedeutete moderne Erlebnispädagogik Anfang der 70er Jahre fast ausschließlich Segelpädagogik135, gibt es heute eine große Auswahl verschiedener erlebnispädagogischer und sonstiger Angebote, z.B. für junge Menschen in psychosozialen Notlagen. Neben – auch eher klassisch erlebnispädagogischen – alpinen Aktivitäten wie Skifahren, Abfahrt und Langlauf, oder Bergwandern sind auch Klettern und Abseilen, Höhlenwanderungen, Schlauchboot- und Ruderbootfahrten usw. anzutreffen, die aber nicht in dem Maße einen abgeschlossenen Lebensraum darstellen und höchst selten als längerfristige Projekte angeboten werden. An dieser Stelle kann z.B. auch auf die recht neue Entwicklung „City Bound“ hingewiesen werden: Hier wird, im Gegensatz zu den eben genannten Aktivitäten, die in der „Freien Natur“ stattfinden, die eigene Stadt als Erlebnis- und Lernraum aufgefasst bzw. soll den jungen Menschen geholfen werden, in der eigenen Stadt, die so arm an natürlichen, nicht technisierten und kommerzialisierten Erlebnisräumen zu sein scheint, (legale) Erlebnismöglichkeiten zu erschließen. So kann „City Bound“ sehr lebensweltorientiert an dem ansetzen, was z.B. Ulrich Beck in seiner Risikogesellschaft136 beschrieben hat und wieder Möglichkeiten kleinerer individueller Gefahren, Abenteuer und Herausforderungen da bieten, wo sie ganz besonders verloren schienen: in der eigenen Stadt.137 Zu finden sind die meisten oben genannten Angebote aber eher im Bereich offener Jugendarbeit, als Ferienfreizeit oder ergänzend als Teilmaßnahme in der Heimerziehung oder geschlossenen Unterbringung. Hier, in Heimerziehung und geschlossener Unterbringung, haben wir es dann auch schon häufiger zu tun mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen. Oben beschriebene erlebnispädagogische Kurzmaßnahmen können eingebettet in das sonstige Konzept oder abgestimmt auf den Einzelfall auch immer wieder ihren Sinn machen, wenn es z.B. darum geht, den Heimalltag aufzulockern und aus ihm auszubrechen oder um das ewige Reden zu durchbrechen und praktisches Tun zu ermöglichen u.s.w.138 Die langfristigen und milieufernen erlebnispädagogischen Projekte, die z.B. ins Spiel kommen, wenn die Heimerziehung an ihre Grenzen stößt, lassen sich in drei große Gruppen unterteilen: Stand-, Reise- und Schiffsprojekte. Wobei 135 Vgl.: Fischer, Ziegenspeck, a.a.O., S. 268 (Vgl.:) Beck, Ulrich, Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt a.M. 1986 137 Vgl. etwa: Heckmair, Michl, a.a.O., S. 176ff 138 Vgl. etwa: Quensel, Stephan, Eine alternative Pädagogik für sozial behinderte Jugendliche – Prinzipien und Hindernisse, Freiburg im Breisgau 21991, S. 13ff –in: Nickolai, Werner u.a., 21991, a.a.O., S. 11-37 136 39 Standprojekte heißt, dass der junge Mensch bei Pädagogen oder Gastfamilien an einem festen Ort untergebracht wird. Diese Art „erlebnispädagogisches Projekt“ kommt noch am häufigsten vor, gefolgt von den Reiseprojekten und danach den Schiffsprojekten. Schwierig ist dabei die Zuordnung von Mischformen.139 Wenn ein Schiff längere Zeit an Land repariert und restauriert wird, zählt es dann zu den Stand- oder Schiffsprojekten? Wie unterscheiden sich nun Stand- und Reiseprojekte von Schiffsprojekten? Einige Besonderheiten bzw. besondere Chancen und Risiken von Segelprojekten, die ja Schiffsprojekte sind, wurden eben schon beschrieben. Als erster Unterschied ist wohl der zwischen Land und Wasser zu nennen. Die Folgen daraus sind, dass auf dem Wasser das „Entkommen“ für den jungen Menschen nahezu unmöglich ist, bei einem Reiseprojekt meist immer noch schwer und bei einem Standprojekt wohl etwas leichter, weil für den jungen Menschen etwas mehr „Planungssicherheit“ für einen „Ausbruch“ bestünde. Da gerade dieser Aspekt in hohem Maße sowohl Chance als auch Risiko darstellt, erfordern alle drei Projektarten, das Segeln aberganz besonders, ein hohes Maß an Sensibilität in Bezug auf „Freiheitsentzug“ und Freiwilligkeit seitens der Teilnehmenden. Die zeitliche Strukturierung des Tages dürfte beim Standprojekt am größten sein, während beim Segeln die Abhängigkeit vom Wetter und beim Reisen die ständig neuen Umgebungen dies etwas schwieriger machen. Auch werden sich in allen drei Projektarten etwas unterschiedliche soziale Strukturen und Formen der Kommunikation und des Zusammenlebens und -arbeitens ergeben. Die einzelnen Unterschiede herauszuarbeiten würde hier den Rahmen sprengen. 3.9 Für wen ist nun was sinnvoll? – Zielgruppe(n) I Aufgrund der vorherigen Überlegungen kann wohl davon ausgegangen werden, dass ein längerfristiger Aufenthalt auf einem Segelschiff für fast alle Menschen von großem persönlichem Nutzen sein kann – weit über die in dieser Arbeit genannte Zielgruppe junger Menschen in psychosozialen Notlagen hinaus. Die Erfahrung der „Entschleunigung“ als Kontrast zur allzu oft hektischen Alltagswelt mit ihren Terminen kann die „Langsamkeit entdecken“ lassen und wieder das Auge für scheinbar unbedeutende Details öffnen. Enge Termine einhalten zu wollen, ist vor dem Hintergrund der Unwägbarkeiten des Wetters ein schwieriges bis sinnloses Unterfangen. Und eben diese Unwägbarkeiten, die damit zusammenhängenden Urgewalten der See relativieren die Herrschaft des Menschen über die Natur. Sie ist eher eine Partnerin, auf die die Menschen sich einlassen müssen. Es klappt besser, mit ihr und dem Wind zu fahren als dagegen. In Rahmen der Jugendhilfe kommen aber häufig nur die „schwierigen Fälle“ in den „Genuss“ eines Segeltörns, wobei „Genuss“ aus Sicht der Teilnehmenden 139 Vgl.: Klawe, Bräuer, a.a.O., S. 95ff 40 häufig, wie eben angedeutet und später nochmals aufgegriffen, Entbehrung und harte Arbeit auch und vor allem an sich selbst bedeutet. Das Ansetzen bei „schwierigen Fällen“ ist in mehrerlei Hinsicht aber problematisch , was noch zu zeigen sein wird. Wird nun innerhalb der Zielgruppe „Junge Menschen in psychosozialen Notlagen“ nach Merkmalen gesucht, die in besonderer Weise für ein Segelprojekt und nicht ein Stand- oder Reiseprojekt sprechen, müssen wieder die Besonderheiten des Segelns bemüht werden. Zunächst ist es in besonderem Maße sinnvoll für junge Menschen, die Konflikten eher aus dem Weg gegangen sind und dadurch in Probleme geraten sind. Dann ist es in besonderem Maße sinnvoll bei jungen Menschen, die sehr stark mit inkongruenten Aussagen konfrontiert waren und nun in der durch das Medium Segeln erforderlichen klaren Kommunikation Halt finden können und selber eine klare Kommunikation lernen können. Es gibt natürlich auch Merkmale die gegen ein längerfristiges Segelprojekt sprechen, Kontraindikationen also: Neigung zu Seekrankheit ist da noch fast die harmloseste. Wenn aus irgendeinem Grund, z.B. wahnhaften oder hirnorganischen Störungen140, Situationen völlig falsch eingeschätzt werden, bringt der Teilnehmer oder die Teilnehmerin sich selbst und vielleicht alle anderen in große Gefahr und die Erreichbarkeit ist nicht so gegeben wie an Land. Bei Borderline-Strukturen kann es sein, dass der oder die Teilnehmende, wenn er oder sie sich in – möglicherweise gar nicht realer – Gefahr wähnt, dauerhaft auf die „andere Seite“ abkippt. Selbst hier bestehen noch Chancen auf Verbesserung der Lebenssituation, die Gefahr ist aber zu groß.141 140 141 Vgl.: Gesellschaft für Jugend- und Familienhilfe, a.a.O., S. 9 Vgl.: Interview: Piruzgar-Merkle 41 4. Gesellschaftliche und politische Aspekte 4.1 „Finales Rettungskonzept“ und „Soziale Verklappung“ An dieser Stelle wird noch einmal auf einen Aspekt verwiesen, der auch als pädagogischer Aspekt gelten könnte. Weit mehr ist er aber nicht ursächlich pädagogisch, sondern hat pädagogische Probleme zur Folge. Es handelt sich hier, wie im weiteren noch vermehrt, um eine Sicht auf längerfristige Segelprojekte und andere längerfristige Maßnahmen. Zentraler Begriff ist hierbei der des „Schwierigsten“ Jugendlichen oder jungen Menschen, für den ein solches Projekt angeboten wird. Zunächst legt er den – möglicherweise oberflächlichen – Gedanken nahe, eben erst ein „schwieriger Fall“ werden zu müssen, um in diesen „Genuss“ zu kommen. Warum sollte anderen das nicht auch gewährt werden?142 Eine berechtigte Frage mit hohem Neidpotential, wie im Folgenden noch zu sehen sein wird. Darüber hinaus geht die Spirale der Stigmatisierung und Etikettierung weiter: „Du wirst Segeln geschickt, du bist ein schwerer Fall.“ Es kommt also zu einer weiteren Ausgrenzung des „Schwierigen“.143 Hier ist also der Anknüpfungspunkt für eine Maßnahme die Auffälligkeit, das abweichende Verhalten, das nicht gewünscht wird, nicht nur weil es Normen verletzt, sondern diese auch in Frage stellt. Wird bei abweichendem Verhalten angeknüpft, äußert sich darin auch immer ein von Nachträglichkeit geprägter Sanktionsgedanke, eine gewollte Herbeiführung einer Verhaltensänderung im Sinne einer Verhaltensanpassung.144 In der Frage nach dem Umgang mit den „Schwierigen“ und „Schwierigsten“ haben sich in Bezug auf längerfristige erlebnispädagogische Maßnahmen und damit auch segelpädagogische Maßnahmen, vor allem wenn sie im Ausland stattfinden, zwei Sichtweisen etabliert, die sich nicht, wie noch gezeigt wird, entgegenstehen müssen und teilweise überschneiden. Ihnen ist gemeinsam, dass sie wieder enorme pädagogische Probleme nach sich ziehen. Die beiden Sichtweisen entsprechen einer der Erlebnis- und Segelpädagogik wohlgesonnenen und einer dieser nicht so wohlgesonnenen Beantwortung der in einigen Grundzügen bedenklichen Frage: „Was tun mit den ,Schwierigsten’ ?“ Die der Erlebnispädagogik wohlgesonnene und von ihr selber mitgetragene Sichtweise entspricht der eines „Finalen Rettungskonzeptes“. Durch die unter 3.3 beschriebenen sehr umfassenden und von den Protagonisten als realistisch eingeschätzten Erziehungsziele wird suggeriert, mit Erlebnispädagogik und besonders mit längerfristigen Projekten wäre nahezu alles zu schaffen. Noch so schwer wiegende psychologische bis psychopathologische Probleme seien Vgl.: Gottschalk, Wolfgang, München 1994, S. 40 –in: Bedacht u.a. (Hrsg.), a.a.O., S. 37-42 Vgl.: Bauer, Hans G., München 1994, S. 44 –in: Bedacht u.a. (Hrsg.), a.a.O., S. 43-46 144 Vgl.: Gottschalk, a.a.O., S. 40 142 143 42 behebbar. Berichte, dass dies in Einzelfällen auch gelingt bzw. Verbesserungen der Situation des Teilnehmenden erreicht wurden, gibt es. Gleichzeitig ist häufig von einem hohen damit verbundenen Risiko die Rede.145 In Fällen solcher wenigstens teilweiser Erfolge ist aber auch häufig eine Höher- oder Zusatzqualifikation im Sinne einer therapeutischen Zusatzausbildung etwa seitens eines Mitarbeitenden gegeben. Auf der anderen Seite scheint ein Bedarf an eben solchen „finalen Rettungskonzepten“ sehr groß zu sein.146 Und zwar wohl in dem Sinne, froh sein zu können, ein Allheilmittel gefunden zu haben. Die Versuchung ist groß, erst alles andere zu probieren, und dann, wenn scheinbar gar nichts mehr geht, zu erlebnispädagogischen Langzeitprojekten als „ultima ratio“147 zu greifen. Dies beinhaltet schon eine fatale Konsequenz. Deutlich wird sie an der Frage: Was ist, wenn nun auch das längerfristige erlebnispädagogische (Segel-)Projekt scheitert? Wenn dies die finale Hilfe, die letzte Rettung schwierigster Jugendlicher war, ist hernach keine weitere mehr möglich und sinnvoll?148 Die Stigmatisierung gelangt damit auf die neue Ebene mit dem diagnostischen Etikett „unheilbar“. Aus einem jungen Menschen, stigmatisiert mit dem Etikett „hilfsbedürftig“ ist einer geworden, dem nicht mehr zu helfen ist. Hier zeigt sich, dass so verstandene erlebnispädagogische Maßnahmen „das letzte Glied eines als 149 Verschärfungszusammenhang verstehbaren Jugendhilfesystems“ darstellen. Darüber hinaus tragen die mit der Sichtweise eines „finalen Rettungskonzeptes“ verbundenen überhöhten Erwartungen dazu bei, dass mehr und mehr Misserfolge wahrgenommen werden. Wenn mit einer Maßnahme Ziele verbunden werden, die gar nicht zu erreichen sind, ist diese Maßnahme von Vornherein zum Scheitern verurteilt. Diese wohlwollende Sichtweise generiert dadurch in gewisser Weise selber Enttäuschungen, die zu einer ablehnenden Sichtweise führen. Gleichzeitig bietet ein „finales Rettungskonzept“ als Allheilmittel auch die Möglichkeit, die „schwierigen Jugendlichen“ leichter zu versorgen und damit als Fälle zu „entsorgen“. Junge Menschen die Probleme haben, Probleme machen, also „Probleme sind“, werden behandelt wie andere Probleme auch. Wenn sie als gar nicht oder nur sehr schwer lösbar und „klärbar“ eingestuft werden, ist die Tendenz groß, sie zu verschieben. In einer krassen und überspitzten Formulierung werden junge Menschen wie menschlicher Abfall behandelt und auf See entsorgt, also verklappt. Beispiele dieser „sozialen Verklappung“150 gibt es auch in anderen Bereichen: Von den alten Menschen, die in Pflegeheimen mehr oder minder gut 145 Vgl.: Interview Piruzgar-Merkle, Vgl.: Kapitel 3.9 Vgl.: Bauer, Hans G., Annäherung an den Begriff „Moderne Erlebnispädagogik“, München 1995, S. 41 –in: Kölsch (Hrsg.), a.a.O., S. 37-53 147 wörtlich: letzte Vernunft, hier i.S. letzte Möglichkeit 148 Vgl.: Interview Niemeyer, a.a.O. 149 Bauer, Hans G., Innovation oder Verklappung?. Einige Anmerkungen zur Diskussion über erlebnispädagogische Projekte im Ausland, S. 16 –in: erleben & lernen, 1/1997, S. 14-17 150 Vgl.: ebd., S. 14ff 146 43 versorgt werden, um der „jugendlichen“ Spaßgesellschaft nicht mehr im Wege zu stehen, über die Obdachlosen, die nicht mehr in der Stadt betteln sollen, weil sie dadurch die Kundschaft von den feineren Geschäften abschrecken würden, bis eben zu „Problemkindern“. Dabei gibt es im Bereich der Jugendhilfe natürlich unterschiedliche Ausprägungen dieses Phänomens. Unterschieden werden sollte, ob das, was hier mit „Verklappung“ angedeutet wurde, bewusst oder unbewusst geschieht. In vielen Fällen ist ein bewusstes Verklappen um einer bequemen Entsorgung willen wohl eine übertriebene Unterstellung. Es ist ja häufig noch gut gemeint, wenn die „Mami ihr Kind zur Reparatur abgeben will“151. Als direkte Folge im Sinne eines pädagogischen Risikos ist die unter 3.4 als wichtig erarbeitete Freiwilligkeit der Teilnehmenden nicht mehr gegeben152 und die Gefahren einer „Totalen Institution“ vergrößern sich. Sinnvoll scheint in diesem Zusammenhang, bei etwaigen Vorgesprächen und Hilfeplangesprächen sehr „hellhörig“ zu sein, wer die Maßnahme wirklich will: Der junge Mensch tatsächlich selber oder doch die Fallzuständigen im Jugendamt und bei ehemaligen Einrichtungen oder die Eltern.153 Nicht übersehen werden sollte hier, dass dies bei den Anbietern von Segelprojekten möglicherweise nicht immer so genau beachtet wird. Eine Ablehnung eines Teilnehmers, in diesem Falle aufgrund der Unfreiwilligkeit, bedeutet schließlich diesen Platz zunächst nicht besetzt zu haben, was, wie noch zu zeigen sein wird, für das finanzielle Überleben wichtig sein kann. Weitergedacht ist sogar ein Anbieter möglich, der bewusst und wider besseres Wissen sich dafür anbietet und sozusagen den „Entsorgungsunternehmer“ spielt, der die Verklappung auf Kosten des jungem Menschen und der Qualität der pädagogischen Arbeit gerne durchführt. Wie klar wird, sind die Sichtweisen des „finalen Rettungskonzeptes“ und der „sozialen Verklappung“ Teilaspekte eines Aspektes, der gut als „Überfrachtung“ bezeichnet werden kann und der dazu beitragen kann, die Segelpädagogik zum kentern und sinken zu bringen. 4.2 Rechtliche Grundlagen Die wesentliche rechtliche Grundlage für soziale Arbeit mit Kindern und Jugendlichen bildet das Achte Buch Sozialgesetzbuch, das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG). Nach jahrzehntelanger Diskussion nahm 1988 ein Gesetz zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts die parlamentarischen Hürden. Inkrafttreten sollte das neue KJHG am 1. Januar 1991. Vereinigungsbedingt trat das KJHG in den neuen Ländern aber schon mit dem 151 Interview Piruzgar-Merkle, a.a.O. Vgl.: ebd. 153 Vgl.: Interview Piruzgar-Merkle, a.a.O. 152 44 Tag der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 in Kraft, in den alten Ländern dann wie geplant am 1. Januar 1991154. Damit „...wurde die mit der Novellierung des RJWG (Reichsjugendwohlfahrtsgesetz, d.A.) im Jahre 1961 eingeleitete Entwicklung von einem Ordnungsgesetz hin zu einem modernen Leistungsgesetz zementiert und weitgehend abgeschlossen.“155 Innerhalb des KJHG befasst sich ein erstes Kapitel mit allgemeinen Vorschriften. Hier im §1 Absatz 1 wird zunächst ein grundsätzliches Recht jedes jungen Menschen auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit konstatiert.156 Dadurch werden in gewisser Weise schon grundsätzliche Erziehungsziele festgelegt, nämlich Eigenverantwortlichkeit und Gemeinschaftsfähigkeit. Dazu sollen nach §1 Absatz 3 insbesondere die soziale Entwicklung gefördert und Benachteiligungen abgebaut werden. Die Eltern, denen nach §1 Absatz 2 zunächst das Recht auf die und die Pflicht zur Erziehung zukommen, sollen in der Erziehung beraten und unterstützt werden. Kinder und Jugendliche sollen vor Gefahren geschützt werden und es soll dazu beigetragen werden, dass die Bedingungen für eine gelingende Erziehung gut sind.157 Das KJHG unterscheidet in §2 bei den Aufgaben der Jugendhilfe zwischen Leistungen und sonstigen Aufgaben.158 Auf Leistungen haben die Bürgerinnen und Bürger einen Rechtsanspruch. Zu den anderen Aufgaben zählen hoheitliche und Kontrollaufgaben. Zu den Leistungen zählen auch die Hilfen zur Erziehung, die Eingliederungshilfen für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche und die Hilfen für junge Volljährige, aufgeführt im gleichlautenden vierten Abschnitt des zweiten Kapitels des KJHG mit entsprechenden Unterabschnitten159, die in der Mehrzahl der Fälle die rechtliche Grundlage längerfristiger Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen darstellen. Zu nennen ist hier besonders der §27, Hilfe zur Erziehung und dann in der Konkretisierung der §34, Heimerziehung und §35, Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung. Wobei der §35 meist nicht Grundlage der Maßnahme selber ist, aber häufig in der Nachbetreuung. Dementsprechend beziehen sich die Maßnahmen auf der ANNA-CATHARINA und der UNDINE bei den Hilfen zur Erziehung explizit auf die §§ 27 und 34.160 Vgl.: Deufel, Konrad, BEGRÜSSUNG, S. 26 –in: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Mehr Chancen für Kinder und Jugendliche. Stand und Perspektiven der Jugendhilfe in Deutschland. Veranstaltungsdokumentation. Band 2, Bonn 2000, S. 26-29 155 Gehrold, Stefan Dominik, Das Verhältnis zwischen Kommunen und Caritasverbänden bei der Wahrnehmung von Aufgaben nach dem Jugendhilferecht, Frankfurt am Main u.a. 1996, S. 5 156 Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kinder- und Jugendhilfe, a.a.O., S. 40 157 Vgl.: ebd., S. 40 158 Vgl.: ebd., S. 40 159 Vgl.: ebd., S. 40, S. 51ff 160 Vgl.: Gesellschaft für Jugend- und Familienhilfe e.V., a.a.O., S. 22 / Vgl.: Gangway e.V., 2002. Leistungsbeschreibung. Das Stufenbetreuungsmodell Gangways. Von intensiver Gruppenbetreuung in die Selbständigkeit, Hamburg 2002, unveröffentlicht, S. 4 154 45 Als Heimerziehung können solche Projekte angesehen werden, weil sie Erziehung über Tag und Nacht bieten und in einer Verbindung von Alltagsleben (durch die Längerfristigkeit sich einspielende Alltage) und pädagogischen und therapeutischen Angeboten die Entwicklung des Kindes dahingehend zu fördern