AUFBAU DER ERDE DIE ERFORSCHUNG DES ERDINNEREN MIT SEISMISCHEN WELLEN Ein Grossteil unserer Kenntnis über die interne Struktur des Erdkörpers beruht auf der Analyse von Erdbebenwellen. Durch das Studium der Zeit, die die seismische Wellen brauchen, um vom Erdbebenherd bis zu den verschiedenen Stationen auf der Erdoberfläche zu laufen und der Amplitudenvariationen, gelang es verschiedene stoffliche (Kruste, Mantel, Kern) und rheologische (Lithosphäre, Asthenosphäre, äusserer und innerer Kern) Zonen zu indentifizieren. Wir wissen, gemeinsames dass Wellen Merkmal unterschiedlichen aufweisen: Ihre Typs ein Ausbreitungsge- schwindigkeit variiert, je nachdem, welches Material sie durchlaufen. Wir bestimmen die Geschwindigkeit einer P- oder S-Welle, indem sie die Laufzeit für eine bekannte Entfernung messen. Die Geschwindigkeit entspricht dann dem Verhältnis aus der Entfernung dividiert durch die gemessene Laufzeit. Die Unterschiede, die sich für die verschiedenen Laufstrecken ergeben, erlauben Rückschlüsse auf die Eigenschaften des Materials, das von den Wellen auf diesem Wege durchlaufen wurde. Ein Laserstrahl wird an der Grenzfläche zwischen Luft und Wasser gebrochen (E1). Seismische Wellen verhalten sich an den Grenzflächen innerhalb des Erdkörpers sehr ähnlich. Sie werden an den Grenzen sowohl reflektiert als auch gebrochen. Abbildung E2 zeigt die Ausbreitung von (a) P-Wellen und (b) SWellen im Erdinneren. Die gestrichelten Linien zeigen die Wellenfronten durch das Erdinnere in Ausbreitung der Zwei-Minuten- Intervallen. Die Schattenzone des Erdkerns ist ein Gebiet, das bei diesem hypothetischen Beben am Nordpol von P-Wellen beziehungsweise S-Wellen nicht erreicht wird, weil diese durch den Kern abgelenkt werden. Die Schattenzone für P-Wellen erstreckt sich ausgehend vom Erdbebenherd über einen Winkelabstand von 105o bis 142 o (E2). Es dauert 20 Minuten, bis eine vom Erdbebenherd ausgehende P-Welle den Kern durchläuft und am entgegengesetzten Punkt bei einem Winkelabstand von 180 Grad an der Oberfläche auftaucht. S-Wellen können sich im flüssigen Kern nicht ausbreiten; sie fehlen daher ab einer Winkeldistanz von über 105o Grad, vom Erdbebenherd aus gemessen. Reflexionen einer Welle setzen Grenzen zwischen zwei Materialien unterschiedlicher Eigenschaften voraus und bieten deshalb eine gute Möglichkeit, um solche Grenzen im Erdinneren zu untersuchen. Betrachten wir, was mit P- und S-Wellen geschieht, wenn sie von der Grenze zwischen zwei Schichten reflektiert werden. Zum Beispeil werden PcP-Wellen am Kern reflektiert in Abbildung E3. An der Erdoberfläche reflektierte Wellen werden als PPbeziehungsweise SS-Wellen bezeichnet. PKP-Wellen sind P-Wellen, die den flüssigen, äusseren Kern durchdringen. PKIKP-Wellen sind P-Wellen, die den festen Inneren Kern durchlaufen haben. Wir können die Laufzeit dieser reflektierten Wellen nutzen, um unser Modell der Erde zu verfeinern. Abbildung E4 zeigt Seismogramme, in denen jeweils die P-, PPund S-Wellen sowie die Oberflächenwellen, farbig gekennzeichnet sind. Sie unterscheiden sich in ihren Amplituden und Frequenzen. Praktische Anwendung findet die Reflexion seismischer Wellen vor allem bei der Suche nach Erdöl und Erdgas. Abbildungen E5-E6 zeigen seismisches Verfahren zur Prospektion im Offshore-Bereich. Mit dieser Methode können Strukturen in Sedimentgesteinen, die