Ethik statt Spiritualität - Evangelische Akademie Tutzing

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Ethik statt Spiritualität? - Ein Blick in die Geschichte der Pflegeberufe
Vortrag in der Evangelischen Akademie Tutzing (24.09.2003)
Unkorriegiertes Vortragsmanuskript. Nur für den privaten Gebrauch
Überblick
1. Einleitung – Pflege ein Beruf wie jeder andere?
2. Was ist christliche Spiritualität? Ein Blick auf nachexilische jüdische Gemeinde und
Frühes Christentum
3. Theodor und Friederike Fliedner. Beginn der professionellen Verselbständigung der
Krankenpflege
4. Pflegeethik statt Spiritualität? „Care-Ethik“
5.
Abschließende (vielleicht auch weiterführende) Bemerkungen zum Begriff der Liebe
2
1. Einleitung – Pflege, ein Beruf wie jeder andere?
Frage - ist Pflege ein Beruf wie jeder andere?
Damit sind zwei Grundprobleme der Pflegepraxis angesprochen:
1. Praxis-Begriff der Pflege – was heißt „pflegerische Praxis“?
Differenz: Pflege als Lebenspraxis - als Berufspraxis („Profession“)
2. Frage nach der Möglichkeit einer wissenschaftlich fundierten Legitimation pflegerischen
Handelns
Dabei hat die ethische Begründungsfrage, geht man von der Geschichte der Krankenpflege
und der Pflegeethik aus, zwei Aspekte:
1. Ist Pflege „Liebesdienst“? – damit ein außergewöhnlicher Beruf, in dem ein
besonderer Anspruch der Lebensführung im Geiste Christi und des Evangeliums
sichtbar wird?
- Was bedeutet „Liebe“, welche Bedeutung kommt diesem Begriff in der Frage nach
der Legitimation pflegerischen Handelns zu?
- Verbindung von Ordensberuf und Pflegeberuf?
- Dignität von Spiritualität als Möglichkeit der Begründung pflegerischen Handelns?
Spiritualität - meint
„Geistigkeit“, von spiritus – Geist, ist die unsichtbare und doch wirkliche Formkraft, die dem
Leben eines Menschen oder einer Gruppe Gestalt verleiht. Dabei geht es nicht nur um
tiefere Erkenntnis in meditativer Selbstversenkung, sondern um Praxis, spiritus bezeichnet
den Geist, der zum Handeln anleitet, diesem Orientierung gibt. Für den Christen spricht sich
dieser Geist aus im NT. Da die christliche Botschaft immer wieder unterschiedliche
Deutungen erfahren hat, sind in der Geschichte der christlichen Kirchen vielfältige Gruppen
entstanden, die unterschiedliche Aspekte des christlichen Handlungsauftrags in der
Auseinandersetzung mit konkreten Herausforderungen ihrer Zeit verwirklicht haben.
2. Pflege als gesellschaftliche Aufgabe? (wie seit dem 19. Jh. gefordert)
- Ist eine Motivation zur pflegerischen Praxis aus sich selbst möglich?
- Wie ist eine ethische Begründung von Pflege ohne Zuhilfenahme der teilweise noch
heute bemühten „christlichen Nächstenliebe“ möglich?
- Fürsorge als Prinzip?