versuchen, dass entweder eine Rückkehr zur Familie erreicht werden kann oder die Erziehung in einer anderen Familie vorbereitet wird. Eine auf längere Zeit im Sinne von auf Dauer angelegte Lebensform, wie es auch der §34 vorsieht, bieten Schiffsprojekte nicht.161 Da sich das Angebot auch an junge Volljährige richten kann, ist der §41, durch den einige Hilfen zur Erziehung, z.B. auch §34, auf junge Volljährige ausgedehnt werden können, als Ergänzung von Bedeutung.162 Weiterhin von Bedeutung kann ergänzend die §35a beschriebene Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche sein, die auch von einer Einrichtung über Tag und Nacht (also in Form von Heimerziehung) erbracht werden kann.163 Genannt werden möglicherweise im Zusammenhang der Eingliederungshilfen für seelisch Behinderte Kinder und Jugendliche auch die §§ 39, 40 und 100 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) oder zur Überwindung sozialer Schwierigkeiten der § 72 BSHG sowie zur Schaffung von Arbeitsgelegenheiten die §§ 19 und 20 BSHG. Auch jugendrichterliche Weisungen im Sinne der §§ 10 und 12 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) können zusätzliche Grundlage sein.164 In diesem Fall ist die in Kapitel 3.4 als wichtig erachtete Freiwilligkeit nicht gewährleistet. Bezogen auf das KJHG kann diese in Ansätzen bzw. als rechtlich gesichert gelten durch das in § 5 KJHG den Leistungsberechtigten, also Eltern und Kindern grundsätzlich gewährte Wunschund Wahlrecht hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe165. Den Wünschen bzw. der Wahl soll dabei entsprochen werden, wenn keine unverhältnismäßigen Mehrkosten entstehen. Ergänzend dazu ist im §36 eine Aufklärung über die Folgen und Auswirkungen der Hilfen festgeschrieben und dass ein Hilfeplan, an dem Fachleute und Leistungsempfänger mitwirken, aufgestellt wird, wobei Bedarf, Art und Umfang der Hilfe festgehalten wird.166 Zum Schutz vor Gefahren, wie es das KJHG wie eben angedeutet verlangt, kann es nötig sein, Kinder und Jugendliche auch gegen den Willen der Eltern in Obhut zu nehmen (§ 42) oder von einer anderen Person (als den Personensorgeberechtigten) oder Institution zu entfernen (§ 43, Herausnahme), auch ohne die Zustimmung des Personensorgeberechtigten, um es anderweitig 161 Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kinder- und Jugendhilfe, a.a.O., S. 53 162 Vgl.: ebd.; S. 58 / Vgl.: Gangway e.V., a.a.O., S. 4 / Vgl.: Gesellschaft für Jugend- und Familienhilfe e.V., a.a.O., S. 22 163 Vgl.: ebd., S. 22 / Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kinderund Jugendhilfe, a.a.O., S. 54 164 Vgl.: Gesellschaft für Jugend- und Familienhilfe e.V., a.a.O., S. 22 165 Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kinder- und Jugendhilfe, a.a.O., S. 41 166 Vgl.: ebd., S. 55 46 unterzubringen.167 Auch in solchen Fällen wäre die Unterbringung auf einem Schiff denkbar, aber meist nicht sinnvoll. Schiffsprojekte sind auf Längerfristigkeit angelegt; Inhobhutnahme und Herausnahme haben eher den Charakter einer kurzfristigen Intervention, nach der erneut entschieden werden muss. Schwierigkeiten entstehen bei der grundsätzlich gesetzlich vorgeschriebenen Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung (§45), wenn sich diese im Ausland befindet. Selbiges gilt bzgl. der für die Erteilung der Erlaubnis vorgeschriebenen Prüfung vor Ort.168 Die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben, zu denen diese Kontrollaufgabe als andere Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe gehört, endet mit dem Geltungsbereich des Grundgesetzes also an den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland. Keine deutsche Behörde kann den Betrieb einer Einrichtung beispielsweise in Spanien untersagen. Für den Betrieb einer Einrichtung sind statt dessen die dortigen Bestimmungen zu beachten. So können tatsächlich Auslandsprojekte von Deutschland aus nicht kontrolliert werden, was möglicherweise zu beklagen ist. Es besteht natürlich die Möglichkeit, zweifelhafte Einrichtungen nicht mehr zu besetzen. Bei 653 Jugendämtern in der Bundesrepublik könnte ein zweifelhafter Träger aber durchaus noch recht lange erfolgreich um Besetzung werben. Abhilfe könnte hier Kommunikation zwischen und mit den Jugendämtern und Landesjugendämtern schaffen. Gesammelt werden könnten Erfahrungen mit verschiedenen Einrichtungen z.B. in Form eines Schwarzbuches bzw. andersherum in Form eines Positivkatalogs. Für die Seefahrt selber gibt es natürlich auch Regeln und gesetzliche bzw. gesetzartige Vorschriften. So werden die Kollisionsverhütungsregel, in denen Befeuerung (Beleuchtung) der Schiffe, Ausweich- bzw. Vorfahrtsregeln usw. festgehalten sind, als internationales Seerecht ergänzt durch nationale Gesetze wie etwa die deutsche Seeschifffahrtsstraßenordnung. Diesen Bereich zu vertiefen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Angemerkt sei noch, das wesentliche Sicherheitsaspekte, wie z.B. die Mindestqualifikation der Schiffsführerin oder des Schiffsführers, sich ableiten aus Versicherungsanforderungen und Standards. So richtet sich die ANNA-CATHARINA u.a. am höchsten Sicherheitsstandard, der ständig aktualisierten Klasse 100 A5 des Germanischen Lloyds aus.169 4.3 Gibt es noch „genügend“ junge Menschen in psychosozialen Notlagen, für die längerfristige Segelprojekte sinnvoll sind? – Zielgruppe(n) II Wird die Frage untersucht, ob es Zielgruppen, wie sie unter Kapitel 3.9 beschrieben sind, in genügendem, also auch finanziell relevantem Umfang gab 167 Vgl.: ebd., S. 59f Vgl.: ebd., S. 61f 169 Vgl.: Gesellschaft für Jugend- und Familienhilfe e.V., a.a.O., S. 24 168 47 oder gibt, besteht zunächst das Problem, dass Daten über junge Menschen, so wie sie dort beschrieben sind, nirgendwo aufgeschlüsselt und statistisch erhoben wurden. Aus diesem Grund scheint es sinnvoll, zunächst nicht-quantitative und danach in Anlehnung an die rechtlichen Grundlagen quantitative Aussagen heranzuziehen, um möglicherweise auch einen zeitlichen Verlauf zu skizzieren. Vorweg folgende Feststellung: Da bis zum Anfang der 90er Jahre die Anzahl der Projekte größer wurde, ist davon aus zugehen, dass, wenn vielleicht nicht für alle, zumindest für einige Projekte „ein Markt“, d.h. eine relevante Zielgruppe vorhanden war. Im Achten Jugendbericht von 1990 heißt es, dass 1985 ca. 10 Prozent der etwa 8,9 Millionen Kinder unter 15 Jahren, also etwa 890.000 Kinder mit nur einem Elternteil, meist der Mutter, zusammenleben. Weiter ca. 10 Prozent, also wieder 890.000 Kinder dieser Altersstufe leben in Stieffamilien.170 Der Verlust eines (leiblichen) Elternteils, wie er bei diesen 1.780.000 Kindern häufiger der Fall sein wird, dürfte psychosoziale Notlagen eher befördern. Da besonders alleinerziehende Mütter zu einem größeren Prozentsatz erwerbstätig sind, bzw. sein müssen, entstehen „...Abstimmungsprobleme zwischen den Zeitstrukturen der Kinderbetreuung..., der Erwerbsarbeit und der Familie“171 zusätzlich zu den eingeschränkten ökonomischen Lebensbedingungen.172 „Verwahrlosungen“ sind dadurch zwar nicht „vorprogrammiert“, werden aber wahrscheinlicher. „In den Bedingungskonstellationen, unter denen Kinder und Jugendliche heute (1990, d.A.) aufwachsen, sind zugleich auch Widersprüche, Unsicherheiten und Gefahren enthalten. Diese können zu Schwierigkeiten und problematischen Bewältigungsformen belastender Lebensbedingungen beitragen und machen besondere Unterstützungsleistungen notwendig“ 173 Der Gebrauch von (illegalen) Drogen stagnierte 1990 auf hohem Niveau und die Anzahl registrierte tatverdächtiger Jugendlicher ging seit 1984 teilweise leicht zurück.174 Der 9. Jugendbericht von 1994 befasste sich schwerpunktmäßig mit der Situation von Kindern und Jugendlichen in der ehemaligen DDR bzw. in den fünf neuen Ländern.175 Dennoch kommt er für Gesamtdeutschland zu dem Schluss, dass die Sozialisationsbedingungen junger Menschen immer prekärer werden. Von sozioökonomischen Risiken und biographischen Wechselfällen mit den 170 Vgl.: Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, Achter Jugendbericht. Bericht über die Bestrebungen und Leistungen der Jugendhilfe, Bonn 1990, S. 13 171 (Vgl.:) ebd., S. 13 172 Vgl.: ebd., S. 13 173 ebd., S. 15 174 Vgl.: ebd., S. 15 175 Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Neunter Jugendbericht. Bericht über die Situation der Kinder und Jugendlichen und die Entwicklung der Jugendhilfe in den neuen Bundesländern, Bonn 1994, S. 13 48 möglichen Folgen krisenhafter Lebenslagen und „abweichenden“ Verhaltens sind nicht mehr nur Randschichten betroffen, sondern es kann „...prinzipiell jeden treffen.“176 Aus dem Mikrozensus von 1995 geht hervor, dass in den neuen Bundesländern 75,4 Prozent der Nicht-Volljährigen bei ihren miteinander verheirateten leiblichen Eltern leben, in den alten Ländern 83,6 Prozent. Zusammen mit den 5,2 Prozent der Nicht-Volljährigen im Osten und den 2,0 Prozent im Westen, die mit beiden Eltern in nicht-ehelicher Lebensgemeinschaft leben, leben in den neuen Bundesländern 80,6 Prozent und in den alten Bundesländern 85,6 Prozent der Nichtvolljährigen mit beiden Eltern zusammen.177 Falls die Untersuchungen vergleichbar wären, könnte eine Verbesserung der o.g. Situation von 1985 (im achten Jugendbericht) eingetreten sein, die möglicherweise i.S. eines geringeren Bedarfs auch weniger notwendige Hilfen nach sich ziehen würde. Trotz allem spricht der zehnte Kinder- und Jugendbericht von 1998 von einer Zunahme von Einelternfamilien178 und von einer hohen Erwerbstätigkeit von Müttern179. Laut einer Untersuchung von Zinnecker u.a. (1996) ließen die Aussagen von etwa einem Viertel der 10-13jährigen Befragten auf ernste Konflikte und Kommunikationsstörungen im Verhältnis zu den Eltern schließen.180 Im zehnten Kinder- und Jugendbericht von 1998 ist darüber hinaus von einer beachtlichen Anzahl von Kindern, die keine sicheren Beziehungen zu ihren engsten Bezugspersonen, z.B. den Eltern finden, die Rede.181 Eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Eltern sei nicht in der Lage für ihre Kinder angemessen zu sorgen.182 Viele Eltern erzögen ihre Kinder in einem autoritärkontrollierenden, gleichgültigen, vernachlässigenden oder inkonsistenten Stil.183 Der zehnte Kinder- und Jugendbericht fordert(,) ein breites Spektrum an differenzierten Hilfen (zu entwickeln).184 Im elften Kinder- und Jugendbericht von 2002 ist noch von einer Ausweitung ökonomischer und sozialer Notlagen die Rede.185 Wie im vorigen Unterkapitel beschrieben, kann als die hauptsächliche rechtliche Grundlage innerhalb der Hilfen zur Erziehung der §34 KJHG, in dem 176 ebd.; S. 582 Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Zehnter Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation von Kindern und die Leistungen der Kinderhilfen in Deutschland, Bonn 1998, S. 25ff 178 Vgl.: ebd., S. 27 179 Vgl.: ebd., S. 31 180 Vgl.: ebd., S. 28 181 Vgl.: ebd., S. 28 182 Vgl.: ebd., S. 31 183 Vgl.: ebd., S. 28 184 Vgl.: ebd., S. 251 185 Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Elfter Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinderund Jugendhilfe in Deutschland, Berlin 2002, S. 138 177 49 „Heimerziehung und sonstige betreute Wohnform“ geregelt ist, genannt werden. Vom Statistischen Bundesamt wird in der Statistikreihe „Jugendhilfe – Erzieherische Hilfen außerhalb des Elternhauses“ noch unterdifferenziert nach verschiedenen Wohnformen in Heim, selbständige Jugendwohngemeinschaften und Betreuung in eigener Wohnung.186 Eine Kategorie „besondere Betreuungsformen“, zu denen auch Betreuung auf Segelschiffen zählen könnte, oder sogar eine Kategorie „Betreuung auf Segelschiffen“ ist hier – obwohl wünschenswert – nicht zu finden.187 Trotzdem lässt sich sagen, dass die Zielgruppe junger Menschen in psychosozialen Notlagen, für die ein längerfristiges Segelprojekt „sinnvoll und notwendig“ sein kann aufgrund der juristischen Subsummierung unter dem §34 KJHG und dem Ausschluss der Wohnformen „Jugendwohngemeinschaft“ und „Eigene Wohnung“ für diese Statistik neben anderen wohl unter der Wohnform „Heim“ zu finden ist. Wäre ein drastischer Rückgang zu verzeichnen, läge es nahe, dass auch weniger junge Menschen aus der Kategorie „Heim“ für längerfristige Segelprojekte in Frage kämen. Als mehr als ein Indiz ist die statistische Entwicklung in der „Wohnform Heim“ allerdings nicht zu werten, da Verschiebungen innerhalb der Kategorie nicht berücksichtigt werden. Ferner käme die Untersuchung der tatsächlich durchgeführten Hilfen zur Feststellung der Größe der Zielgruppe einem Zirkelschluss gleich. In diesem Sinne ist innerhalb der Kategorie „Wohnform Heim“ auch möglicherweise nicht die komplette Zielgruppe enthalten. Auch an der allgemeinen Genauigkeit der Statistik ist wohl zu zweifeln. So gibt es erhebliche Differenzen zwischen den jeweiligen Beständen am Jahresende und dem rechnerischen Saldo aus dem Bestand des Vorjahres addiert mit den begonnenen Hilfen und subtrahiert um die beendeten Hilfen eines Jahres.188 Für beide statistischen Entwicklungsverläufe, für die Fortschreibung des Bestandes vom 01. Januar 1991 mit begonnenen und beendeten Hilfen und die Entwicklung der Bestände, ist jedoch zwischen 1991 und 1998 ein Anstieg zu verzeichnen und zwar sowohl für die übergeordnete Kategorie „Heimerziehung / sonstige betreute Wohnform“ als auch für die Unterkategorie der Unterbringung in einem Heim. Werden jeweils aus diesen Gruppen nur die männlichen jungen Menschen betrachtet, weil sie häufiger als die weiblichen jungen Menschen auf Segelschiffen189 betreut werden, ist die Steigerung ähnlich groß. Für alle acht Möglichkeiten der Betrachtung (Heimerziehung / sonstige betreute Wohnform und Wohnform Heim, Bestände und Fortschreibung, männlich und weiblich und Vgl.: Statistisches Bundesamt, Fachserie 13: Sozialleistungen. Reihe 6.1.2 Jugendhilfe – Erzieherische Hilfen außerhalb des Elternhauses, Stuttgart 1993-2000 187 Vgl.: Blandow, Jürgen, Hilfen zur Erziehung außerhalb des Elternhauses. Stationäre Erziehungshilfen auf dem statistischen Prüfstand, Neuwied Kriftel Berlin 1997, S. 29f –in: Rauschenbach, Thomas, Schilling, Matthias (Hrsg.), Die Kinder- und Jugendhilfe und ihre Statistik. Band II: Analysen, Befunde und Perspektiven, Neuwied Kriftel Berlin 1997, S. 15-86 188 Vgl.: ebd., S. 32f / siehe Anhang III.1 Tabelle 3 189 Auf der UNDINE werden z.B. nur Jungen aufgenommen. 186 50 nur männlich) ist bis auf einen deutlichen Einbruch von 1995 auf 1996 eine Steigerung zu sehen.190 Es ist jedoch sicherlich eine Altersgrenze zu ziehen, ab wann ein längerfristiges Segelprojekt sinnvoll ist. Auf der UNDINE wird das Alter der Zielgruppe mit 1417 Jahren angegeben, auf der ANNA-CATHARINA mit 14-21.191 In der Statistik des statistischen Bundesamtes ist jedoch keine Altersgruppe der 14jährigen oder 14-...jährigen aufgeführt, sondern eine Altersgruppe der 12-15jährigen. Als den Alter nach interessante Zielgruppe wird nun hier die Gruppe der 12-21jährigen angenommen, in der sich bezogen auf die Wohnform Heim – sowohl bei männlichen und weiblichen als auch nur bei männlichen jungen Menschen – zwischen 1991 und 1998 eine leichte Steigerung ergeben hat, von kleineren Schwankungen nach unten abgesehen. Eine sehr deutliche Steigerung hat sich jedoch für die gleichen Alters- und Geschlechtsgruppen in Bezug auf „Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung (ISE)“ ergeben.192 ISE-Maßnahmen können in gewisser Weise als „Konkurrenz“ zu Segelprojekten gesehen werden, weil auch hier junge Menschen in besonderen, schwierigen Situationen, also in psychosozialen Notlagen Zielgruppe sind. Die Vermutung liegt nahe, dass die mögliche(n) Zielgruppe(n) eher größer geworden sind. Nicht-quantitative bzw. ungenau quantitative Aussagen zeichnen das Bild einer Verschärfung und einer Vermehrung der unter Kapitel 3.9 indizierten Problemlagen. Die an die rechtlichen Grundlagen angelehnte Statistik zeigt eine Zunahme der Fallzahlen. 4.4 Wahrnehmung in der Öffentlichkeit Wird die Wahrnehmung längerfristiger Segelprojekte in der Öffentlichkeit betrachtet, so ist zunächst festzustellen, dass die Berichte in der Presse in den 80er Jahren noch von einer ausgesprochen positiven Bewertung der Projekte geprägt waren. Soziale Arbeit auf Segelschiffen war noch jung. 1974 fing das evangelische Jugenddorf Rendsburg mit Segelaktivitäten an. Zu der Zeit wurde Erlebnispädagogik nahezu ausschließlich mit Segeln in Verbindung gebracht.193 Segeln galt als innovativ und erfolgversprechend, wenn es auch schon damals nicht ganz unumstritten war. Zweifel bezogen sich darauf, dass andere Interessen als pädagogische im Vordergrund standen, z.B. die Pflege historischer Schiffe.194 Die Projekte fanden in erster Linie auf Nord- und Ostsee statt. 190 Siehe Anhang III.1 Tabelle 3 Vgl.: Gangway e.V., a.a.O., S. 6 / Vgl. Gesellschaft für Jugend- und Familienhilfe e.V., a.a.O., S. 3 192 siehe Anhang III.2 Tabelle 4, Anhang III.3 Tabelle 5 193 Vgl.: Fischer, Ziegenspeck, a.a.O., S. 268 194 siehe Anhang IV / Vgl.: Der Spiegel, Unternehmen „Outlaw“: Pädagogik unter Segeln, Heft 46/1982, S.121 191 51 1994 wurde dann im Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler unter dem Titel „Öffentliche Extratouren – Kostspieliges auf Steuerzahlerkosten“ ein Bericht aus Schleswig-Holstein veröffentlicht, in dem „Segeltouren auf Windjammern...“ und andere erlebnispädagogische Projekte massiv angeprangert werden. Sie seien ein „unschlagbares Angebot...an schwererziehbare Jugendliche“, die dort „umhegt und betreut“ werden, „rund um die Uhr und vor allem kostenlos“. Es tauchen Begriffe wie „Kreuzfahrt“ auf und die Frage ob „Resozialisierung und Sühne“ nur so zu erreichen seien. Der Artikel endet mit dem Satz: „Die Mehrzahl aller Steuerzahler wird sich ein Leben lang vom eigenen sauer verdienten Geld Argentinien als Urlaubsziel nicht leisten können.“195 Dieser Artikel ist damit von den Artikeln, die für diese Arbeit vorlagen, nur der erste, der in Richtung sinnloser Verschwendung von Steuergeldern, Belohnung anstelle einer Strafe und Benachteiligung des Normalbürgers, der sich so etwas nicht leisten kann, geht. Wie es zu solchen Berichten kommt, ist in einem Artikel der Welt am Sonntag (WamS) nachzulesen: Ein Bürger hatte einen WamS-Artikel, der von einem „...13jährigen Deutschen, der mit einem Sozialarbeiter auf Staatskosten nach Neuseeland gereist war und dort wieder zum einschlägigen Dieb wurde (WamS v. 13. März 1994)“ berichtete und in dem diese Reise ein „kostspieliges pädagogisches Fiasko“ genannt wurde, an den Bund der Steuerzahler übergeben.196 Besonders hervorgehoben werden kann hier der Artikel „Kamelritt ins Glück“ in der Spiegel-Ausgabe 36/1996. Der Spiegel ist deshalb hervorzuheben, weil er eine über regionale und Milieugrenzen hinweg große Reichweite hat und dadurch auch, wie schon häufig zu sehen, über große politische Durchschlagskraft verfügt – erinnert sei hier an die Spiegel-Affäre des Franz-Josef Strauß. In dem Artikel ist von bis zu 12 000 D-Mark pro Monat teuren Maßnahmen von mitunter dubiosen Vereinen mit häufig überforderten Betreuern die Rede. In einigen Fällen werde auf diese Weise die nachfolgende Rück- bzw. Straffälligkeit mitfinanziert. Es fällt der Satz: „Wenn Pauschalurlauber auf Gomera vom Ufer aus zusehen müssen, wie deutsche Crash-Kids auf einer Jacht vorbeirauschen, dann wirft das die Frage auf, ob Verbrechen sich doch lohnt – insbesondere, wenn die Kinder nach der Rückkehr wieder Autos klauen und zu Schrott fahren.