unter der Oberfläche liegen und als Fallen für Oel und Gas dienen, sichtbar gemacht werden. ZUSAMMENSETZUNG UND AUFBAU DER 1-D ERDE Viele tausende hochempfindliche Seismographen (Abbildung E7 zeigt nur die Breitband-Seismographen) und höchst genaue Uhren ermöglichen es, weltweit die Laufzeiten der P-, S- und Oberflächenwellen präzise zu bestimmen. Anhand all dieser Messungen können Seismologen für verschiedene Arten von seismischen Wellen Laufzeitkurven erstellen, wie sie beispielsweise in Abbildung E8 dargestellt sind. Die Laufzeit hängt von den Geschwindigkeiten der P- und SWellen in dem jeweils durchquerten Material im Erdinneren ab. Der entscheidende Schritt (Inversion) besteht darin, die gemessenen Laufzeiten in eine Kurve umzusetzen, die zeigt, wie sich die Geschwindigkeit der seismischen Wellen im Erdinneren in Abhängigkeit von der Tiefe ändert. Die Lösung der Seismologen ist in Abbildung E9 dargestellt. Die Geschwindigkeitsänderung der P- und S-Wellen in Abhängigkeit von der Tiefe spiegeln die Abfolge der Schichten im Erdinnern wider. P-Wellen Geschwindigkeiten P-Wellen haben die höchsten Geschwindigkeiten und sind der einzige Wellentyp, der auch Flüssigkeiten und Gasen durchlaufen kann. P-Wellen breiten sich in der Luft mit ~330 m/s, in den kristallinen Gesteinen oberen kontinentalen Erdkruste mit ~6000 m/s, in der Unterkruste mit ~6800 m/s und im oberen Erdmantel mit ~8100 m/s aus. Mit der Ausnahme von zwei Geschwindigkeitssprüngen nimmt die P-Wellen-geschwindigkeit von der Basis der Lithosphere bis zur Kern-Mantelgrenze stetig bis fast 13,800 m/s zu (E9). An der Kern-Mantel-Grenze fällt die P-Wellen-Geschwindigkeit nur bis 8000 m/s ab. Dieser Sprung entspricht dem Übergang von dichtem und festem Mantel-Silikat-Material in flüssigem Eisen-Nickel-SchwefelLegierung des äusseren Kerns. Schliesslich existiert ein letzter Sprung der Geschwindigkeit von ~1000 m/s beim Übergang vom äusseren flüssigen Kern zum inneren, aus festem Eisennickel bestehenden Kern. bleibt die Geschwindigkeit konstant. Danach S-Wellen Geschwindigkeiten Die S-Wellengeschwindigkeit in der kontinentalen Oberkruste beträgt ~3500 m/s, in der Unterkruste ~3800 m/s und im oberen Mantel ~4600 m/s (E9). Die S-Wellengeschwindigkeit ändert sich dann analog zur PWellengeschwindigkeit, allerdings mit einem kleineren Gradienten, und erreicht einen Wert von etwa ~7200 m/s an der Kern-Mantel Grenze. Im flüssigen äusseren Kern können sich S-Wellen nicht ausbreiten. Die Geschwindigkeit von S-Wellen im inneren Kern ist nicht genau bekannt, liegt aber vermutlich bei ~4500 m/s. Asthenosphäre In der Zone unter der Lithosphäre nimmt die Geschwindigkeit der S-Welle ab, und die Wellen werden teilweise absorbiert. Laborexperimente zeigten, dass diese beiden Phänomene für SWellen charakteristisch sind, die durch einen Festkörper mit einem geringen Anteil an Flüssigkeit laufen. Das ist die Asthenosphäre (Zone b in Abbildung E9, rechts). Sie steigt an mittelozeanischen Rücke, wo sich Platten trennen, bis nahe an die Oberfläche auf und liegt ansonsten in Tiefen unter 70 Kilometern. Wir sind der Ansicht, dass die Asthenosphäre geringe Mengen von geschmolzenem Gesteinsmaterial enthält, vielleicht wenige Prozent. Diese Vorstellung passt ausgezeichnet zu den Hinweisen darauf, dass diese Region des Erdmantels sehr wahrscheinlich