SOZIOLINGUISTIK (SL) - Wissenschaftsdisziplin im Überschneidungsbereich von Linguistik u. Soziologie, die sich mit den wechselseitigen Beziehungen zw. Sprache u. Sozialstrukturen beschäftigt. SL untersucht die Beziehungen zw. der Sprache u. der gesellschaftlichen Gruppenzugehörigkeit von Sprechern/Hörern, man sagt auch zw. Sprachstruktur u. Sozialstruktur. Starke Bezüge zur Soziologie: - inhaltlich: Sprache ist als soziales Phänomen zu betrachten u. läßt sich nur im Bezug auf die gesell. u. sozialen Lebensbedingungen ihrer Sprache beschreiben - methodisch: Sprachakten werden mit Hilfe spezieller Interwievtechniken oder Feldforschungen u. Beobachtungen gewonnen Forschungen: quantitativ – große Korpora mit best. Sprachdaten qualitativ – intensive u. detailbezogene Analyse einzelner Sprachereignisse; starker Einbezug der untersuchten Personen Frage: Welche Sprachformen von Sprachhandeln für welche soziale Gruppen einer Sprachgemeinschaft typisch sind. Veränderung – neben „Schicht“ auch andere außersprachliche Faktoren untersucht, die Einfluß auf die Sprache haben: Alter Geschlecht Berufszugehörigkeit religiöse/polit. Zugehörigkeit SL wird auch als Varietätenlinguistik genannt (Soziolekt, Code – früher – Gruppensprache) K=Kommunikationsereignis S=Sender E=Empfänger Code Informationsübertragung, dazu wird ein Code verwendet (Varietät einer Sprache); je nach der Situation kommt es zum Code-Wechsel Forschungen einzelner Sprecher – ihre Fähigkeit zw. versch. Sprachen zu wechseln (je nach den außersprachlichen Faktoren). Sprachgebrauch bedingt: regional sozial Geschlecht situativ stilistisch WER spricht WAS WIE u. MIT WEM in welcher Sprache u. unter welcher Bedingungen UMSTÄNDEN mit welchen ABSICHTEN. Zusammenhang von Sprache u. Gesellschaft 1 Entwicklung der SL: Anfänge der SL – der Terminus als Bezeichnung für die Disziplin hatte sich in den 60er durchgesetzt. 3 Phasen der SL: 1) e Vorsoziolinguistik – viele Fragen behandelt, aber noch keine SL: Erscheinungsformen/Varietäten des dt., Dialektographie, Sprachatlas des dt. Reiches, Unterschiede zw. Männer-Frauensprache Die SL in Deutschl. wurde in 60er ignoriert, sie wurde nach amerikanischen Vorbildern orientiert. 2) e mittlere Phase - Grundlagen der germ. SL legte Löffler, bisjetzt wurde SL historisch/literarisch orientiert. Umbruch 1966 – Zuwendung zur Gegenwartssprache. Vorbild – generative Gramm., Konzentration auf die sprachl. Formen (Inhalt interresierte sie nicht). Diese Strukturling. zu abstrakt → pragmatische Wende (Konzentration auf das Sprachgebrauch). Handlungscharakter der Sprache – für welche soziale Gruppen typisch sind → Impuls für die Entw. der SL. 60,70. Jahre: Politisierung des Wissenschaftsbetriebes konkretes, gegenwärtiges Sprachleben – soziale u. polit. Dimensionen -Mangel an ausgebildeten Kräften → Förderung der Chancegleichheit im Bildungswesen -Probleme mit Integration der ausländischen Arbeitskräfte → Förderung v. Kindern aus Unterschichtskreisen → beschleunigte Integration der Gastarbeiter Hoffnung, daß Ling. die Sprachbarieren überwindet Aktion „Student aufs Land“ – Zahl der Studierenden aus Unterschichtskreisen sollte erhöht werden. Studenten – Unterschiede im Sprachgebrauch zw. den Kindern aus höheren u. niederen Schichten – SL sollte die Sprachbariere beseitigen = SPRACHBARIERENFORSCHUNG: Sprache – als Produkt u. Ausdruck spezifischer Lebensbedingungen gesehen - der Sprache der Ober- u. Mittelschicht wird die Sprache der Unterschicht (Arbeitsschicht) gegenüberstellt → klassische Phase BERNSTEIN, LABOV Gesellschaft ist nach Bernstein zweigeteilt: 1) elaborierter (rozvinutý) Code – Sprachgebrauch der Ober-/Mittelschicht 2) restringierter (omezený) Code – Sprachgebrauch der Unterschicht restringierter Code X - kurze, einfache Sätze - Parataxe - wenige Konjunkt. u. Präpos. - geringer Wortschatz - wenige Verwendung von Ich elaborierter Code - längere, veständliche S. - Hypotaxe - Syntax komplexer (vielfältige Präp., Konj.) - größerer W. - häufiger 2 - viele Klischees - konkrete Beschreibungen - mehr Implizitheit - Emotionalität - wenige Sprechpausen - kolektive Meinungen - weniger - abstrakte - Explizitheit - weniger emotionell - Rücksicht auf Sprechpartner - rhetorische Fragen, Sprechweise mehr individuell - statusorientiertes Kommunikationsverhalten personorientiertes Kom.verhalten (Argumentation spielt keine Rolle, nur Verbot) (Arg., Meinungen, Erklärung, Verbot begründet) Unterschiede: Explizitheit gramm. Korrektheit logische/argumenative Strukturierheit Bernstein bezeichnet die Problematik des restring. Codes als Defizithypothese → sprachl. Defizite, der Mangel kann durch Sprachtraining verbessert werden → kompensatorische Spracherziehung – Beherschung des elabor. Codes soll den sozialen Aufstieg ermöglichen. Psycholog. Probleme – Kinder erleben ihre Sprache als defizit, als mangelhaft. DIFFERENZHYPOTHESE – LABOV: Kritik der Defizithypothese – e Sprache ist nicht unterlegen, die „niedere Schicht“ drückt sich einfach nur anders aus (nicht Mangel, sondern Andersartigkeit). Lehrer müssen wissen, daß es andere Sprachgebrauchsformen gibt, die aber nicht defizitär sind. Man muß wissen, wann man den EK, RK benutzt. Ziel – alle Kinder sollen mindestens passiv den elabor. Code beherrschen → emanzipatorischer Sprachunterricht. 3) e spätere Phase der SL – empirische Untersuchungen von germ. Wissenschaftlern, 4 Richtungen: 1. Verifizieirung x Falsifizierung von Bernstein 2. Dialekt als Sprachbariere 3. kommunikativ-pragm. Richtung 4. seit 80er Variäteten-Linguistik, Kontaktlinguistik SL Untersuchung: 1. Vorbereitung u. Planung der Forschung (Festlegung des Ziels, Organisation der Untersuchung, Forschungsplan, Voruntersuchung) 2. Durchführung der Untersuchung: Daten erheben (Befragung, schriftliche Protokole – Notation der Äußerungen, Speicherung – schrifltich, Tonband) Techniken (indirekte/direkte Befragung, kombinierte Methode – Interw. nach Leitfaden, teilnehmende Beobachtung) Datenbearbeitung - Erklärung 3. Resume – Auswertung 3 Heutige SL ist v.a. VARIETÄTENLINGUISTIK. Sprache = Summe von Variäteten. 3 Variationsdimensionen: 1) e räumliche/diatopische – Verschiedenheit im Raum 2) e soziale/diastratische – soziokulturelle Unterschiede 3) e situative/diaphasische Jeder Mensch beherrscht mehrere Varietäten, sie bilden seinen linguist. Repertoir. Bestimmte Situationen verlangen best. Varietät: Dialekte Idiolekte Soziolekte Mediolekte Sexlekte Funktiolekte Alterssprachen Situolekte Problem der Definition – nicht einheitlich: Varietät - ist 1 ling. Merkmal genug o. müssen es 100 sein? - auf 1 Ebene o. auf allen Sprachebenen? - kleine Gruppe Sprecher o. größere? Deutsche Sprache = plurizentrische Sprache: - e National-/Landes-/Volkssprache - Randgebiete, wo dt. gesprochen wird = sog. RANDDEUTSCH (Ostbelgien, Südtirol, Luxembourg, CR, Schlesien, Nordschleswig...) – in einigen Randgebieten dt. Amtssprache, in einigen dt. als Dialekt. - Orte, wo Dt. als Volkssprache gilt = SPRACHINSELN (Rumänien, Siebenbürgersachsen...) Subklasifizieren der dt. Sprache: 1. Standardsprache – einheitlich normiert ist 2. Standard-Sprechsprache (Löffler) / hochdeutsche Umgangssprache – auch genormte Grundregel, regionale Varianten; man unterscheidet groß- u. kleinlandschaftliche 3. Substandardsprache – reg. Dialekte STANDARDVARIETÄT/Standardsprache, Schriftsprache - schriftlich kodifiziert - gilt für die ganze Sprachgemeinschaft - in institutionelen Kontexten benutzt Gebrauch – Prestige, mit sozialem Privilegium verbunden - in Schulen gelernt, in der Alltagssprache erscheint niemals als ideale kodifizierte Form Prozeß der Standardisierung: 1) Selektion: unter den Varietäten muß 1 ausgewählt werden 2) Kodifizieren: sie muß durch Institutionen (Gramm., Wörterbücher) normiert werden 3) Ausbau der Funktionen (überregional...) 