“197 Der Artikel beginnt mit einer Beschreibung einer intensiven Maßnahme für zwei Mädchen in Neuseeland, die „gründlich schief“ ging.198 Eines der Mädchen, in dem Artikel „Jennifer, 15,“ habe sich in Neuseeland weiterhin, wie schon vorher in Deutschland, prostituiert siehe Anhang IV / Präsidium des Bundes der Steuerzahler e.V. – Wiesbaden (Hrsg.), DIE ÖFFENTLICHE VERSCHWENDUNG. Ein Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler. XVI. Ausgabe. Bonn 1993 –hier zitiert nach: Zeitschrift für Erlebnispädagogik, a.a.O., Heft 1/1994, S. 58 196 siehe Anhang IV / Vgl.: Kummer, Jochen, Steuergelder für Weltreisen krimineller Jugendlicher, Welt am Sonntag 17.07.1994 197 siehe Anhang IV / Der Spiegel, Kamelritt ins Glück, S. 143 -in: Ausgabe 36/1996, S.142-151 198 ebd., S. 142 195 52 und „...verschwand Nacht um Nacht mit fremden Männern.“199 Geschäftemacherei wird dem Trägerverein dieser Maßnahme, dem Kinder- und Jugendhilfe-Verbund e.V. (KJHV) in Kiel, vorgeworfen, wie auch in einigen anderen regionalen Zeitungen.200 Der vormalige Vorsitzende des Bundesverbandes Erlebnispädagogik e.V. (BE), Prof. Jörg Ziegenspeck, wird zitiert mit dem Begriff „Sozialmafia“, deretwegen er den Vorsitz im BE aufgegeben habe, weil er „...die Geschäfte auf dem Rücken der Kinder nicht verantworten“ könne.201 In einigen Leserbriefen und Stellungnahmen wird dem Spiegel bzgl. dieses Artikels Unseriosität, Populismus und unsaubere Recherche vorgeworfen, z.B. vom damaligen BE-Vorsitzenden und Ziegenspeck-Nachfolger Hans G. Bauer und vom KJHV.202 Die in dem Artikel Jennifer genannte weist die Behauptung, sie habe sich jemals prostituiert, weit von sich und ist dankbar für die Neuseelandreise. Sie sei auf einem guten Weg. Prof. Jörg Ziegenspeck stuft den KJHV als seriös ein. Einige weitere Artikel zeichnen ein negatives Bild der auf Auslandsreisen und längerfristige Projekte, u.a. Segelprojekte, verkürzten Erlebnispädagogik. So weiß etwa der Spiegel wieder in seiner Ausgabe 3/1997 von weiteren Skandalen und Geschäftemachereien zu berichten und schreibt, bezugnehmend auf den Artikel Kamelritt ins Glück: „Die umstrittene Erlebnispädagogik gerät tiefer in die Kritik...“203 Hier wird nicht der Kreuzfahrt-, Urlaubs- und Freizeitgedanke in den Fordergrund gestellt, sondern das Gegenteil. Bei Heinz-Jürgen Geißelmann, der in der Karibik in der Dominikanischen Republik für das Institut für Außerschulisches Lernen und Erlebnispädagogik e.V. (ALEP) ein Pädagogisches Projekt betreut, müssten die Teilnehmenden 8 Stunden täglich im Straßenbau arbeiten, bekämen nicht genügend Nahrung, dafür aber Prügel, so berichtet ein Rückkehrer von dort.204 Etwa zur gleichen Zeit erregt in Berlin der Fall Daniel großes Aufsehen. In der Berliner Zeitung erschienen zwischen 15. und 18 Januar 1997 täglich ein oder mehrere Artikel über den Fall. Am 15. und 16. wird es so dargestellt, dass Daniel, der beteiligt war, als ein Obdachloser von vier Jugendlichen fast zu Tode gesteinigt worden war, zum „Strafurlaub“ in die Karibik, und zwar zu eben jenem Heinz-Jürgen Geißelmann, geschickt wurde. Die Ausgabe vom 15. zeigt ein Foto von Daniel, der am Strand tanzt und ist unterschrieben mit „Auf unsere Kosten tanzt er in der Karibik.“205 199 ebd., S. 142 siehe Anhang IV 201 siehe Anhang IV / Vgl. Kamelritt ins Glück, a.a.O., S. 148 202 siehe Anhang IV 203 siehe Anhang IV / Der Spiegel, Straßenbau und Prügel, S. 48 –in: Der Spiegel, Ausgabe 3/1997, S. 48-50 204 Vgl.: ebd., S. 48ff 205 siehe Anhang IV 200 53 In der Ausgabe des Tagesspiegel Berlin vom 16.01.1997 ist dann zu lesen, der Spiegel habe für seinen Artikel Geißelmann nicht selber gefragt. Das Bild des tanzenden Daniel ist entstanden, weil der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) Daniel mit dem Auto zum Strand gebracht habe. Geißelmanns Projekt befinde sich im Landesinneren.206 Die TZ München schreibt am 11.07.1997, ein 13jähriger, „Bayerns bösester Bube darf zur Strafe in die Ferien“ und sich dabei auch noch aussuchen, ob er lieber nach Spanien oder Griechenland möchte. Andere müssten für die Ferienparadiese, in die schwerkriminelle Jugendliche geschickt werden, viel Geld bezahlen. Für die Berliner Morgenpost steht am 17.09.1996 fest, die „,Erlebnispädagogik’ auf Kosten der Berliner Steuerzahler“ ist teuer und noch nicht einmal erfolgreich.207 So titelt auch die Mittelbayrische Zeitung am 19.01.1998 „Teure Erlebnispädagogik: Trotz Schiffahrt für 50 000 Mark weiter geklaut“. 208 Die Westdeutsche Zeitung fragt am 22.09.1998, ob schwererziehbare oder gar kriminelle Jugendliche nicht belohnt werden, wenn sie auf ein Segelschiff geschickt werden.209 Sicherlich gibt es auch immer wieder positive Darstellungen von erlebnispädagogischen oder spezieller segelpädagogischen Langzeitprojekten, z.B. im Südkurier über die ANNA-CATHARINA, bei der eine Maßnahme mit 80.000 DM zwar teuer aber effektiv sei und die bei Behörden auf Vorurteile stoße.210 Über die Undine gibt es mindestens zwei längere Berichte: In Szene Hamburg 1/1996 ist ein längerer Bericht über die UNDINE. Hier werde harte Arbeit, sowohl pädagogische als auch von den Jungen – auf der UNDINE werden nur Jungen aufgenommen211 - geleistet und sie sei erfolgreich.212 Sehr ähnlich ist der Bericht in Spiegel spezial 12/1997.213 Die Flensburger Nachrichten berichten am 08.11.1995 von der Rückkehr der CHARLOTTE und schätzen den Erfolg als hoch ein. 80% der Jugendlichen seien nach dem Projekt nicht mehr straffällig.214 In der Süddeutschen Zeitung vom 20.07.1996 findet sich ein Bericht der dem Schiffsprojekt NORA eine hohe Erfolgsquote attestiert.215 Die positiven Artikel sind aber meist kürzer und nicht so groß aufgemacht. Die hier genannten negativen Artikel sind nicht immer komplett sauber recherchiert. Interessanterweise weiß der Spiegel in seiner Ausgabe 29/1994 davon zu berichten, dass Horrorgeschichten in der Jugendszene teilweise von Journalisten gestellt werden. Möglicherweise lassen sich „Skandale“ besser verkaufen bzw. 206 siehe Anhang IV / Der Tagesspiegel Berlin 16.01.1997 siehe Anhang IV / Vgl.: Berliner Morgenpost 17.09.1996 208 siehe Anhang IV / Mittelbayrissche Zeitung 19.01.1998 209 siehe Anhang IV / Vgl.: Westdeutsche Zeitung 22.09.1998 210 siehe Anhang IV / Vgl.: Südkurier 17.11.1995 211 siehe Anhang IV / Vgl.: Interview Arp, Günther 212 siehe Anhang IV / Vgl.: Szene Hamburg 1/1996, S. 19-21 213 siehe Anhang IV / Vgl.: Spiegel special 12/1997, S. 34-39 214 siehe Anhang IV / Vgl.: Flensburger Nachrichten 08.11.1995 215 siehe Anhang IV / Vgl. Süddeutsche Zeitung 20.07.1996 207 54 sind nur schlechte Nachrichten gute Nachrichten. „Stories“ müssen, um gut verkauft werden zu können, sensationsträchtig genug sein. Auf eben die Verkaufbarkeit sind freie Journalisten, und um diese handelt es sich im Wesentlichen im Zusammenhang erlebnispädagogischer Auslandsprojekte, angewiesen.216 Wenn nun die Erwartung, eine sensationelle Story vorzufinden, enttäuscht wird, liegt es nahe, die Realität ein wenig zu manipulieren und z.B. Aussagen aus dem Zusammenhang zu reißen, Sachverhalte zu manipulieren, wie im Fall Daniel geschehen, oder entlassene Mitarbeiter zu interviewen, die aufgrund der Differenzen mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber ein Interesse daran haben, die geleistete Arbeit nachträglich zu diskreditieren217, wie z.B. möglicherweise im Fall der Vorwürfe der Familie Ladewig gegen den KJHV.218 In diesen negativen Artikeln wird an Beispielen die gesamte Erlebnispädagogik – verkürzt auf längerfristige Projekte besonders im Ausland – als ganzes in Verruf gebracht. Das, selbst bei sauberer journalistischer Arbeit, besonders obskure Projekte, Fehlschläge und Schiebereien herausgestellt wurden, hat zur Konsequenz, dass seriös Anbieter, die fundierte Arbeit leisten, in Mitleidenschaft gezogen wurden.219 Für längerfristige Segelprojekte wird ein Bild erzeugt, kriminelle und abweichende junge Menschen würden für ihre Verfehlungen mit Luxuskreuzfahrten auf Kosten des kleinen Steuerzahlers, der sich das selber nie leisten könnte, belohnt und ließen sich von den Betreuenden wie von Stewards und Stewardessen verwöhnen. Die Betreuenden ihrerseits bereicherten sich auf Staatskosten und finanzierten so ihre Träume.220 Positive Artikel ziehen kaum Reaktionen nach sich, die Reaktionen auf negative Berichterstattung sind vielfältig. Als teilweise noch im Rahmen der Berichterstattung zu betrachten, selbst wenn sie in diesen Zeitungen noch klar abgetrennt sind, sind zu den Artikeln gehörige Kommentare. In diesen werden längerfristige Maßnahmen als zu teuer und Belohnung für kriminelle Jugendliche abgelehnt und härter Strafen gefordert. In der WZ wird in diesem Zusammenhang eine sicherlich billigere „ordentliche Tracht Prügel – notfalls mehrfach“ ins Gespräch gebracht.221 Rückschläge werden als „Anlaß..., endlich umzudenken“222 betrachtet. 216 Vgl.: Pfalz, Helmut, Anmerkungen zur Medienberichterstattung über erlebnispädagogische Maßnahmen im Ausland. Eine Stellungnahme zu dem Artikel von Michael Kneissler, wie er im Heft 10 / 11 – 95 der „Zeitschrift für Erlebnispädagogik“ unter der Überschrift „Deutsche Heimkinder im Ausland“ nachgedruckt ist, Lüneburg 1995, S. 75 –in: Zeitschrift für Erlebnispädagogik 12/1995, S. 75-79 217 Vgl.: ebd.; S. 76 218 siehe Anhang IV 219 Vgl.: Albrecht, Hergen, Auf der Flucht. Anmerkungen zu einem Trend, Lüneburg 1997, S. 5 – in: Zeitschrift für Erlebnispädagogik 3/1997, S. 5-8 220 Vgl.: Interview Piruzgar-Merkle, a.a.O. 221 siehe Anhang IV / WZ 26.06.1998 222 siehe Anhang IV / LZ 01.07.1998 55 In einigen Fällen versuchen die betroffenen Träger mit Stellungnahmen sachlich Falsches aus den Artikeln richtig zu stellen, wie z.B. der KJHV. Der Bundesverband oder andere natürliche und juristische Personen wenden sich in Leserbriefen gegen Pauschalverurteilungen und weisen auf unsachgemäße Darstellungen hin223. Als möglicherweise berechtigt empfundene Kritik kann aufgenommen werden, z.B. wollte ALEP nach Kritik an Auslandsprojekten auch ein Projekt in der Nähe von Berlin anbieten224. Eine Besondere Initiative ist hier zu nennen: Um die sinnvolle Auswahl von Projekten zu unterstützen und die aufgrund der im vorigen Unterkapitel erwähnten mangelnden behördlichen Kontrolle möglichen „Schwarzen Schafe“ auszuschließen, schlug der Bundesverband Erlebnispädagogik im April 1995 die Einführung eines Gütesiegels vor.225 Die Reaktionen aus der Politik können sehr unterschiedlich sein und lassen sich unterteilen in sehr zeitnahe Reaktionen und längerfristigere. Als sehr zeitnahe Reaktion ist der kurz nach Bekanntwerden des „Falls Daniel“ gefasste Beschluss der Bezirksverordneten-Versammlung Tempelhof, keine Jugendlichen mehr ins Ausland zu schicken, zu werten.226 Zuvor war es aber im Berliner Senat zu einem „Streit um Erziehung in der Karibik“227 gekommen. Sozialsenatorin Stahmer (SPD) verteidigte die Maßnahme des Jugendamtes Tempelhof, während die Union dies als skandalös bezeichnete und Erziehungsaufenthalte in Brandenburg forderte. Die Meinungen können aber auch über Parteigrenzen hinweg gleich und innerhalb der Parteien unterschiedlich sein. So verteidigte Hanna Hunsinger, Abgeordnete für die FDP im Kreistag Oberursel „die sogenannte Erlebnispädagogik“ als sinnvoll gegenüber ihre Parteikollegin und hessischen Landtagsabgeordneten Dorothea Henzler, die in einer Resozialisierungsmaßnahme auf einem Schiff in Italien leichtfertigen Umgang mit Steuermitteln sah. In der dortigen CDU gab in diesem Zusammenhang ähnliche Differenzen.228 Auch auf Länder- und Bundesebene scheint es auch ohne direkten Bezug auf bestimmte Fälle Reaktionen gegeben zu haben. So spricht sich der damalige Bundesjustizminister Schmidt-Jortzig 1997 gegen Erlebnispädagogik aus und hält geschlossenen Unterbringung für denkbar.229 1998 hält er sie sogar für nötig230 ebenso wie der damalige Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) und einige Länderinnenminister auch aus der SPD231. Bayern beantragt angesichts der neuen Kriminalstatistik, in der ein Anstieg der Gewalt Jugendlicher verzeichnet ist, 1998 223 siehe Anhang IV siehe Anhang IV / Vgl.: Berliner Zeitung 17.01.1997 225 siehe Anhang IV / Vgl.: Süddeutsche Zeitung 25.04.1995 / Vgl.: Rheinische Post 26.04.1995 226 siehe Anhang IV 227 siehe Anhang IV / Berliner Morgenpost 17.01.1997 228 siehe Anhang IV / Vgl.: Taunuszeitung 15.03.1997 229 siehe Anhang IV / Hannoversche Allgemeine Zeitung 230 siehe Anhang IV / Vgl.: http:// www.taz.de/~taz/980703.taz/ta_T980703.43.html 03.07.1998 231 siehe Anhang IV / Vgl.: tageszeitung 26.02.1998 224 56 höhere Strafen für Jugendliche.232 Auch der Hamburger Richterverein fordert „geschlossene Heime für junge Kriminelle“233 und der Bundesgerichtshof „fordert härtere Strafen für junge Gewalttäter“234. 1999 denkt auch die damalige GrünenSprecherin Röstel über die Möglichkeiten geschlossener Heime nach, die die Grünen ablehnen.235 Auch bei Experten scheint sich die Meinung zu wandeln. Im Stern vom 03.04.1996 stellt der Kriminologe Christian Pfeiffer fest, dass ein Segeltörn oft erfolgreicher und billiger ist, als Wegsperren236 und ist dann im folgenden Jahr in einem Interview mit Spiegel spezial skeptisch bezüglich der Kosten-NutzenRelation eines Segeltörns. Der Spiegel habe ja zurecht einige Missstände aufgedeckt.237 Möglicherweise ist es durch diese und andere Berichte zu einer „Marktbereinigung“ gekommen, weil einige wirkliche Missstände aufgedeckt wurden238. Auch die aufgeworfene Frage ob tatsächlich jeder „schwierige Fall“ sinnvoll in einem Auslandsprojekt bzw. einer längerfristigen erlebnispädagogischen Maßnahme untergebracht werden kann, geht in die Richtung des schon beleuchteten Aspekts einer sozialen Verklappung. Vielleicht ist es also im Rahmen der Presseberichte dazu gekommen, dass etwas differenzierter nach der richtigen Maßnahme für einen jungen Menschen gesucht wurde. Wenn dadurch dann weniger junge Menschen für längerfristige Segelprojekte in Frage kommen, wird die Nachfrage natürlich kleiner und es können nur weniger Anbieter „überleben“. 4.5 Pädagogik in Abhängigkeit von Gesellschaft und Politik Warum sollten längerfristige Segelprojekte, erlebnispädagogische Projekte im Allgemeinen oder die Kinder- und Jugendhilfe, ja die Pädagogik überhaupt vor dem Hintergrund der Gesellschaft und Politik betrachtet werden? Wie in Ansätzen schon gezeigt werden konnte, gibt es enorme Abhängigkeiten. Rechtliche Grundlagen, in denen schon Ziele für die Kinder und Jugendhilfe vorgegeben sind, gilt es zu erfüllen, Berichte in den Medien haben Auswirkungen darauf, wie und in welcher Weise Geld ausgegeben wird. Möglicherweise ist zu sagen, „daß es sich bei der Jugendhilfe nur am Rande um eine pädagogische Veranstaltung handelt, im Kern um eine gesellschaftliche und politische.“239 Vor dem Hintergrund gesellschaftlicher und politischer Veränderungen haben sich 232 siehe Anhang IV siehe Anhang IV / Zeitschrift für Erlebnispädagogik 10/1997 234 siehe Anhang IV / Süddeutsche Zeitung 24.10.1997 235 siehe Anhang IV / Vgl.: Hamburger Abendblatt 26.11.1999 236 siehe Anhang IV / Vgl.: stern 03.04.1996 237 siehe Anhang IV / Vgl.: Spiegel special 12/1997 238 siehe Anhang IV / Vgl.: Interview Niemeyer, a.a.O. 239 Blandow, Jürgen, Am Ende des “Jahrhunderts des Kindes”. Über Grenzen und Grenzfälle der Jugendhilfe, Lüneburg 2000, S. 14 –in: Zeitschrift für Erlebnispädagogik 2/2000, S. 13-22 233 57 Logomythien der Pädagogik, Menschenbilder und damit Bilder von jungen Menschen im Laufe der Geschichte ständig geändert und gewandelt. Mit Bismarcks Sozialgesetzgebung etwa wurden aus kriminellen Kindern verwahrloste Kinder, die aufgrund elterlichen Versagens der Erziehung und Rettung bedurften. Gegen Ende der Weimarer Republik galten diese Kinder dann wieder als unerziehbar und mussten verwahrt werden, in der NS-Zeit dann als Asoziale oder im Falle besonderer Grausamkeit als Helden der HJ. Nach der Forderung der Arbeitserziehung für die „Typen vom Schwarzmarkt“ und der Beseitigung des Schwarzmarktes durch die Währungsreform gab es die Rückkehr zu RJWG. Ab Mitte der 60er Jahre wurden aus Verwahrlosten zunächst Opfer gesellschaftlicher Verhältnisse, dann Therapiebedürftige und schließlich eines gelingenden Alltags Würdige. Das, was als problematisch gilt, wer Zielgruppe ist, wie die Zielgruppe genannt wird, wie Jugendhilfe darauf reagieren soll und vor allem mit welchen Erziehungszielen, scheint also unmittelbar abhängig zu sein von den gerade geltenden gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Verhältnissen.240 Es scheint deshalb sinnvoll zu sein, wenigstens kurz anzudeuten, welche Verhältnisse gerade vorherrschen. Zunächst fällt in der für diese Arbeit relevanten Zeit ab etwa Mitte der 80er Jahre ein Ereignis mit möglicherweise auch für den in dieser Arbeit untersuchten Bereich weitreichenden Konsequenzen auf: Der Zusammenbruch des „Ostblocks“ und die deutsche Wiedervereinigung. Eine direkte, aber nur sehr formale Folge der Wiedervereinigung ist z.B. das eben beschriebene nicht-zeitgleiche Inkrafttreten des KJHG in den alten und neuen Bundesländern. Darüber hinaus hatte die Jugendhilfe nun nicht mehr nur mit den schon vorher vorhandenen Unterschieden von Zielgruppen in unterschiedlichen Regionen, z.B. in der Stadt und im ländlichen Raum, zu tun, sondern mit zusätzlichen Unterschieden, die sich aus dem Leben in verschiedenen Staaten mit verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Systemen ergaben. Auch musste die Infrastruktur der Jugendhilfe mit den freien und den öffentlichen Trägern, also den Jugendämtern, in den neuen Ländern erst aufgebaut werden. Das kann aber wohl höchstens über Umwege Grund für das Wenigerwerden von längerfristigen Segelprojekten für junge Menschen in psychosozialen Notlagen sein. Die Zielgruppe wird ja nicht abrupt kleiner sondern eher größer. „Über Umwege“ kann aber heißen dass zum Teil Mittel für den Aufbau der Infrastruktur auch über Einsparungen in anderen Bereichen und Bundesländern aufgebracht wurden. Interessant erscheint, dass mit dem Zusammenbruch des Ostblocks und des dortigen „Kommunismus“ bzw. „Sozialismus“ das im Westen vorherrschende gesellschaftliche, politische und ökonomische System als „siegreich“ bzw. „überlegen“ erschien bzw. dargestellt wurde. Zweifel, ob im Ostblock jemals 240 Vgl.: ebd.; S. 14 58 Sozialismus oder Kommunismus geherrscht haben, oder eher sehr feudal anmutende Oligarchie oder ein „Staatskapitalismus“ bleiben dabei unberücksichtigt. Das im Westen (schon vorher) vorherrschende System basiert auf einer liberalen bzw. neoliberalen Marktwirtschaft, die sich theoretisch noch auf Adam Smith beruft.241 Dabei können verschiedene Strömungen und Ausprägungen des Neoliberalismus unterschieden werden. Das Spannungsfeld erstreckt sich von einem „Laisser-faire-Neoliberalismus“, der jegliche Einmischungen in und Begrenzungen des freien Marktes ablehnt, bis hin zu einem „Ordoliberalismus“ (der Freiburger Schule), der staatliche Lenkung zulässt und als Vorstufe der sozialen Marktwirtschaft gesehen werden kann.242 Interessant erscheint das Stichwort „dritter Weg“, der sich als Mittelweg in unterschiedlichen Variationen in diesem Spannungsfeld und zwischen den beiden großen Ideologien der abendländischen Moderne, dem Liberalismus und dem Sozialismus, versteht. Als frühe Sucher nach einem dritten Weg werden zum Beispiel auch Pierre-Joseph Proudhon und Pjotr Kropotkin genannt.243 Diese haben sich selbst als „Anarchisten“ bezeichnet, die wirtschaftlich bzw. die Verteilung betreffend eher sozialistisch geprägt waren. „Anarchistisch“ bedeutete, dass sie jegliche Herrschaft von Menschen über Menschen ablehnten, also auch den Staat als ein Herrschaftsgebilde.244 Spätere Varianten des dritten Weges gehen eher von einer sozialen Marktwirtschaft wie in der BRD aus. So wurde das Wirtschaftswunder der Bundesrepublik als Begründung für den Neoliberalismus herangezogen, 245 und so wird nun eben der Zusammenbruch des Ostblocks bzw. das Verschwinden der „zweiten Welt“ aus einer vormaligen Aufteilung in „drei Welten“246 als Rechtfertigung und Begründung dafür genutzt, dass es zum bestehenden System der Marktwirtschaft keine Alternative gäbe, da es das beste aller vorstellbaren Systeme sei. Es stellt sich also als „Ende der Geschichte“ dar.247 So „..verkörpert der Neoliberalismus eine mächtige Wirtschaftstheorie, [...] die überall in der Welt von Politikern, hohen Beamten und Journalisten nachgebetet wird.