Herkunftsgebiet vieler basaltischer Magmen ist. Die Vorstellung, dass sich ein geringer Anteil der Asthenosphäre in flüssigem Zustand befindet, stimmt auch mit anderen Vorstellungen der Plattentektonik überein. Das gilt insbesondere für das Bild starrer Lithosphärenplatten, die sich sehr leicht bewegen, weil die unterlagernde Asthenosphäre einen gewissen Schmelzanteil aufweist und daher plastisch ist. Die Asthenosphäre reicht bis in eine Tiefe von ~200 km, wo die Geschwindigkeit der S-Wellen wieder auf einem Wert ansteigt, der einem festen Peridotit entspricht. Zwei Übergangszonen Zwei schärferen Geschwindigkeitszunahmen befinden sich in einer Tiefe von ungefähr 400-450 und 650-700 km (E9). Diese Geschwindigkeitssprünge werden durch Umwandlungen der Kristalle der Mantel-Silikate zu kompakteren Strukturen verursacht: 400-450 km - Olivin Spinell; 650-700 km - Spinell Perowskit). Aus dem Verhalten der seismischen Wellen lässt sich die Grenze zwischen Kruste und dem unterlagernden Mantel bestimmen. Die Mächtigkeit der Kruste zeigt enorme Unterschiede (E10). Isostasie Abbildung E11 zeigt die Principien von Isostasie und postglaziale Hebung: (a) Wenn eine Inlandeismasse entsteht, vermehrt sich das auf der Kruste lastende Gewicht. (b) Die Kruste senkt sich, und es entwickelt sich eine Wurzel zum isostatischen Ausgleich der Eislast. (c) Schmilzt anschliessend die Eisdecke ab, so besteht die Wurzel aufgrund der Viskosität des Mantels noch für eine gewisse Zeit weiter. (d) Der Auftrieb der Wurzel führt zu einer langsamen Hebung. Da die Wurzel allmählich ebenfalls verschwindet, erreicht die Oberfläche wieder ihre ursprüngliche Höhenlage. Die Pfeile zeigen die Richtung der vom Gewicht der Eislast und vom Auftrieb an der Wurzel ausgeübten Kräfte. Skandinavien befindet sich heute zwischen Stadium (c) und (d). DIE WÄRMEPRODUKTION IM ERDINNEREN Die Entwicklung der Erde ist hauptsächlich durch zwei verschiedene Antriebsmechanismen bestimmt: (a) Interne Wärme, die hauptsächlich durch (i) Radioaktivität (wichtigste Komponente), (ii) Wärme die noch aus der Bildungszeit aus dem Staubnebel stammt (iii) Umwandlung von Gravitationsenergie Wärmeenergie produziert wird. (b) Externe Wärme durch Sonneneinstrahlung. zu Die interne Wärme: (a) schmilzt Gesteine, (b) generiert Vulkane, (c) verursacht indirekt oder direkt Erdbeben, (d) formt Gebirgsgürtel, (e) verursacht langzeitliche Veränderungen von Gletschern (f) kontrolliert in einigen Regionen den Grundwasserfluss. Die interne Wärme (Radioaktivität und gespeicherte Wärme) verursachen Konvektion im Erdmantel. Die externe Wärme: (a) kontrolliert die Atmosphäre und die Ozeane (b) verursacht Erosion der Gebirge und Bildung von Sedimenten. Hinweise auf die Wärme im Erdinneren finden sich überall: Vulkane und heisse Quellen, aber auch Bergwerke und Bohrungen, in denen die Temperatur mit der Tiefe ansteigt. Auch die globalen Plattenbewegungen, die Erdbebentätigkeit und die Heraushebung der Gebirge werden durch diese Wärme im Erdinneren angetrieben. Kurz zusammengefasst kam es in der Entstehungsphase der Erde durch Materieeinfall und wachsenden Gravitationsdruck und schliesslich durch radioaktiven Zerfall der Elemente Uran, Thorium und Kalium zur Aufheizung des Erdinneren. Nach dem anfänglichen Aufheizen hat sich die Erde ständig abgekühlt, weil Wärme aus dem heissen Inneren