Liebe Gemeinde, als ich die ersten Verse unseres Predigtextes las, stand mir ein Bild vor Augen: Namen in langen Reihen und daneben jeweils ein Klingelknopf. Es waren Namen nach Stockwerken geordnet, einer unter dem andern. Ein großes Klingelbrett mit vielen Namen; 20-30 Namen, einer unter dem andern. Und dann noch einmal Namen an der langen Wand der Briefkästen, einer neben dem andern. Fährt man in einem großen Hochhaus mit dem Fahrstuhl nach oben, dann begegnet einem auf einem Stockwerk noch einmal das Gleiche: Tür an Tür und wiederum Namen um Namen in kleinen Schildchen in Metallrahmen. Türen alle gleich aussehend, Flure leer und kahl, nichts deutet darauf hin, wie es hinter diesen Türen sein wird. Mich beschleicht ein ungutes Gefühl vor so vielen Namensschildern und Rahmen und Klingeln. Namen wirken wie Nummern, es herrscht Anonymität und Unnahbarkeit. Dabei ist der Name doch das Erkennungszeichen, die Identität! „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen ...“, heißt es im Predigttext. Da ist etwas persönlich gemeint. Nicht xy, sondern der und der persönlich. Ja vieles geschieht heute so unpersönlich: In meiner „Eigenschaft“ als: als Minister, als Finanzbeamter, als Werkleiter, sagt man, --nicht persönlich, sondern in der Eigenschaft als, in der Funktion als , auf Anordnung . Nur wenn es ganz wichtig ist, schreibt man: „Herrn Bürgermeister persönlich“, damit der Brief auch wirklich nur von dem gelesen wird, an der er gerichtet ist. Aber der Name ist das persönliche Erkennungszeichen, nicht die Funktion, nicht das Amt, --. Der Name sagt: diese bestimmte Person ist gemeint; sie füllt die Funktion, das Amt aus; sie steht dafür gerade und haftet. In der Kriegszeit oder Nachkriegszeit haben manche ihre Namen und ihre Identität gewechselt, wollten sich damit schützen oder andere wollten einfach nicht mehr erkennbar sein, nicht haftbar für das, was sie zuvor vertreten und befohlen hatten. Der Name steht für die Identität; gibt an wer dafür grade steht. Im Namen des Führers hieß es damals. Namen stehen für ganze Weltanschauungen. Heute stehen andere Namen für ganze Weltsichten: Obama und Putin, z.B.. „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!“, so beginnt der Predigttext. Und mit diesen ersten Zeilen ist das alles gemeint: Das Persönliche, du als bestimmte Person, nicht als Klingelknöpfchen unter 30 andern. Dein Name. Und gleichzeitig ist damit ein ganzes Programm gemeint, eine Richtung, ein Ziel, eine Überschrift, die über ein Leben gesetzt wird. Nicht das Programm einer der großen Führer gestern oder heute, --- sondern das Programm, dessen der dich gemacht hat. Es trägt eine ganz bestimmte, und verwechselbare Überschrift, eine Leitlinie, hat einen roten Faden :„Fürchte dich nicht ...“ 1 „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein , daß die Ströme dich nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen und die Flamme soll dich nicht versengen.“ V2 „.sollst du nicht brennen..., heißt es. Laurel Lee, eine Amerikanerin, Mutter von 2 Kleinkindern und einem Neugeborenen und unheilbar krebskrank, hat 1977 ein Buch geschrieben, das dieses Wort als Titel trägt : „Wenn du durch Feuer gehst, sollst du nicht brennen“ Sie ist damals durchs Feuer gegangen. Sie hat das Feuer der Strahlentherapie gegen den Krebs am eigenen Leibe erlebt. Aber viel mehr noch : Sie erlebt fast zur gleichen Zeit die eigene absolute Todesgewissheit durch die unheilbare Krankheit; sie erlebt die Geburt ihres 3.Kindes, die Scheidungsklage ihres Mannes, Armut durch die Krankheit und Scheidung und …zugleich ihren Erfolg als Bestsellerautorin; ihr Buch wurde in 7 Sprachen übersetzt. „Durchs Feuer gehen...“ Schmerzen, Krankheit, Not, Trauer, Verzweiflung; das ist wie durch ein Feuer gehen, das uns zu verbrennen droht oder wie es im andern Bild des Textes heißt : wie Ströme, die uns ersäufen, wie Strudel, die uns verschlingen. Auch uns sagt der Prophet heute : „so spricht der Herr, der dich geschaffen hat, der dich kennt, bei deinem Namen ruft, ...