“248, also sich mehr und mehr durchsetzt. So zeigt sich das von Gerhard 241 Vgl. etwa: Chomsky, Noam, Profit over People. Neoliberalismus und globale Weltordnung, Hamburg Wien 62001, S. 21 242 Vgl.: Blum, Reinhard, Soziale Marktwirtschaft. Wirtschaftspolitik zwischen Neoliberalismus und Ordoliberalismus, Tübingen 1969, S. 90ff 243 Vgl.: Nawroth, Egon Edgar, Die Sozial- und Wirtschaftsphilosophie des Neoliberalismus, Freiburg (Schweiz) 1961, S. 3 244 Vgl.: Drücke, Bernd, Zwischen Schreibtisch und Straßenschlacht?. Anarchismus und libertäre Presse in Ost- und Westdeutschland, Ulm 1998, S. 58ff 245 Vgl.:Nawroth, a.a.O.., S. V (Vorwort) 246 Vgl.: Hardt, Michael, Negri, Antonio, Empire. Die neue Weltordnung, Frankfurt am Main 2002, S. 11 247 Vgl.: Bourdieu, Pierre, Kapitalismus als konservative Restauration, -in: http://www.hommemoderne.org/societe/socio/bourdieu/BkapitaD.html, 04.04.2002 248 ebd. 59 Schröder und Tony Blair im Juni 1999 gemeinsam verfasste Thesenpapier „Der Weg nach vorne für Europas Sozialdemokraten“ als in weiten Teilen neoliberal. Zwar findet in dem Papier, das sich auf die Konzepte oder besser Wahlkampflabel Politik der „Neuen Mitte“ (Deutschland) und des „Dritten Weges“(!)(Großbritannien) bezieht, eine Ablehnung des und Abgrenzung zum Laisser-faire-Neoliberalismus, der den jeweiligen konservativen Vorgängerregierungen unterstellt wird, statt. Dies impliziert jedoch, wie auch Forderungen einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik u.ä., allgemein Neoliberalismus. In dem Papier wird gefordert, ein „universelles Sicherheitsstreben“ wieder durch Werte „...wie persönliche Leistung und Erfolg, Unternehmergeist, Eigenverantwortung und Gemeinsinn...“ zu ersetzen. Die Sprache des Papiers, die z.B. zum Ausdruck kommt in den häufig vorkommenden Vokabeln Flexibilisierung und Modernisierung, erinnert sehr stark an betriebswirtschaftliche Terminologie. Menschen werden z.B. durch Begriffe wie „Humankapital“, in das investiert werden soll, verdinglicht.249 So steht zu vermuten, dass von anderen „Neoliberalen“ noch deutlicher gedacht wird, dass „...das menschliche Kapital genauso wie das technische zu behandeln und abzuschreiben.“250 ist. „So wird die Betriebswirtschaft zur Gesellschaftsphilosophie.“251, „...zu einem universellen Glauben, zu einem neuen ökumenischen Evangelium.“252 Verwertbarkeit und Profit werden dadurch zu einem wichtigen, wenn nicht „...zum einzigen Maßstab in Erziehung und Kultur...“253 in einer Weltordnung, die so umfassend ist, dass sie sich auf alle Bereiche menschlichen sozialen Lebens erstreckt, also auch auf die Sozialsysteme.254 Vor diesem Hintergrund werden aus den eben beschrieben „eines gelingenden Alltags würdigen“ Jugendlichen „...nunmehr erneut Täter, Arbeitsunwillige, sich der Modernisierung verweigernde Jugendliche.“255 Wird eine Zielgruppe so charakterisiert, liegt es nahe, ihr mit mehr Härte zu begegnen. Die im vorangegangenen Kapitel dargestellten Be- und Zuschreibungen und Forderungen seitens der Öffentlichkeit und Politik, die, wie eben angedeutet, von dem hier beschriebenen Phänomen auch erfasst sind, werden teilweise erklär- und nachvollziehbar. Einem „Opfer gesellschaftlicher Verhältnisse“ kann ein Segeltörn zugestanden werden, einem „Therapiebedürftigen“ oder „eines gelingenden Alltagswürdigen“ auch noch, einem „Täter“ und „Arbeitsunwilligen“ nicht.256 Hier liegt ein Sanktionsgedanke wieder nahe. Vgl.: Schröder, Gerhard, Blair, Toni, Der Weg nach vorne für Europas Sozialdemokraten –in: http://www.blaetter.de/kommenta/dok30799.htm 04.04.2002 250 Böhnisch, Lothar, Sozialpädagogik der Lebensalter, Weinheim München 1997, S. 10 251 ebd., S. 10 252 Bourdieu, a.a.O. 253 ebd. 254 Hardt, Negri, a.a.O., S. 37ff 255 Blandow, a.a.O., S. 14 256 Vgl.: ebd., S. 14 249 60 4.6 Die Verwaltung junger Menschen – Jugendämter und „Neue Steuerung“ In den 90er Jahren führte eine von der „Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung“ (KGSt) in Gang gesetzte Verwaltungsreform unter dem Stichwort „Neue Steuerung“ zu Bestrebungen, „Managementdenken und im Marktgeschehen erprobte Managementmodelle auf die öffentliche Verwaltung zu übertragen.“257 Diese „Modernisierung“ sollte auch schnell die Sozialverwaltung und hier besonders das Jugendamt erreichen.258 Das Konzept der Neuen Steuerung bedient sich hauptsächlich einer betriebswirtschaftlichen Terminologie. Zum Ausdruck kommt diese betriebswirtschaftliche Denk- und Verfahrensweise in Begrifflichkeiten wie Effektivität, Effizienz, Kundenorientierung, Produkten, Qualitätskontrolle oder Controlling, input, output und outcome.259 Im folgenden sollen einige dieser Begrifflichkeiten auch in ihrer Relation zueinander dargestellt werden und geprüft werden, inwiefern sie sinnvoll anwendbar auf längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen sind: Mit dem Begriff des Kunden sollte das Verhältnis zwischen Staat und Bürger bzw. zwischen Verwaltung und Adressaten symmetrischer werden. Außerdem sollte dadurch eine größere Kundenorientierung, also Ausrichtung an den Bedürfnissen der Adressaten erreicht werden.260 Der Begriff des Kunden führt aber nicht zwingend dazu. Ein Kunde ist jemand, der die Wahl hat, etwas, ein Produkt, zu konsumieren oder es sein zu lassen. Ein Produkt wird in der „Neuen Steuerung“ als eine fest definierte Leistung in Form von Zielvereinbarungen verstanden.261 Anhand des Produktes setzt die Qualitätskontrolle bzw. das Controlling an. Geprüft wird die Qualität des Produktes in seiner Ergebnisqualität, also in den erreichten vereinbarten Ziele.262 Diese Ergebnisse können auch als output263 bzw., da es die Wirkungen von Handeln betrifft, als outcome264 bezeichnet werden. Je mehr output bzw. outcome erzielt wird, desto größer ist die Effektivität. Je mehr output oder outcome in Bezug auf den input, Merchel, Joachim, Schrapper, Christian, Einleitung: „Neue Steuerung“ in der Sozialverwaltung – Hoffnungen, Skepsis und Fragen gegenüber einem neuen Modernisierungskonzept, Münster 1996, S. 7 –in: Merchel, Joachim, Schrapper (Hrsg.), Christian, Neue Steuerung. Tendenzen der Organisationsentwicklung in der Sozialverwaltung, Münster 1996, S. 7-15 258 Vgl.: ebd. 259 Vgl.: ebd., S. 7ff / Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Handbuch zur Neuen Steuerung in der Kinder- und Jugendhilfe. Eine Arbeitshilfe für freie und öffentliche Träger, Stuttgart Berlin Köln 2000, S. 15ff 260 Vgl.: Merchel, Schrapper, Einleitung..., a.a.O., S. 7 261 Vgl.: ebd., S. 8f 262 Vgl.: ebd., S. 9 / Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Handbuch zur Neuen Steuerung..., a.a.O., S. 19 263 Vgl.: Merchel, Schrapper, Einleitung..., a.a.O., S. 9 264 Vgl.: .: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Handbuch zur Neuen Steuerung..., a.a.O., S. 15 257 61 also die bereitgestellten Ressourcen, z.B. finanzielle Mittel, erzielt wird, desto größer ist die Effizienz.265 Als schwierig in der Übertragung auf längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen erweist sich zunächst schon der zum Kunden gewordene Adressat. Durch diese Begrifflichkeit wird möglicherweise eine Konsumentenhaltung des Kunden impliziert oder antizipiert, die davon ablenkt, dass zu Verhaltensänderungen ganz wesentlich der junge Mensch durch eigenen Willen und eigene Anstrengungen, bei denen er oder sie begleitet wird, gelangt. Eine Konsumentenhaltung entspräche dann tatsächlich dem in Kapitel 4.3 angedeuteten, von der Presse gezeichneten Bild einer Luxuskreuzfahrt. Auch ist fraglich, inwieweit die Freiheit eines Kunden bei der Auswahl von Produkten der in Kapitel 3.4 für unabdingbar erachteten Freiwilligkeit entsprechen kann. Die in Kapitel 3.1 beschriebenen Schwierigkeiten bei Erfolgs- bzw. Wirkungsanalysen wirken sich auch hier im Sinne einer „Schwammigkeit“ der Größen output oder outcome aus, in deren Abhängigkeit Effektivität und Effizienz stehen. Sehr ähnlich gelagert ist das Problem von Qualitätssicherung: Für Qualitätssicherung sind u.a. konsensfähige und eindeutige Qualitätskriterien erforderlich, welche aber z.B. schon durch mögliche unterschiedliche Erwartungen seitens der Teilnehmenden, deren Angehörigen und der Kostenträger, also der Jugendämtern (und darüber hinaus der Öffentlichkeit) als nur selten erreichbar angesehen werden können.266 „Am ehesten kann man sich bei Widersprüchen noch auf das Qualitätskriterium ,Sicherheit’ und ,Zuverlässigkeit’ einigen.“267 Diese möglicherweise als Minimalkonsens anzusehenden Qualitätsmerkmale sind wichtig, würden aber, ständen sie allein, im Falle längerfristiger Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen auch nur ein Minimalprogramm wirklich voraussetzen und liefen dann auf bloße Verwahrung auf einem Segelschiff hinaus. Insofern können sehr weitgehende Normierungen, wie sie auch in Produktbeschreibungen zum Ausdruck kommen, qualitativ hochwertige Arbeit noch erschweren oder gar verhindern.268 265 Vgl.: ebd., S. 18 Siehe auch Kapitel 3.1 / Vgl.: Heiner, Maja, Ziel- und kriterienbezogenes Qualitätsmanagement in der sozialen Arbeit. Vom Katalogisieren der Aktivitäten zur Reflexion von Qualitätskriterien, Münster 1996, S. 218 –in: Merchel, Schrapper, a.a.O., S. 210-230 267 ebd., S. 218 268 Vgl.: ebd., S. 219 266 62 5. Finanzielle Aspekte 5.1 Weniger zur Verfügung stehende Finanzen bei den öffentlichen Trägern? Im Begründungszusammenhang der neuen Steuerung, der erforderlichen größeren Effizienz, ist häufig eine zunehmende Finanzknappheit aller staatlicher Ebenen genannt worden. Mit den knapper werdenden Mitteln sollte effizienter umgegangen werden.269 „Die finanziellen Spielräume (der Jugendhilfe, d.A.) werden enger“ 270, heißt es schon im Achten Jugendbericht von 1990. Sehr ähnlich ist auch im Elften Jugendbericht von 2002 von „..Zeiten, in denen einerseits die Haushaltslage der Kommunen, der Länder und des Bundes sowie der sonstigen quasi-öffentlichen Kostenträger das Sparen zur Notwendigkeit macht und andererseits im gesamten Wirtschaftlichkeit und Transparenz eingefordert wird...“ Sozialsektor mehr 271 zu lesen. Inwieweit sind in Zuge dessen auch die Träger der Jugendhilfe von Finanzknappheit und Sparzwang betroffen? Zunächst ist festzustellen, das es örtliche und überörtliche Träger der Jugendhilfe gibt. Örtliche Träger der Jugendhilfe sind per (Bundes-)Gesetz die Kreise und kreisfreien Städte.272 Per Delegation und durch Landesrecht geregelt können aber auch größere kreisangehörige Städte zuständig werden.273 Wer überörtlicher Träger ist, regelt Landesrecht.274 Die örtlichen Träger errichten Jugendämter, die überörtlichen Landesjugendämter275, die sie auch finanziell zu verantworten haben. Dabei sind aber die örtlichen Träger in der Regel für die Leistungen, also auch die Hilfen zur Erziehung, und anderen Aufgaben der nach dem KJHG Vgl. auch: Banner, Gerhard, Von der Behörde zum Dienstleistungsunternehmen – Brauchen wir ein neues Steuerungsmodell?, Beckum 1992, S.19ff –in: Ebell, Peter u.a. (Hrsg.), Brauchen die Kommunen neue Steuerungsmodelle?. Zur Handlungsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung am Ende des 20. Jahrhunderts, Beckum 1992, S. 19-43 270 Vgl.: Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, a.a.O., S. 16 271 Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Elfter Kinder- und Jugendbericht, a.a.O., S. 70 272 Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kinder- und Jugendhilfe, a.a.O., S. 73, § 69 (1) KJHG 273 Vgl.: ebd., S. 73, § 69 (2) KJHG / Vgl.: Maus, Robert, Aufgabenverantwortung und Finanzverantwortung der kommunalen Gebietskörperschaften, Baden-Baden 1995, S. 34 –in: Ipsen, Jörn (Hrsg.), Kommunale Aufgabenerfüllung im Zeichen der Finanzkrise, Baden-Baden 1995, S. 33-45 274 Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kinder- und Jugendhilfe, a.a.O., S. 73, § 69 (1) KJHG 275 Vgl.: ebd., S. 73, § 69 (3) KJHG 269 63 zuständig, die überörtlichen für nur ganz wenige, z.B. die Beratung der örtlichen Träger.276 Durch Bundesgesetz, also durch das KJHG, werden den Gemeinden Aufgaben übertragen, vorgeschrieben bzw. geregelt, die eigentlich als Freiwilligkeitsaufgaben in den Bereich ihrer Selbstverantwortung fallen und damit in ihrer Finanzierung liegen.277 Damit wird in gewisser Weise das Konnexitätsprinzip verletzt. Das aus dem Artikel 104a des Grundgesetzes hervorgehende278 Konnexitätsprinzip bedeutet, dass finanzielle Belastungen von dem getragen werden sollen, der durch die Festlegung einer Aufgabe die Kosten verursacht, ist als ein Verantwortlichkeitsprinzip. Bei Zweigleisigkeit der Finanzverfassung, der Aufteilung in Bund und Länder und gleichzeitiger Dreigleisigkeit der Verwaltung (Bund – Länder – Kommunen) gibt es keinen bzw. nur sehr schwachen (rechtlichen) Schutz der Kommunen gegenüber dem Bund.279 Außer der Jugendhilfe lassen sich noch weitere Beispiele für Verlagerungen von Ausgaben auf die Kommunale Ebenen finden.280 So liegt der Schluss sicherlich nahe, dass Gemeinden und Kreise stärker als andere öffentlich-rechtliche Körperschaften unter Finanzkrisen leiden.281 Es wird aber auch ein anderes Bild gezeichnet: Die Möglichkeiten akute Finanzengpässe durch Verschuldung zu überwinden, sind – anders als bei Bund und Ländern – kommunalaufsichtlich sehr begrenzt, was als positiven Effekt langfristig sicherlich eine geringere Belastung durch Schulden und Zinsen mit sich bringt.282 So scheint die Finanzlage der Kommunen im Vergleich zu Bund und Ländern besser zu sein.283 Bis hierhin blieben aber Disparitäten der einzelnen Körperschaften auf der kommunalen Ebene untereinander völlig unbeachtet. Von Vergrößerungen der Kosten, beispielsweise der Kosten für Sozialhilfe oder Kinder- und Jugendhilfe, oder deren Verlagerung von Bundes- oder Landesebene auf die kommunale Ebene 276 Vgl.: Lütjen, Ulf, Organisation und Finanzierung von Trägern der freien Jugendhilfe. Ein Praxisleitfaden, Neuwied Kriftel Berlin 1997, S. 118ff / Vgl. auch: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kinder- und Jugendhilfe, a.a.O., S. 84, § 85 KJHG 277 Vgl.: Maus, a.a.O., S. 35 278 Vgl.: ebd., S. 44 279 Vgl.: Wieland, Joachim, Gemeinden und Kreise in der bundesstaatlichen Finanzverfassung, Osnabrück 1998, S. 61f –in: Ipsen, Jörn, Schneider, Hans-Peter (Hrsg.), Staat und Kommunen – Kooperation oder Konflikt. 8. Bad Iburger Gespräche, Osnabrück 1998, S. 61-69 / Vgl.: Kirchhof, Ferdinand, Gemeinden und Kreise in der bundesstaatlichen Finanzverfassung, Baden-Baden 1995, S. 53ff –in: Ipsen, 1995, a.a.O., S. 53-66 / Vgl. Sarrazin, Thilo, Kommunale Aufgaben und kommunaler Finanzstatus, Osnabrück 1998, S. 12f –in: Ipsen, 1995, a.a.O., S. 11-24 280 Vgl.: Böhme, Rolf, Die Städte in der Finanzkrise, Baden-Baden 1995, S. 26f –in: Ipsen, 1995, a.a.O., S. 25-32 281 Vgl.: Wieland, a.a.O., S. 61 282 Vgl.: Sarrazin, a.a.O., S. 17 283 Vgl.: Rehm, Hannes, Reform der Kommunalfinanzen – Voraussetzung zur Verbesserung der Steuerungsfähigkeit?, Beckum 1992, S. 98 –in: Ebell, Peter u.a. (Hrsg.), Brauchen die Kommunen neue Steuerungsmodelle?. Zur Handlungsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung am Ende des 20. Jahrhunderts, Beckum 1992, S. 95-112 64 werden besonders ohnehin schon finanzschwache Kommunen getroffen. Tendenziell ist nämlich die „Sozialhilfe-Belastung“ ärmerer Kommunen höher.284 Ähnliches wird vor dem Hintergrund des eben angedeuteten Zusammenhangs sozioökonomischer Bedingungen und des Bedarfs an Maßnahmen der Kinderund Jugendhilfe (4.3) auch für die „Kinder- und Jugendhilfe-Belastung“ ärmerer Kommunen gelten. Die finanziellen Möglichkeiten scheinen also da am geringsten zu sein, wo der Bedarf am größten ist. Um auf die Frage in der Überschrift dieses Unterkapitels zurückzukommen, sind die Ausgaben für Jugendhilfe und damit die Etats der Jugendämter wohl eher gestiegen. Bundesweit sind sie von 1990 auf 1991, also mit Inkrafttreten des KJHG, sogar sprunghaft 33,8 Mrd. DM auf 40,6 Mrd. DM gestiegen, danach etwas flacher, aber immer noch stark285. Da aber mit dem KJHG auch eine Vielzahl neuer Leistungsansprüche der Bürger und damit finanzielle Belastungen der Kommunen entstanden sind, muss das Volumen der Ausgaben für Erziehung in Heimen, zu denen längerfristige Segelprojekte gezählt werden können, nicht unbedingt gestiegen sein. Die eigentlichen „Finanzkrisen der Gemeinden“ entstanden häufig aber erst ab etwa 1993, da auch die Kommunen zunächst noch vom „Vereinigungsboom“ profitierten und sich in den ersten beiden Jahren nach der Vereinigung sogar zu höheren Ausgaben verleiten ließen.286 Ab 1993 etwa dürfte das „große Sparen“ eingesetzt haben, das auch in der Jugendhilfe wie überhaupt als Einschnitte ins soziale Netz spürbar geworden ist.287 Wie sich das im einzelnen, auch vor dem Hintergrund sehr unterschiedlicher Lagen der einzelnen Kommunen, auf konkrete Entscheidungen bzgl. der Finanzierung von Maßnahmen seitens des Jugendamtes ausgewirkt hat, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht geklärt werden. Zu vermuten ist aber, dass es eine Tendenz zur möglichst kostengünstigen Maßnahme gegeben hat. In diesem Zusammenhang ist der Begriff „unverhältnismäßige Mehrkosten“, der auch das Wunsch- und Wahlrecht (§ 5 KJHG) einschränken kann288, als dehnbarer Begriff möglicherweise relevant. 