Jürgen Habermas: Glaube und Wissen. Rede aus Anlass der Verleihung des
Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in der Frankfurter Paulskirche (14.10.2001). In:
FAZ (16.10.2001), S. 9
„Säkulare Sprachen, die das, was gemeint war, bloß eliminieren, hinterlassen Irritationen. Als
sich Sünde in Schuld, das Vergehen gegen göttliche Gebote in den Verstoß gegen
menschliche Gesetze verwandelte, ging etwas verloren. […] Die verlorene Hoffnung auf
Resurrektion hinterlässt eine spürbare Leere.“
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Habermas spricht vom Bereich der Sünde. Verlust und Leere zeigen sich zumindest ebenso
stark wie bei Sünde auf der Seite dauerhafter Motivation zum Dasein für andere. Darf daraus
im Blick auf die Pflege und deren Legitimationsfrage die Schlussfolgerung gezogen werden:
„Wo aus Dienen um der Liebe Gottes und des Nächsten willen die professionalisierte ‚Ware’
Dienstleistung wurde, ‚ging etwas verloren’ und es entstand eine heute immer deutlicher
‚spürbare Leere’ und Kälte. […] Menschen, die aus christlicher Liebe leben und dienen,
können – auch Leidende – erfahren lassen, dass die von Habermas konstatierte Leere von
selbstloser Liebe erfüllt und der Mensch darin von ewigem Sinn ergriffen und beglückt
werden kann. Hierin liegt die christliche Identität und Sendung zum Dienen; sie ist der Weg
persönlicher Erfüllung. Denn jeder Mensch ist christlich gesehen nach Gottes Ebenbild, ad
imaginem Die – d.h. mit einer inhärenten Dynamik und Ansprechbarkeit auf Christus hin –
erschaffen, der gekommen ist, um zu dienen (vgl. Mk 10, 45).“ [Baumann (2003), S.38-39]
Wer hört da nicht die alte Begründung: In Christus dem Nächsten dienen und darin Trost und
Erfüllung finden!? Hat die Spiritualität als Argumentation in der Begründung pflegerischen
Handelns doch nicht ausgedient? – Es ist aber zu fragen, ob das Problem einer
wissenschaftlich fundierten ethischen Begründung der Pflegepraxis (im Folgenden kurz
„Pflegeethik“ genannt) durch einen Rückgriff auf eine, von christlichen Orden und
Lebensgemeinschaften geprägten Spiritualität gelöst werden kann, zumal
- Spiriatualität selbst einer kritischen Reflexion zu unterziehen und hinsichtlich einer
ethischen Handlungslegitimation auf ihre Dignität hin zu untersuchen ist,
- davon auszugehen ist, dass in unserer multikulturellen Gesellschaft der größere Teil
der in Pflegeberufen Tätigen in relativer Distanz zum Christentum leben,
- und es zudem fraglich ist, wie weit die seit dem 19. Jahrhundert anstehenden und
teilweise bis heute nicht gelösten berufspolitischen und ethischen Probleme
pflegerischer Praxis in einer komplizierten arbeitsteiligen Gesellschaft von einem
fragwürdig gewordenen Begriff des Dienens aus gelöst werden können.
Die Frage nach dem Verhältnis von Spiritualität und Pflegeethik ist zu kompliziert, um auf
wenige Aspekte reduziert zu werden. Von daher soll im Folgenden der Versuch gemacht
werden, die in einer allgemeinen Pflegeethik im Vordergrund stehenden Probleme
1.
2.
3.
Differenz von Lebenspraxis und Berufspraxis („Professionalisierung“)
Pflegepraxis in der zweifachen Asymmetrie von Pflegenden zu Gepflegten, Ärzten
und Pflegenden
Verhältnis von Fürsorge und Selbstsorge (Dallmann)
mit einer zeitlich orientierten Betrachtung zu konfrontieren, in der ich in folgenden Schritten
vorangehe:
1. Was ist christliche Spiritualität? Ein Blick auf nachexilische jüdische Gemeinde und Frühes
Christentum
2. Theodor und Friederike Fliedner. Der Beginn der professionellen Verselbständigung der
Krankenpflege
3. Pflegeethik statt Spiritualität? „Care-Ethik“
4. Abschließende Bemerkungen zum Begriff der Liebe, Schlussfolgerungen
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2. Was ist christliche Spiritualität?
Wohlfahrtspflege in der nachexilischen jüdischen Gemeinde
Krankenbesuch, Unterstützung der Armen, Bestattung der Toten - Grundforderungen an
jeden Israeliten, ebenso wie die Rücksicht gegenüber Vater und Mutter, das Studium der
Tora, Gebet und das Friedenstiften zwischen den Menschen [vgl. Anfang des Morgengebets,
Weiterentwicklung eines Mischna-Textes]
Im babylonischen Talmud [Traktat über den Sabbat, Fol. 127a] befindet sich ein Abschnitt über
die Ausübung der Caritas [hebräisch hesed = Wohltat; Plural hassadim; und rahem = Mitleidhaben,
mildtätig sein, Liebe empfinden; vgl. Ps 103, 13].