4) positive Übernahme von einem relevanten Anteil der 4 Bevölkerung Bei dem Festlegen bringt Ulrich Ammon soziale Kräfte (sind an der Standardisierung beteiligt): 1) e Normautoritäten – Korrekturen 2) Sprachkodex (Kodifizieren) 3) Modellsprecher –schreiber: Modelltexte, profesionelle Benutzer (Journalisten, Theater, in Medien) 4) Sprachexperten UMGANGSSPRACHE: regional begrenzte Ausdehnung = Alltagssprache – in alltägl. Kommun.situationen gebraucht DIALEKT: Merkmale: regionale Gebundenheit mündlich (situativ bedingt) natürlich (spontan) nicht öffentliche Varietät weniger distanziert häufigste Merkmale: linguist. Ähnlichkeit zum Standard Kleinräumlichkeit – region. Gebundenheit fehlende Normiertheit/Standardisierung Arten von Dialekten: A) nach der Größe von Räumen: 1) lokale Dialekte – D- eines Dorfes 2) Stadtdialekte – mittlere Größe 3) regionale dialekte B) nach der Art der Überdachung: 1) Binnendialekte – D., die von einer Standardsprache überdacht sind (z.B. Schweiz) 2) Außendialekte – sind von der Standardsprache isoliert (z.B. Allemmanen in Elsaß, es gibt Elsäßer, die in BRD nur arbeiten, die binden sich an dt.sprachige Standardgemeinschaft C) nach der Geltung (ändern sich im Laufe der Zeit): 1) Relikt – nur von älteren Leuten gesprochen 2) kommt als soziales Symbol vor – koreliert mit best. sozial. Faktoren 3) als Hauptvarietät – mit positiven Konnotationen im Alltagsgebrauch Die Dialektforschung wird als Sozialforschung angesehen. SL – untersucht: soziale Verbreitung der Dialekte regionale u. nationale Besonderheiten der Dialekt-u.Standardsprache wer spricht wo welchen Dialekt in welcher Häufigkeit an welche Sprechergruppen (Geschlechts-, Altersgruppe) verteilen sich best. dialektale Merkmale an einem Ort Ergebnisse: mehr als 35% Dialekte in der Schweiz; hohe Dialektalität im Süden – 60%. 5 Die Dialektalität kann mit sozialen Faktoren korrelieren: Sprachalter (hohe Dialektalität im primären Spracherwerb- Familie + in der Zeit der Rente; Annäherung an die örtlich geltende Varietät in der Zeit der Schulerziehung, Berufs, Eheschließung, Kindererziehung) Geschlecht – Frauen nähern sich eher der Standardsprache als Männer, Zusammenhänge mit der Kindererziehung, dem Beruf Weitere Faktoren: berufliche Stellung; Bildung; Einkommenklasse; häusliche Umgebung... Gesamtes dt. Sprachgebiet kann in 3 große Regionen eingeteilt werden: 1) Niederdt. - Norden, Dialekt Schwund, als Relikt vorkommt 2) Mitteldt. - Mitte+Südosten, Dialekt des Standard-Kontinuums; der Gebrauch der Dialekte sozial bedingt (untere Sch.=Dialekt, höhere=Standard 3) Oberdt. - Südwesten, v.a. Schweiz – Diglossie Region (=Standardvarietät ist klar getrennt), Alemannisches Gebiet Varietäten X Standardsprache (gilt für D. u. Ö.) - niedere Schichten - alte Generation - Männer - Land - höhere Schichten - junge G. - Frauen - Stadt Diglossie: der Begriff wird auf Charles Ferguson zurückgeführt - eine stabile Sprachstuation, man spricht von: L-Varietät (Low-Varietät) X H-Varietät (High-Varietät) - niedere V. - gehobene V. - informeles Konversationsmedium - formele Situationen, wird in Schule erlernt - keine institutionelle Kontrolle, keine Kodifizierung - Verständigungsmittel, in der Familie - Anweisungen -Predigt in der Kirche, Rundfunk,Nachrichten - andere Programme im Fernsehen - Briefe - Mundartliteratur - politische Rede, UNI-Vorlesung Diglossie X Billingualismus: Diglossie – funktionale Zweisprachigkeit, die Varietät Billingualismus – Zweisprachigkeit als Fähigkeit des Sprechers (beherrscht 2 Sprachen) mediale Diglossiesituation – Dialekt immer in gesprochener Sprache in der Schweiz - Standardsprache – für die Schreibung, institutioneller Charakter Sprachgemeinschaft = bestimmte Gruppe v. Sprechern + typische sprachl. Charakteristika dieser Gruppe. Der Begriff ursprünglich in der Dialektologie geprägt worden. - größere Sprachgemein. Zerfallen in kleinere (Dt. → D., Öst., Schw. D. → Norddt., Süddt....) 6 - geograph. bestimmte Gruppe - zum Teil Gruppe, die ein spezifisches soziales Netz bilden = Interaktionsgemeinschaft (z.B. Angehörigen einer Jugendgruppe) SOZIOLEKT – Synonym zur Varietät - oder gruppenspezifische Varietät – s Sprachverhalten einer gesellschaftlich begrenzbaren Gruppe; Unterschiede zu Standardv. Liegen im Wortschatz – nach Bedürfnissen jeder Gruppe. Status der Sondersprachlichkeit – transitorisch, temporär, habitual sein: 1) transitorische Soziolekte: Lebensaltervarietät – Kindersprache Schüler u. Jugendsprache Erwachsenensprache (bei Frau Zeit der Kindererziehung, Zeit des Berufs) Seniorensprache Studentensprache 2) temporäre Soziolekte: für eine gewisse Zeit im Tages-, Jahresablauf gelten, Hobby, Sport, Freizeitgemeinschaften, Lebensart → Jargon – Gefühl der Zugehörigkeit u. Absonderung von der Gesellschaft 3) habituelle Soziolekte: geschlechtspezifische Var. – Männer/Frauensprache Sondersprachen - dauernde Sondergemeinschaften → stehen in gewis. Opposition zu normalen Bürgern oder deutliche Außenseitergruppierung (selten): Subkulturen – Sprache der Drogenszene, Prostitution, Faschos, Gefängnis, Obdachlosen Typisch: Expressivität, Originalität, unklare Bedeutung, Fce-Geheimhaltung Sondersprache=Argot (Gaunersprache), z.B. Rotwelsch (rot=Bettler) IDIOLEKT – individuelle Varietät, unverwechselbare Sprache eines Individuums, Sprachverhaltensweise – situationsbedingte (zu kl. Kindern, Freunden) - rollenspezifische/themenspezifische SL untersucht: individuelle Größe → Ausgangspunkt zur Untersuchung kollektiver Verhaltensweisen, Summe aller Idiolekte = Sprache der Gemeinschaft Idiolekt kann andere Hörer beeinflußen – Sprachwandelprozeß, Gruppenbildung AREALE VARIETÄT Stadtdialekt x Landdialekt – URBANOLEKTE (große Städte – Unterrheingebiet, Chemnitz, Dresden) - Stadt beeinflußt die Standardisierung der Dialekte 7 - Stadtdialekte = Konglomerat von verschiedenen Sprachringen, Übergänge von einer V. zu anderer sind stufig (nicht scharf) → Mischsprachen, die sozial stratifiziert sind - Betriebssoziolekte SITUOLEKTE – Situation spezifische Varietäten - V., die unterschiedlichen situativen Konstalationen (Domänen) entsprechen Domänen bestehen aus sozialen Situationen, in denen Gesprächspartner miteinander interagieren (soziale, private, geschäftliche Rollen) - wer mit wem wie in welchem sozialen Kontext über was redet: wer mit wem – lokale Identität, soz. Status; wie – schriftlich, mündlich. Wechsel der sozial. Rollen REGISTER – situationsspezifische Varietäten - durch eine Kommunik.situation vorgegebener erwartender Sprachhandel - je nach dem Ort, Zeit, Partner – andere sprachliche Register FUNKTIOLEKTE – Alltagssprache (regional unterschieden, Ökonomie des Ausdrucks, Emotinalität, Humor, Satire, Spott) - Literatursprache (höchste Form der S., gehobene, ästhetische Wirkung) - Wissenschafts- u. Fachsprache (Theoriens., fachliche Umgangss., Lehrbuchs., Unterrichtss., Außens./Verteiles.