5.2 Freier Träger – Leistungsberechtigter – Träger der öffentlichen Jugendhilfe Um zu verstehen, wie nun ein freier Träger, also z.B. ein Anbieter längerfristiger Segelprojekte für junge Menschen in psychosozialen Notlagen, „zu seinem Geld 284 Vgl.: Sarrazin, a.a.O., S. 17f Vgl.: Böhme, a.a.O., S. 32 286 Vgl.: Sarrazin, a.a.O., S. 16f 287 Vgl.: Lütjen, a.a.O., S. 5 u. S. 117 288 Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kinder- und Jugendhilfe, a.a.O., S. 41 285 65 kommt“, also wie die Leistung, die er erbringt bezahlt wird, sind zunächst grundlegende Rechtsverhältnisse zu klären.289 Grundlegend für eine Leistungserbringung durch einen freien Träger ist zunächst die Beziehung zwischen Leistungserbringer, also dem freien Träger, für diese Arbeit der freie Träger, der ein längerfristiges Segelprojekt anbietet, und dem Leistungsempfänger, für diese Arbeit also dem jungen Menschen in einer psychosozialen Notlage, möglicherweise bei Nichtvolljährigkeit vertreten durch eine(n) Personensorgeberechtigte(n). Zwischen ihnen wird eine privatrechtliche Vereinbarung über die zu erbringende Leistung abgeschlossen, die Leistungsvereinbarung. Grundsätzlich kann also die (Dienst-)Leistung z.B. eines Segelprojektes „auf dem freien Markt“ angeboten werden. Mit dem KJHG besteht aber ein Rechtsanspruch auf Leistungen der öffentlichen Jugendhilfe, meistens des örtlichen Jugendamtes. Aufgrund des Wunsch- und Wahlrechtes (§ 5 KJHG) können Leistungsberechtigte aber wählen, wie die Hilfe ausgestaltet werden soll, also auch das die Hilfe von einem freien Träger, z.B. einem Anbieter von Segelprojekten, gestaltet werden soll. Dieser Wahl bzw. diesen Wünschen soll von Seiten des öffentlichen Jugendamtes entsprochen werden, wenn keine „unverhältnismäßigen Mehrkosten“ entstehen.290 In diesem Fall wird die Maßnahme, das Segelprojekt öffentlich finanziert. Dabei hat der freie Träger aber noch keine Ansprüche auf Bezahlung gegen das Jugendamt, sondern im Sinne der Erfüllung des Vertragsverhältnisses bei den Hilfen zur Erziehung als Leistungsentgelt gegen den jungen Menschen oder die Personensorgeberechtigten als Leistungsempfänger und diese(r) wiederum als Leistungsberechtigte(r) gegen den öffentlichen Träger. Um diesen langen Rechtsweg finanziell zu umgehen, sollen Vereinbarungen über die Höhe der Kosten zwischen freien und öffentlichen Trägern angestrebt werden (§ 77 KJHG). (Diese Vereinbarung ist aber trotzdem nicht Rechtsgrundlage für die Erbringung der Leistung. Rechtsgrundlage bleibt der Anspruch des oder der Leistungsberechtigten.) Dadurch werden direkte Kostenerstattungen möglich. Diese Vereinbarungen, die einvernehmlich zustande kommen sollen, werden in Form von Pflegesatzvereinbarungen getroffen. Dabei sollen alle dem freien Träger entstehenden Kosten abgedeckt werden. Der Pflegesatz kann auch umgerechnet werden in einen Tagessatz. Für Pflegesatzvereinbarungen besteht die Möglichkeit, um nicht jedes Jahr erneut verhandeln zu müssen, diese fortzuschreiben, z. B. unter Einberechnung der steigenden Gehälter und Lebenshaltungskosten. Im Sommer 1996 wurde aber vom Gesetzgeber beschlossen, dass die Pflegesätze der stationären und teilstationären Hilfen zur Erziehung, zu denen längerfristige Segelprojekte zählen, jährlich in den alten Bundesländern um ein Prozent und in 289 Vgl. auch für das Folgende: Lütjen, a.a.O., S. 121ff Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kinder- und Jugendhilfe, a.a.O., S. 41 290 66 den neuen Bundesländern um zwei Prozent, in Ausnahmefällen um 2,5 Prozent steigen sollen. Durch diese Deckelung der Kosten wird nicht mehr der tatsächliche Anstieg der Kosten der freien Träger berücksichtigt. Mit einem Prozent liegt die Steigerung unter der Steigerung der Lebenshaltungskosten der privaten Haushalte 1996 und 1997291. Tatsächlich sind die Ausgaben der Jugendämter für Leistungen gemäß §34 KJHG (Heimerziehung, sonstige betreute Wohnform) ab 1996 nur noch sehr leicht gestiegen, nachdem sie in den Vorjahren sehr deutlich gestiegen ist.292 Werden noch vergleichend die Bestände an jungen Menschen der jeweiligen Jahr herangezogen, wird das Bild noch deutlicher. Von Ende 1994 auf Ende1995 sind die Bestände deutlich zurückgegangen (während die begonnenen und beendeten Hilfen sich nicht sehr stark verändert haben). Die Ausgaben sind jedoch um etwa acht Prozent gestiegen. In jedem der Folgejahren sind die Bestände wieder merklich gestiegen (bei leichtem Anstieg begonnener und beendeter Hilfen). Die Steigerung der Ausgaben ist jedoch immer geringer geworden. Die Steigerung der Bestände betrug von Ende 1996 auf Ende 1997 etwa 3,5 Prozent und die Steigerung der Ausgaben etwa zwei Prozent. Es liegt also der Schluss nahe, dass nicht nur durch die Deckelung der Kosten gespart wurde, sondern zusätzlich durch die Auswahl einer möglichst billigen Maßnahme. Der Begriff „unverhältnismäßige Mehrkosten“ könnte also tatsächlich im Zuge knapperer Kassen einen Bedeutungswandel im Sinne einer strengeren Auslegung erfahren haben. 5.3 Betriebswirtschaftliche Überlegungen des freien Trägers Die unter 3.8 beschriebene Verteilung auf die genannten Projektarten – 40, 8% Stand-, 20,7% Reise- und 15,2% Schiffsprojekte (23,3% nicht eindeutig zuzuordnen) – erklärt sich vielleicht aus den unterschiedlichen durchschnittlichen Kosten: 1996/97 für Standprojekte 276DM/Tag, für Reiseprojekte 290DM/Tag und für Schiffsprojekte 308DM/Tag, wobei Projekte im Ausland jeweils etwas teurer und Projekte im Inland etwas günstiger sind293. Da sich daraus noch nicht die Gesamtkosten einer Maßnahme errechnen lassen, scheint ein Vergleich der Zahlen schwierig. So haben Standprojekte meistens eine wesentlich längere Durchführungsphase und dauern insgesamt länger als Schiffs- und Reiseprojekte294, bei denen in der Vor- und Nachbereitungsphase die Kosten geringer sein werden als während der See- oder Reisephase. Die Kosten oder möglicherweise eingesparten Kosten auf lange Sicht sind dabei jedoch noch nicht eingerechnet. Sie sind in erster Linie abhängig vom Erfolg und werden später noch Gegenstand der Betrachtung sein. 291 Siehe Anhang V.1, Tabelle 6 Siehe Anhang V.2, Tabelle 7 293 Vgl.: Klawe, Bräuer, a.a.O., S. 96f 294 Vgl.: ebd., S. 97f 292 67 Wie kommen nun die 308 DM Tagessatz für Schiffsprojekte zustande, für die ANNA-CATHARINA sogar 350 DM295? Warum sind Schiffsprojekte nochmals teurer als Reise- oder Standprojekte? Wird die Frage aus Sicht der Träger von Schiffs- bzw. Segelprojekten betrachtet, muss sie eher lauten: Bei welchem Tagessatz und welcher Auslastung läuft das Projekt kostendeckend? Hier liegt der Kristallisationspunkt, an dem sich entscheidet, ob es attraktiv ist als Anbieter solcher Projekte aufzutreten, also schwarze Zahlen schreiben zu können oder ob ein Verlustgeschäft zu erwarten ist und deshalb kein Angebot gemacht wird bzw. das Angebot eingestellt wird. Dazu werden zunächst kurz die Kosten betrachtet, die im Vergleich zu Reise- und Standprojekten auftreten und welche dafür nicht entstehen. Aufgeführt werden in der nachfolgenden Tabelle also nur Kosten, die bei wenigstens einer der Projektarten nicht entstehen. Kosten für Ernährung z.B. werden als in etwa gleich angesehen – sie unterscheiden sich eher nach dem Land in dem das Projekt stattfindet, als nach der Projektart – und werden deshalb hier nicht aufgeführt. Wird der Betreuungsschlüssel als gleich idealisiert – Unterschiede wird es hier eher zwischen dem einem Projekt und dem anderen geben, als zwischen den Projektarten generell – können die Kosten für pädagogisches Personal als gleich gesetzt werden. Tabelle 2: Gründe für unterschiedliche Kosten längerfristiger erlebnispädagogischer Projekte Schiffsprojekte Unterhalt, Wartung , Pflege des Schiffs Hafengebühren, Liegegeld Sicherheitsausrüstung (Zusatz-)Kosten nautisches Personal Reiseprojekte Standprojekte Kosten für Unterkunft Unterhalt des Hauses während der Reise Verkehrsmittel Diese Aufstellung ist sicher nicht vollständig. Als Andeutung mag sie genügen. In ihr sind besonders die Kosten für Unterhalt, Wartung und Pflege des Schiffs zu betonen. Sie betragen meist wesentlich mehr als die Kosten für die Unterkunft während einer Reise oder den Unterhalt eines Hauses. Als zusätzliche kostensteigernde Faktoren können das Alter des Schiffes und die damit verbundene erhöhte Wartungsbedürftigkeit und Beteiligung der Teilnehmenden an der Wartung angesehen werden. Von Teilnehmenden bei Wartung und Pflege gemachte Fehler, die wahrscheinlich sind und zugelassen werden müssen, sind meist sehr materialintensiv und die Materialen sehr teuer, da es Spezialmaterialien sind. Z.B. kann ein kleiner Topf Versiegelungslack schon über 100 € kosten, die nochmals bezahlt werden müssen, wenn der Topf umgekippt wird oder nicht nach 295 Vgl.: http://www.familienhilfe.net/gjfh/start.htm, 13.03.2002 68 der Arbeit wieder verschlossen wird. So ist teuerer, die Teilnehmenden an der Wartung zu beteiligen und ihnen eine Lernmöglichkeit zu bieten, als die regelmäßige Pflege und Wartung einer Werft zu übertragen.296 Die in der Tabelle aufgeführten Kosten für Unterhalt, Pflege und Wartung des Schiffes, die Hafengebühren oder das Liegegeld für den festen Liegeplatz, die Kosten für die Sicherheitsausrüstung inkl. deren Wartung, die immer an den neuesten Stand oder zumindest die aktuellen Normen angepasst werden müssen, die Versicherung für das Schiff usw. lassen sich zusammenfassen zu „Kosten Schiff“. Diese entstehen und sind nahezu gleichhoch unabhängig davon, ob das Schiff tatsächlich fährt und mit wie vielen Personen es besetzt ist. Die Kosten Schiff werden also pro Person kleiner, je besser das Schiff ausgelastet also besetzt ist. Bei der UNDINE werden diese Kosten mit 90.000 € angegeben.297 Kosten oder Zusatzkosten für nautisches Personal entstehen sobald das Schiff fährt, unabhängig von der Besetzung mit Teilnehmenden. Mit dem Begriff Zusatzkosten sollte hier angedeutet werden, das Personal mit nautischer und pädagogischer Qualifikation teurer sein kann. Doch dazu später nochmals. Die UNDINE ist jeweils ein halbes Jahr auf See von 1. Mai bis 31. Oktober (184 Tage). Die in dieser Zeit anfallenden Kosten (inkl. Aufwand für Lebensmittel und Bekleidung der Jungen), die auch „reine Reisekosten“ genannt werden können und bei denen der größte Teil Personalkosten sind, werden für die UNDINE von Gangway e.V. mit 188.770 € angegeben. Der Gesamtaufwand pro Jahr beträgt also 278.770 €. Bei voller Besetzung mit 8 Jungen während der kompletten 184 Tage müsste der Tagessatz 189,38€ bzw. etwa 370 DM betragen, um dem Aufwand zu entsprechen. Wenn jetzt nur ein Klient nach der Hälfte der Zeit das Schiff verlässt, was sicherlich keine Seltenheit ist, und nicht durch einen anderen Klienten ersetzt wird, müsste der Tagessatz schon etwa 200€ oder ca. 390DM betragen. Die Modellrechnungen im Anhang sollen – angelehnt an ein Schiff ähnlich der ANNA-CATHARINA – zusätzlich darstellen, wie stark die Schiffsprojekte abhängig sind von ihrer Besetzung und dem gewährten Tagessatz. Dabei sind die zugrunde gelegten Zahlen mehr oder minder willkürlich gesetzt mit dem Versuch, nicht zu unrealistisch zu sein. Es ist sicherlich verständlich, dass die Gesellschaft für Kinder- und Familienhilfe e.V. nicht ihre genauen Kalkulationen zur Verfügung stellen kann. Trotzdem kann klar gemacht werden, dass, was möglicherweise auch so auf der Hand liegt, Schiffsprojekte abhängig sind von Besetzung und Tagessatz. Wenn, wie oben dargestellt, die Pflegesätze (in Form von Tagesätzen) die tatsächlichen Kosten kaum oder nicht (mehr) decken und gleichzeitig günstigere Projekte von 296 Vgl.: Interview Piruzgar-Merkle Vgl.: Herzig, Karolin, Grobe Kalkulation Seeprojekt UNDINE, aus einer E-Mail von Gangway e.V., unveröffentlicht 297 69 Seiten der Jugendämter angestrebt werden, werden besonders knapp kalkulierte Projekte schnell rote Zahlen schreiben und bald beendet. Weitere Sparmöglichkeiten können häufig nur zu Lasten der Qualität der pädagogischen Arbeit realisiert werden. Beim größten Kostenfaktor, den Personalkosten, wird dies besonders deutlich. Wenn auch bei erlebnispädagogischen Projekten gilt, dass zur Vermeidung von „berufmäßigem Burnout“ neben Erfolg und innerem Gleichgewicht, auch Sicherheit und angemessene finanzielle Unterstützung notwendig sind298, dürften Sparpotentiale in diesem Bereich sehr klein sein. Wie eben ja schon angedeutet, kann es notwendig und sinnvoll sein, Personal mit sowohl nautischen wie auch pädagogischen Qualifikationen zu beschäftigen. Je höherwertig diese Qualifikationen sein sollen, desto teurer werden die Gehälter299. Die Einschränkung Qualität oder Sicherheit würde sich also ergeben können, durch schlechterqualifiziertes oder „ausgebranntes“ Personal. Gerade aber die Qualität bzw. der Erfolg längerfristiger Segelprojekte waren Gegenstand der öffentlichen Kritik. 5.4 Was ist teurer, Segeln oder „Knast“? Wie schon angedeutet, spielt auch in der politischen und öffentlichen Diskussion der Faktor Geld eine große Rolle, besonders im Zusammenhang eines effizienten Einsatzes der (knappen) finanziellen Mittel. Wird zunächst nur ein Segelprojekt ohne Nachbetreuung mit einem gleichlangen Aufenthalt in einer Strafanstalt verglichen, ist das Segelprojekt wahrscheinlich teurer. In Nordrhein-Westfalen betrugen 2001 die Tageshaftkosten für einen „Gefangenen“ (nicht differenziert zwischen Jugend- und Erwachsenenvollzug) durchschnittlich 145,64DM.300 Bei einem achtmonatigen Aufenthalt (und 30 Tagen pro Monat) würden die Haftkosten 34.953,60DM betragen, eine gleichlange Betreuung auf der ANNA-CATHARINA kostet bei einem Tagessatz von 350DM 84.000DM und wäre damit mehr als doppelt so teuer. Sinnvollerweise schließt sich, wie in Kapitel 3.5 gezeigt, eine Phase der Nachbetreuung an die Seephase an. Bei der Gesellschaft für Jugend- und Familienhilfe e.V. (GJFH), dem Träger der ANNA-CATHARINA wird üblicherweise eine Nachbetreuung von weiteren acht Monaten Dauer angeboten. Während dieser Zeit wird meist im Rahmen einer §35-(ISE-)Maßnahme eine Fachkraft mit 19,75 Stunden für 70DM pro Stunde dem jungen Menschen als Betreuung und (Re-)Integrationshilfe zur Seite gestellt, sodass bei 35 Wochen Priest, Simon, (dt. Fassung), Alling 1998, S. 74ff –in: Paffrath, F. Hartmut (Hrsg.), Zu neuen Ufern. Internationaler Kongreß erleben & lernen, Alling 1998, S. 74-91 299 Inhaber eines großen Kapitänspatentes können, da es an ihnen mangelt, (außertariflich) bis zu 12.000DM pro Monat verdienen. 300 Vgl.: Justizministeriums Nordrhein-Westfalen, Durchschnittliche Tages-Haftkosten einer/eines Gefangenen in Nordrhein-Westfalen im Haushaltsjahr 2001 298 70 weitere Kosten von 48.387,50DM entstehen. Ein besonderes Angebot der GJFH ist das sogenannte Familien-Intensiv-Training, welches systemisch in der Ursprungsfamilie bzw. dem Ursprungssystem Ursachen für die psychosoziale Notlage des jungen Menschen zu beheben versucht und während der acht Monate Dauer 33.000DM kostet.301 Im Maximalfall entstehen Kosten von 165.387,50DM bei einer maximalen Dauer von zwei Jahren. In dieser Zeit sind in einer (durchschnittlichen) Haftanstalt ohne pädagogisches Programm Kosten von 106.317,20DM angefallen. Eine solche Rechnung ist allerdings sehr verkürzt, wenn sie nicht Erfolg/Wirkung mit einrechnet und damit Aussagen über die Effizienz der eingesetzten Mittel trifft. Auch wenn grundsätzliche Zweifel am Sinn und der Zulässigkeit solcher Parameter bestehen (vgl.: Kapitel 3.1 und 4.6), werden hier für diese modellhafte Berechnung Erfolgskriterien aufgestellt und zwar für die Haft die Legalbewährung (indiziert durch Wiederverurteilungen) etwa in den folgenden fünf Jahren nach „Erledigung“ bzw. Beendigung der Sanktion und für das Segelprojekt das weitergehende Erfolgskriterium nach fünf Jahren die Rückmeldung zu erhalten, die Teilnahme am Projekt habe sich gelohnt. Finanziell sind diese ehemaligen Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Regel von öffentlichen Geldern unabhängig. Die Legalbewährung wird z.B. von Gangway e.V. bei regulär beendeten Projekten mit der UNDINE und Nachbetreuung usw. so eingeschätzt, das die Rückmeldung der Polizei war, dass fast nie wieder mit Teilnehmern des Projekts in Berührung kamen.302 Der „Rückfallstatistik ´90“ zufolge bleiben aber innerhalb der nächsten fünf Jahre nach Erledigung einer freiheitsentziehenden Sanktion nur 7,67 Prozent der 15-20jährigen und 28,93 Prozent der 20-25jährigen ohne erneute Verurteilungen. Etwa drei Viertel (76,61%) der 15-20jährigen erhält erneut eine Freiheitsstrafe und knapp die Hälfte (49,45%) der 20-25jährigen.303 Auch in anderen europäischen Ländern Wiederverurteilungen Jugendlicher nach Freiheitsstrafen recht häufig, in Österreich etwa bei 74 Prozent innerhalb von fünf Jahren304 und in Schweden bei etwa 77 Prozent innerhalb von zwei Jahren305. Die GJFH gibt ihre Erfolgsquote nach oben genanntem Erfolgskriterium („es habe sich gelohnt“) mit sieben bis acht von zehn bei Nachbetreuung und sogar neun von zehn bei zusätzlichem Familien-Intensiv-Training an. Die eben Kosten für alle drei Maßnahmen der GJFH von zusammen 165.387,50DM würden in Haft bei täglichen Kosten von 145,64DM nach etwa 1.136 Hafttagen bzw. 3 Jahren und 41 Tagen erreicht. Bei jungen Menschen, bei 301 Vgl.: E-Mail von Thomas Piruzgar-Merkle Vgl.: Interview Arp/Günther 303 Vgl.: Kerner, Hans-Jürgen, Erfolgsbeurteilung nach Strafvollzug – Ein Teil des umfassenden Problems vergleichender Sanktionsforschung, Bonn 1996, S. 70 –in: Kerner, Hans-Jürgen u.a. (Hrsg.), Jugendstrafvollzug und Bewährung. Analysen zum Vollzugsverlauf und zur Rückfallentwicklung, Bonn 1996, S. 3-95 304 Vgl.: ebd., S. 49 305 Vgl.: ebd., S. 53 302 71 denen zu befürchten steht, dass ihr Haftaufenthalt aufgrund von (Mehrfach-) Wiederverurteilung länger als diese Zeit dauern wird, würde also rechnerisch sicherlich ein Segelprojekt kostengünstiger sein. Nicht miteingerechnet sind dabei aber noch ganz andere Faktoren, die das Verhältnis noch zugunsten von Segelprojekten verschieben: Durch die Tat, die zur Wiederverurteilung führt, entstand möglicherweise (volkswirtschaftlicher) Schaden. Die stigmatisierende Wirkung von Haft, die größer ist, als die von Segelprojekten und die weniger aktivierende Wirkung führen zu einer längeren bzw. häufigeren Abhängigkeit der „Exhäftlinge“ von öffentlichen Geldern, während ehemalige Teilnehmende an Segelprojekten möglicherweise arbeiten und Steuern zahlen. Jugendstrafvollzug, in dem, um besseren Resozialisierungserfolg zu haben, mehr pädagogische Mittel eingesetzt werden, wird mit dem pädagogischen Aufwand, besonders durch Personalkosten, wieder teurer und ist noch wesentlich stärker von dem Vorwurf des Paradoxons der „Erziehung zur Freiheit in Unfreiheit“ betroffen. 