Als wichtigste Aufgaben werden genannt Gastfreundschaft, Krankenbesuch, Hilfe bei der
Verheiratung einer jungen Frau aus armer Familie, Bestattung der Toten.
Vom Krankenbesuch heißt es im Talmud: "Du musst den Kranken notfalls hundert Mal am
Tag besuchen, um ihn zu trösten, und allein schon das Interesse, das man ihm
entgegenbringt, kann ihm Gutes tun". Und weiter heißt es: "Jeder, der nicht Kranke besucht,
ist, als ob er Blut vergießt". [Nedarim 39-40]
Die Verbindung von Gastfreundschaft und Krankenpflege findet sich bereits im Talmud im
Traktat des Rabbi Johanan.
Wohltätigkeit wird bezeichnet als
- Einlösen einer Schuld
- Handeln in Gerechtigkeit
Hier steht Gerechtigkeit als handlungsleitendes Prinzip im Vordergrund. Wer Gerechtigkeit
übt ist ein zadik (Gerechter), der Wohltätige, der hesed übt, wird hassid (Frommer) genannt.
Dabei wird als Wohltat eine Tat ohne Gegenleistung bezeichnet.
Seit nachexilischer Zeit ist auszugehen von jüdischen Bruderschaften, die die Aufgabe der
Gesundheitspflege, der Krankenbetreuung und der Bestattung der Verstorbenen
übernahmen, die die Gaben für die Armen einsammelten und verteilten [vgl. Preuss, S. 518].
Für öffentliche Gesundheitspflege und Totenbestattung waren dieselben Personen in der
Gemeinde zuständig, denen auch die örtliche Herberge für Fremde, Arme, alte Menschen,
Sieche und hilflose Kranke unterstand.
Es ist von einer organisierten Armen- und Krankenpflege in vorchristlicher Zeit auszugehen,
die sich in nachexilischer Zeit in den jüdischen Gemeinden entwickelt hat und deren
Amtspersonen angesehene Familien der Oberschicht angehörten. Lehre, Gottesdienst und
Wohltätigkeitspflege bildeten die drei hauptsächlichen Bereiche jüdischen Gemeindelebens,
dessen Ort in nachexilischer Zeit die Synagoge ist, zu der auch das Fremdenquartier gehört.
[vgl. Kohler (1903), S. 201-202]
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Krankenpflege und Armenfürsorge der frühchristlichen Gemeinde
Dieses System der Armenhilfe, Krankenpflege und der Unterstützung von Waisen und
Witwen, der Armenspeisungen und des Bestattungsdienstes hat die aus dem Judentum
hervorgegangene christliche Gemeinde mit den entsprechenden Ämtern und Formen der
Mitteleinsammlung und –verteilung übernommen. Hospitäler, in denen Fremde, Arme und
Kranke Unterkunft und Pflege fanden, bestanden als jüdische und christliche Einrichtungen
in der Spätantike nebeneinander. Dass sich die ersten Christen beim Aufbau der Diakonie in
jeder Hinsicht eng am Vorbild der Synagoge orientierten, zeigt auch die weitgehende
Übereinstimmung der Texte, die bei Juden und Christen in gleicher Weise als normativ
anerkannt waren und auf die sich beide Seiten beriefen zur Begründung des sozialen
Auftrags der Gemeinde.
Das im Neuen Testament formulierte Liebesgebot ist ein Zitat aus dem alttestamentlichen
Buch Leviticus (19, 18). Dabei wird bereits die zweifache Ausrichtung dieser Aufforderung
deutlich, den anderen zu lieben wie sich selbst, eine Aufforderung, die im Blick auf den
Fremden wiederholt wird: "Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr
nicht bedrücken. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn
lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland". (Lev 19, 3334)
Dass das Liebesgebot primär als Auftrag zur Verwirklichung in konkreter Praxis gemeint ist,
drückt der Verfasser des Lukas-Evangeliums aus, indem er dem Streitgespräch Jesu mit
dem Gesetzeslehrer unmittelbar das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10, 29-37)
folgen lässt, einer der wichtigsten Texte, an dem sich die kirchliche Tradition zur
Begründung ihrer Fürsorgetätigkeit ethisch orientieren wird. Dabei tritt Lukas für ein
solidarisches Handeln unter den Menschen über Religions- und Nationalitätengrenzen
hinweg ein, indem in dieser Erzählung ein Samariter einem Juden zu Hilfe kommt.