- populäre Erklärungss. In Medien) - Amtssprache (Politiker, Juristen...) - Pressesprache (Massenmedien) MEDIOLEKTE – gesprochene x geschriebene Sprache Gesprochene – direktes / vermitteltes Gespräch, Normalfall = „face-to-face“ Situation Situationale Einteilung der gesproch. Sprache – Kriterien: Ort, Zeit, Zahl / Bekanntheitsgrad der Teilnehmer...→ Monologe, assymetrische / symmetrische Dialoge, Handlungsdialoge Vermittelte gesproch. Sprache: telefonische Übermittlung, Radio-Fernsehübermittlung KONTAKTVARIETÄTEN = Sprach- u. Varietätenmischungen, die durch den Sprachkontakt entstehen - Pidgin + Kreolo – der wichtigste Merkmal, der sie bestimmt, ist MACHT; Pidgin nur in spezielen Situationen gesprochen, nicht in der Schule erlernt – unter dem sozialen Druck, sich rasch zu verständigen 8 - Kreolische S. – Ausbausprache, 2. Generation aus Pidgin, Pidgin zur Muttersprache; Entpidginisierung, Kreolisierung→K., Entkreolisierung→Standardsprache - s Pidgin-Deutsch: Gastarbeiter, untersucht in 70er, Fosilienstufen des dt. - Xenolekte: muttersprachliche V. gegenüber den ausländischen → Vereinfachung der S., aber weist zugleich niedrigen Rang dem Ausländer – symbolische Macht der Einheimischen - Lernervarietät: für uns dt.; Zwischensysteme – ausgebaute Systeme der Sprache = Interiolekte = die V., die bei Erlernung der Zielsprache zur Verfügung steht - Je nach Kontaktmöglichkeiten entw. sich nur Kreolsprache vergleichbar Ausländersprache (zielsprachenahe Varietät) Basilekt Mesolekt – ausgebaute V., ist mit Akrolekt – Kunstweise der SPRACHNORMEN = Festsetzungen zur Regulierung menschlichen Handelns Sprachnormen sind: 1) eine Teilmenge sozialer Normen: - situative/Kommunikationsnormen; Norm – Erwartungshaltung gegenüber best. Sprachverhalten, die in einer gegebenen Kommunik.situation als angemessen gilt (konventionalisiert). Anderes Sprachverhalten – normwidrig → Sanktionen (=soziale Fce der Normen). - beziehen sich auf eine Adäquatheit des Sprechers - Sprachnormen im weiteren Sinne (Konversationsmaximen) 2) Sprachnormen im engeren Sinne: - sind linguistische Sprachnormen/Regel - gramm.-semantische Normen – in Gramm., Wörterbüchern kodifiziert - Normen sollten nicht nur institutionalisiert sondern auch sozial legitimiert (anerkannt) sein positive Auswirkung der Normen – wirken stabilisierend, Komplexität, Koordination der Handlungen negative – Zwang zur Konformität Normen sind mit Wertungen verbunden – zu laut lachen; Wörter wie geil, ätzend ohne Rücksicht auf Gespr.spartner (Alte) - Gefahr sozial abgewertet zu werden - Sprachverhalten unterliegt einer Sozialkontrolle 9 AUßERSPRACHLICHE PARAMETER - beeinflußen das Sprachverhalten 1) Schicht/Klasse – schichtspezifisches Sprachverhalten - wenig untersucht, weil schwieriger Zugang zu sozial niederen Schichten u. die Untersuchenden kommen meist aus höheren Schichten - möglich ist teilnehmende Beobachtung – lander Prozeß der Integration in die Gruppe, man wird einer von ihnen 2) Alter – untersucht v.a. Einfluß des Alters auf Sprachverhalten im Bereich der Jugendsprache - es gibt altersspezifische Sprachwelten (Schultag, jugendl. Freizeit, Beruf, Kleinkinder...) - Jugendvarietäten – nach Freizeitinteressen, Religion... - v.a. Wortschatz: Ausdrücke für Emotionen (total, echt, Popmusik), Begrüßungen, Beschimpfungen, metaph. Wendungen, Anglizismen, Partikel (irgendwie, total) - identitätsstiftende Fce - Imagebildung 3) Geschlecht – nicht nur biolog. sondern auch sozialer Parameter; Rolle spielt die Diskussion um die gesell. Gleichstellung von Mann u. Frau: ? gibt es Unterschiede – wann u. wie? Tendentielle Unterschiede – Stimme, Aussprache, Intonation Frauen passen s. Besser einer dialektal/Standardsprache an als Männer Wortwahl: vermeiden Kraftausdrücke, abgeschwächtere Formen; unterschiedliche Fachwortschätze Satzbau: Fr. neigen in geschr.S. zu kürzeren Sätzen, verbal orientierter Satzbau Interaktionsverhalten: Fr. sprechen weniger als Männer, werden öfter unterbrochen, bestimmen weniger oft Thema, oft Ich-Aussagen, häufig Tag-questions (nicht wahr, find ich halt) Sprachverhalten: Frauen – nehmen Partner als Individuum wahr, kooperatives Sprachverhalten Männer – leistungs- u. konfliktorientiertes Verhalten, sachorientiert Unterschiede aber nicht biologisch sondern sozial determiniert. 4) Gruppe – aufgrund mehrerer sozialer Faktoren kann man spezif. Gruppen unterscheiden - Sprachgebrauch hat außersprachl. Gemeinsamkeiten – Sport, Religion, Drogen - Fce der Gruppensprache – Integration in eine spezielle Wunschgruppe, Abgrenzung 10 von anderen – Gruppenidentität - Sondersprachen – Argot, Welsch, Obdachlosensp., Slang... 5) Rolle – soziale Rolle – Menge Erwartungen – Verhalten einer Person in best. Interaktionssituation - best. Rollenhandeln – Mutter tröstet ihr Kind - anderes Handeln – Normverstoß – als peinliche Stimmung sanktioniert oder als Souverenität interpretiert - Rollendistanz zu signalisieren – durch Ironie, Überhöhung des adäquaten Verhaltens - man erwartet best. Sprachverhalten auch im paraverbalen Bereich - Rolenwechsel -schichspezifisches Sprachverhalten (Automechaniker redet anders als ein Bankdirektor) 6) Situation – ist Schnittstelle verschiedenster außersprachl. Parameter - von der Situation ist unser Sprachverhalten abhängig (Zeit, Ort, Komm.spartner) – familiärer Bereich, Freizeit, Schule, Beruf - 2 Interaktionspartner könne dieselbe Situation unterschiedlich interpretieren - code switching – Wechsel von einer Varietät zu anderer – meist automatisch Diese außersprachl. Parameter überlagern sich → schwierig für Interpretation der Untersuchungsergebnisse. Heute – Parameter Schicht nicht mehr im Zentrum, sondern: Stadtsprachen Sprachgebrauch in Institutionen – Beamte – Bürger; Beratungsgespräche Verhöltnis Dialekt – Hochsprache: wichtig Stadt – Land, Alter, Mobilität Historische SL – Geschichte der dt. S. Unter sozioling. Persp. Zu untersuchen - sprachl. Entw.in Abhängigkeit von sozialen u. gesellsch. Entwickl. - möglich für 19.,20. Jh. – Sprachwandelprozeße Soziolinguistierung – Dialektologie, Sondersprachforschung 11 2.10.2003 Katka Bachoríková SOZIOLINGUISTIK - junger Zweig der Linguistik (Anfänge – 50er Jahre, wissenschaftliche Arbeit seit 60ern Jahren Soziolinguistik: „Wissenschaftsdisziplin im Überschneidungsbereich von Linguistik und Soziologie, die sich mit den wechselseitigen Beziehungen zwischen Sprache und Sozialstrukturen beschäftigt“ (Brockhaus-Enzyklopädie, 1993) → Die Soziolinguistik untersucht die Beziehungen zwischen der Sprache und der gesellschaftlichen Gruppenzugehörigkeit von Sprechern/Hörern, man sagt auch: zwischen Sprachstruktur und Sozialstruktur (Harold Gross, 1990) inhaltlich → Sprache wird als soziales Phänomen betrachtet und als solches lässt sich nur im Bezug auf de Lebensbedingungen der Sprecher beschreiben Gesellschaftliche Bedingungen der Sprache: 1) je nach dem Sprecher oder Hörer (Präsident, vietnamesische Verkäufer) 2) je nach Umständen – Zeit, Ort (in der Schule, am Tisch) - mit dem Chef – im Büro; bei einem Besuch im Krankenhaus Erscheinungsformen der Sprache (Varietät): - jede