72 6. Rückblick und Ausblick 6.1 Zurück zu den Arbeitshypothesen Die erste Arbeitshypothese (a) aus Kapitel 2.2, die sich auf pädagogische Aspekte bezog, besagte im wesentlichen, dass sich die Sicht der Fachwelt auf längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen nicht wesentlich verändert hat. Die Fachwelt bewertet solche Projekte nach wie vor unter bestimmten Voraussetzungen als sinn- und wirkungsvoll. Im dritten Kapitel („Pädagogische Aspekte“) sind Aspekte der fachlichen Diskussion aufgenommen und (in groben Zügen) dargestellt worden. Dabei wurden zunächst hauptsächlich qualitative, theoretische Aussagen aus der Fachdebatte bzw. der Fachliteratur herangezogen. Im Unterkapitel 3.1 werden grundsätzliche Probleme von Wirkungs-, Erfolgsbzw. Ergebnisanalysen angeführt. Einwände bezogen sich besonders darauf, von wem und vor dem Hintergrund welcher Zielvorstellungen Aussagen sinnvoll zu treffen seien. Nach einem Hinweis darauf, dass sich der Thematik der Wirkungen über theoretische Wirkmodelle genähert werden kann, folgt eine Darstellung der besonderen zeitlichen und räumlichen Situation an Bord von Segelschiffen mit Überlegungen, wie sich diese im pädagogischen Kontext sowohl positiv als auch negativ auswirken können (Unterkapitel 3.2). Vor diesem Hintergrund wurden mögliche Erziehungsziele kritisch untersucht (Unterkapitel 3.3) und es wurde angedeutet, dass nicht immer alle Erziehungsziele erreichbar sind und durch übergroße Erwartungen, die sich in sehr umfangreichen Zielvorstellungen äußern können, längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen überfrachtet werden können. In den folgenden beiden Unterkapiteln wurden besonders umstrittene Aspekte des Fachdiskurses beleuchtet. Problematisiert und diskutiert wurde die Sozialstruktur an Bord (Unterkapitel 3.4), die immer der Gefahr der Hierarchisierung unterliegt und damit einer auf Emanzipation, Selbständigkeit und Verbesserung des Selbstbewusstseins zielenden Pädagogik zuwider laufen kann. Die Gefahr einer „Totalen Institution“ (nach Goffman) mit depersonalisierenden Effekten für die Teilnehmenden wurde dabei für nicht zwingend und vermeidbar erachtet. In Unterkapitel 3.5 wurde das Problem des Transfers, also der Übertragung des Gelernten aus der pädagogischen Situation in den Alltag, für längerfristige Segelprojekte beschrieben. Dabei wurde dargelegt, dass alle drei Wirkmodelle aus der Erlebnispädagogik, besonders aber das „Outward Bound Plus“-Modell und das metaphorische Modell im Rahmen längerfristiger Segelprojekte Anwendung finden und dass der Nachbetreuung im Alltag zur Übertragung des Gelernten in den Alltag entscheidende Bedeutung zukommt. Nach Überlegungen, dass längerfristige Segelprojekte sowohl unter therapeutischen als auch pädagogischen Gesichtspunkten zu betrachten sind, eine strikte Trennung zwischen Therapeutischem und Pädagogischem kaum mögliche 73 ist (Unterkapitel 3.6), war anhand von in dieser Arbeit aufgeführten Prüfungsarbeiten und weiteren Studien keine grundsätzliche Schlechterbewertung, sondern tendenziell eine Gleichbewertung der Sinnhaftigkeit längerfristiger Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen bei abnehmender Anzahl der Prüfungsarbeiten festzustellen (Unterkapitel 3.7). Folgend wurde kurz skizziert, dass es zunehmend auch mehrere andere Konzepte für junge Menschen in psychosozialen Notlagen gibt (Unterkapitel 3.8). Kapitel 3 endet mit dem Versuch auch vor den vorangegangenen pädagogischen Überlegungen mögliche Zielgruppen nach Merkmalen genauer zu bestimmen. Die bezüglich der pädagogischen Aspekte unter 2.2 aufgestellte Arbeitshypothese scheint eher bestätigt als widerlegt zu sein. Weder in den eher theoretischen Diskursen in der Fachliteratur noch in den meist empirischen Prüfungsarbeiten waren Tendenzen festzustellen, dass längerfristige Segelprojekte als immer unsinniger oder gar gefährlicher erachtet wurden. Vielmehr wurde auf Gefahren, wie der Gefahr einer starken Hierarchisierung, und Probleme wie das des Transfers schon sehr früh und immer wieder hingewiesen. In den Prüfungsarbeiten und weiteren Studien werden längerfristige Segelprojekte (im Laufe der Jahre sehr konstant) größtenteils als sinnvoll angesehen. Die mit dem vierten Kapitel „Gesellschaftliche und politische Aspekte“ korrespondierende Arbeitshypothese (b) aus Unterkapitel 2.2 besagte, dass sich das gesellschaftliche und politische „Klima“ gegenüber längerfristigen Segelprojekten mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen verschlechtert hat. Die Öffentlichkeit stehe den Projekten eher ablehnend gegenüber, aber auch grundsätzliche Entwicklungen der gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Ordnung, die unter dem Stichwort „Neoliberalismus“ angedeutet werden, haben negative Auswirkungen für die Durchführbarkeit und Legitimation längerfristiger Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen, bei denen es problematisch ist, Wirkungen – in Zahlen ausgedrückt – zu belegen. Eine Zielgruppe, für die solche Projekte sinnvoll und angemessen ist, sei in „genügendem“ Ausmaß vorhanden. Kapitel 4 beginnt zunächst mit einer in Fachdebatten hauptsächlich thematisierten Darstellung zweier Sichtweisen auf längerfristige Projekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen. Beide Sichtweisen, die des „finalen Rettungskonzepts“ und die der „sozialen Verklappung“, ziehen direkte pädagogische Probleme nach sich, indem entweder zu hohe Erwartungen an die Projekte gestellt werden oder die (zur Vermeidung einer „Totalen Institution“) notwendige Freiwilligkeit gefährdet wird (Unterkapitel 4.1). Im folgenden Unterkapitel 4.2 werden die rechtlichen Grundlagen, besonders das KJHG, beleuchtet, auch zum Verständnis nachfolgender auf diesen Grundlagen basierender statistischer Aussagen. Durch qualitative Aussagen insbesondere aus den Jugendberichten der Bundesregierung und statistische Aussagen basierend auf den rechtlichen Grundlagen wurden im Unterkapitel 4.3 Indizien gesammelt, dass die Zielgruppe wahrscheinlich nicht kleiner geworden ist. Mangels genauerer 74 bzw. spezieller Daten war es allerdings nicht möglich, definitive Aussagen zu machen. Im nachfolgenden Unterkapitel 4.4 wurde an Presseartikeln gezeigt, dass in der Öffentlichkeit ein verzerrtes Bild von längerfristigen Segelprojekten mit jungen Menschen, wie überhaupt von (erlebnis-)pädagogischen Projekten besonders im Ausland herrscht. Abweichler würden für ihr Verhalten auch noch auf Staats- bzw. Steuerzahlerkosten belohnt und würden betreut von Pädagogen, die sich bereichern. Auch Politiker und Politikerinnen tendierten im Zuge der Berichterstattung zu einer ablehnenden Haltung zu solchen erlebnispädagogischen Projekten, zu denen auch längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen zählen. Im folgenden Unterkapitel 4.5 wurde anhand von Literatur der „Neoliberalismus“ als vor allem ökonomischer, aber auch gesellschaftlicher und politischer „Mainstream“ herausgearbeitet, durch den eine (betriebs-)wirtschaftliche Terminologie und Denkweise in allen gesellschaftlichen Bereichen, also auch in den Sozialsysteme Einzug hält. Unter dem Stichwort „neue Steuerung“ wurde dies im folgenden Unterkapitel 4.6 für Jugendämter gezeigt und es wurde dargestellt, wie problematisch eine Übertragung und Anwendung (betriebs-)wirtschaftlicher Methoden auf die Jugendhilfe und besonders längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen ist. Die Ergebnisse dieses Kapitels deuten tatsächlich auf eine „Klimaverschlechterung“ für diese Projekte hin. Sowohl der gesellschaftlichpolitische „Mainstream“ besonders in Form der „neuen Steuerung“, als auch das verzerrte Bild der Projekte in der Öffentlichkeit lassen es nicht leichter und attraktiver erscheinen, ein längerfristiges Segelprojekt anzubieten. Wie sich dies, vor allem aber das Bild in der Öffentlichkeit auf das Finden von geeigneten Mitarbeitern ausgewirkt hat, konnte nicht vertiefend untersucht werden. Dass potentielle Mitarbeiter vermittels der Variable „Sozialprestige“ abgeschreckt werden, liegt als Vermutung nach wie vor nahe. Eine dritte Arbeitshypothese (c) ging davon aus, dass die Besetzungspraxis der Jugendämter sich nachteilig für längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen entwickelt habe, obwohl auf lange Sicht solche Projekte ökonomisch günstiger bzw. sinnvoller sind als beispielsweise Jugendstrafvollzug. Das dieser Arbeitshypothese entsprechende Kapitel 5 „Finanzielle Aspekte“ zeigt zu Beginn die Finanzkrise der kommunalen Ebene, als Träger der örtlichen, öffentlichen Jugendhilfe, durch die die Projekte in den meisten Fällen finanziert werden müssten (Unterkapitel 5.1). Dass dabei grundsätzlich keine direkte rechtliche Beziehung zwischen dem freien Träger, zu denen auch die Anbieter von Segelprojekten gehören, und öffentliche Träger besteht, sondern erst über anzustrebende Vereinbarungen bzgl. der Kosten in Form von Tagessätzen entsteht, wurde im folgenden Unterkapitel 5.2 aufgezeigt. Hier wird auch verwiesen auf die vom Gesetzgeber herbeigeführte Deckelung der Kosten durch nur sehr geringe mögliche Steigerung der Tagessätze. Aufgrund der nur sehr 75 geringen Steigerung der gesamten Ausgaben in diesem Bereich der Jugendhilfe bei gleichzeitigem stärkeren Anwachsen der Fallzahlen lässt sich eine veränderte Besetzungspraxis seitens der Jugendämter vermuten. Obwohl „Besetzung durch die Jugendämter“ wegen des Wunsch- und Wahlrechts nicht ganz korrekt ist, erlangen die Jugendämter bei der Besetzung durch den Begriff „unverhältnismäßige Mehrkosten“ maßgeblichen Einfluss. Inwiefern sich die Faktoren Besetzung und Tagessatz auf die Kalkulationen und die Wirtschaftlichkeit der einzelnen Projekte auswirkt, wurde im Unterkapitel 5.3 an zwei Projekten nachgezeichnet. Dabei wurde deutlich, dass die ohnehin schon sehr knapp kalkulierten Projekte sehr anfällig sind, wenn die kalkulierte Besetzung ausbleibt. Sparpotentiale könne nur noch auf Kosten der Qualität realisiert werden. Zum Ende des Kapitels fünf werden noch die Kosten von Jugendstrafvollzug und Segelprojekten (mit Nachbetreuung usw.) verglichen (Unterkapitel 5.4). Es zeigte sich, dass auf lange Sicht Segelprojekte mit hoher Wahrscheinlichkeit kostengünstiger sind. Eine in der Arbeitshypothese behauptete Veränderung der „Besetzung durch die Jugendämter“ zuungunsten der Segelprojekte konnte nicht direkt nachgewiesen werden, scheint aber sehr wahrscheinlich. Als ein Beispiel für die direkt politische Einflussnahme auf die Jugendämter ist (neben der „neuen Steuerung“) die „Deckelung der Kosten“ zu nennen. Die These, dass längerfristige Segelprojekte dauerhaft günstiger sind als beispielsweise Jugendstrafvollzug, scheint eher bestätigt denn widerlegt. 6.2 Woran lag es nun? – Noch einmal die „Macher“ Wie eingangs der Arbeit angedeutet, war es schwierig, diejenigen zu erreichen, die ihre Projekte eingestellt haben, eben weil sie mangels offizieller Adresse kaum ausfindig zu machen waren. Aus diesem Grund wurden für diese Arbeit zwei aktuelle (Noch-)Anbieter und ein Nicht-mehr-Anbieter längerfristiger Segelprojekte interviewt. Doch auch oder gerade die aktuellen (Noch-)Anbieter konnten über die Probleme berichten, aufgrund derer andere Anbieter ihre Projekte aufgegeben haben. Herr Niemeyer von der Outlaw gGmbH nannte zwei Gründe die in erster Linie und zu etwa gleichen Anteilen dazu geführt haben, dass Outlaw keine Segelprojekte mehr anbietet: Konzeptionelle und wirtschaftliche Überlegungen. Konzeptionell habe sich Outlaw e.V. dafür entschieden, sich auf flexible erzieherische Hilfen mit starkem sozialräumlichem Bezug zu konzentrieren. Wirtschaftlich sei das Risiko zu hoch gewesen, da bei einer notwendigerweise knappen Kalkulation die Projekte durchgängig zu etwa 95 Prozent ausgelastet hätten sein müssen. Wäre risikomindernd eine Sicherheit einkalkuliert worden, wäre ein Tagessatz von etwa 400 DM realistisch gewesen. Problematisch sei es auch immer gewesen geeignetes Personal mit Doppelqualifikation zu finden, das bereit ist, bei relativ geringer Bezahlung zu arbeiten. Grundsätzlich, so Niemeyers Einschätzung, habe es eine zeitlang mehr Angebot als Nachfrage gegeben. Der 76 Markt habe also einfach nicht mehr hergegeben und hätten normale Marktmechanismen dazu geführt, dass einige Anbieter aufgeben mussten.306 Helga Arp und Jens Günther von Gangway e.V. benannten als wichtigste Probleme die finanziellen. Die Projekte seien sehr personalintensiv und damit bei notwendiger (nautischer und pädagogischer) Doppelqualifikation und bei einem Betreuungsschlüssel von eins zu zwei teuer und müssten bei den sehr knappen Tagessätzen mit etwa 95 Prozent belegt sein. Diese Belegung ist dann besonders schwierig zu erreichen, wenn bei Finanzknappheit die Jugendämter zu geringerer Besetzung neigten. Druck würde auf Verwaltungsmitarbeiter ausgeübt, keine Projekte über bestimmten Tagessätzen zu genehmigen. Rückfragen von Gangway e.V., warum nicht mehr belegt würde, ergaben regelmäßig, dass finanzielle Gründe und nicht pädagogische ausschlaggebend seien. Die negative Berichterstattung in der Presse hätte im wesentlichen die Projekte betroffen, die nicht in ausreichendem Maße selber Öffentlichkeitsarbeit geleistet hätten. Es sei aber ganz gut, dass es jetzt vielleicht weniger Projekte gebe, bei denen junge Menschen schlecht untergebracht sind. Geeignetes Personal zu finden, sei sehr schwer. Die nötigen Voraussetzungen, nautische und pädagogische Qualifikationen, eine Familie im Hintergrund, die es mitträgt, wenn jemand ein halbes Jahr weg ist, selber ein halbes Jahr auf Privatleben weitgehend zu verzichten, erfüllten nur wenige. Mit den sonst in der Seefahrt üblichen Gehältern können Segelprojekte nicht mithalten.307 Thomas Piruzgar-Merkle gibt vielfältige Probleme beim Betrieb eines Segelprojektes an. Grundsätzlich sei das Geld immer knapp. So könne die Arbeit nicht annähernd angemessen belohnt werden. Von den Mitarbeitern werde ein hohes Maß an Qualifikationen verlangt, die erst im Zuge der Professionalisierung der sozialen Arbeit möglich wurden. Es seien damit aber auch längere und fundiertere Ausbildungszeiten und –leistungen nötig geworden. Zusätzlich werde von den Mitarbeitern neben der nautischen Ausbildung die Beherrschung zweier Fremdsprachen und handwerkliche Vorkenntnisse erwartet. Bei einer Bezahlung von etwa BAT 4b sei es sehr schwierig, Personal zu finden, das dazu bereit ist, rund um die Uhr „im Einsatz“ zu sein, weit weg von der Familie. Durch die Presseberichte, die sich pauschal gegen alle Auslandsprojekte richtete, seien Einrichtungen demotiviert und demontiert worden, sodass etwa 50 Prozent aufgegeben hätten.308 306 Vgl.: Interview Niemeyer, a.a.O. Vgl.: Interview Arp/Günther, a.a.O. 308 Vgl.: Interview Piruzgar-Merkle, a.a.O. 307 77 6.3 Warum es immer weniger längerfristige Segelprojekte für junge Menschen in psychosozialen Notlagen gibt – eine vorläufige Antwort und ihr Wert Die zu Beginn der Arbeit gestellte Frage, warum es immer weniger längerfristige Segelprojekte für junge Menschen in psychosozialen Notlagen gibt, würde ich nun, am Ende dieser Arbeit so beantworten, dass meistens unmittelbar finanzielle Gründe die Anbieter dazu bewegten, ihre Projekte einzustellen. Was aber mittelbar der Grund war, was also ursächlich zu den finanziellen Problemen geführt hat, scheint mir nach wie vor nicht eindeutig klärbar. Die in den Arbeitshypothesen genannten und in dieser Arbeit untersuchten Phänomene scheinen mir aber mit unterschiedlicher Gewichtung, die in dieser Arbeit nicht weiter untersucht wurde, ein Gemenge von Gründen zu ergeben. Dabei lässt sich gewiss für jeden dieser möglichen Gründe wieder fragen, was ihnen zugrunde liegt und bei den dann gefundenen Gründen lässt sich dies wieder fragen usw. Eine Einordnung von Segelprojekten in einen größeren Kontext, wie dies in dieser Arbeit u.a. intendiert war, ist abschließend wohl kaum möglich. Ansatzweise ist diese aber von mir versucht worden. Allein durch die Wahl der besonders zu untersuchenden Aspekte über die Aufstellung der Arbeitshypothesen beinhalten ein Nichtuntersuchen bzw. ein Ausschließen anderer Aspekte, die möglicherweise auch (mittelbar) relevant waren oder sind. Die von mir gewählten Aspekte schienen mir jedoch besonders plausibel. Plausibel ist auch das Stichwort zur Bewertung der Ergebnisse der einzelnen Kapitel und Unterkapitel. Eine wirklich eindeutige wissenschaftliche „Beweisführung“ war in dieser Arbeit und der gegebenen Zeit und aufgrund fehlenden Materials häufig nicht möglich. Ausgehend von „Indizien“ schienen mir bestimmte Aussagen aber plausibel. Bei allen Schwierigkeiten mit dem Begriff „schwierigste Jugendliche“ komme ich nun zurück auf die Frage, die gleichzeitig Thema dieser Arbeit ist: Segelpädagogik für schwierigste Jugendliche – Ein Auslaufmodell? Auslaufen bedeutet in der Sprache der Seeleute das Verlassen des sicheren Hafens, das Aufbrechen zu neuen Ufern. Für einen jungen Menschen können psychosoziale Notlagen bei all ihren Gefährdungen ein Stück Sicherheit oder besser Vertrautheit bedeuten. Wenn der sichere Hafen als Metapher für diese gewohnten psychosozialen Notlagen dient und die neuen Ufer die realistisch zu erreichenden Erziehungsziele sind, war Segelpädagogik schon immer ein Modell des Auslaufens und sollte es auch weiterhin bleiben. Ob Segelpädagogik auch ein auslaufendes Modell, also ein Modell, dass nicht mehr angeboten wird, ist, ist eine andere Frage, auf die auch diese Arbeit kein klares Ja oder Nein als Antwort geben kann. Die weitere Entwicklung wird dies wohl zeigen. Um längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen nicht zu einem auslaufenden Modell werden zu lassen, also weiterhin als Modell des Auslaufens zu erhalten, ließe sich einiges tun. 78 6.4 Was nun? Als erstes sind natürlich noch Fragen offengeblieben, bei denen es sich lohnen würde, diese vertiefter zu untersuchen. Wünschenswert ist m.E. eine größere vergleichende Wirkungsanalyse verschiedener Umgangsweisen mit den „Schwierigsten“. Diese sollte aber auch breiter in den Erfolgskriterien sein, d.h. sie sollte die nachhaltige Erreichung verschiedenster Erziehungsziele beinhalten. Die Nachhaltigkeit kann durch einen ausreichenden Katamnesezeitraum, also etwa fünf Jahre nach Beendigung des Projekts, in die Untersuchung Eingang finden. Trotzdem sollte auch eine solche Untersuchung, eine quantitative Untersuchung mit vielen ehemaligen Teilnehmenden jeweils deren Vorgeschichte berücksichtigen. Des weiteren erachte ich es als sehr sinnvoll, für die Bewertung der Erreichung der Ziele neben ehemaligen Teilnehmende und Jugendämtern, auch die ehemaligen Pädagogen vor Ort einzubeziehen. Sie könne trotz aller eigener Interessen doch häufig gut einschätzen, ob der Weg, der von ehemaligen Teilnehmenden eingeschlagen wird, für diese schlüssig und sinnvoll ist. Eine solche Wirkungsanalyse könnte dazu beitragen, eine evtl. wiederkehrende Diskussion auch in den Medien zu versachlichen und würde den Anbietern sowohl als Evaluation der eigenen Arbeit, als auch als Argumentationshilfe dienen können. Zwar häufen sich die Anzeichen, dass längerfristige Segelprojekte mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen einen nach wie vor vielversprechenden Weg darstellen, eine Erforschung dessen scheint aber abgebrochen ohne beendet zu sein. Bis dahin kann den verbliebenen Anbietern nur geraten werden, weiterhin die geäußerten Kritiken immer wieder ernst zu nehmen, als Anlass zur Überprüfung, wie viel der Kritik berechtigt ist, aber auch wie viel der Kritik durch eigene Öffentlichkeitsarbeit entkräftbar ist. Klarheit sollte darüber geschaffen werden, dass längerfristige Segelprojekte nicht das Allheilmittel für „alle Gestörten“ sein können. Hiergegen können sich die Anbieter ebenso wenden wie gegen den Missbrauch des Mediums Segeln zur Verklappung derer, die lästig sind. Grundsätzlich hoffe ich, dass längerfristige Segelprojekte als eine vielversprechende aber auch viel einhaltende Möglichkeit des Umgangs mit jungen Menschen in psychosozialen Notlagen erhalten bleibt. Es besteht auch Grund zu dieser Hoffnung. Das Interesse, solche Segelprojekte zu belegen, scheint wieder zu steigen.309 Denen, die gerne wieder Segelprojekte belegen möchten, möchte ich zurufen: „Geld ist nicht alles und gute Arbeit hat ihren Preis! Auch und gerade in Zeiten knapper Kassen ist dieses Geld gut und nachhaltig angelegt.“ 309 Vgl.: ebd. / Vgl. Interview Arp/Günther, a.a.O. 79 Anhang I: Quellenverzeichnis I.1 Veröffentlichte Quellen (ohne die für 4.4 relevanten Zeitungsartikel, die aus Anhang IV zu entnehmen sind) Albrecht, Hergen, Auf der Flucht. Anmerkungen zu einem Trend, Lüneburg 1997 –in: Zeitschrift für Erlebnispädagogik 3/1997, S. 5-8 Antes, Wolfgang, Erlebnispädagogik – Fundierte Methode oder aktuelle Mode?, Münster 41999 –in: Jugendstiftung Baden-Württemberg, Erlebnispädagogik. Theorie und Praxis in Aktion, Münster 41999, S. 11-24 Banner, Gerhard, Von der Behörde zum Dienstleistungsunternehmen – Brauchen wir ein neues Steuerungsmodell?, Beckum 1992 –in: Ebell, Peter u.a. (Hrsg.), Brauchen die Kommunen neue Steuerungsmodelle?. Zur Handlungsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung am Ende des 20. Jahrhunderts, Beckum 1992, S. 19-43 Bauer, Hans G., Erlebnis- und Abenteuerpädagogik. 