Entsprechend findet sich die Aufzählung der "Werke der Barmherzigkeit" in jüdischen und
frühchristlichen Texten. So werden im Midrasch mit fast denselben Begriffen wie im
Matthäusevangelium die verschiedenen Arten der Fürsorge aufgezählt. Dabei wird Gott
selbst als Vorbild für dieses Tun dargestellt: "Wie Gott gegen Hungernde und Durstige,
gegen Nackte, Kranke und Gefangene, gegen Waisen und Tote sich barmherzig erweist, so
zeige dich auch du!" [Sotah 14a; vgl. Kohler (1903), S. 199]
Im Blick auf die ethische Begründung fürsorgenden Handelns ist im Matthäus-Evangelium
bemerkenswert, dass nicht zukünftiger Lohn nach dem Tode den Motivationsgrund darstellt;
denn auf das Wort des im Gericht wiederkommenden Christus, "Denn ich bin hungrig
gewesen, und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mir zu
trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen, und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin
nackt gewesen, und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen, und ihr habt mich
besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen, und ihr seid zu mir gekommen" (Mt 25, 35-36),
zeigen sich die so Angesprochenen ahnungslos und antworten: "Herr, wann haben wir dich
hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben, oder durstig und haben dir zu trinken
gegeben? Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen, oder
nackt und haben dich gekleidet? Wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und
sind zu dir gekommen?" (Mt 25, 37-39)
Das bedeutet, dass die Christen in ihrer Sozialtätigkeit radikal auf den Menschen bzw. auf
mitmenschliche Solidarität verwiesen sind. Von daher ist auch das abschließende Wort,
"Wahrlich ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern,
das habt ihr mir getan" (Mt 25, 40), nicht als göttliche Verheißung himmlischen Lohns,
sondern als Aufforderung zu solidarischem Handeln zu verstehen. Wichtig ist auch die
Reihenfolge, zuerst kommt das Handeln dem Mitmenschen gegenüber und dann wird dieses
in seiner transzendenten Bedeutung bewusst.
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Gregor von Nazianz: Über die Liebe zu den Armen (373)
„Ebenso wie für den eigenen Körper müssen wir für den Leib des Nächsten sorgen, mag er
gesund sein oder ebenfalls an Krankheit dahinsiechen. Denn alle 'sind wir eins in Christus', ob
reich oder arm, ob Sklave oder Freie, ob gesund oder krank; [...] Ereilt jemanden früher als uns
das allgemeine Schicksal, krank zu werden, dann wollen wir ihm also unsere Aufmerksamkeit
und unsere Sorge nicht entziehen. Die Freude über unser körperliches Wohlbefinden darf nicht
größer sein als der Schmerz über das Elend der Brüder."
"[...] etwas Schönes ist es um die Betrachtung (theoría), etwas Schönes um die Betätigung
(práxis). Die Betrachtung erhebt von der Erde und strebt zum Allerheiligsten und führt unseren
Geist zu dem, was ihm verwandt ist; die Betätigung aber nimmt Christum auf, dient ihm und
macht die Liebe in den Werken kund.“
Was bedeutet Solidarität im Handeln?
Gegenseitigkeit in zwischenmenschlicher Praxis aufgrund der Gleichheit der Menschen im
Betroffenseins mit dem Ziel gemeinsamer Situationsbewältigung
Ausgehend von der redaktionellen Verbindung von Liebesgebot und Gleichnis vom
barmherzigen Samariter (als Beispiel solidarischen Handelns) - drei konkretisierende
Bestimmungen des Begriffs Liebe möglich:
1. Zuwendung, Mitsein (Splett)
2. Gegenseitigkeit, von daher die zweifache Ausrichtung - Zuwendung zum anderen ist
zugleich Zuwendung zu sich selbst (sich hineindenken, einfühlen in die Situation des
anderen nur möglich im gleichzeitigen Wahrnehmen der eigenen inneren
Bewegungen)
3. Aktivität, Situationsbewältigung in gegenseitigem Handeln
Praxis-Begriff?