Varietät ist an einer bestimmten sozialen Situation gebunden - wir sprechen in einer bestimmten Situation → wichtig KOMMUNIKATIONSMODELL: K Sender E Empfänger S Informationsübertragung C Kode Varietät im unseren Falle S, E: charakterisiert durch bestimmte soziale Merkmale (Sozialdaten) individueller Natur sein können – Alter, Geschlecht, Intelligenz Gruppenzugehörigkeit sein kann – Herkunft, Art der Tätigkeit (Beruf), Status der Gruppe, damit verbundenes Ansehen (Prestige +) oder Verachten (Stigma -), die Normen der Gruppe und wie sie von den Mitgliedern angehalten worden und wie dies kontrolliert wird Soziale Gruppen können zu sozialen Schichten zusammengefasst werden – schichtenkennzeichende Merkmale K: zu der kommunikativen Situation gehören alle beteiligten Personen und ihre soziale Beschreibung, Ort, Zeit, das Thema - kommunizieren = handeln → verbunden mit Intention (Absicht) und mit bestimmten Erwartungen 12 C: - linguistischer Teil des Schemas - nicht einheitlich - mit Veränderung der Situation, der Teilnehmer der Situation verändert sich auch der Kode - die Kommunikationsteilnehmer sind fähig, sich wechselnden Konstellationen anzupassen = Kode zu wechseln (Kode-Wechsel, Kode-Switching) = kommunikative Kompetenz Soziolinguistik = das Studium der Sprache im sozialem Kontext (William Labov) Gegenstandsbereich der Soziolinguistik: kann durch die Frage umgeschrieben werden: Wer spricht was und wie mit wem in welcher Sprache und unter welchen sozialen Umständen mit welcher Absichten und Konsequenzen? (Dittmar, 1973) „Die Soziolinguistik untersucht, welche Formen von Sprachhandeln für welche soziale Gruppen einer Sprachgemeinschaft typisch sind“ (vgl. Studienbuch Linguistik, S. 294, 1996) Entwicklung der Soziolinguistik: 1949 – Termin „Soziolinguistik“ erst mal von Haver C. Currie verwendet (Vortrag – schriftliche Form 1952 – linguistische Zeitschrift) → Sozilinguistik als eine selbständige Forschungszweig vorgeschlagen = fruchtbares Bereich 60er Jahre – Termin „Soziolinguistik“ hat sich durchgesetzt germanistische Soziolinguistik: 1. Phase – vorsoziolinguistische Periode 2. Phase – Periode der Soziolinguistik innerhalb der Germanistik – allgemeine Soziolinguistik, die übereinzelsprachlich, universell konzipiert war 3. Phase – Periode der einzelsprachliche und empirisch gerichtete Soziolinguistik, germanistische Soziolinguistik 16.10.2003 Vorsoziolinguistische Periode Erste sprachkritische Äußerungen zum Deutschen: Luther, Opitz, Justus Georg Schottel - Kritik der Übersetzungen (Bibelübersetzung), Alltagsprache, poesiefähige Sprache, Literatursprache Gottfried Wilhelm Leibnitz – das Deutsche kann auch als Bildungssprache dienen Die Verschiedenheit von Sprache wurde von Johann Bödiker (17. Jh.) behandelt – Varietäten des Deutschen Johann Christoph Gottsched hat die Sprache der Edlen als Norm gesetzt Johann Christoph Adelung(18. Jh.) behandelte Verschiedenheit des Deutschen Jahnn Gottfried Herder (18. Jh.) Kultursprache X Volkssprache (Echtheit), jede Gesellschaft hat eigene Sprache Wilhelm von Humboldt (19. Jh.) – Zusammenhänge zwischen Sprache und Gesellschaft G. von der Gabelentz (19. Jh.) – Faktoren der Sprachveränderung, die Sprache der Höheren und Niederen, Männer- und Frauensprache 13 Ende des 19. Jhs. Und 1. Hälfte des 20. Jhs. – Dialektgeografie – Sprache sozial- und situationsbedingt ist, geographisch bedingt Philip Wegener – Programm zur Erforschung der Sprachvarianten, sprachliche Unterschiede zwischen Stadt und Lande, Gebildeten und Ungebildeten Dialektforschung – Ferdinand Wrede, bezeichnete es als Soziallinguistik Nach dem Ersten Weltkrieg entstand eine Interesse an der Volkssprache. Friedrich Maurer, Adolf Bach → Handbuch zur Mundartforschung; enthält alle Themen der neueren Sozialdialektologie. Sprachinselforschung – auch sozilinguistische Fragestellungen üblich, deutsche Sprache in Russland, in Amerika 30er Jahre – Karl Bühler – Situationsgebundenheit des Sprechens, Funktionen der Sprache – Wunsch, Befehl... Anfänge der eigenen Soziolinguistik – 60er Jahre Die Soziolinguistik ist als eigenständige Disziplin in mehreren Ländern angefangen. Es entstanden einzelne soziolinguistische Werke oder Schulen Strukturalismus: Ferdinand de Saussure behandelt die Beziehungen von Sprache und Gesellschaft noch nicht. Damit man die Sprache beschreiben kann, muss man zwei Idealisierungen machen: 1 – dass die Sprache HOMOGEN ist 2 – dass LANGUE immer gleich und gleichbleibend ist Es gab auch Arbeiten und Schulen, die nicht strukturalistisch waren – Dialekte, Fach- und Sondersprachen wurden erforscht E. Coserin hat vorgeschlagen, zwei Ebenen der Sprache zu unterscheiden: - Die Funktion der Sprache, funktionelle Sprache, die homogen ist – keine konkrete Sprache, herauspräparierte Sprache zum Zwecke der Beobachtung - Ebene der Architektur der Sprache, die Unterschiede aufweist: a) Dialektunterschiede – diatopische Unterschiede b) Sozialunterschiede – diastratische Unterschiede c) Stilunterschiede – diaphasische Unterschiede Amerikanische Grammatik – Transformationsgrammatik – es gab auch Nebenströmungen Sapir-Schule – ethnologisch orientiert, betonte Beschränkung von Sprache und Kultur K. Pike – Hierarchie von Handlungen, er wollte die Sprache nicht isoliert von anderen sozialen Erscheinungen beobachten (Brigitte Schlieben-Lange, S. 34 – 69) Eigentliche Soziolinguistik in Deutschland Man muss im Zusammenhang mit deutscher Germanistik sehen – sprachhistorisch orientiert Umbruch stellte Münchner Germanistentag (1966) – Anfang der Zuwendung zur Gegenwartssprache Vorbild des amerikanischen Strukturalismus und generativer Grammatik – Interesse an Formen Es zeigte sich aber, dass die Strukturlinguistik zu abstrakt, zu formal ist – man konnte die sprachliche Vielfalt nicht erklären. Die Studenten und junge Lehrer der 68-Generation fördern die theoretische Linguistik abzulegen – die Linguistik sollte sich mit dem Sprachgebrauch beschäftigen Man spricht von der pragmatischen Wende der Linguistik 14 Sprache wird als Handlung betrachtet Man interessiert sich dafür, welche Formen von Sprachhandeln für welche soziale Gruppen typisch sind → Entwicklung der Soziolinguistik Aktion „Student aufs Land“ – es sollte die Zahl der Studierenden von den Unterschichten erhöhen Integration der ausländischen Arbeitsemigranten brachte große Schwierigkeiten mit sich, in der Schule Ungleichheit in den Erfolgen, weil es Sprachbarriere gab – Sprache der Mittel-, Ober- und Unterschicht – mit Hilfe der Soziolinguistik sollte die Sprachbarriere überwunden werden Diese Phase ist mit den Forschungen von Basil Bernstein (Engländer) verbunden, die in Deutschland bekannt waren. Nach Bernstein gibt es Beziehung von der Schichtzugehörigkeit und Lernverhalten, Schulerfolgen der Kinder aus den Londoner Schulen – die Kinder der Arbeitern haben weniger Schulerfolge. Die Intelligenz wird primär nach den sprachlichen Fähigkeiten in der Schule beurteilt. Die Ursache muss anders als die Begabung den Kinder begriffen werden, die Ursache: in welcher Situation die Kinder die Sprache erlernen – sie erlernen in der Familie, die durch Klassenzugehörigkeit determiniert ist (in der Familie primäre Sozialisation, in der Schule sekundäre Sozialisation). 