zur kühlen Oberfläche abfliesst. Die Erde kühlt im wesentlichen durch zwei Prozesse ab: vergleichsweise langsam durch vergleichsweise rasch durch Konvektion. Wärmeleitung und Wärmeleitung Die Wärmeleitung erfolgt dadurch, dass Atome und Moleküle bei ihrem thermischen Bewegungen gegeneinanderstossen und somit auf mechanischem Wege Energie weitergeben; insgesamt wird dabei Energie von den wärmeren Bereichen (mit hoher Bewegungsenergie der Atome) zu den kalten Bereichen (mit geringerer thermischer Energie der Atome) transportiert (E12). Die Materialien unterscheiden sich in ihrer Fähigkeit, Wärme zu leiten. Gesteine und Böden sind schlechte Wärmeleiter, deshalb sind im Untergrund verlegte Leitungen weniger empfindlich gegen Einfrieren als oberirdisch verlegte, und deshalb weisen Kellergewölbe trotz grosser jahreszeitlicher Temperatur- schwankungen an der Oberfläche eine nahezu konstante Temperatur auf. Wegen der geringen Leitfähigkeit der Gesteine würde ein Lavaerguss von 100 Metern Mächtigkeit ungefähr 300 Jahre zur Abkühlung von 1000 Grad auf Oberflächen-temperatur benötigen. Wärme, die von einer Seite her in eine Gesteinsplatte von 400 km Mächtigkeit eindringt, würde ~5 Milliarden Jahre brauchen, bis sie die andere Seite erreicht – länger, als die Erde besteht. Anders ausgedrückt, wenn die 4,6 Milliarden Jahre alte Erde lediglich durch Wärmeleitung abkühlen würde, hätte die Wärme aus Tiefen über 400 km die Erdoberfläche noch nicht erreicht. Der Mantel, der in der Frühzeit der Erdgeschichte aufgeschmolzen wurde, wäre noch flüssig. Wir wissen aber aufgrund der Ausbreitungsgeschwindigkeit seismischer Wellen, dass das nicht der Fall ist. Konvektion Konvektion ist ein weit verbreitetes Phänomen, das in Flüssigkeiten oder Gasen auftritt, die von unten erhitzt und von oben gekühlt werden. Das erwärmte Fluid, eine Flüssigkeit oder ein Gas, dehnt sich aus und steigt auf, weil seine Dichte geringer ist als die des kühleren Materials weiter oben. Weil sich das erwärmte Material von selbst bewegt und seine Wärme mit sich führt, transportiert Konvektion die Energie weitaus effektiver als Wärmeleitung. Festkörper kühlen im allgemeinen nur durch Wärmeleitung ab, aber auch in Festsubstanzen, die über grosse Zeiträume betrachtet plastisch fliessen, können Konvektionsbewegungen auftreten (E13). Die Erde verhält sich kurzzeitig, das heisst über Sekunden bis Jahre hinweg, wie ein starrer Festkörper. Aber wenn er über Millionen von Jahren Kräften ausgesetzt ist, wie sie bei hohen Drücken und Temperaturen auftreten, verhält sich der Mantel wie eine extrem viskose Flüssigkeit und ‚kriecht’ oder fliesst plastisch (E13). Es stellt sich heraus, dass das Seafloor-Spreading und die plattentektonischen Prozesse tatsächlich auf Konvektion zurückgeführt werden können. Aufsteigendes, heisses Material unter den mittelozeanischen Rücken bildet beständig neue Lithosphäre, die, wenn sie sich seitlich wegbewegt, abkühlt und schliesslich wieder in den Mantel abtaucht, wo sie resorbiert wird (E14a). Auch das ist Konvektion. Wärme wird durch die Bewegung des Materials vom Inneren an die Oberfläche transportiert, wobei sich geschlossene Strömungsmuster, sogenannte Konvektionszellen, ausbilden. Einige Geowissenschaftler sind der Ansicht, dass Konvektionsbewegungen im Mantel nur in den oberen Bereichen des Mantels von wenigen hundert