Dietrich Benner: Allgemeine Pädagogik. 4. Aufl. Weinheim/München: Juventa, 2001
„Praxis bedeutet stets zweierlei: einmal die Möglichkeit, tätig und handelnd, also willentlich,
etwas hervorzubringen; dann aber auch die „Notwendigkeit“, auf welche die Praxis antwortet,
indem sie eine vom Menschen erfahrene Not zu wenden sucht.“ [S. 31]
„Eine Tätigkeit kann dann als Praxis bezeichnet werden, wenn sie erstens in einer
Imperfektheit oder Not des Menschen ihren Ursprung hat, diese Not wendet, die
Imperfektheit selbst aber nicht aufhebt, und wenn zweitens der Mensch durch sie eine
Bestimmung erlangt, welche nicht unmittelbar aus der Imperfektheit folgt, sondern durch
seine Tätigkeit allererst hervorgebracht wird.“ [S. 33]
Grundphänomene menschlicher Praxis
- Arbeit / Ökonomie
- Erziehung
- Politik
- Kunst
- Religion
- Pflege / medizinische Behandlung
Koexistentialien, menschliches Leben und Zusammenleben begründendes Handeln, das
jeder Professionalisierung vorausgeht. Differenz von Lebenspraxis - Berufspraxis
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3. Kaiserswerth. Beginn der professionellen Verselbständigung der Krankenpflege
In der Gründungszeit der Kaiserswerther Pflegeschule ist die Frage durchaus offen, ob der
Pflegeberuf mit dem kirchlichen Dienst der Diakonisse verbunden sein soll. Vor allem
Friederike Fliedner (gest. 1842) sah keine Notwendigkeit, beides miteinander zu verbinden.
Sie setzte sich ein für die Qualifizierung der Pflegenden, für besseren Unterricht und
angemessene Entlohnung.
"Wegen der gewöhnlichen Alltagsmenschen, die Diakonisse werden sollen, kann ich mir den
Gedanken nicht erwehren: gleichwie Pastor, Schullehrer, Küster zum Kirchendienst nötig
sind, es jedoch für die Gemeinde nachteilig würde, wenn der Schullehrer und Küster auch
Pastor wäre, also gerät auch das Diakonissenamt in Not durch untaugliche Personen. Die
Gemeinde hat keinen Schaden davon, wenn der Pastor Schul- und Küsterdienste verrichtet.
So glaube ich auch, daß diese Alltagsmenschen nützlich werden müssen, wenn sie einen
Keim des Wortes Gottes in sich tragen, aber ohne den Namen Diakonisse. Denn eine
Diakonisse kann = darf kein Alltagsmensch sein, sonst wird die Welt belogen. Man teile von
ihrem Dienst ganz das Geistliche und mache sie zu leiblichen Krankenwärterinnen, wie der
Kirchendienst des Küsters vom Geistlichen getrennt ist." [Sticker, S. 162]
Theodor Fliedner hingegen blieb bei der Konzeption einer engen Verbindung von
Pflegeberuf und kirchlichem Amt und verhinderte auf weitere Zeit, dass der Pflegeberuf zu
einem weltlichen Beruf wurde, dessen Motivation allein aus der Situation des Kranken
abgeleitet wird. Frömmigkeit und Zugehörigkeit zu einer kirchlichen Gemeinschaft werden als
Voraussetzungen einer ethisch und fachlich Erfolg versprechenden Berufsausübung
bewertet, in der das spirituelle Verhältnis zu Gott Motivations- und Legitimationsgrund
pflegerischen Handelns ist. So sagt Fliedner in der 1837 fertiggestellten Hausordnung:
"Wie jede Verbindung der Menschen zu einem gemeinsamen Zweck, die dem Herrn
wohlgefallen und seine segnende Gnade genießen soll, Ordnung unter sich herrschen
lassen muß, da Gott ein Gott der Ordnung ist - 1. Kor. 14, 33. 40 -, so muß auch in der
Diakonissenanstalt diese Ordnung herrschen. Jedes Glied des Ganzen muß demnach an
seinem Ort und an seiner Stelle das sein und unweigerlich tun, was für den Zweck und das
Bestehen des Ganzen für heilsam und nötig erachtet wird. Da unsere Anstalt aber zugleich
ein Werk der göttlichen Vorsehung, ein Pflegling christlicher Menschenliebe und eine Schule
des Heiligen Geistes ist, so soll jedes einzelne Glied der Anstalt auch aus Liebe und
Gehorsam gegen den Herrn diese Ordnung und Gesetzmäßigkeit im Äußern mit freier
Willigkeit handhaben und fördern. Jede Diakonisse, die die Pflichten ihres Amts mit dem
Wohlgefallen des Herrn, zur Zufriedenheit der Direktion und zum Heil des leidenden
Nächsten erfüllen will, muß daher, von der Liebe Christi regiert, sich selbst ein Gesetz sein
und der Nachhilfe der äußern Gesetze immer weniger bedürfen." [Hausordnung (1837), § 2; zit.
