Kirchengeschichte der Frühen Neuzeit. Modul 2: Quellen und Entwicklungen – Das Christentum in seiner Geschichte, Stöve, Winter-Semester 2006, Do 8-10 Uhr, R 12, R 07, A 69 Textauszüge zum Thema: Christentum und Kultur. Von der sozialen Akzeptanz des Christentums (25.1.2007) 1. Philosophie, die heilige Gottesgabe O ihr Männer, Bürger des himmlischen Vaterlandes und Bewohner der Erde, lasst uns doch, wenn wir können, endlich die Philosophie, die heilige Gottesgabe, aus den Händen der Gottlosigkeit befreien! Wir können aber, wenn wir wollen. Lasst uns die heilige Religion nach Kräften aus den Händen der verdammenswerten Unwissenheit erlösen! Ich ermahne und bitte daher alle: die Philosophen, dass sie die Religion tiefer erfassen oder berühren, die Priester aber, dass sie sich ... den Studien der echten Weisheit widmen Marsilio Ficino, De religione christiana (1474) 2. Religionsvielfalt, ein geistiger Gewinn Vielleicht bringt sogar eine solche Verschiedenheit [der religiösen Riten], da Gott sie so angeordnet hat, im Universum eine wunderbare Schönheit hervor. Dem Allerhöchsten geht es mehr darum, dass man ihn in aller Wahrheit verehrt, als durch diese oder jene Geste ... Er will lieber irgendwie angebetet werden, selbst ungeschickt, aber menschlich, als dass er durch die Wirkung des Hochmuts keinen Kult empfängt. ebd. 3. Luthers Absage an Aristoteles und an die Philosophie Es ist ein Irrtum zu sagen: ohne Aristoteles könne man nicht Theologe werden. Im Gegenteil, man wird kein Theologe, es sei denn, man werde es ohne Aristoteles. «Ein Theologe, der nicht logisch verfährt, ist ein abscheulicher Häretiker» – ist eine abscheuliche und häretische Redensart. Kurz, der ganze Aristoteles ist hinsichtlich der Theologie wie Finsternis zum Licht. Auf natürliche Weise Gott über alle Dinge zu lieben, ist eine Fiktion, ein Luftgespinst. Kurz, die Natur hat weder ein richtiges Urteil noch einen guten Willen [in religiösen Dingen]. Martin Luther, Thesen gegen die Scholastische Philosophie, 1517 4. die Untauglichkeit der Philosophie für die Religion Aber ynn gottlichen dingen, das ist: ynn den, die gott angehen, das man alßo thue, das es gott angenehm sey und damit selig werde, da ist die natur doch stock star unnd gar blind, das sie nitt mag eyn harbreytt antzeygen, wilch dieselbigen dinge sind. Vormessen ist sie gnug, das sie drauff fellet und plumbt eynhynn, wie eyn blind pferd, aber alles, was sie orttert und schleust [=schließt], das ist ßo gewiß falsch unnd yrrig, alßo gott lebt. Martin Luther, Kirchenpostille (1522) 5. Pascals neue Zuordnung von Materiellem, Geistigen und Spirituellem Der unendliche Abstand zwischen Körper und Geist dient als Bild für den unendlich unendlicheren Abstand zwischen Geist und caritas, denn diese ist übernatürlich. Alle Pracht irdischer Größe hat keinerlei Glanz für jene Leute, die ihr Leben geistigen Dingen widmen. Die Größe der Menschen, die sich geistigen Dingen widmen, ist den Königen, den Reichen und den Feldherrn, allen diesen Großen dieser Welt unsichtbar. Die Größe der Weisheit, die nur etwas gilt, wenn sie von Gott kommt, ist für solche, die sich mit irdischen oder mit geistigen Dingen befassen, unsichtbar. Dies sind drei wesenhaft verschiedene Ordnungen. … Alle Körper, das Himmelsgewölbe, die Sterne, die Erde und ihre Reiche wiegen nicht den geringsten der Geister auf; denn der Geist erkennt dies alles und sich selbst, und die Körper nichts. Alle Körper zusammen und alle Geister zusammen und alle ihre Werke wiegen nicht die geringste Regung der caritas auf. Sie gehört zu einer unendlich viel höheren Ordnung. Aus allen Körpern zusammen kann man nicht einen kleinen Gedanken hervorbringen. Das ist unmöglich und gehört zu einer anderen Ordnung. Aus allen Körpern und Geistern kann man keine Regung wahrer caritas gewinnen, das ist unmöglich und gehört zu einer anderen, übernatürlichen Ordnung. Blaise Pascal, Pensées, postum 