Ideologie des NS-Staates
Der Nationalsozialismus versteht die Nation als rassisch begründete
"Volksgemeinschaft". Der Einzelne habe in dieser aufzugehen nach dem Motto: "Du
bist nichts, dein Volk ist alles." Damit wird im Unterschied zum Liberalismus das
Individuum entwertet und das Kollektiv verherrlicht. Die Volksgemeinschaft ist auch
nicht liberal/demokratisch organisiert, sondern nach dem "Führerprinzip" aufgebaut,
also hierarchisch: "Führer befiehl, wir folgen!" Dem Führer gebührt Gefolgschaft und
Gehorsam. Der Parlamentarismus mit seinem pluralistischen Meinungsstreit und
seinen Kompromisslösungen wurde abgelehnt, da er der Vorstellung der Nazis von
Einheit nicht entsprach.
Die Volksgemeinschaft gibt sich im nationalsozialistischen Alltag gerne militärisch,
denn das Militär und der Obrigkeitsstaat des 19. Jhs. sind das eigentliche Vorbild: Alle
müssen möglichst organisiert sein, jede Organisation sollte uniformiert sein: die
Pimpfe und die Hitlerjugend (siehe auch Bild), der Bund Deutscher Mädels, die SA,
die SS, usw. usf.. Uniformen schalten das Individuum aus und betonen Einheit und
Gleichheit, eine Abgrenzung auch gegen den marxistischen Klassenkampf. Im
Kaiserreich galt das Militär als "Schule der Nation".
Entscheidend ist die rassische Begründung der Volksgemeinschaft. Die deutsche
Nation ist die Blutsgemeinschaft der sogenannten "Arier", der Rasse rein erhalten
werden muss. Daher bedarf es eines "Ariernachweises", Ehen mit "Juden" werden
verboten und bestraft (Nürnberger Rassegesetze 1935). Dem Arierwahn entspricht also
ein rassistischer Antisemitismus. Während vom "Arier" angeblich alles Gute kommt,
insbesondere die Kultur ("Kulturbringer"; kein Wort von den frühen Hochkulturen!),
so vom "Juden" angeblich alles Böse, insbesondere Liberalismus, Sozialismus,
Kommunismus und was den Nazis sonst nicht passte. Im Anschluss an die
Entwicklung der Biologie im 19. Jh. und an die rassistischen Theorien des Briten H.S.
Chamberlains und des Franzosen Gobineau werden die "Juden" also aus Angehörigen
einer Religionsgemeinschaft zu einer rassischen, angeblich "minderwertigen" Gruppe.
Der Biologismus der Nazis zeigt sich auch an ihrem Glauben an das "Überleben des
Stärkeren", der von einigen verabsolutierten und einseitigen Beobachtungen im
Tierreich auf die menschliche Gesellschaft übertragen wird ("Sozialdarwinismus").
Die antiliberale, antisozialistische, antisemitische "Weltanschauung" lässt sich auch
mit Hitlers Biografie erklären, der noch im 19. Jh. im Zeitalter des Imperialismus (vgl.
Arbeitsplattform Imperialismus) und nationalistischer Gegensätze im Habsburgerreich
(Hitler war bis kurz vor seiner Reichskanzlerschaft Österreicher) und in Europa
sozialisiert wurde. Den Antisemitismus lernte er in Wien kennen, von den
Aufmärschen der Sozialdemokraten schaute er sich viele Organisationsprinzipien für
seine "Bewegung" ab. Hitler war ein Mann des Ersten Weltkriegs, vgl
Arbeitsplattform Erster Weltkrieg.