in Sticker, S. 359]
Fliedner ist überzeugt: "Ohne diese apostolische Wurzel kann unsere Diakonissenanstalt
weder für sich selbst bestehen noch ein Segen für unsere Brüder in der Welt sein." [Sticker,
S. 359]
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Motivation für den Pflegeberuf wird primär in einer verinnerlichten Religiosität
gesucht, die in Gebet, geistlichen Übungen und Gemeindegottesdienst wachgehalten
wird.
Gehorsam ist die grundlegende Tugend, die vor eigener Verantwortung von der
Diakonisse in zweifacher Hinsicht gefordert wird, als „Befolgung der Haus- und
Tagesordnung“ und der Vorschriften des Arztes. [Sticker, S. 339]
Verbindung von Krankenpflege und bürgerlichem Weiblichkeitsideal. Pflege als
Frauenberuf
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Weiblichkeitsideal
Propagiert wird, die Frau sei auf Grund ihrer moralischen „Natur“ und physischen
Konstitution zur Krankenpflege in besonderer Weise geeignet. Dabei werden seit Mitte des
19. Jahrhunderts besonders bürgerliche Frauen angesprochen und für die Krankenpflege
gewonnen.
„[…] von Hause aus, seiner Natur nach, besitzt der Mann alles andere eher als gerade
Selbstlosigkeit. Der Mann ist Egoist und er soll es auch sein; er hat sein eigenes Ich, seine
Individualität scharf auszuprägen und zu behaupten. Die Frau ist dazu bestimmt, mit ihrer
Person zurückzutreten, sich selbst zu vergessen, sich aufzuopfern für andere; ihr allein
gebührt dafür auch die Palme der Selbstlosigkeit. Schon die Natur weist der Frau diese
entsagungsvolle Stelle an, sie richtet des Weibes Denken und Trachten von allem Anfang
allein auf Selbstlosigkeit und Selbstvergessen.“ [Schneider (1902), zitiert in Bischoff (1997), S.84]
„In der Zähigkeit des Körpers Anstrengungen zu ertragen, ist die Frau dem Mann weitaus
überlegen; ich kenne Frauen, die wochenlang Nacht für Nacht an dem Bette ihres schwer
kranken Mannes gewacht, wochenlang die Kleider nicht abgelegt, sich mit einer flüchtigen
Ruhestunde zwischen der gewohnten Tagesarbeit begnügt haben, ohne zu erliegen. Das
vermag nur der zarte, aber unendlich elastische und zähe weibliche Körper zu leisten; kein
Mann kann es an diesem Punkt mit der Frau aufnehmen.“ [Schneider (1902), zitiert in Bischoff
(1997), S. 85]
Auch die Frauenbewegung zielt auf eine „Vergesellschaftung der Weiblichkeit“ [Vgl. Praetorius
(1993)] Dabei führte die Gleichsetzung von Krankenpflege und Frauenberuf (was dieser bis
Mitte 19. Jh. nicht war!) in der Frauenbewegung in einen Widerspruch. Einerseits sollte der
Frau im Sinne ihrer Emanzipation ein eigenes Berufsfeld eröffnet werden, andererseits
wurde sie durch die naturalistische Argumentationsweise, dies entspreche ihrer „Natur“, auf
Eigenschaften wie Mütterlichkeit, Fürsorgleichkeit und Empathie, also auf eine dienende
Funktion festgelegt.