23.10.2003 Bernstein sah die Gesellschaft eingeteilt, er unterschied 2 Kode (Defizit-Hypothese): 1) der elaborierte Kode = Ober- und Mittelschicht 2) der restringierte Kode = Unterschicht - kürzere und oft unvollständige Sätze - häufigere Parataxe - nur wenige einfache Konjunktionen und Präpositionen verwendet - ein geringerer Wortschatz - begrenzte Auswahl von Adjektiven und Adverbien - die Sprecher verwenden weniger Pronomina „ich“, „man“, „es“ - Verwendung von bestimmten, festen Wendungen (Sprachklischees) - überwiegt die Implizitheit - Expressivität, Emotionalität (mehr als bei dem elaborierten Kode) - beim Gespräch: wenige Sprechpausen, wenige Erklärungen für den Hörer - häufiger: kurze Befehle und Fragen - mehr Rückversicherungen: „nicht?“, „ne?“, „nicht wahr?“ - Kollektivmeinungen, rhetorische Fragen unabhängig von der Gruppensolidarität) 15 (x individuelle, konkrete Meinungen, Der restringierte Kode ist an statusorientierte Kommunikationsverhalten gebunden, die sprachliche Argumentation spielt eine geringe Rolle. Der elaborierte Kode ist ein personenorientiertes Kommunikationsverhalten, mehrere Begründungen, erklärend, individuell, mehr Respekt. Die zwei Kode unterscheiden sich in Explizitheit, grammatischer Korrektheit, logischen und argumentativen Strukturiertheit. Der elaborierte Kode wird als überlegen betrachtet, der restringierte Kode weist Mängel auf → DEFIZIT-HYPOTHESE Kompensatorische Spracherziehung - die Defizite sollten ausgeglichen werden die Sprachbarriere sollte überwinden werden - diese Programme jedoch misslungen, sie führten zu den psychologischen Problemen bei den Kindern (Entfremdung von der Familie und Freunden) Die Defizit-Hypothese wurde heftig kritisiert, weil sie die Sprache der Mittelschicht zu Norm erklären wollte = Grundvorwurf. Der wichtigste Kritiker William Labov. In den USA gab es ähnliches Problem (schwarze Bevölkerung), Programm – Kampf gegen die Armut, die Gründe ähnlich wie in Deutschland, in den USA sollten aber auch Rassenunruhen gemildert werden. William Labov hat die Sprache der schwarzen Bevölkerung untersucht, weiter Stadtsprachenforschung. Typisch für Labov sind Erklärungen der Sprache nach der Einstellungen der Menschen und nach Geschichte. - soziale Stratifikation des Englischen in New York - er verglich Standartenglisch und Nonstandartenglisch - er erfuhr, dass auch die Nonstandartenglisch leistungsfähig ist - der Defizit gibt es nur, wenn die Standartenglisch als Norm gesetzt wird - die Unterschiede sind nicht als Mängel, sondern als Unterschiedlichkeit betrachtet → sie sprechen nur anders, die zwei Kode sind formal verschieden, funktional aber gleichwertig - Kode-Wechsel – man benutzt mehrere Kode, alle Kinder eignen sich in der Schule mindestens passiv den elaborierten Kode Emanzipatorischer Unterricht: - Die Kinder sollten lernen, die Sprachprobleme zu erkennen - Sie lernen, welchen Kode sie in welcher Situation verwenden sollen → DIFERENZ-HYPOTHESE Die deutsche Kritik von Bernstein deckte sich mit Erkennungen von Labov 30.10.2003 3. Phase der germanistischen Soziolinguistik Sprachwissenschaftler, nicht nur Soziologe, Feldforschung → die Phase der eigentlichen Soziolinguistik 1. Richtung Bernstein entweder verifizieren oder fazifizieren 16 U. Oerverman: „Sprache und soziale Herkunft“ (Dissertationsarbeit) - wollte einige Schwächen von Bernstein vermeiden - er verwendete schriftliche Sprachproben - sprachunabhängiges Intelligenztest – das hat er auch verwendet - er unterschied zwischen Jungen und Mädchen - seine Ergebnisse: schichtenspezifische Unterschiede wesentlich weniger ausgeprägt sind, als Bernsteins Untersuchungen gezeigt haben - mögliche Gründe: in englischen Gruppen ist die soziale Distanz größer als in den deutschen Weitere wichtige Überlegungen für die Soziolinguistik: 1) Bergriff Kode – Oeverman protestierte – man muss je nach der Situation den Kode wählen 2) Oeverman diskutierte den Kode-Begriff im Zusammenhang mit der Soziologie 3) Situationsgebundenheit: o Restringierter Kode – situationsgebunden, es wird nur das verbalisiert, was die Mehrdeutigkeit beseitigt o Elaborierter Kode – situationsentbunden, der Sprecher verbalisiert auch das, was vom Kontext klar sein kann 4) Verhältnis zwischen der verbalen und nichtverbalen Intelligenz - die nichtverbale Intelligenz hängt von der verbalen Intelligenz ab (nach der früheren Ansichten) Untersuchungen bei den Erwachsenen – Oeverman hat sich mit der Arbeiterbildung beschäftigt → Unterschiedssprache = solidaritätsstiftende Sprache Restringierter Kode - signalisiert die Normen einer Gruppe und weniger die individuelle Erfahrung - Loyalität gegenüber der Gruppe, es fährt aber auch zur Abhängigkeit von den Symbolen der Gruppe - Dieser Kode verbindet den Sprecher psychisch mit den lokalen Traditionen - Er soll nicht abgewertet werden, sonst wird die Entfremdung zu groß 2. Richtung – Dialekt als Sprachbarriere - es entwickelte sich SOZIODIALEKTOLOGIE; nicht nur die räumlichen Bedingungen, sondern auch Sprecher - Untersuchungen von der gesprochenen Sprache 17 Ulrich Ammon – „Dialektsoziale Ungleichheit und Schule“ (1972) - Dialekt und Einheitssprache = Schichtenspezifische Sozialsymbole - Dialekt – ist für die Unterschicht ein Mittel zu Selbstidentifikation - Für die Mittelschicht ist die Einheitssprache ein Mittel der Selbstidentifikation 3. Richtung – Kommunikativ-pragmatische - Sprachgeschichte ist zur historischen Soziolinguistik geworden - Es geht darum zu erklären, warum sich innerhalb einer Gruppe bestimmte Neuerungen durchsetzen - Auch die Beziehungen zwischen verschiedenen Sprachen und Subsysteme einer Sprache können untersucht werden - Pragmatik und Semantik können auch soziolinguistisch angegangen werden - Textlinguistik verwendet auch soziolinguistische Methoden - Seit den 60ern Jahren eine Entwicklung zur VARIETÄTSLINGUISTIK und KONTAKTLINGUISTIK - Nationalsprache wird als eine Summe von Varietäten angesehen 6.11.2003 Heutige Soziolinguistik = Varietätslinguistik Varietät (s. Blatt) - wird nach sprachlichen und außersprachlichen Faktoren definiert - man kann es unter 3 Punkten sehen: 1) Sprache reflektiert soziale Unterschiede → Aufgabe der Soziolinguistik: soziale Spannungen (Probleme) aufzudecken 2) Soziale Unterschiede werden durch Sprache erst geschaffen – Sprache wird als Instrument sozialer Macht interpretiert, die Linguistik hat Aufgabe einer Sprachkritik 3) Man betrachtet die Sprache als Spiegel sozialer Verhältnisse, aber auch umgekehrt → die Beziehung von Sprache und Gesellschaft ist gegenseitig Klassifikation der Variationen nach der außersprachlichen Parameter: räumliche (diatopische) Variationsdimension soziale (diastratische) Variationsdimension situative (diaphrastische) Variationsdimension – stilistische Unterschiede Im Studienbuch-Linguistik werden diese unterschieden: Schicht, Alter, Geschlecht, Gruppe, Rolle, Situation 18 Kinder: (Forschungen) - Wortschatzumfang aller Kinder ist ungefähr der selbe, jede Schicht hat einen spezifischen Teilrepertoire, es hängt von den Eltern ab - semantische Merkmale – auch Unterschiede – die Kinder der Unter-, Mittelschicht meinen mit einem Wort nicht immer das Selbe - diese Forschung unterstützte die Differenz-Hypothese Teilnehmende Beobachtung als Methode: - der Forscher muss