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Tagungsdokumentation des Forums Erlebnispädagogik, München 21994 Bedacht, Andreas, Manteler, Rolf, Theoriedefizit, Grenzen, Missverständnisse der Erlebnispädagogik, München 21994 –in: Bedacht, Andreas u.a. (Hrsg.), Erlebnispädagogik: Mode, Methode oder mehr?. Tagungsdokumentation des Forums Erlebnispädagogik, München 21994, S. 119-125 Biermann, Benno u.a., Soziologie. Gesellschaftliche Probleme und sozialberufliches Handeln, Neuwied Kriftel Berlin1994 80 Blandow, Jürgen, Hilfen zur Erziehung außerhalb des Elternhauses. Stationäre Erziehungshilfen auf dem statistischen Prüfstand, Neuwied Kriftel Berlin 1997 – in: Rauschenbach, Thomas, Schilling, Matthias (Hrsg.), Die Kinder- und Jugendhilfe und ihre Statistik. Band II: Analysen, Befunde und Perspektiven, Neuwied Kriftel Berlin 1997, S. 15-86 Blandow, Jürgen, Am Ende des “Jahrhunderts des Kindes”. 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Februar 2002 Justizministeriums Nordrhein-Westfalen, Durchschnittliche Tages-Haftkosten einer/eines Gefangenen in Nordrhein-Westfalen im Haushaltsjahr 2001 86 Lauterbach, Bettina, Öffentliche Erziehung auf einem Segelschiff – Erfahrungen aus dem Projekt „NOSTRA“ des Rauhen Hauses in Hamburg, Hamburg 1988, unveröffentlichte Diplomarbeit Mustert, Rainer, Rogge, Michael, Erlebnispädagogik und Segeltherapie: Möglichkeiten der Verhaltensänderung bei Jugendlichen durch das Segeln in Gruppen, Bremen 1986, unveröffentlichte Diplomarbeit, S. 137 Scheffers, Wilfried, Segeln als Medium sozialpädagogischer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, Köln 1994, unveröffentlichte Diplomarbeit Uhlmann, Katharina, Effektivität und Wirkvariablen erlebnispädagogischer Langzeitprojekte bei Jugendlichen mit Störungen des Sozialverhaltens, Tübingen 1995, unveröffentlichte Diplomarbeit 87 Anhang II: Prüfungsarbeiten zu Segelprojekten Alle hier aufgeführten Arbeiten finden sich im Prüfungsarbeitenarchiv des Instituts für Erlebnispädagogik Lüneburg: 1978: Erwin Bogena und Jürgen Dietrich kommen in ihrer gemeinsame Examensarbeit „...zu dem Schluß, daß nicht genügend Verhaltensänderungen bei den Jugendlichen bewirkt werden und daß insofern die öffentliche Ersatzerziehung auf dem Wasser keine Alternative zur praktizierten Heimerziehung darstellt.“310 1979: Rudolf Westenberger „...kommentiert .. Chancen und Gefahren der segeltherapeutischen Maßnahmen und erwägt zukünftige 311 Innovationsmöglichkeiten des Fürsorgesystems“ in seiner Magisterarbeit. 1983: Christian Bode formuliert Bedingungen für das Erreichen pädagogischer Ziele. Dabei kommt es ihm auf pädagogische Möglichkeiten und Wirkungen in Abgrenzung zu Therapeutischem an.312 Martin Seelov betrachtet Segelprojekte besonders unter dem Aspekt der Alternative oder Ergänzung zu Heimerziehung.313 Brunhild Zantrop zieht in ihrer Examensarbeit ein vorläufiges positives Fazit bzgl. des Segelprojektes JONATHAN.314 1985: Sybille Bucke sieht zahlreiche Faktoren an Bord als förderlich für Verhaltensänderungen bei Jugendlichen.315 Uli Fentrop stellt in seiner Examensarbeit die Wirksamkeit von Erlebnispädagogik exemplarisch am Segelprojekt Outlaw dar.316 Manfred Riedle, Holger Schmidt und Martina Schmidt sehen in ihrer gemeinsamen Diplomarbeit Segeltörns als wegweisend für die weitere Zukunft von Klienten an und fordern Nachbetreuung.317 1986: Udo Fischer zeigt, wie sich strukturelle Momente des Segelns pädagogisch nutzen lassen und regt eine größere Vernetzung von Therapie und Pädagogik an.318 Rainer Mustert und Michael Rogge kommen in ihrer gemeinsamen Diplomarbeit nach Fragebögen und Interviews mit Teilnehmern und Betreuern zu dem positiven 310 Buhl, Neumann, a.a.O., S. 22f ebd., S. 66f 312 Vgl.: ebd., S. 20f 313 Vgl.: ebd., S. 60f 314 Vgl.: ebd., S. 70f 315 Vgl.: ebd., S. 22f 316 Vgl.: ebd., S. 30f 317 Vgl.: ebd., S. 56f 318 Vgl.: ebd., S. 32f 311 88 Schluss, dass Ansätze zu Verhaltensänderungen erkennbar seien und fordern Nachbetreuung.319 1987: Jürgen Becker sieht nach Beschreibung zweier Projekte diese als erfolgversprechende Alternative zur geschlossenen Unterbringung.320 Thomas Mallach bewertet den sozialtherapeutischen Nutzen zweier Projekte positiv und problematisiert die wissenschaftliche Überprüfbarkeit.321 Helmut Paar beschreibt das Fehlschlagen einer Segelmaßnahme für einen Klienten.322 Torsten Strumila spricht von Effizienz der Erlebnispädagogik, u.a. von Segelprojekten, in Problemfällen als Alternative zu herkömmlichen Formen öffentlicher Erziehung.323 1988: Stephan Buttgereit spricht sich für vermehrten Einsatz sozial-therapeutischer Segelprojekte aus.324 Monika Dittmann befindet das Segelprojekt Arge Noah für konzeptuell ausgereift vor allem die Nachbereitung und damit verbundene Stabilisierung betreffend.325 Thomas Hinze grenzt die „Totale Institution“ Schiff von anderen „Totalen Institutionen“ ab und fordert die Gleichwertigkeit aller Gruppenmitglieder an Bord.326 Andrea Johannknecht beschreibt Chancen für die Entwicklung junger Menschen anhand sozialpädagogischen Segelns.327 Bettina Lauterbach beschreibt nach einer „Erfolgsanlyse“ für das Projekt NOSTRA Gründe für Nichterreichen von Zielen und macht 328 Verbesserungsvorschläge. Susanne Naber beurteilt die Wirkung einer von ihr dokumentierten pädagogischtherapeutischen Segelreise als positiv.329 Thomas Piruzgar beschreibt detailliert sozialtherapeutisches Segeln anhand verschiedener Projekte und besonders anhand der ANNA-CATHARINA und trägt zur Weiterentwicklung dessen bei.330 Uta Reich beschreibt Bedingungen des Zusammenlebens an Bord von Schiffen, die ein therapeutisches Klima begünstigen.331 319 Vgl.: ebd., S. 50f Vgl.: ebd., S. 20f 321 Vgl.: ebd., S. 50f 322 Vgl.: ebd., S. 52f 323 Vgl.: ebd., S. 64f 324 Vgl.: ebd., S. 24f 325 Vgl.: ebd., S. 26f 326 Vgl.: ebd., S. 36f 327 Vgl.: ebd., S. 40f 328 Vgl.: ebd., S. 46f 329 Vgl.: ebd., S. 52f 330 Vgl.: ebd., S. 54f 331 Vgl.: ebd., S. 54f 320 89 1989: Johannes Guschelbauer untersucht mit mathematisch-statistischen Methoden, die er selbst auch mit Kritik betrachtet, einen Langzeittörn mit Mädchen auf Verhaltensänderung und kommt dabei zu dem Ergebnis, dass der Nachbereitung besondere Bedeutung zukommt.332 Christiane Linn beschreibt in ihrer Examensarbeit das Schiff „als ,geschützten und attraktiven Erlebnis- und Erfahrungsraum’“333. Birgit Wibberg untersucht die Chancen der Erlebnispädagogik, u.a. des Segelns, mit jugendlichen Straffälligen.334 1990: Martin Fritsch sieht Erlebnispädagogik nach einem Segeltörn mit der ANNACATHARINA als Zusammenspiel von Erlebnistherapie und Milieutherapie.335 Harald Kunert befürwortet in seiner Examensarbeit grundsätzlich den Ausbau längerfristiger Segelprojekte und problematisiert geschlossene Unterbringung im allgemeinen.336 Beate Wehking spricht sich für Therapie von jungen Menschen mit Drogenproblematik auf Segelschiffen aus.337 1991: Klaus Freudenhammer beschreibt insbesondere Segeln als Möglichkeit die Abgetrenntheit von der Natur zu überwinden und zu einer Urharmonie zurückzufinden.338 Thilo Korek beschreibt Segeln als erlebnispädagogisches Medium, das Möglichkeiten der Verhaltensänderung besonders dadurch bietet, dass das Schiff ein abgetrennter Lebensraum mit verschiedenen Lernfeldern und einer besonderen Sozialgemeinschaft ist.339 Manfred Roth thematisiert nach Gesprächen mit Teilnehmenden mehrerer Schiffsprojekte positive und negative Effekte und regt Verbesserungen, wie z.B. Ausbildungsmöglichkeiten an.340 1992: Katja Günewald beschreibt die „Totale Institution“ Schiff als Chance und die auftretenden Konflikte an Bord als Möglichkeit des Trainings konstruktiver Konfliktlösungsstrategien.341 Birgit Reinhold beleuchtet Möglichkeiten erlebnispädagogischer Maßnahmen, u.a. des Segelns, im Rahmen des § 35 KJHG.342 332 Vgl.: ebd., S. 34f ebd., S. 48f 334 Vgl.: ebd., S. 68f 335 Vgl.: ebd., S. 32f 336 Vgl.: ebd., S. 44f 337 Vgl.: ebd., S. 66f 338 Vgl.: ebd., S. 32f 339 Vgl.: ebd., S. 42f 340 Vgl.: ebd., S. 56f 341 Vgl.: ebd., S. 34f 333 90 Harald Wurst setzt sich mit verschiedenen Aspekten sozialtherapeutischen Segelns und da besonders mit der ANNA-CATHARINA auseinander.343 1993: Reiner Fischbach beschreibt Möglichkeiten weitgehender Gleichheit und antiautoritärer Erziehung an Bord von Segelschiffen.344 Ralf Sattelmeier warnt, nachdem er die Anwendung verschiedener Therapieformen beleuchtet, vor Kommerzialisierung von Segelprojekten und fordert verstärkte wissenschaftliche Begleitung.345 1994: Heiko-Michael Bohn räumt nach Beschäftigung besonders mit LangzeitSegelprojekten der Erlebnispädagogik wertvolle Möglichkeiten in der Ergänzung herkömmlicher Methoden ein, warnt aber vor einer Glorifizierung.346 Wilfried Scheffers hält fest, dass Segeln für sozialpädagogische Arbeit günstige Rahmenbedingungen bietet.347 1995: Hasko Facklam und Raphael Meßlinger kommen nach der Untersuchung des Segelprojekts ARGE NOAH zu dem Ergebnis, das aufgrund offensichtlicher Erfolge dies eine gute und notwendige Alternative darstellt.348 342 Vgl.: ebd., S. 56f Vgl.: ebd., S. 70f 344 Vgl.: ebd., S. 30f 345 Vgl.: ebd., S. 58f 346 Vgl.: ebd., S. 22f 347 Vgl.: Scheffers, a.a.O., S. 79 348 Vgl.: Facklam, Hasko, Meßlinger, Raphael, Möglichkeiten erlebnispädagogischer Arbeit mit gefährdeten Jugendlichen am Beispiel der „Arge Noah“, Kassel 1995, unveröffentlichte Diplomarbeit, S. 103 343 91 Anhang III: Fälle in der Jugendhilfestatistik III.1 Tabelle 3: Vergleich von begonnenen und beendeten Hilfen nach § 34 (unter besonderer Berücksichtigung der Wohnform Heim) und §35 KJHG zum jeweiligen Bestand am Jahresende (1991-1998) Jahr Bestand 31.12. Heimerziehung/ Unterbringung in Intensive Vorjahr, + Sonstige betreute einem Heim sozialpädagogisch begonnene Hilfen, - Wohnform e Einzelbetreuung beendete Hilfen, = männ- männ- männ- männ- männ- männrechnerischer Saldo lich und lich lich und lich lich und lich weiblich weiblich weiblich 1991 01.01.’91 64.332 39.313 60.669 37.529 682 340 + 23.938 13.386 21.974 12.509 457 249 - 20.560 12.027 18.466 11.006 345 186 = 67.710 40.672 64.177 39.032 794 403 1992 31.12.’91 68.190 40.920 63.423 38.626 865 440 + 25.393 14.187 23.024 13.104 532 294 - 21.472 12.389 19.146 11.291 434 233 = 72.111 42.718 67.301 40.439 963 501 1993 31.12.’92 72.685 43.012 66.627 40.092 1.033 529 + 27.573 15.513 24.667 14.086 617 360 - 24.173 13.833 21.249 12.320 497 271 = 76.085 44.692 70.045 41.858 1.153 618 1994 31.12.’93 76.824 45.047 69.254 41.400 1.248 676 + 26.915 14.889 23.642 13.341 833 410 - 24.756 14.300 21.459 12.645 683 371 = 78.983 45.636 71.437 42.096 1.398 715 1995 31.12.’94 80.077 46.202 70.880 41.819 1.505 772 + 27.865 15.474 23.560 13.497 1.106 561 - 24.113 13.569 20.270 11.699 677 368 = 83.829 48.107 74.170 43.617 1.934 965 1996 31.12.’95 69.969 40.549 61.831 36.846 1.424 709 + 27.268 15.006 22.497 12.803 1.082 571 - 25.426 14.091 20.232 11.629 935 499 = 71.811 41.464 64.096 38.020 1.571 781 1997 31.12.’96 75.543 43.451 65.541 38.948 1.849 931 + 27.422 14.945 22.368 12.631 1.258 655 - 25.465 13.988 20.147 11.510 977 498 = 77.500 44.408 67.762 40.069 2.130 1.088 92 31.12.’97 78.212 44.682 66.543 39.379 2.303 1.171 + 28.312 15.616 22.471 12.855 1.373 720 - 25.658 14.105 20.188 11.571 1.062 545 = 80.866 46.193 68.826 40.663 2.614 1.346 01.01.’91 64.332 39.313 60.669 37.529 682 340 +begon. H.’91-’98 214.686 119.016 184.203 104.826 7.258 3.820 -beend. H.’91-’98 191.623 108.302 161.157 93.671 5.610 2.971 = 87.395 50.027 83.715 48.684 2.330 1.189 31.12.’98 82.051 46.819 68.133 40.336 2.778 1.424 Quelle(n): Statistisches Bundesamt, Fachserie 13: Sozialleistungen. Reihe 6.1.2 Jugendhilfe – Erzieherische Hilfen außerhalb des Elternhauses, Stuttgart 1993-2000, jährlich, je S. 15 (begonnene Hilfen), S. 31 (beendete Hilfen), S. 53 (Bestände) (außer 1998 und 2000 S. 51) Statistisches Bundesamt, Fachserie 13: Sozialleistungen. Reihe 6.1.4 Jugendhilfe – Erzieherische Hilfen außerhalb des Elternhauses, Stuttgart 1993, S. 1998 III.2 Tabelle 4: Bestände in der Wohnform Heim nach Altersklassen jeweils zum 31.12. eines Jahres (1991-1998) 12 – 15 Jahre 15 – 18 Jahre 18 – 21 Jahre 12 – 21 Jahre männlich männlich männlich männlich männlich männlich männlich männlich und und und und weiblich weiblich weiblich weiblich 1991 14540 9548 19911 11728 8224 4867 42675 26143 1992 14847 9603 20325 11914 10018 5816 45190 27333 1993 15314 9805 20570 12028 11139 6425 47023 28258 1994 15455 9717 20802 11965 11579 6478 47836 28160 1995 14906 9499 20629 11688 8352 4702 43887 25889 1996 15292 9742 22182 12593 9425 5333 46899 27668 1997 15279 9653 22418 12741 9884 5545 47581 27939 1998 13014 8217 20041 11561 11017 6203 44072 25981 Quelle(n): Statistisches Bundesamt, Fachserie 13: Sozialleistungen. Reihe 6.1.2 Jugendhilfe – Erzieherische Hilfen außerhalb des Elternhauses, Stuttgart 1993-2000, jährlich, je S. 53 (außer 1998 und 2000 S. 51) Jahr 93 III.3 Tabelle 5: Bestände in Intensiver sozialpädagogischer Einzelbetreuung nach Altersklassen jeweils zum 31.12. eines Jahres (1991-1998) 12 – 15 Jahre 15 – 18 Jahre 18 – 21 Jahre 12 – 21 Jahre männlich männlich männlich männlich männlich männlich männlich männlich und und und und weiblich weiblich weiblich weiblich 1991 17 13 357 189 404 181 778 383 1992 18 12 395 215 509 247 922 474 1993 24 18 406 233 632 332 1062 583 1994 29 15 536 284 646 357 1211 656 1995 35 25 685 362 650 292 1370 679 1996 38 29 747 417 929 423 1714 869 1997 64 48 884 494 1099 501 2047 1043 1998 40 27 919 508 1213 598 2172 1133 Quelle(n): Statistisches Bundesamt, Fachserie 13: Sozialleistungen. Reihe 6.1.2 Jugendhilfe – Erzieherische Hilfen außerhalb des Elternhauses, Stuttgart 1993-2000, jährlich, je S. 53 (außer 1998 und 2000 S. 51) Jahr 94 Anhang IV: Im weiteren Sinne zum Thema gehörige Presseartikel Die nachfolgend aufgeführten Presseartikel sind (so gut wie möglich) chronologisch geordnet. Zum Großteil stammen sie aus dem Ordner „Presse. Artikel. 1982 – 1999“ des Bundesverbands Erlebnispädagogik e.V. 1982: Der Spiegel 46/1982 S. 116-128 Outlaw – Segeln als Mittel der Sozialisierung statt Knast. Pädagogischer Ertrag grundsätzlich umstritten, bei Outlaw 80%. 1984: Lübecker Nachrichten 29.07.1984 ZUVERSICHT als erfolgreiches Vorbild für Erziehung Jugendlicher in Verbindung mit Segelschiffen 1985: segeln 2/1985 Langer Bericht über Segeln auf der ZUVERSICHT als Therapie –als erfolgreich dargestellt Stern 23.04.1985 Segeln als Pädagogik und Therapie mit „Fürsorgezöglingen“ auf der UNDINE wird gelobt Lübecker Nachrichten 09.06.1985 Arbeitslose Jugendliche bauen Schiffe behindertengerecht um Lübecker Nachrichten 09.08.1985 Behinderte und Nichtbehinderte segeln zusammen auf der JACHARA 1994: Zeitschrift für Erlebnispädagogik 1/1994 Abdruck eines Berichtes aus: Präsidium des Bundes der Steuerzahler e.V. – Wiesbaden (Hrsg.): DIE ÖFFENTLICHE VERSCHWENDUNG. Ein Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler. XVI. Ausgabe, Bonn 1993 „...das unschlagbare Angebot...“, „...Kreuzfahrt...“, „...Fernweh der auf Steuerzahlerkosten mitreisenden Betreuer Vater dieses pädagogischen Gedankens...“ (anbei) 95 Welt am Sonntag 17.07.1994 „Steuergelder für Weltreisen krimineller Jugendlicher“ – Misserfolge – Bund der Steuerzahler eingeschaltet Der Spiegel 27/1994 S. 92-95 CDU-Politiker wieder für vermehrte pädagogisch und politisch umstritten ist. geschlossenen Unterbringung, die Der Spiegel 29/1994 S. 61 Von Journalisten werden Horrorgeschichten in der Jugendszene gestellt. Welt am Sonntag (WamS) 17.07.1994 „Steuergelder für Weltreisen krimineller pädagogisches Fiasko“ Jugendlicher“ „kostspieliges 1995: Hamburger Abendblatt 10.01.1995 Hamburg holt Kinder aus Kuttula zurück wegen des Vorwurfs der Kindesmisshandlung Zahl der Kindeer gesunken – Anteil der Alleinerziehenden gestiegen Hamburger Abendblatt 11.01.1995 Kuttula klagt gegen Hamburger Jugendbehörde wegen Verleumdung und Nötigung Hamburger Abendblatt 16.01.1995 Rückfälliges Crash-Kid als Beispiel für missglückte Kuttula-Maßnahme Hamburger Abendblatt 19.01.1995 Streit in der Hamburger Bürgerschaft um den Sinn der Zusammenarbeit mit Kuttula und deren Ende Hamburger Abendblatt 06.02.1995 Mädchen, das aus Kuttula zurückgeholt wurde hatte sich nach Berlin abgesetzt ..(nicht angegeben)..349 01.03.1995 Erlebnispädagogik mit schwererziehbaren Jugendlichen nicht teurer Heimerziehung – Schwarze Schafe – überwiegend positive Beurteilung als Bei mit „..(nicht angegeben)..“ gekennzeichneten Artikeln konnte nicht (eindeutig) festgestellt werden, aus welcher Zeitung/Zeitschrift er stammt. Zu finden sind solch Artikel in einem Presseordner des Bundesverbandes Erlebnispädagogik e.V. (BE). 349 96 Bild (München) 01.03.1995 „Brandstiften, schlagen, rauben – dann auf Staatskosten 9 Monate nach Australien Der Spiegel 9/1995 „Das Ende der Erziehung“ „Wer soll die Schwerstarbeit Erziehung leisten?“ – Ende der Familie – Überforderung der Schule - Beschreibung einer sich verschärfenden Heimkarriere dpa 24.04.1995 „Reisen in ferne Länder als Mittel gegen die schiefe Bahn“ – Wert auf Nachbetreuung gelegt Süddeutsche Zeitung 25.04.1995 „Erlebnispädagogik oft letzte Chance“, „Gütesiegel gegen Nestbeschmutzer“ Rheinische Post 26.04.1995 Wohlwollende Darstellung erlebnispädagogischer (Auslands-)Projekte Gütesiegel soll schwarze Schafe verhindern, die Branche in Verruf bringen – Süddeutsche Zeitung 09.05.1995 „Zahl der Heimkinder auf fast 70000 gestiegen“ Süddeutsche Zeitung Magazin 35/1995, 01.09.1995 Geschäftemacherei mit Algarve-Projekten HNP-Stadtnachrichten 11.09.1995 Bericht über erfolgreiches Jakobsweg-Projekt mit Nachbetreuung ..(nicht angegeben).. Stadtnachrichten 12.09.1995 Bericht über ebendieses Jakobsweg-Projekt Flensburger Nachrichten 08.11.1995 Bericht über Rückkehr der CHARLOTTE mit positiver Einschätzung der Arbeit (80% der Jugendlichen nach Projekt nicht mehr straffällig) Kieler Nachrichten 10.11.1995 Pädagogen warnen, dass durch Verwaltungsreform Problemkinder ausgegrenzt werden könnten Südkurier 17.11.1995 Positiver Bericht über die ANNA-CATHARINA – mit 80000 DM pro Maßnahme zwar teuer aber effektiv – viele Vorurteile bei Behörden 97 Geislinger Zeitung 22.12.1995 Erfolgreicher Bau eines Wasserkraftwerkes mit Jugendlichen 1996: Tempo Januar 1996 Reportage über junge Obdachlose / Ausreißer Szene Hamburg 1/1996 S. 19-21 Bericht über UNDINE VON HAMBURG – hart aber erfolgreich Hamburger Abendblatt 13.01.1996 Kritik an Jugendbehörde im Fall Dennis Hamburger Abendblatt 15.01.1996 U.a. zu Kuttula – CDU-Bürgerschaftler Ehlers: Alleingänge der Jugendbehörde zu Lasten des Steuerzahlers Hamburger Abendblatt 16.01.1996 Interview mit Jugendsenatorin Raab und kurzer Artikel zu Dennis im Waldhotel in der Nähe von Kuttula Bild (Hamburg) 17.01.1996 Haftbefehl gegen Dennis – Kuttula umstritten ..(nicht angegeben).. 18.01.1996 Rückfälligkeit nach vorzeitigen Verlassens von Kuttula ..(nicht angegeben).. 19.01.1996 Justiz möchte Dennis inhaftieren ..(nicht angegeben).. 