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Ideal der Nächstenliebe
„Sie [die Diakonisse], die stets zu dienen bereit ist, wird sich nie selbstgefällig erheben oder
herrschen wollen; sie wird unter stillem bescheidenem Wohltun nur immer streben, sich zu
verleugnen und zu überwinden.“ [zitiert in Sticker (1960), S, 272]
Dienst am Kranken ist Hingabe und Dienst an Christus, den die Pflegende im Kranken sehen
soll. Diakonisse als Magd Christi. Endzweck der Krankenpflege ist nicht der Kranke, sondern
die religiöse Selbstvervollkommnung der Diakonisse. Dabei vertritt der Kranke Christus, dem
eigentlich in der Pflege gedient wird. Gleichzeitig dient die Diakonisse in ihrem Tun der
Verkündigung seines Evangliums. Nächstenliebe wird zur Rechtfertigung von Gehorsam bis
zur Unterwerfung, Selbstlosigkeit bis zur Aufopferung. Unterordnung unter ärztliche Autorität
sowie unter die des Mutterhauses. Liebesgebot als Ideologie.
Forderungen von Seiten der nicht-kirchlichen Pflege nach Entlohnung, Regelung der
Arbeitszeit, Ausbildung werden als Angriff auf das Prinzip der Liebestätigkeit verstanden und
zurückgewiesen. Bis in das 20. Jh. scheitern Bemühungen um bessere Bezahlung und
einheitlich geregelte Ausbildung am Widerstand kirchlicher Einrichtungen.
Folgen
Kirchlich organisierte Pflege wird zum Feindbild einer sich professionalisierenden Pflege –
„Christliche Dienstauffassung, Tugenden der ‚Weiblichkeit’ und eine deutliche Ablehnung
säkularer Berufsmotive bilden seither die tragenden Säulen eines nur mehr als paradox zu
bezeichnenden beruflichen Leitbildes der ‚Berufsfeindlichkeit’, aus dem sich die bis in die
zweite Hälfte unseres Jahrhunderts kontinuierlich erstreckende Kontroverse um die Pflege
als ‚Dienst’ oder ‚Beruf’ begreifen lässt.“ [Remmers, Hartmut (2000), S. 198]
Ablehnung der institutionellen Verbindung von Pflegeberuf und religiösem Orden sowie eines
zur ideologischen Rechtfertigung von Gehorsam und Unterordnung degradierten Prinzips der
Liebe.
Damit ist die sich gegen Widerstände entwickelnde freie Pflege ohne ethische Orientierung,
zumal auch die naturalistische Denkweise (die von Natur aus zur Pflege berufene Frau) in
keiner Weise trägt, sondern eine Ideologie darstellt mit dem Ziel, Indienstnahme und
Unterordnung von Frauen für gesellschaftliche Zwecke zu rechtfertigen.
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4. Pflegeethik statt Spiritualität? „Care-Ethik“
Monika Bobbert (2003) beschreibt in einem sieht da noch Probleme:
„Trotz zahlreicher Publikationen - im angelsächsischen Raum seit Ende der 1970er-Jahre
und im deutschsprachigen Raum seit Anfang der 1990er-Jahre – besteht nach wie vor
Unklarheit hinsichtlich der Frage, was eine Pflegeethik bzw. Ethik der Pflege ausmachen und
beinhalten sollte, zumal erst wenige Problemlagen und spezifische Fragestellungen benannt
und diskutiert worden sind. Solange eine Pflegeethik nicht systematisch darlegt, durch
welche spezifischen Probleme, ethischen Schwerpunkte und Themen sich der
Handlungsbereich der beruflichen Pflege auszeichnet, wird sie schwerlich als eine neue
Bereichsethik anerkannt werden, die die Medizinethik sinnvoll ergänzt und sich zugleich
deutlich von ihr unterscheidet.“ [S. 44]
Care-Ethik
Entstanden aus der Moralpsychologie (Kohlberg), ist CE ein weit diskutierter Ansatz in den
US-amerikanischen Pflegewissenschaften (Nursing Studies) und in der feministischen
Philosophie. Begründet wurde dieser Ansatz durch Carol Gilligan [In a different voice (1982);
Die andere Stimme (1984)], während Nel Nodding seine Relevanz durch Anwendung auf
Handlungssituationen untersucht hat.
