06.12.02-Reinfried Rimmel Einführung in die Ökumene 06. Dezember: Der ökumenische Beitrag der einzelnen Kirchen 3. Die Altkatholische Kirche und Utrechter Union. Die römisch-katholische Kirche Peter Neuner: Ökumenische Theologie, S. 134-157 Papst Pius IX. berief 1869 das sogenannte Erste Vatikanische Konzil nach Rom ein. Schon vor der Einberufung des Konzils diskutierte man über eine päpstliche Unfehlbarkeit in Glaubensund Sittenfragen, sowie über den Allprimat des Bischofs von Rom, d.h. über seine Stellung als "Universalbischof" in der Kirche. Die Meinungen darüber waren durchaus geteilt, ja es kam sogar zu Spannungen und heftigen Kontroversen unter den Bischöfen. Unter den Gegnern der Unfehlbarkeit waren vor allem deutsche, französische und österreichisch-ungarische Bischöfe. Unterstützung bekamen diese Bischöfe durch eine Reihe von anerkannten Theologen, an deren Spitze Propst Ignaz von Döllinger stand, damals sehr berühmt als Münchner Kirchenhistoriker. Trotzdem kam es am 18. Juli 1870 zur feierlichen Definierung der beiden Lehrsätze (Universalprimat und Unfehlbarkeit des Papstes) und ihrer Verkündigung durch Papst Pius IX. Viele Theologen, Priester und Laien gaben aber auch nach der Verkündigung der neuen Dogmen ihren Protest nicht auf. Da sie die selben Katholiken wie vor dem Konzil bleiben wollten, nannten sie sich "alt"-katholisch. So wurden Döllinger und seine Gesinnungsgenossen aus der römisch-katholischen Kirche ausgeschlossen. Jedoch gehörte der altkatholischen Kirche kein Bischof an. Daher wurde Josef Reinkens 1873 von Hermann Heykamp, einem Bischof einer von Rom getrennten Kirche, zum Bischof geweiht. Aus römischer Sicht wird diese Weihe als gültig, aber nicht als erlaubt angesehen. Reinkens wurde umgehend exkommuniziert. 1889 schlossen sich die altkatholischen Kirchen Deutschlands, Österreichs, der Niederlande, der Schweiz, Polens, Tschechiens, der Slowakei, der USA sowie Teile der Philippinischen Kirche zur „Utrechter Union“ zusammen mit dem Erzbischof von Utrecht als Ehrenprimas. Die Kirche ist bischöflich-synodal organisiert. D.h. Laien sind auf allen Ebenen in die Entscheidung eingebunden. Wenn im Hinblick auf die altkatholische Kirche die Deutsche Geschichte betrachtet wird, muss man es sicherlich als sehr schmerzlich betrachten, wie sehr die altkatholische Kirche politisch instrumentalisiert worden ist. Man erblickte in der altkatholischen Bewegung ein Mittel zur Verwirklichung einer „romfreien“ deutschen Nationalkirche und förderte sie so innerhalb der Kulturkampfes nach Kräften. Ich glaube, dass hier sicherlich schmerzliche Wunden aufgebrochen worden sind, die wohl bis heute noch nicht ganz geheilt sind. Interessant ist dabei auch, dass es zu derart massiven Widerständen nur in Deutschland kam. So war dieser Widerstand sicherlich durch den Kulturkampf in Deutschland inspiriert, der durch die Verkündigung der neuen Lehrsätze eine ungeheure Dynamik entwickelte. Es ergaben sich weitreichende Folgen für die römisch-katholische Kirche (Verbot von Ordensgemeinschaften, Landesverweisungen, Einschränkung der freien Predigt, ...). Der ökumenische Gedanke ist für die altkatholische Kirche von großer Bedeutung. Verschiedenste ökumenische Gespräche mit anderen christlichen Kirchen fanden statt. Im Hinblick auf die katholische Kirche ergeben sich Unterschiede besonders in disziplinären Fragen, beispielsweise die Freiwilligkeitsbasis des Zölibats. Ein maßgebliches Problem stellt aber dar, dass viele altkatholische Priester ursprünglich katholisch waren. So stehen oftmals nicht theologische Fragen im Vordergrund. Es lässt sich hier also eine Art Abgrenzung bezüglich der ehemaligen Zugehörigkeit erkennen. Ich denke, dass dies eine durchaus normale, menschliche Reaktion ist. Man hat sich für etwas Neues entschieden und so will man auch bewusst den Trennungsstrich zum Alten ziehen. Dies ist im Hinblick auf die ökumenischen Bemühungen beider Seiten sicherlich ein bedauernswerter Aspekt. Aber sind es nicht meistens diese nur allzu menschlichen Reaktionen, die ein Aufeinanderzugehen erschweren? Wenn die ökumenischen Bestrebungen innerhalb der römisch-katholischen Kirche betrachtet werden sollen, so spielt das Zweite Vatikanische Konzil eine sehr maßgebende Rolle. „Die Einheit aller Christen wiederherstellen zu helfen ist eine Hauptaufgabe des Heiligen Ökumenischen Zweiten Vatikanischen Konzils. Denn Christus der Herr hat eine einzige Kirche gegründet, und doch erheben mehrerer christliche Gemeinschaften vor den Menschen den Anspruch, das wahre Erbe Jesu Christi darzustellen; sie alle bekennen sich als Jünger des Herrn, aber sie weichen in ihren Denken voneinander ab und gehen verschiedenen Wege, als ob Christus selbst geteilt wäre. Eine solche Spaltung widerspricht