Kilometern Mächtigkeit auftreten (E14c). Andere gehen davon aus, dass der gesamte Mantel davon betroffen ist und die Konvektionszellen vom oberen Erdmantel bis zum Erdkern reichen (E14b). Wieder andere glauben, dass die aufsteigenden, eng begrenzten Manteldiapire unter den Hot Spots die Antriebskräfte für die Konvektion liefern (E14d). Die Temperaturverteilung im Erdinnern Temperatur und Druck bestimmen letzlich, ob die Materie fest ist oder in geschmolzenem Zustand vorliegt. Weiterhin bestimmen sie, in welchem Grad festes Material plastisch fliessen kann und wie dicht die Atome in den Kristallen gepackt sind. Und je höher die Temperatur in der Tiefe ist, desto stärker sind die Konvektionsbewegungen. Alles was wir derzeit tun können, ist, aus den wenigen verfügbaren Informationen über Rückschlüsse zu ziehen. die Temperatur einige Wir wissen, das bei zunehmender Tiefe der mittlere Temperaturanstieg ungefähr 2-3oC / 100 m beträgt. Die Geologen können nicht einfach davon ausgehen, dass sich der in den oberflächennahen Temperaturanstieg mit Bereichen zunehmender Tiefe beobachtete bis zum Erdmittelpunkt im selben Masse fortsetzt. In diesem Falle müssten die Temperaturen in der Nähe des Erdmittelpunktes etliche 10 000oC betragen und grosse Teile des inneren Kerns geschmolzen sein – im Widerspruch zu den seismischen Befunden. Eine Kurve, die den Temperaturverlauf mit zunehmender Tiefe wiedergibt, heisst Geotherme. Zwei möglichen Geothermen sind in Abbildung E15 und 16 dargestellt. Hier wurden die Temperaturen von Lava, die aus dem Mantel stammt und aus Vulkanen ausfliesst, Labordaten über die Schmelztemperaturen von Gesteinen und Eisen und Befunde aus der Seismik herangezogen, um den Temperaturverlauf von der Erdoberfläche bis zum wirkichen Mittelpunkt der Erde zu rekonstruieren; die Temperaturen scheinen danach auf Werte zwischen 4000 und 8000 Grad Celsius anzusteigen. Zusammenfassung (E17) ZUSAMMENSETZUNG UND AUFBAU DER HETEROGENEN ERDE – RESULTATE VON GLOBALEN TOMOGRAPHISCHEN EXPERIMENTEN Bis jetzt haben wir die Erde als radial symmetrisch angesehen und die physikalischen Eigenschaften änderten sich daher nur als Funktion der Tiefe. Dies ist eine gute erste Annäherung. Die Laufzeiten seismischer Wellen, welche etwa 20 Minuten von einer Seite der Erde zur anderen Seite benötigen, differieren bloss um Sekunden in Abhängigkeit davon, wo sich das Erdbeben ereignet hat und wo der Seismograph positioniert ist. Obwohl diese Laufzeitvariationen sehr gering sind (siehe seismische Aufnahmen in der reduzierten Laufzeitdarstellung in Abbildung E18), geben sie uns doch wichtige Informationen über die Heterogenität der Erde. Sie zeigen, dass die Geschwindigkeit in den oberen Teilen der Kruste und des Mantels um bis 10 zu 20 % variieren kann, bei einer durchschnittlichen Variation von 5 %. Durch den Gebrauch von seismischen Wellen, die an vielen verschiedenen Orten auf der Erde ausgelöst wurden und von vielen hunderten oder tausenden Seismographen aufgezeichnet wurden, ist es möglich die detaillierte Geschwindigkeitsstruktur der Erde zu ermitteln. Diese Methode ist im Prinzip identisch mit den tomographischen Durchleuchtungsmethoden ("Computer-Aided Tomography" scan - CAT scan), die in der Medizin verwendet werden. Das Konzept der Tomographie ist in Abbildung E19 dargestellt, welches einen Block von