08.03.1996 Eher positiver Bericht über Entwicklungshilfeprojekt mit Jugendlichen in Namibia und Werbung dafür – „Auslandsprojekte...und Erlebnispädagogik, die wie Abenteuerurlaub anmutet, machen immer wieder Negativschlagzeilen. Vom „Verschieben“ krimineller Jugendlicher ist die Rede, und die betroffenen scheinen auf Steuerzahlers Kosten dabei gut abzukassieren.“ Hamburger Morgenpost 12.03.1996 „Hamburgs frechster Dieb Dennis (17) auf Bewährung frei“ Schleswig-Holsteinische Landeszeitung 13.03.1996 Versagen der Erlebnispädagogik am Beispiel Dennis 98 LZ 13.03.1996 Meldung und Bericht über „,Crash-Kid’ Dennis“ – ihm droht nun Jugendhaft Schwabo 14.03.1996 Berichte über kurze Ski-Freizeit des Heimes Eichhorn Bild Rhein-Neckar 18.03.1996 „Vorbestrafter Söldner spielt Vater für kriminelle Kids“ Bild (19.03.1996?)350 „Jugend-Camp: Erziehung in Spanien besser als in der Pfalz?“„Ex-Knacki als Erzieher für kriminelle Kids – Schock bei unseren Jugendämtern.“ „Dieter Lau vom Bund der Steuerzahler: ‚Selbst wenn man vom pädagogischen Sinn solcher Maßnahmen absieht, verstehe ich nicht, weshalb teure Erlebnispädagogik im Ausland für die Erziehung der Jugendlichen besser sein sollen, als preisgünstigere im Schwarzwald oder in der Pfalz?’“ ..(nicht angegeben – RNZ?).. 19. März 1996 Artikel zur Fehlbesetzung in spanischem Auslandsprojekte?“ Camp „Wer kontrolliert Stern 03.04.1996 Wie Umgehen mit „Kriminellen Kindern“? – Bericht u.a. über Projekte mit anschließender Rückfälligkeit: „Für Kritiker der Erlebnispädagogik ist Lars das beste Beispiel für deren Scheitern.“ Andererseits hohe Rückfallquote im Strafvollzug (bis zu 80%) Interview mit Kriminologe Christian Pfeiffer: Segeltörns oft erfolgreicher und billiger als Wegsperren Interview mit Streetworker: Schwierige und langwierige Arbeit, anderen erscheint es wie Verschleuderung von Steuergeldern Mittelbadische Presse 10.04.1996 Fußballturnier mit Straffälligen Stern 15.04.1996 NDR dreht Film über Crashkids 350 Daten mit Fragezeichen und in Klammern sind Daten, an denen der entsprechende Artikel dem Bundesverband Erlebnispädagogik e.V. (BE) zugefaxt wurden. Eine hohe zeitliche Nähe ist anzunehmen. 99 Ruhrnachrichten 20.05.1996 Eher positiver Artikel zu Ranch-Projekt in Argentinien – umstritten aufgrund der hohen vom Steuerzahler finanzierten Kosten, die nicht höher sind als bei Heimunterbringung (siehe auch Artikel im Kölner Stadt-Anzeiger 12.09.1996) Mittelbadische Presse, 24.05.1996 Interview zu einer Kanutour mit jungen Schützenvereinsmitgliedern Leipziger Volkszeitung 31.05.1996 Bundespräsident Herzog bei „Markt der Jugendhilfe“ zu Gast – schlecht Zeiten für Jugendhilfe – Gefahr der Einsparung bei denen, die kein Stimmrecht haben ..(nicht angegeben).. 31.05.1996 Eröffnung des Jugendhilfetages durch Roman Herzog mit Aufforderung, Einsparungen in der Jugendhilfe sehr genau zu überdenken Süddeutsche Zeitung 20.07.1996 Positiver bericht über Schiffprojekt NORA – hohe Erfolgsquote LZ (Lübecker Zeitung?) 07.08.1996 Schwere Vorwürfe gegen Kinder- und Jugendhilfe-Verbund (KJHV) Kiel wegen Unregelmäßigkeiten der Betreuung Kiel 21.08.1996 Stellungnahme zu Vorwürfen gegen KJHV Presseinformation der Landesregierung Schleswig-Holstein 22.08.1996 Vorwürfe gegen Kinder- und Jugendhilfe-Verbund (KJHV) haben sich als haltlos erwiesen Dithmarscher Landeszeitung 23.08.1996 Schleswig-Holsteinische Landesregierungen entkräften Vorwürfe gegen KJHV ..(nicht angegeben).. ..(nicht angegeben).. FDP-Landtagsabgeordnete Aschmoneit-Lücke will weitere Klärung bzgl. KJHV Der Spiegel 36/1996 S. 142-151 „Kamelritt ins Glück“ 02.09.1996 (Bis zu 12000 DM/Monat) Teure Maßnahmen von mitunter dubiosen Vereinen mit häufig überforderten Betreuern In einigen Fällen wird auch Straffälligkeit mitfinanziert „Wenn Pauschalurlauber auf Gomera vom Ufer aus zusehen müssen, wie deutsche Crash-Kids auf einer Jacht vorbeirauschen, dann wirft das die Frage auf, 100 ob Verbrechen sich doch lohnt – insbesondere, wenn die Kinder nach der Rückkehr wieder Autos klauen und zu Schrott fahren.“ Ziegenspeck („Sozialmafia“) habe den Vorsitz des BE aufgegeben, weil er die Geschäfte auf dem Rücken der Kinder nicht mehr verantworten kann. Kotzan habe Probleme bei seiner ersten Weltreise auf Staatskosten Die Jugendlichen seien hinterher kaum zu reintegrieren Leserbrief der „Jennifer“ an den Spiegel bzgl. des Artikels „Kamelritt ins Glück“ 02.09.1996 Gegendarstellung der in dem Artikel „Jennifer“ genannten Frau, sie sei auf einem guten Weg, das Projekt daher nicht fehlgeschlagen, habe sich nie prostituiert und sei nie psychiatrischer Behandlung gewesen KJHV 04.09.1996 Stellungnahme zum Spiegel-Artikel „Kamelritt ins Glück“ Unsaubere Recherche und Falschdarstellungen Kölnische Rundschau 04.09.1996 Bezug auf Spiegel-Artikel „Kamelritt ins Glück“, Fachgebietsleiter Heimvermittlung des Kölner Jugendamtes Michael Schroeder: Solche Reisen werden nur vereinzelt durchgeführt. Kosten ähnlich hoch wie in Heimeinrichtungen hier, sehr vorsichtig mit solchen Projekten Anfrage des NDR an KJHV 05.09.1996 Vorwürfe, Betreuungsgelder kämen nicht bei zu Betreuenden an und Betreuung sei unzureichend Stellungnahme zu den Vorwürfen der Familie Ladewig und der Anfrage des NDR 05.09.1996 Gegendarstellungen zu Vorwürfen gegen KJHV Anschreiben zur Stellungnahme zu den Vorwürfen der Familie Ladewig... 06.09.1996 Krainz, Victoria Leserbrief zu Spiegel 36/1996 06.09.1996 Populistischer und chaotischer Artikel Ziegenspeck, Jörg Stellungnahme zu Spiegel 36/1996 06.09.1996 KJHV als seriös einzustufen Bauer, Hans G. Leserbrief zu Spiegel 36/1996 10.09.1996 Unseriös, sachliche Falschaussagen, Denunziationsjournalismus 101 Welt am Sonntag (10.09.1996?) „Jugendbehörde veranstaltet Fernreisen für Autodiebe“ – Artikel noch eher neutral Der Spiegel 38/1996 Leserbriefe zu „Kamelritt ins Glück“, 36/1996 Kölner Stadt-Anzeiger 12.09.1996 Maßnahmen im Ausland häufig gar nicht viel teurer als Heim in Deutschland, hohe Erfolgsquote, trotzdem umstritten weil durch Steuerzahler finanziert – am Beispiel einer Ranchmaßnahme in Argentinien (in weiten Teilen wörtlich der Artikel der Ruhrnachrichten vom 20.05.1996) Berliner Morgenpost 17.09.1996 Teure „,Erlebnispädagogik’ auf Kosten der Berliner Steuerzahler“, die auch noch nicht erfolgreich ist 1997: Der Spiegel 3/1997 „Die umstrittene Erlebnispädagogik gerät tiefer in die Kritik...“ weitere Skandale und Geschäftemachereien – Bei Heinz-Jürgen Geißelmann, der in der Karibik in der Dominikanischen Republik für das Institut für Außerschulisches Lernen und Erlebnispädagogik e.V. (Alep) ein Pädagogisches Projekt betreut, müssten die Teilnehmenden 8 Stunden täglich im Straßenbau arbeiten, bekämen nicht genügend Nahrung, dafür aber Prügel, so berichtet ein Rückkehrer von dort Berliner Zeitung 15.01.1997 „Berliner Straßenjunge 8 Monate Karibik auf Staatskosten“ – Daniel warf Steine auf Obdachlosen – „Auf unsere Kosten tanzt er in der Karibik“ am Strand Brief von Thomas Heckner, Christophorus Jugendwerk 15.01.1997 Leserbrief zu Der Spiegel 3/1997, 36/1996 und 9/1995 Oberrimsingen Pressemitteilung von ALEP zu Der Spiegel 3/1997 15.01.1997 Weder Urlaub noch Arbeitslager – „Wir werden auch die zunehmende Kritik an Projekten dieser Art im Ausland aufnehmen und ab Spätsommer ´97 im ländlichen Umfeld von Berlin ein heilpädagogisches Projekt anbieten...“ Berliner Zeitung 16.01.1997 (Steinewerfer) Daniel wird zum „Strafurlaub“ in die Karibik geschickt, Opfer seine Angriffe nicht 102 Bild 16.01.1997 „Weil’s billiger ist Karibik-Sonne für den Steinewerfer“ Tagesspiegel Berlin 16.01.1997 Spiegel habe damals bzgl. Geißelmann diesen nicht selber gefragt – Daniel am Strand tanzend: vom MDR mit Auto dorthin gebracht, er lebt dort gar nicht am Strand; er hat selber gar keinen Stein geworfen Berliner Zeitung 16.01.1997 Daniels Mitteilnehmer bei Geißelmanns Projekt Thilo berichtet, es habe ihm gut getan Berliner Zeitung 17.01.1997 Politischer Streit um Daniel in der Karibik – ALEP bietet jetzt auch in Brandenburg etwas an Berliner Morgenpost 17.01.1997 Politischer „Streit um Erziehung in der Karibik“ – Argumente: geringere Kosten und gute Erfolge Berliner Zeitung 18., 19.01.1997 Darstellung, das „Pädagogik unter Palmen“ sinnvoll sein kann – aber warum nicht doch in Schleswig-Holstein, Österreich oder Polen Oranienburger Generalanzeiger (18.01.1997?) Positivere Schilderung eines Projektteilnehmers in der Karibik (bzgl. Vorwürfen von Andreas Licht) ..(nicht angegeben).. (29.01.1997?) Nach dem Fall Daniel beschloss die Bezirksverordneten-Versammlung Tempelhof, keine Jugendlichen mehr ins Ausland zu schicken LZ 22.01.1997 Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen Untreue gegen KJHV – KJHV sauer, dass Vorwürfe nicht schon längst geprüft und ausgeräumt sind Leserbrief an Der Spiegel betr.: 3/1997 inkl. Anschreiben 22.01.1997 ..(nicht angegeben).. (29.01.1997?).. „Kritik an der Erlebnispädagogik wächst...“ – Verschwendung von Steuergeldern, mangelnde Erfolgskontrolle, Freizeitcharakter 103 Heinz Schätzel 30.01.1997 Stellungnahme zu einseitiger und Berichterstattung Express 02.02.1997 Versöhnung zwischen Steinewerfer und Opfer in der Karibik Taunus Zeitung 15.03.1997 Meinungsverschiedenheit je innerhalb von CDU und FDP in Bad Homburg zu Sinn und Unsinn erlebnispädagogischer Maßnahmen – Teure erlebnispädagogische (Schiffs-)Reisen vs. Sogar leicht teurere Heime (bis zu 380 DM /Tag) – es gäbe schon Auswüchse („Sozialmafia“) Schaumburger Wochenblatt 15., 16.03.1997 CDU-Arbeitskries besucht Jugendhof Hirschkuppe – Auslandsprojekte = „Geschlossene Unterbringung de luxe“ – Auslandsprojekte nicht teurer als Heimunterbringung in staatlichen Heimen Die Zeit 21.03.1997 Diskussion: Helfen härtere Strafen und „Null-Toleranz“ gegen Jugendkriminalität Focus 18/1997 Reportage über High Seas High School mit der Thor Heyerdahl Süddeutsch Zeitung 17., 18., 19.05.1997 Shell-Studie – Die gesellschaftliche Krise hat die Jugend erreicht Focus 20/1997 Bericht über 14jährigen Chef einer Einbrecherbande – Hamburgs Justizsenator Hoffmann-Riem spricht sich gegen geschlossene Unterbringung und (eingeschränkt) für Erlebnispädagogik aus Spiegel 21/1997 Forderung mehr Sanktionscharakter geschlossener Heime mit starkem Zwangs- und (SN?) Juni 97? Niedersächsische CDU für Geschlossen Unterbringung und Verschärfung des Strafrechts für junge Volljährige 104 Hannoversche Allgemeine Zeitung (23.06.1997?) „Absage an Erlebnispädagogik Justizminister Schmidt-Jortzig hält geschlossene Heime für denkbar“ – Für Verschärfung und strengere Anwendung von Zwangsmaßnahmen bei Jugendkriminalität – Straftäter auf Staatskosten auf erlebnispädagogische Reisen schicken sei abenteuerlich KSA 2/1997 Zeitschrift des Deutschen Kinder Schutz Bund e.V. (10.07.1997) Hinweis auf „Urlaubsimage“ von Karibik in der Öffentlichkeit – Knappe Abwägung von Pro und Contra von „Abenteuerstrafen“ TZ München (Boulevard), 11.07.97 S. 1, S. 7 „Bayerns bösester Bube“ darf wählen, ob er die einjährigen Ferien auf Staatskosten lieber in Spanien oder Griechenland verbringen möchte Badische Zeitung 27.08.1997 „Interessengemeinschaft gegen Soziale Kompetenz“ will ein Seminarhaus für Jugendliche und junge Erwachsene, die dort soziale Kompetenz erlangen sollen, in Bräunlingen – Unterbränd im Schwarzwald verhindern, auch juristisch und mit einer „Politik der Nadelstiche“ – „Die Initiatoren und ihre Schützlinge sollten spüren, daß sie nicht willkommen seien.“ Süddeutsche Zeitung 24.10.1997 „SPD-Fraktion gegen schärfere Jugendstrafen“ „BGH fordert harte Strafen für junge Gewalttäter“ Süddeutsche Zeitung (09.11.1997?) Weiterer Bericht über Widerstand gegen Projekt Soziale Kompetenz in Unterbränd – Der Konflikt entspannt sich Stern 48/1997 Reportage über Buschschule Namibia – andere Projekte werden kurz als teuer und schlecht dargestellt 1998: taz 03., 04.01.1998 Geschlossene Heime von SPD-Bundestagsfraktion abgelehnt Mittelbayrische Zeitung 19.01.1998 „Teure Erlebnispädagogik: Trotz Schiffahrt für 50 000 Mark weiter geklaut“ Badische Zeitung 11.02.1998 Bericht über KZ-Fotoexkursion des Christophorus-Jugendwerks 105 taz 26.02.1998 Geschlossene Heime scheinen wieder salonfähig zu werden taz mag 28.02, 01.03.1998 Reportage über selbstverwaltetes Obdachlose in Berlin Thomas-Weißbecker-Haus für junge Berliner Zeitung 18.03.1998 Karibik-Maßnahme für Daniel ein Erfolg – Opfer hat Daniel verziehen Die Zeit 08.04.1998 Zügiger Täter-Opfer-Ausgleich als Mittel gegen Jugendkriminalität ..(nichtz angegeben).. 30., 31.05., 01.06.1998 Kriminalstatistik: Mehr Jugendgewalt – „Bayern beantragt höhere Strafen für Jugendliche“ WZ 26.06.1998 Südamerikareise eines Jugendlichen Wiederholungstäters bestätigt Kommentar: „Tausende rechtschaffener Bundesbürger träumen jedes Jahr davon, einmal an den Abenteuer-Touren ...teilnehmen zu dürfen...“, „Einen 13jähriger aus Darmstadt kommt’s billiger: Er begeht eine Straftat nach der anderen, um nun für 73000 Mark auf Staatskosten zu einer mehrmonatigen ,Sozialtherapie’ nach Südamerika geschickt zu werden.“, „Und wie viel eine ordentliche Tracht Prügel kostet – notfalls mehrfach?“ Der Spiegel 27/1998 Südamerikareise des 13jährigen – Generalstaatsanwalt von MecklenburgVorpommern fordert Herabsetzung der Strafmündigkeit auf 12 Jahre – Geschätzte Rückfallquote für Knast etwa 90% - Forderung geschlossener Unterbringung – kurze Beschreibung einer gelungenen und nicht gelungenen Maßnahme Bild 01.07.1998 „Justiz-Schande“ Mord an einem Ladenbesitzer in Hamburg-Tonndorf von zwei Jugendlichen, die in der „Villa Pulverhof“ betreut wohnten 106 LZ 01.07.1998 Nach Mord an Ladenbesitzer Debatte um geschlossene Heime – Rückschlag für Hamburger Modell „Menschen statt Mauern“ Kommentar: „Zwei Menschen mussten in diesem Jahr in Hamburg bereits sterben, weil sich die Hansestadt standhaft weigert, schwerstkriminelle Jugendliche in geschlossenen Heimen zu verwahren.“ „Anlaß..., endlich umzudenken“ SHZ Landeszeitung 02.07.1998 „Härtere Linie gegen junge Kriminelle?“ - Ole von Beust für (Wieder)Einführung geschlossener Heime – Kinderschutzbund: geschlossenen Heime keine Lösung LZ 03.07.1998 Diverse Politiker besonders von CDU und FDP aber auch von SPD fordern Einrichtung geschlossener Heime und härteres Durchgreifen gegen jugendliche Kriminelle LZ 03.07.1998 13jähriger wird zur Therapie nach Argentinien geschickt, nachdem schon einige Maßnahmen, auch eine erlebnispädagogische in Schweden, gescheitert sind Ausdruck von http://www.taz.de/~taz/980703.taz/ta_T980703.43.html 03.07.1998 Kritik an Forderungen aus Politik, mehr geschlossenen Heime zu haben – Gewalt und Devianz aus Randständigkeit, Armut usw. erklärt ..(nicht angegeben).. (23.09.1998?) Sozialtherapie in Argentinien wegen dortiger Medienproteste abgebrochen Westdeutsche Zeitung 22.09.1998 „Erlebnispädagogik in der Kritik“ – „Müssen schwererziehbare oder gar kriminelle Jugendliche ... auf ein Segelschiff? Werden sie damit nicht noch für ihre Taten belohnt? So fragen sich empörte Bürger.“ Ziegenspeck: Kann trotzdem Sinn machen, sollte Ausnahme bleiben, Tendenz auffällige Jugendliche einfach auszulagern 1999: Hamburger Abendblatt 26.11.1999 Nach Mord eines Jugendlichen in Bad Reichenhall denkt Grünen-Sprecherin Röstel über die Möglichkeiten geschlossener Heime nach, die die Grünen ablehnen 107 2000: deutsche jugend 4/2000 CDU-DSU-FDP-Koalition in Dresden kürzt Mittel für Jugendhilfe von 17 auf 13 Millionen Mark, obwohl das städtische Jugendamt einen Bedarf von 19 Millionen DM angemeldet hatte deutsche jugend 7-8/2000 CDU und CSU für Verschärfung des Jugendstrafrechts deutsche jugend 12/2000 Jugendliche zeigen hohe Risikobereitschaft in Folge der Erlebnisarmut des Alltags Zahl der Straftaten von Kindern hat seit 1993 stark zugenommen 108 Anhang V: Weitere Tabellen V.1 Tabelle 6: Gesamtpreisindex der Lebenshaltung aller privaten Haushalte in der BRDeutschland (1991-1998) 1995 = 100 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 Jahresdurchschnitt 87,5 91,6 95,7 98,3 100 101,4 103,3 104,3 Steigerung zum Vorjahr 4,69% 4,48% 2,72% 1,73% 1,40% 1,87% 0,97% Quelle(n): Statistisches Bundesamt, Fachserie 17, Reihe 7: Preisindizes für die Lebenshaltung 1998 (jährlich), Stuttgart 1999, S. 14f V.2 Tabelle 7: Ausgaben der Jugendämter für Leistungen nach § 34 KJHG (Heime, sonstige betreute Wohnform) in tausend DM (1992-1998) 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 2.339.503 2.793.458 3.145.286 3.399.616 3.524.405 3.597.408 3.600.392 Steigerung 19,40% 12,59% 8,09% 3,67% 2,07% 0,08% Quelle(n): Statistisches Bundesamt, Fachserie 13: Sozialleistungen. Reihe 6.4: Einnahmen und Ausgaben der Jugendhilfe, Stuttgart 1994-2000, jährlich, je S. 11 zum Vorjahr 109 Anhang VI: Modell angelehnt an die ANNA-CATHARINA VI.1 Tabelle 8: Monatliche Ausgaben und Einnahmen Plätze für Teilnehmende: 6 Tage pro Monat: mögliche Besetzungstage: Tagessatz: Kosten bei 30 0 Plätze 180 besetzt, 350,00 DM maximale monatliche Einnahmen aus Besetzung: 0 Personal 63.000,00 DM Kosten Schiff: 7.000,00 DM 7.000,00 DM Kosten pro Mitarbeiter: NautikerIn (+PädagogIn) BAT III, 39 J. 5.025,98 DM + Arbeitgeberanteil Sozialversicherung = 5.505,96 DM + 200 DM Bordzuschlag 5.705,96 DM PädagogIn BAT IVb, 39 J. 4.007,00 DM + Arbeitgeberanteil Sozialversicherung = 4.389,67 DM + 200 DM Bordzuschlag 4.589,67 DM max. Anzahl PädagogInnen (ohne NautikerIn): 2 PraktikantIn 2.000,00 DM + Arbeitgeberanteil Sozialversicherung = 2.191,00 DM + 200 DM Bordzuschlag 2.391,00 DM max. Kosten Personal (ohne Verwaltung): 17.276,30 DM Kosten Verpflegung Teilnehmende: Kosten pro Besetzungstag: 12,00 DM max. Kosten: Kosten Verwaltung = 25% der Einnahmen bei Vollbesetzung: Kosten Medizin, Gruppenaktivitäten...: 2.160,00 DM 15.750,00 DM 15.750,00 DM 1.000,00 DM Reisekosten Projektleiter: 500,00 DM Kosten Telekomunikation: 1.000,00 DM Überschuß bei Vollbesetzung: Verlust bei 0 Besetzung: 18.313,70 DM 22.750,00 DM 110 VI.2 Tabelle 9: Monatliches Ergebnis bei verschiedener Besetzung Anzahl besetzte Plätze: entspricht Besetzungstage: 1 2 3 4 5 6 30 60 90 120 150 180 Einnahmen (Tagessatz 350DM): 10500,00 21000,00 31500,00 42000,00 52500,00 63000,00 Einnahmen (Tagessatz 300DM): 9000,00 18000,00 27000,00 36000,00 45000,00 54000,00 Ausgaben Ernährung und Kleidung: 465,00 930,00 1395,00 1860,00 2325,00 2790,00 5.318,38 5.318,38 5.318,38 5.318,38 5.318,38 5.318,38 Anzahl PädagogInnen 0 0 1 1 2 2 Kosten PädagogInnen 0,00 0,00 3845,11 3845,11 7690,22 7690,22 PraktikantIn 0,00 1752,80 1752,80 1752,80 1752,80 1752,80 Kosten Personal (ohne Verwaltung): NautikerIn Fixkosten: 22750,00 22750,00 22750,00 22750,00 22750,00 22750,00 Gewinn / Verlust (Tagesatz 350DM): -18033,38 -9751,18 -3561,29 Gewinn / Verlust (Tagesatz 300DM): -19533,38 -12751,18 -8061,29 6473,71 12663,60 22698,60 473,71 5163,60 13698,60 111 Ich versichere hiermit, dass ich diese Arbeit selbständig verfasst und keine anderen Hilfsmittel als die angegebenen benutzt habe. Alle Stellen, die Ausführungen anderer Autoren wörtlich oder sinngemäß entnommen sind, habe ich durch Angabe der Quellen als Zitate kenntlich gemacht. Die Arbeit wurde bisher weder in Teilen noch insgesamt einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch nicht veröffentlicht. Falls meine Diplomarbeit die Note „sehr gut“ (1,0 oder 1,3) erreicht, bin ich damit einverstanden, dass das Zweitexemplar in der Bibliothek des Fachbereichs Sozialwesen der Fachhochschule Münster eingestellt wird. 112