Eine ideologische Grundlage des Nationalsozialismus ist die Anfechtung des
allgemeinen menschlichen Grundwertes, nach welchem der Mensch seinen Wert als
solcher besitzt, das heißt ohne alle Leistung. Die Grundwerte des NS waren darum
weder neu noch auf eine bestimmte historische Zeit beschränkt. Sie sind die der
Leistungsgesellschaft, nur eben radikal und total. Die Inszenierung der Arbeit, des
Körpers, der Technik, das Absinken der Künste auf die Beschwörung des Willens ist
genauso Ausdruck dieser Sicht des Menschen wie das System der Arbeitslager und die
Vernichtung sogenannten „unwerten Lebens“. (Siehe auch Asoziale) Der Versailler
Vertrag und die Folgen der Weltwirtschaftskrise der zwanziger Jahre öffneten der
Leistungsideologie und dem Gefühl, um die eigene Leistung betrogen zu sein, weit die
Tore. Anders aber zeigt das Beispiel des Antisemitismus, gegründet auf dem Mythos,
die jüdische Kultur lebe auf Kosten der deutschen, die geringe Bindung der
Leistungswerte zur Wirklichkeit. Wesentliche Elemente der NS-Ideologie wurden von
Adolf Hitler in seinem Buch Mein Kampf niedergeschrieben. Das Buch galt als
Grundlage aller anderen Schriften des Nationalsozialismus. Als bedeutender Ideologe
wird daneben Alfred Rosenberg angesehen, der mit seinem Buch "Mythus des
zwanzigsten Jahrhunderts" eine sehr weite Verbreitung seiner Gedanken erreichen
konnte. Der "Mythus" Rosenbergs wurde zusammen mit Hitlers "Mein Kampf" in den
Grundstein der riesigen Kongresshalle in Nürnberg eingemauert, um die Grundlagen
des Nationalsozialismus für die Zukunft zu bewahren. Gleichwohl wurde Rosenbergs
Buch sogar von führenden NS-Politikern nicht sehr ernst genommen. Besonders
Goebbels soll über Rosenberg immer wieder gespottet haben.
Eine eigene Weiterentwicklung der nationalsozialistischen Ideologie nahm Heinrich
Himmler vor. Die bereits bei Rosenberg vorhandenen Bezugspunkte zu Indien wurden
in den SS-Einrichtungen wie den "Ordensburgen" (die Himmler als Elite des Systems
verstand) ausgebaut. Esoterische Lehren mit deutlichen östlichen Einflüssen, die sich
in der SS entwickelten, haben das Kriegsende überdauert und leben - meist als
unpolitische religionsähnliche Lehren - bis heute fort. Himmler betrieb auch eine
Europäisierung der Ideologie. Ein bekanntes Produkt dessen sind die FreiwilligenEinheiten der "Europäischen SS" aus vielen Ländern; jedoch gab es auch Konzepte für
einen europäischen Wirtschaftsraum.
Häufig nahm der Nationalsozialismus religiöse Züge an. Auf den Reichsparteitagen
wurde der Nationalsozialismus geradezu zelebriert, was durch den Film "Triumph des
Willens" der Regisseurin Leni Riefenstahl besonders herausgearbeitet und verstärkt
wurde. Das Verhältnis des Nationalsozialismus zur christlichen Religion war daher
auch zwiespältig. Einerseits gab es den Versuch, mit einem "Deutschen Christentum"
die Religion für den Nationalsozialismus einzuspannen. Andererseits aber gab es
antichristliche Elemente bei Rosenberg und eine völlige Abwendung vom Christentum
durch die Himmlersche Bezugnahme auf Buddha und vorbuddhistische indische
Schriften. Die Haltung der Religionen und derer Vertreter während des NS-Regimes
muss differenziert gesehen werden (siehe hierzu Religion während des
Nationalsozialismus).
Hinzu kam der "Blut-und-Boden-Mythos" und die Verherrlichung des Bauernstandes
(der "Nährstand") sowie eine gewisse Nostalgie. Viele Nationalsozialisten lehnten die
Verstädterung und die zunehmende Industrialisierung ab und sehnten sich nach einem
Land, das wie eh und je von Bauern bestellt wurde. Auch Heinrich Himmler hatte
solche Gedanken, als er vorschlug, die eroberten Gebiete der Sowjetunion mit Bauern
zu besiedeln, die zugleich Soldaten ("Wehrbauern") waren. Russen, Ukrainer und
Polen sollten die Landarbeiter, das Hauspersonal, die Bauarbeiter oder die
Hilfsarbeiter stellen
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