Tiefgeschwindigkeitsmaterial zeigt, der eingebettet in einem homogenen Medium liegt. Seismische Strahlen, welche nicht in den Tiefgeschwindigkeitsblock eintreten, kommen mit normaler Laufzeit an. Diejenigen Strahlen, die den Tiefgeschwindigkeitsblock durchqueren, sind relativ gesehen verspätet und haben demzufolge negative Laufzeitanomalien. Mit einem einzigen Quellpunkt und vielen Empfängern ist es nur möglich festzustellen, dass eine Tiefgeschwindigkeitszone irgendwo im Untergrund existiert. Es ist aber nicht möglich, die genaue Position und Geschwindigkeit dieser Zone zu bestimmen. Mit nur 3 Quellpunkten kann man aber bereits die ungefähre Position und abschätzen. den ungefähren Geschwindigkeitskontrast Bei vielen Quellpunkten kann man mit Hilfe der seismischen Tomographie, die genaue Position und physikalischen Eigenschaften dieser Zone ermitteln. Für einige globale Studien dieser Art, werden bis zu einer Million seismische Aufzeichnungen verwendet (E20). Diese Methode hat die Art wie wir das Erdinnere studieren revolutioniert. Abbildung E21 zeigt einen Schnitt durch den Erdmantel und liefert eindeutig Hinweise für die Subduktion einer grossen, ehemals ozeanischen Platte, der sogennanten Farrallon-Platte (blau). Der Schnitt (tomographische Bild) verläuft in vertikaler Richtung von der Kruste bis zur Kern-Mantelgrenze, und in horizontaler Richtung von der konvergierenden Plattengrenze in Mittelamerika im Südwestern bis zur Karibik in Nordostern Die Geschwindigkeitsunterschiede in Abbildung E21 werden in Bezug auf Temperaturunterschiede interpretiert: tiefere Geschwindigkeiten werden mit wärmeren Regionen (folglich die Farbe rot) und höhere Geschwindigkeiten mit kalten Regionen (folglich die Farbe blau) assoziiert. Diese Farbekonvention wird für alle hier gezeigten tomographischen Abbildungen verwendet. Eine Serie von detaillierten Profilschnitten durch die Erde in Abbildung E22 zeigt: heisses Mantelmaterial mit tiefer Geschwindigkeit unter den Mittelozeanischen Rücken, die heisse, respektive kalte Natur von jungem ozeanischem und altem kontinentalem Mantelmaterial bis zu einer Tiefe von 200 km der komplette Verlust von seismischen Signalen unter Ozeanen und Kontinenten in einer Tiefe von 500 km. Abbildung 23 zeigt einen tomographischen Querschnitt durch 6 Subduktionszonen. Alle zeigen wie schnelles, kaltes Material in heissen Mantel abtaucht (bitte beachten Sie, dass die Geschwindigkeitsvariationen weniger als 1 % betragen). Der tomographische Querschnitt durch die östlichen Alpen zeigt, dass die Subduktionszone nach Norden abtaucht. Als wir dies zum ersten Mal sahen, dachten wir, dass es sich um einen Irrtum handeln könnte, weil wir wussten, dass die ehemaligen Subduktionszone unter den Schweizer Alpen nach Süden abtaucht. Dieses Problem wurde Doktorandin gelöst. dieses Jahr von einer ETH STRUKTUR DER ERDE UNTER DEN ALPEN – RESULTATE VON SEISMISCHEN MESSUNGEN UND GLOBALER TOMOGRAPHIE Lange bevor die Schweizer Alpen mit den neuen tomographischen Methoden studiert wurden, haben Schweizer Geophysiker die Alpen mit unterschiedlichen ‚kontrollierten’ seismischen Experimenten erforscht. Zu diesem Zweck wurden viele grosse Explosionen in der ganzen Schweiz ausgelöst und die dadurch erzeugten seismischen Signale an einer Vielzahl von seismischen Stationen aufgezeichnet. Wir werden uns auf die