“ in all dem bin ich bei dir; fürchte dich nicht, wenn du durchs Feuer gehst, wenn die Flut der Angst steigt, auch dann bin ich bei dir : Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein , daß die Ströme dich nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen und die Flamme soll dich nicht versengen.“ V2 „Fürchte dich nicht“ ! Das hat auch seine Begründung. Hier im Bibeltext wird sie genannt: „weil du in meinen Augen so wert geachtet und auch herrlich bist und weil ich dich lieb habe. Ich gebe Menschen an deiner Statt und Völker für dein Leben. So fürchte du dich nun nicht, denn ich bin bei dir.“ (V4+5a) Ein unverbrüchliches Liebesverhältnis wird da beschrieben, ein Bündnis, das alle Tage gilt. Ein Programm ist über unser Leben gestellt, eine Richtungsanzeige wie ein Hymnus, wie ein Lobgesang zu lesen. Bert Brecht hat ein Gedicht verfasst, das sich wie das Gegenstück zu diesem Loblied liest. Ich will es als Kontrasttext zu diesem Bibelwort verwenden. Kontraste erhellen viel stärker. Durch den Kontrast kommt dieses Bibelwort noch stärker zum Leuchten. Brecht schreibt: „Lobet von Herzen das schlechte Gedächtnis des Himmels. Und daß er nicht weiß euren Nam´ noch Gesicht. Niemand weiß, daß ihr noch da seid. Lobet die Kälte, die Finsternis und das Verderben. Schauet hinan, es kommt nicht auf euch an. Und ihr könnt unbesorgt sterben. „... das schlechte Gedächtnis des Himmels. Und daß er nicht weiß euren Nam´noch Gesicht. Niemand weiß, daß ihr noch da seid. Stattdessen hier in der Bibel : 2 „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!“, Lobet die Kälte, die Finsternis und das Verderben. Im Kontrast dazu : Treue, Liebe und Schutz: Wenn du durch Wasser gehst, wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht verderben. „Schauet hinan, es kommt nicht auf euch an....“ stattdessen: „weil du in meinen Augen so wert geachtet und auch herrlich bist und weil ich dich liebhabe.“ Durch den Kontrasttext beginnt das Bibelwort noch mehr zu leuchten. Wie durch die Taufe wird in diesem Bibeltext ein ganzer Lebensentwurf angezeigt, ein Lebensmotto, eine Lebensrichtung. Deshalb wird der Predigttext gern als Taufspruch und bei Beerdigungen verwendet, weil er ein umfassendes Lebens- und Weltprogramm anzeigt, von Geburt bis zum Tod und darüber hinaus: Fürchte dich nicht ! Fürchte dich nicht, denn einer steht dafür grade. Wie durch eine Unterschrift unter einem Dokument, so wird der genannt, der für dies Liebesverhältnis, für dieses Lebensbündnis steht: Es ist der, der alle zu seiner Ehre geschaffen und bereitet hat, alle, die mit seinem Namen genannt sind, heißt es am Ende. Es ist der, der wirklich mit seinem Namen dafür grade stand bis zum Tod, der nicht seine Identität gewechselt hat, dem man noch den Titel INRI über den Holzbalken heftete. Liebe Gemeinde, hier wird uns ein Lebensbündnis angeboten, ein persönliches, ein umfassendes, eins mit Verbindlichkeit. Mit der Taufe haben wir es gewählt oder unsere Eltern haben es für uns getan. Ob wir es immer wieder zu unserer Wahl machen, persönlich, mit Verbindlichkeit beiderseits, das liegt an uns. Gott wird sich von denen, die er einmal angerufen hat und zu einem Leben im Namen Christi berufen hat, nicht abwenden. Amen. Gebet Guter Gott, du ermutigst uns: Fürchtet euch nicht. So bitten wir dich: Gib uns den Mut, der die Zukunft bejaht. Gib uns die Hoffnung, die den Schwierigkeiten trotzt. 3 Gib uns die Zuversicht, dass wir unser Vertrauen auf dich setzten können. Schenk uns die Gewissheit, dass du uns begleitest. Wir bitten dich, lass die Verzagten deine Nähe spüren. Richte die Gedemütigten auf. Gib dass Kranke und Sterbende Beistand finden und lass Müde neue Kraft schöpfen. Gott dir danken wir, dass wir in deinen Augen geliebt und geachtet sind, dass du Menschen dein Bündnis fürs Leben anbietest. Amen 4