sich in die Unterschichtgruppe integrieren – z.B. gemeinsame Tätigkeiten, er soll nicht als Fremde empfunden sein; solche Untersuchung ist zeitlich anstrengend ALTER Es wurde bisher v.a. Jugendsprache untersucht. Verschiedene Altersgruppen haben aufgrund der gemeinsamen Erfahrungswelt auch ähnliches Sprachverhalten. Altersspezifische Sprachwelten – Schulalltag, Freizeit der Jungen, Beruf, Alltag in der Familie mit kleinen Kindern, Rentner → es geht um soziales Alter Auch in einer Altersgruppe gibt es Unterschiede – Transitorische Soziolekte (H. Löffler) = Altersvarietäten: I. Kindersprache – Spracherwerbsforschung (Psycholinguistik) II. Schüler- und Jugendsprache III. Erwachsenensprache – ein ganzes Spektrum von Varietäten a) Zeit der Berufsausübung b) Zeit der Kindererziehung (Frauen) IV. Seniorensprache – interessant für die Dialektologie, im Alter nur eine Varietät benutzt: monolektale Sprechweise (meistens Dialekt) - am besten wird die Jugendsprache untersucht - es gibt verschiedene Jugendvarietäten - jede Generation hat ihre Lieblingswörter, modische Ausdrücke können sich rasch wechseln - soziale und regionale Unterschiede – es hängt viel davon, ob man die Lehre besucht, zur Schule geht... Merkmale der Jugendsprache: - Kreativität, farbige Metaphern, Phraseologismen, Hyperbolisierung - Wortschatz mit Anglizismen - viele Verstärkungspartikeln (total, echt) - feste Wendungen – stereotype Floskeln, die nicht metaphorisch sind – Grüße 19 - viele Ausdrücke für Emotionen, stark expressiv - andere Bezeichnungen für Personen Funktion der Jugendsprache: - identitätsstiftende Funktion - Abgrenzung gegenüber der älteren oder erwachsenen Generation (Kontrastsprache, Gegensprache) - dient der eigenen Image-Bildung - sie stärkt die Angehörigkeit zur Gruppe → sie schafft einen Typ der Bindung an die Gruppe (Solidaritätssprache) - Jugendsprache wurde am Ende der 60ern Jahren als „Protestsprache“ untersucht (Generationskonflikt) Bewertung der Jugendsprache: - als reduzierte, verarmte Sprache bewertet - die Erwachsenen werden manchmal schockiert - von anderen als originell bewertet, scherzhaft, spielerisch, allerdings auch spöttisch Jugendsprachliche Ausdrücke werden manchmal in die Standartsprache übernommen: v.a. in den Massenmedien (Musik, Freizeit) Studentensprache: Hat ein speziellen Wortschatz, Redewendungen von bestimmter Korporation von Uni- und gymnasialem Bereich - Spitznamen für Lehrer, Abkürzungen - Heute ist die Studentensprache eine Mischung aus Jugendsprache und Fachsprache Stilalter bei Schüler untersucht – wie viele Wörter sie aktiv/passiv können – es hängt vom Alter und Schultyp ab (Buch: Janis Androntropulos – Deutsche Jugendsprache) 70. Jahre – Faktor des GESCHLECHTS wichtig - das Geschlecht beeinflusst auch die Sprache - es gab Untersuchungen, ob es die Unterschiede eigentlich gibt und wie sie sind - Frauensprache = defizitär (Studienbuch Linguistik) 20.11.2003 Ein weiteres Faktor – GRUPPE Personen, die aufgrund bestimmter Sozialfaktoren zu einer soziale Gruppe gehören, haben auch Gemeinsamkeiten im Sprachgebrauch. Außersprachliche Gemeinsamkeiten: Sport, Religion, subkulturelle Lebensformen Hauptfunktion der Gruppensprache: 20 - Integration in eine Wunschgruppe, weniger geht es um eine Abgrenzung von anderen Gruppen - Gruppensprache signalisiert und bestätigt die Zugehörigkeit zu einer Gruppe Gruppensprachen – Soziolekte und Sondersprachen (verschiedene Linguisten haben andere Kriterien, verwenden diese Bergriffe anders) Vertikale Bewertungsdimension – Soziolekte sind immer besser oder schlechter als die anderen Formen Horizontale Bewertung – Dialekte (neutral) Soziolekte – stehen in einem potentiellen Wertekonflikt zueinander (gut x schlecht) – nach Dittmar Noch andere Bezeichnungen: Jargon, Slang, Argot TERMINI: SOZIOLEKT Die breiteste Auffassung: „Soziolekt kann verwendet werden als Synonym zu Varietät.“ „Jede Gruppenspezifische Sprachvarietät, jede Gruppensprache.“ (Gruss) Gruppenzugehörigkeit: - Region – Dialekt - soziale Bedingungen – Soziolekt - Beruf – Berufsprache - Frauen x Männersprache - Jugendsprache - politische, religiöse Gruppen – Ideologische Sprache - Subkultur, Randgruppe - Sondersprache Die üblichste Auffassung: „Soziolekt = Gruppensprache“ Dittmar unterscheidet Schicht- und Statusgruppen A) Schichtgruppe – prototypischer, diastratischer Faktor der Variation, eine von Gruppen und Individuen abstrahierende soziologische Größe Statusgruppe – es werden dagegen andere Gruppen gefasst – Konkret (nach Berufstätigkeit) B) Verschieden Varietäten werden oft als Sondersprachen bezeichnet Soziolekt hat eine negative Konnotation. Andere soziale Gruppen als Schicht – ihr Sprachgebrauch wird als Sondersprache bezeichnet (Soziolekt = Sondersprache – bei Dittmar) Bussman, Hadumod – keine konkreten Gruppen genannt. Sondersprachen im weiteren Sinne, auch Geschlechts- und Altersvarietäten. Lewandowski – schließt Dialekte aus. Als Beispiele erwähnt er: Schüler-, Studenten-, Berufs-, Fach-, Jugendsprache, Sportjargon, Jägersprache und andere. Soziolekte können mit negativer Bewertung verbunden sein. Im engeren Sinne – nur sozial bedingte Sonderformen. Temporäre Soziolekte – sie gelten für eine gewisse Zeit im Tages- und Jahresablauf (Hobby-, Sport-, Freizeit-, Soldatensprache) → man verwendet auch die Bezeichnung JARGON Habituelle Soziolekte – Frauen- und Männersprache Noch eine Gruppe zählt man dazu → Sondersprachen im engsten Sinne 21 27.11.2003 Soziolekt 1 = Varietät 2 Varietät sozialer Gruppen (nicht primär geographisch bestimmt) 2.1 Schichtenspezifische Varietät (ggf. negative Konnotation) 2.2 Varietät anderer sozialer Gruppen als Schicht: Sondersprache 2.2.1 im weiteren Sinne auch geschlechts- und altersspezifische Varietät 2.2.2 im engeren Sinne a- nicht geschlechtspezifisch b- nicht altersspezifisch quer zu diastratischen/diatopischen Variation c- nicht Fachsprachen = Funktiolekte d- verschiedene Kombinationen von a, b, c 2.2.3 im engsten Sinne Anti-/Kontra-Sprache = Geheimsprache (Außenseitergruppierungen) Antisprache Es geht nicht um Sprache als System, sondern um Besonderheiten im Wortschatz, der in bestimmten Bereichen verändert wird (Täter, Opfer, Polizei) (Patrik Ouředník) Ausdrücke: - Expressivität, sehr oft Vulgarismen, Spitznamen - Metaphorisch, in ihrer Bedeutung unklar - Unzugänglichkeit für diejenigen, die außerhalb der Gruppe stehen, Geheimhaltung, spezielle Kodierung - Stärkung der Gruppenidentität - Leute, Sachen bekommen andere Bezeichnungen Diese häufig „Gaunersprache“ wird als ARGOT bezeichnet. - ursprünglich Sprache der französischen Bettler und Gauner im Mittelalter - heute Sondersprache einer sozialausgegrenzten und häufig asozialen Gruppe - häufig Entlehnungen aus Fremdsprachen, viele Wörter jüdischer Herkunft - diese Geheimsprachen verfügen auch Körpersprache - z.B. Schnee = Kokain Rotwelsch (Rot = Bettler, welsch = romanisch) - in 13. Jh. entstanden als Sprache der Bettler und Gauner, unverständliche Sprache - Wortschatz beruht auf Entlehnungen aus Jüdischem und aus Zigeunersprachen - Gebiete: Geld (Torf, Blech = Geld), Polizei, Gefängnis Mattenenglisch (auch Mattenänglisch) - Geheimsprache des Mattenviertel in Bern - Viele Wörter aus dem Rotwelsch - Silbenspielereien in Wortbildung (fertig = fe-be-rti-big) 22 Argot wird oft unter der obersten gesellschaftlichen Schichten verwendet (Ludwig XVI., die hohe Gesellschaft in Prag nach dem Ersten WK) - flucht aus der Wirklichkeit, Abgrenzung von der Mittelschicht, Unabhängigkeit, Freiheit Dittmar unterscheidet: Sozialgebundene Sondersprache: - von der Gruppe herbestimmt, Gruppen orientiert - Standessprachen (stavovský jazyk) Sachgebundene Sondersprache: - Fachsprachen - Sachorientiert, an ihrem Anfang stand keine soziale Gruppe Es gibt fließende Übergänge zwischen den sozialgebundenen Sondersprachen und sachgebundenen Sondersprachen (z.B. Fachsprache der Soldaten, einige Ausdrücke übergehen aus dieser Fachsprache in die Gruppensprache: Feldküche = Gulaschkanone) Bekannte sozialgebundene Sondersprachen: Sprache der Jäger, Fischer, Bauer, Studenten, Bergleute, Weinbauer Henne – hat die historischen Studenten- und Schülersprache untersucht. Jargon - wird entweder als Sondersprache im weiteren Sinne verstanden (Sonderwortschatz der sozialen Gruppen) oder Fachwortschatz bestimmter Berufsgruppen = Fachjargon - es geht nicht um die Sprache der Antigruppen - fast wie eine Fachsprache Slang - aus anglophone Soziolinguistik - Sprache bestimmter sozialer Gruppen (Slang verschiedener Arbeitsplätze, der Diebe), gruppenspezifische Routinesprache - Im engeren Sinne – nur Sonderwortschatz der Jugendsprache in Städten (Geld, Sexualität, Polizei, Musik, Drogen...) - Im weitesten Sinne – unkonventionelle Sprache, reiche Metaphorik, exzentrisch, humorvoll Viele Ausdrücke werden dann in den Gemeinwortschatz übernommen (z.B. aus Sport → Politik) Die soziale Rolle - ein weiteres Aspekt - die Menge all derjenigen Erwartungen, die sich aus Verhalten einer Person in einer gegebenen Kommunikationssituation richten - die Handlungen, die diese Erwartungen erfüllen – Rollenhandeln, Rollenverhalten - wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden – Normverstoß (positiv, negativ) 23 - die Erwartungen umfassen verschieden Verhaltensbereiche, u.a. auch sprachliches Verhalten (Kap. Soziolinguistik 8.3.5., S. 289 – 292, 314 – 315 – Studienbuch Linguistik) Die verschiedenen außersprachlichen Faktoren überschneiden sich – man muss alle Faktoren gewichten und sich für das angemessene Sprachverhalten entscheiden Situolekte = Situationsspezifische Varietäten → das Register (diaphasische Variation) - Situationstypen = Domänen → wird dadurch bestimmt, wer mit wem, wie, in welchem sozialen Kontext und über was redet - schriftlich, mündlich (Medium) - sozialer Kontext, Umfeld (Setting) – Handlungsräume - Thema der Kommunikation Register – durch eine bestimmte Kommunikationssituation vorgegeben und damit auch erwartbaren Formen des Sprachhandels. Es sind an wiederkehrenden Situationen gebunden Sprechstile. 4.12.2003 Situolekten Register – den Begriff hat englischer Linguist Halliday geprägt 3 Parameter: - das diskursive Feld der Rede, es geht um das Rede-Gegenstand und das Thema - der Tenor, Diskursstil der Rede, Stilausprägung je nach Rollenkonstellation, verschiedene Rollenverhältnisse (Lehrer – Schüler, Kinder – Eltern) und je nach dem Grad der Formalität, hängt mit der Vertrautheit zusammen – formal, informal, höflich, familiär, ungezwungen, persönlich, unpersönlich - Diskursmodus – sprachliche Gestaltung der Rede je nach dem Medium – schriftlich, mündlich; je nach der Funktion der kommunikativen Mitteilung Beispiel: Register der Fernsehwerbung Diskursfeld – gerichtet auf ein bestimmtes Produkt oder ein bestimmten Dienst Diskursstil – informales, familiär Diskursmodus – audiovisuelle Darstellung, nonverbal → informative Funktion, persoasive Funktion Stil - an Personen gebundene Sprachgebrauchsformen - individuelle Variationsmöglichkeiten innerhalb einer Varietät bei der Durchführung einer Sprachhandlung - die Verwendung der Stile hängt von der intendierten kommunikativen Wirkung der Sprachhandlung ab 24 - direkter als Register auf die jeweiligen Sprecher bezogen → personengebunden - sind stärker intentional orientiert als Register Fachsprachen Sie werden in ganz bestimmten kommunikativen Zusammenhängen realisiert. Weisen Subvarietäten auf: - Die Theoriesprache → in der schriftlichen Kommunikation - Die fachliche Umgangsprache - → mündlich → Jargon eines Instituts, Werkstattes... → auch auf Tagungen und Kongressen verwendet → Adressaten sind Fachleute Lehrbuchsprache → die Erklärungssprache in wissenschaftlichen Lehrbücher - Die Unterrichtssprache → mündliche Darstellungs- und Erklärungssprache im fachlichen Unterricht Die 3, 4 führen von Umgangssprache zum Fachsprache. - Die Verteilersprache (Außensprache) → die populäre Erklärungssprache, im allgemeinen Schulunterricht, in den Medien, durch diese Varietät gelangen Termini in die Gemeinsprache Stile/Textsorten In einer bestimmten Situation entstehen Texte (mündliche, schriftliche), die zu Textklassen können zugeordnet werden. Einer Kommunikationskonstellation entspricht ein Textexemplar und einem Konstellationstyp entspricht eine Textsorte. - einfacher, normalsprachlicher, entfalteter Stil - dichterisch - gehoben Jede Schicht hat Zugang zu allen Stilen, aber die Stillagen der Unterschichtsprecher liegen meistens unter dem Stil der mittleren Schicht. Idiolekt Die individuelle Varietät, die Sprache eines Individuums, einer Person. Im weiteren Sinne: = der gesamte zu einem bestimmten Zeitpunkt Sprachbesitz einer Person = die damit verbunden Äußerungsweisen der betreffenden Person, die typischen Weisen der Mitteilung Im engeren Sinne: 25 = sprachliche Besonderheiten anhand derer sich Sprecher derselben Sprachgemeinschaft unterscheiden lassen = es kann permanent oder situationsbedingt sein (z.B. gegenüber Kindern), themenspezifische, rollenspezifische Verhaltensweisen Idiolekte können andere Sprecher beeinflussen und damit Sprachveränderungen auslösen und sie lösen auch Gruppenbildungen aus. Standartvarietät = Standart-, Hoch-, Literatur-, Einheits-, Nationalsprache auch bezeichnet - sie ist schriftlich kodifiziert (in einem Sprachkodex werden die Formen eingetragen) - sie wird vor allem geschrieben - sie besitzt überregionale Reichweite und Gültigkeit - sie wird in gesellschaftlichen Institutionen und offiziellen Kommunikationssituationen benutzt - ihr Gebrauch verschafft in der Regel Prestige - wird an Schulen unterrichtet Standardisierung = ein Prozess, der stufenweise allmählich verläuft, zuerst muss unter der Varietäten ausgewählt werden – l. Die Selektion 2. Die Kodifizierung – durch legitime Institution in Wörterbüchern und Grammatiken normiert werden 3. Der Ausbau – ihre Funktionen müssen ausgebaut werden 4. Die Übernahme – sie muss vom relevanten Anteil der Bevölkerung mit positiven Einstellungen angenommen werden → Übernahme durch die Mehrheit. Den Standardisierungsgrad kann man mit 3 Kriterien bestimmen: l. Die linguistischen Eigenschaften der Standartsprache → relative (flexible) Stabilität → Intellektualität 2. Allgemeinere Funktionen innerhalb der Sprachgemeinschaft: → einigende Funktion (Überdachungsfunktion) → separierende Funktion (Abgrenzung gegenüber anderer Sprachen) → Prestige-Funktion → dient als normative Bezugsrahmen für die Sprecher 3. Einstellungen der Sprachgemeinschaft der Standartvarietät gegenüber: → Sprachtreue 