Aufzeichnungen entlang einer Nord-Süd verlaufenden Alpentraverse konzentrieren, welche ein bisschen östlich von Zürich (E24) verläuft. Abbildung E25 zeigt die seismischen Aufnahmen, die von einer Explosion im südlichen Teil der Linie sowie von einer Explosion im nördlichen Teil der Linie gemacht wurden. Mit diesen Informationen sowie Informationen von anderen Explosionen, wurde das seismische Geschwindigkeitsmodel in Abbildung E26 hergeleitet. Dieses Bild soll Ihnen zeigen, wie heterogen die Erdkruste sein kann. Im obersten Teil der Kruste sind seismische Geschwindigkeiten in den oberflächennahen Sediment-gesteinen von nur 4,0 km/s zu finden. Die oberflächennahen Kristallingesteine Geschwindigkeit von ~6,0 km/s auf. weisen eine Tiefer, an der Krusten-Mantel Grenze (Moho) erreicht die Geschwindigkeit Werte zwischen 6,5 und 6,6 km/s, die für solche Tiefenbereiche eher niedrig sind. Die Geschwindigkeit des darunter liegenden Mantels hat typische Werte zwischen 8,0 und 8,3 km/s. Bemerkenswert ist hier besonders, wie die Moho von Norden nach Süden abtaucht. Unter dem Molassebecken befindet sich die Moho in ~32 km Tiefe, unter den Zentralalpen in ~56 km Tiefe. Die Krustenmächtigkeit verdoppelt sich nahezu über eine Distanz von nur 120 bis 140 km. Der Himalaja ist der einzige Gebirgszug, der eine mächtigere Kruste als die Alpen aufweist. Durch die Kombination dieser seismischen Information mit reflexionsseismischer Bildern der Kruste sowie geologischen Informationen ergibt sich Abbildung E27. Diese Abbildung zeigt, wie der ehemalige Kontinentalrand der europäischen Platte unter den ehemaligen Kontinentalrand der adriatischen Platte gestossen wird. Dies weist darauf hin, dass die Suduktion in südlicher Richtung verlief. Verschiedene geologische Decken bestehend aus abgeschürftem Material des alten Kontinentalrandes und der ozeanischen Kruste (in schwarz gezeigt) wurden aufeinander gestapelt und bilden heute die komplexe Geologie, welche wir alle sehen, wenn wir durch die Alpen fahren. Die Erkundung der Struktur des gesamten Alpenbogens ist ein aktuelles Projekt von ETH Wissenschaftlern. Abbildung E28 zeigt das erforschte Gebiet – man erkennt den Bodensee und Norditalien. Diese Abbildung zeigt die seismische Geschwindigkeit in einer Tiefe von 150 km. Man sieht die ausgeprägte Zone hoher Geschwindigkeit, welche dem Alpenbogen folgt. Um diese Geschwindigkeitsinformationen zu analysieren, ist es am besten, man sieht sich den Querschnitt an. Abbildung E29 weist darauf hin, dass die abtauchende Platte im westlichen Teil der Alpen, sich von der darüberliegenden Kruste getrennt haben könnte. Geht man ostwärts, sieht man auf der Abbildung E30, dass die abtauchende Platte in Uebereinstimmung mit dem Krustenmodell gegen Süden geneigt ist. Hier ist klar, dass die europäische Platte unter der adriatischen Platte subduziert wurde. In Abbildung E31 ist die abtauchende Platte vertikal unter dem Zentrum der Alpen (klar westlich von Zürich)! Hier kann man nicht sagen, welche Platte subduziert und welche obduziert wurde. Schliesslich sehen wir auf Abbildung E32 eine nordvergente Orientierung der subduzierten Platte unterhalb der östlichen Alpen, in Uebereinstimmung mit einer vorhergezeigten tomographischen Abbildung. Dies weist darauf hin, dass hier die adriatische Platte unter die europäischen Platte subduziert wird.