1670, Fragment 308 (Lafuma), 793 (Brunschvicg) 6. Religion als Priesterbetrug Sie [die Priester] sind heuchlerisch, weil die meisten von ihnen zuviel Verstand besitzen, um an die Hirngespinste zu glauben, die sie den anderen erzählen. … Wenn sie heuchlerisch und arglistig sind, so sind sie sehr gefährlich; wenn sie dumm und in gutem Glauben fanatisch sind, so sind sie nicht weniger zu fürchten. … Das [die Kleriker] sind die Staatsbürger, die durch das Vorurteil am reichsten belohnt ..., denen die Fürsten ihr Vertrauen schenken, die sie als die Stützen ihrer Macht ansehen ... Paul Thiry d' Holbach, Briefe an Eugénie (1770) 7. Der Mensch als Maschine Der Mensch ist eine sich steuernde Maschine, deren Empfindungen vielfältigen Einflüssen ausgesetzt sind. Das Denken ist lediglich Resultat bestimmter organischer Prozesse. Die Einbildungskraft des Menschen war erst nach der Benennung der Dinge in der Lage, Vorstellungen und Ideen hervorzubringen. Jede apriorische Erkenntnis ist unmöglich und metaphysische Spekulationen sind sinnlos. Allein die Beobachtung der Organe bzw. die mit ihnen gemachten Erfahrungen vermitteln dem Menschen Aufschlüsse über sich und seine Umwelt. Frieden für das menschliche Zusammenleben wird es erst dann geben, wenn die von »diesem Gift [der Religion] infizierte Natur wieder ihre Rechte und ihre Reinheit zurückgewinnt«. Julien Offray de La Mettrie, L‘homme machine, 17 ?? 8. Die deistische Kritik am Offenbarungsglauben Und ich bin gewiß versichert, wenn heutigen Tages vor Gericht über eine Sache vier Zeugen besonders abgehört würden und ihre Aussage wäre in allen Umständen so weit voneinander unterschieden als unserer vier Evangelisten ihre: es würde wenigstens der Schluß herauskommen, daß auf dergleichen variierenden Zeugen Aussage nichts zu bauen sei. Hier kommt es auf die Wahrheit der Auferstehung Jesu an und so fern diese aus der bloßen Aussage von Zeugen sollte beurteilt werden, so wäre in ihrem Zeugnis ... keine Glaubwürdigkeit Hätte er sich doch nur ein einziges Mal nach seiner Auferstehung im Tempel vor dem Volk und vor dem Hohen Rat zu Jerusalem sichtbar, hörbar, tastbar gemacht: so konnte es nicht fehlen, die ganze jüdische Nation hätte an ihn geglaubt und wären so viel tausend Seelen mit so vielen Millionen Seelen der nachkommenden, jetzt so verhärteten und verstockten Juden aus ihrem Verderben gerettet worden. … Es ist eine Torheit, über den Unglauben der Menschen zu klagen [bei einer solchen verpaßten historischen Chance] Hermann Samuel Reimarus, Apologie oder Schutzschrift (1777) • • Sel ig sin 9. Die Wahrheit einer Religion ist ihre Motivationskraft. Was verbindet mich denn dazu [zur Verkündigung Jesu]? d, Nichts, als diese Lehre selbst, die vor 18hundert Jahren allerdings so neu, ... daß nichts die geringeres als Wunder ... erfordert wurden, um die Menge darauf aufmerksam zu machen.Die Menge aber auf etwas aufmerksam machen heißt, dem gesunden Menschenverstand auf da die Spur helfen.Auf die kam er ... und was er auf dieser Spur … aufgejaget, das, das sind die Früchte...gei Was kümmert es mich, ob die Sage falsch oder wahr ist: die Früchte sind trefflich stli Gotthold Ephraim Lessing, Über den Beweis des Geistes und der Kraft, 1777 ch 10. Offenbahrung als Gottes didaktische Methode 1. Was die Erziehung bei den einzelnen Menschen ist, ist die Offenbarung bei dem ganzen ar Menschengeschlechte. m 4. Erziehung gibt dem Menschen nichts, was er nicht auch aus sich selbst haben könnte; sie ihm das, was er aus sich selber haben könnte, nur geschwinder und leichter. Also gibt sin gibt auch die Offenbarung dem Menschengeschlechte nichts, worauf die menschliche Vernunft, sich selbst überlassen, nicht auch kommen würde, sondern sie gab und gibt ihm die d; wichtigsten Dinge nur früher de Ders., Die Erziehung des Menschengeschlechts, 1780, §§ 1.4 nn ihr er ist das Hi m me lrei ch. Sel ig sin d, die da Lei d tra ge n; de