aber ganz offenbar dem Willen Christi, sie ist ein Ärgernis für die Welt und ein Schaden für die heilige Sache der Verkündigung des Evangeliums vor allen Geschöpfen“ (Unitatis redintegratio 1). Im Dekret über den Ökumenismus des Zweiten Vatikanischen Konzils kommt zum Ausdruck, dass der ökumenische Gedanke ein Anliegen für alle Christen darstellen muss. Die Einheit der Gemeinde bzw. der Kirche gründet auf der Einheit Gottes. Die Einheit ist ein Wesensmerkmal der Kirche. Menschliche Schuld und menschliches Versagen führten und führen jedoch dazu, dass diese Einheit aller Gläubigen in unserer Welt nicht sichtbar wird. Die Trennung der christlichen Kirchen stellt also ein ungeheures Spannungsfeld dar. Der Wille Christi muss für alle Christen maßgeblich sein: „Aber ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben. Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast; denn sie sollen eins sein, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich“ (Joh 17, 2023). Somit sieht das Zweite Vatikanische Konzil als eine Hauptaufgabe an, einen Beitrag zur Förderung dieser Einheit zu leisten. In diesem Zusammenhang war auch von großer Bedeutung, dass die nicht-römischen Kirchen eingeladen wurden, amtliche Beobachter zu entsenden, die das Recht der Einsichtnahme in alle Vorentwürfe hatten, und so über das Einheitssekretariat Vorschläge und Anregungen geben konnten. Aus römisch-katholischer Sicht sicherlich eine sehr kluge Vorgehensweise. Es war somit möglich, dass dadurch auch der eigene Horizont geweitet wurde, und man nicht derart der Gefahr ausgesetzt war, nur um sich selbst zu kreisen. Jedoch ist der ökumenische Gedanke in der römisch-katholischen Kirche beim Zweiten Vatikanischen Konzil nicht aus dem Nichts entstanden. Beispielsweise bemühte sich Papst Pius XI. um eine Verbesserung der Beziehungen zu den orthodoxen Kirchen. Dabei wurde von ihm in seiner Enzyklika „Rerum orientalum“ von 1928 festgehalten, dass die Spaltung der Kirchen des Ostens und des Westens auf die Schuld beider Seiten zurückzuführen sei. Ein sehr sinnvoller erster Schritt, wie ich finde, um eine vernünftige Gesprächsbasis überhaupt zu schaffen. Es gab aber auch viele Initiativen von Einzelpersonen. Zum Beispiel initiierte Abbé Paul Courtier die Gebetswoche für die Einheit der Christen. Ich denke, dass das Bitten und das Beten um die Einheit einen ganz zentralen Aspekt darstellt. Wenn wir dies tun, dann tun wir nichts anderes als Jesus Christus, der selbst um die Einheit aller gebetet hat. In diesem Zusammenhang müssen wir uns auch keine Schwäche vorwerfen lassen, denn im Gebet um die Einheit aller Christen zu Gott liegt unsere größte Stärke. Alle von uns geforderten Bemühungen und Tätigkeiten in der Ökumene müssen vor allem mit Gebet und Gottvertrauen verbunden werden, weil die Einheit uns nur von Gott selbst geschenkt werden kann. In diesem Sinne äußert sich auch das Zweite Vatikanische Konzil: „Darüber hinaus erklärt es seine Überzeugung, dass dieses heilige Anliegen der Wiederversöhnung aller Christen in der Einheit der einen und einzigen Kirche Christi die menschlichen Kräfte und Fähigkeiten übersteigt. Darum setzt es die seine Hoffnung gänzlich auf das Gebet Christi für die Kirche, auf die Liebe des Vaters zu uns und auf die Kraft des Heiligen Geistes“ (Unitatis redintegratio 24). Auch in der Folgezeit des Zweiten Vatikanischen Konzil bleibt der ökumenische Gedanke innerhalb der römisch-katholischen Kirche von großer Bedeutung. Papst Paul VI. sowie Papst Johannes Paul II. haben für die ökumenische Bewegung großes persönliches Engagement aufgebracht (zum Beispiel viele bedeutungsvolle bilaterale Gespräche, Dialog über die Form der Primatsausübung oder die Zusammenarbeit mit dem ÖRK, auch wenn Rom diesem noch nicht beigetreten ist). Von viel Offenheit und Herzlichkeit waren viele ökumenische Begegnungen dieser Päpste geprägt. Ich kann mich beispielsweise noch gut an das gemeinsame Gebet von Vertretern verschiedener christlicher Kirchen anlässlich des Deutschlandsbesuches des Papstes 1996 im Dom zu Paderborn erinnern, an dem ich persönlich teilnehmen durfte. Papst Johannes Paul II. hatte damals Vertreter anderer christlichen Kirchen zum gemeinsamen Gebet eingeladen. Es herrschte dort eine ungeheure dichte Atmosphäre. Die Vertreter der verschiedenen christlichen Kirchen waren mit dem Heiligen Vater um den Altar zum Gebet versammelt. Es handelte sich dabei um ein sehr buntes Bild. Aber im Gebet an den einen Herrn Jesus Christus wusste man sich verbunden. Dies muss meines Erachtens auch die alles entscheidende Triebfeder in der ökumenischen Bewegung sein und werden. Jesus Christus ist es, an den wir alle glauben. Für ihn müssen alle Christen gemeinsam Zeugnis in dieser Welt ablegen.