26 → Sprachstolz → Normbewusstsein der Sprecher 18.12.2003 Normautoritäten Sprachkodex (Kodifizieren) Modellsprecher Sprachexperten Modellschreiber → Mitwirken bei der Festlegung der Standartvarietät (soziale „Kräfte“) Normautoritäten – vor allem Lehrer, korrigieren nicht-standartsprachliche Varietäten Kodifizierer – erarbeiten Sprachkodexe (Rechtschreibungswörterbücher) Sprachexperten – professionelle Linguisten, sie beurteilen den Kodex fachlich, in Fällen von Sprachkonflikten sind sie Gutachter → Fachurteile Modellsprecher, Modellschreiber – professionelle Sprachbenutzer – Journalisten, Schriftsteller, in den Medien, am Theater; ihre Texte gelten als Modelltexte; an die Modelltexten orientieren sich dann Sprachexperten → die einzelnen „Kräfte“ wirken aneinander, sie sind Repräsentanten der Bevölkerung, der Sprachgemeinschaft. → Der Staat spielt bei Standardisierung seine Rolle, auch die Lehrer. In Frankreich – der Staat spielt eine große Rolle → das Deutsche weist mehrere Standartvarietäten auf (Deutschland, Österreich, die Schweiz) → spezifische Varianten (Einzelwörter) → Austriazismen: Aprikose x Marille → Helvetismen – spezifische schweizerische Varianten → Teutonismen – binnendeutsche Varianten Das Deutsche hat 3 Sprachzentren. Diese klassifiziert man nach der Art der Kodifizierung → Vollzentren (verfügen über Binnenkodifizierung) – BRD, Österreich, die Schweiz 27 → Halbzentren (sind nicht binnenkodifiziert, sondern außenkodifiziert) – Lichtenstein, Luxemburg ► deutsche Sprache ist also PLURIZENTRISCH (tschechisch – unizentrisch) Normen Eine sprachliche Norm = Erwartungshaltung gegenüber bestimmen Formen des Sprachverhaltens, die in einer gegebenen Kommunikationssituation bzw. gegenüber einem bestimmten Gesprächspartner als angemessen gelten. Wir unterscheiden Sprachnormen: 1. Situative Normen (im weiteren Sinne) - Grundvoraussetzungen für normale Kommunikation - Konversationsmaximen: (gehören zu situtativen Normen) der Quantität, der Qualität, der Relation, der Modalität (= klar sein) ▪ Quantität = nicht zu viel und nicht zu wenig sagen ▪ Qualität = nur Wahrheit sagen ▪ Relation = der Beitrag soll relevant sein, zum Thema sprechen 2. im engeren Sinne = linguistische Normen, in Grammatiken, Wörterbüchern kodifiziert. Wir verhalten uns: - normkonform – wir orientieren sich nach den Regeln - normwidrig – Verstoß gegen Normen Normen erfüllen bestimmte soziale Funktionen, sind Ursachen eines bestimmten Sprechhandelns. Im positiven Sinne wirken sie stabilisierend, sie reduzieren die Komplexität, sie ermöglichen die Ausbildung einer sozialen Identität. Negative Aspekte: die Normen können zur sozialen Kontrolle verwendet werden, man kann zu der Konformität gezwungen werden. Die Normen des Sprechhandelns sind oft unbewusst: - statuierte Normen – explizit vereinbarte, öffentlich gesetzte Normen - ? Normen – Erwartungen aufgrund der Praxis Sie sollten nicht nur legalisiert werden, sondern auch legitimiert (begründet), sozial anerkannt. Es gibt mehrere Begründungen: Sprachgebrauch, Kulturell-Autoritäten, einige sind historisch erwachsen, reichweite (überregionale) Erscheinungen, integrierende Funktion, Verständlichkeit bestimmter Varianten, größere Frequenz einer Variante, die Variante entspricht der Struktur des Sprachsystems, eine Variante wird als adäquat angesehen. Die Normen sind oft mit Wertungen verbunden (Sprache ohne Norm – sozialniedrig). 28 Sprachgemeinschaften (Überdachung) - größere, die in kleinere zerfallen - nicht nur eine geographisch gesehene Gruppierung, sondern die Sprecher, die zusammen kommunizieren (Gruppierung mit gemeinsamen Einstellungen gegenüber verschiedenen Sprachvarietäten) - die Standartvarietät überdacht die anderen Varietäten, die Überdachung wird als normal empfunden - die Sprecher der Nonstandartvarietät fühlen sich als Mitglieder dieser Gemeinschaft - es gibt auch Fälle, wenn eine Nonstandartvarietät nicht von der Standartvarietät überdacht wird: Elsass in Frankreich, näher ist dem Deutschen Deutsch als: 1. National-, Landes-, Volksprache: BRD, Österreich, die Schweiz 2. Randdeutsch: Elsass, Luxemburg, Ostbelgien, Südtirol 3. Sprachinseln: Orte außerhalb des geschlossenen Sprachgebiets, Rumänien z.B. Banater Schwaben, in etwa 25 Staaten (Polen, Tschechien, in der Slowakei, Brasilien, Venezuela, Israel, Australien...) Muttersprachregion X Amtsprachregion (in 7 Staaten) - solo-offizielle Amtsprache: wenn nur Deutsch als nationale Sprache verwendet wird (BRD, Österreich) - co-offizielle Amtsprache: mehrere Amtsprachen neben dem Deutschen (die Schweiz, Luxemburg) Deutsch als: (3 Erscheinungsformen) - Standartsprache - Umgangssprache (Standartsprechsprache) – Übergang vom Standart zum Nonstandart - Regionalen Dialekte Dialekt (Mundart) - Eine örtlich gebundene, natürliche und im Alltag gebräuchliche Rede - Die Ausdruckweise der Sprachgemeinschaft eines Ortes oder einer Gegend - Dialekt wird komplementär zu der überregionale Standartsprache gebraucht Kriterien: - linguistische Ähnlichkeit zum Standart, Kleinräumigkeit, die regionale Gebundenheit, es fehlt die Kodifizierung 29 Arten der Dialekten: - nach der Größe: lokale Dialekte (kleinräumig) Stadtdialekte (mittelräumig) regionale Dialekte (großräumig) - nach der Art der Überdachung: Binnendialekte (werden von der Standartsprache überdacht) Außendialekte (z.B. Sprachinseln) - nach der Geltung: Dialekt als Relikt (wird von älteren Leuten gesprochen) als soziales Symbol (Süddeutschland) als Hauptvarietät (mit positiven Konnotationen – die Schweiz) Soziolinguistische Frage: „Wer spricht wo welchen Dialekt in welcher Häufigkeit?“ Dialekt + Alter – Kinder, Rentner (mehr Dialekt) Dialekt + Geschlecht – Frauen nähern sich mehr der Standartsprache Höhere Dialektalität: geringere Bildung, berufliche Stellung, ländlicher Wohnsitz, Freudenkreis, Familie. Die Tendenzen sind verschieden je nach der Region: Norden – Dialektschwund, die Dialekte sind weitgehend geschwunden Mitte, Süden – Dialektstandartkontinuum, Übergänge zwischen Dialekt und Standartvarietät (je nach der Situation) DIGLOSSIE REGION (die Schweiz) - existieren klar getrennt nebeneinander (Dialekt und Standartsprache) - Ulrich Ammon – beschreibt die Situation der deutschen Dialekten - Diglossie – Sprachsituation mit einer gehobenen und einer niederen Varietät, diese Varietäten nach ihren Funktionen verteilt: H-Varietät (high) – geschrieben L-Varietät (low) – informell - wirken lächerlich, wenn sie nicht situationsspezifisch verwendet werden - Domäne – spezifische Situation Schweizerische Diglossie: - die Dialekte besitzen hohe Prestige (umgekehrt als in der BRD) - mediale Diglossie – Standartsprache von allem im Geschriebenen 30 - ein großer linguistischer Unterschied (Standartsprache X Dialekt), die einzelne Dialekte sind sehr ähnlich - Dialekt wird von allen sozialen Schichten verwendet - Es besteht Assimilationsdruck auf die Zugezogenen - Dialekt auch in den Fachthemen verwendet - Dialekt gilt als Nationalsymbol, deshalb wird er so hochgeschätzt Urbanolekte (=Stadtdialekte) - in den größeren Städten kann man Stadtringe unterscheiden (verschiedene Viertel) - Varietäten großer Industriebetriebe - Dialektanstellungen, Bewertungen, Beliebtheitsskalen Fremdeinschätzung) 31 (Selbsteinschätzung,