Ausgangspunkt:
- gegen die in der Gesellschaft bestehende Unterdrückung der Frau
- moralische Erfahrungen und ethische Denkweise von Frauen sollen Anerkennung
finden
Unterschieden werden
- die der männlichen Denkweise zugeordnete Fairness-Struktur ethischen Argumentierens, von der die bisherigen Ethiktheorien bestimmt sind
- die weibliche Denkweise der Care-Struktur in feministischen Moraltheorien
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Moralstrukturen
Care-Stuktur
Fairness-Struktur
Realitätsbezug /
Wahrnehmungsmodus
anteilnehmend,
empathisch
rational, analytisch
Bezugsmodus
personenbezogen
objektbezogen
Identifikationsmodus
Verbundenheit
Trennung
Orientierungsmodus
- prozeßorientiert
- systemorientiert
- zyklisch
- zielorientiert
- positionsorientiert
- linear
Urteilsmodus
- persönlich
- beziehungsorientiert
- integrativ
- unpersönlich
- fairness-orientiert
- selektiv
Wertorientierungen
Leben
Gerechtigkeit
Lösungsansatz
Leben nicht verletzen
Rechte garantieren
Lösungsweg
- Appell an Mitgefühl /
Füreinanderdasein
- Bezug auf eine „Logik“
der Beziehungen
- Aktivierung von Kommunikation, gegenseitigem
Verständnis, Kooperation
- Betrachtung konkurrierender
Rechte und Regeln
- Aktivierung von Rechte- und
Regelsystemen
- Verwendung einer deduktiven
Logik
Lösungsziel
Ausgleich, Integration
Ausgleich durch Abwägen,
„gerechte Selektion“
Handlungspotential
enthält Elemente von
Nähe, Verbundenheit,
Kooperation
enthält Elemente von Distanz,
Ausschluss, Trennung
Verhaltensorientierung
Anteilnahme, Mitgefühl,
Empathie
Orientierung an Rechten und
Regeln
Prinzipienorientierung
Ethik der Verantwortung
Fairness, Gerechtigkeit
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Kritik
Zu fragen ist, was dieser Ansatz beigetragen hat und beitragen kann zur Lösung der
Strukturprobleme der Pflege bzw. im Blick auf eine wissenschaftlich begründete Pflegeethik.
Dabei sei an die besonderen Strukturprobleme der Pflege nochmals erinnert:
1.
2.
3.
Differenz von Lebenspraxis und Berufspraxis („Professionalisierung“)
Pflegepraxis in der zweifachen Asymmetrie von Pflegenden zu Gepflegten
(Autonomie), Ärzten und Pflegenden (Gehorsam)
Verhältnis von Fürsorge und Selbstsorge (Dallmann)
Grundsätzliche Kritik
Wird eine „weibliche Moral“, oder abgeschwächt, eine von Frauen bevorzugte ethische
Argumentationsweise, postuliert, in der der Begriff der Fürsorge im Vordergrund steht,
bedeutet dies erneut die Verfestigung der Gleichsetzung von Frau und Fürsorglichkeit und
damit des bürgerlichen Frauenbildes des 19. Jahrhunderts.
Die „andere Stimme der Frauen“ ist dann wiederum mit dem Geschlecht verbunden. Damit
wird übersehen, „dass das Geschlechterverhältnis Ausdruck einer gesellschaftlichen
Konstruktion ist, mit der symbolisch geschlechterspezifische Normerwartungen etabliert
werden, […] so dass das Postulat einer ‚weiblichen Moral’ nur als weiterer symbolischer
Ausdruck der paternalistischen Herrschaft verstanden werden kann.“ [Dallmann (2003), S. 10]
Es hilft somit nicht weiter, wenn Vorstellungen von Weiblichkeit perpetuiert und einer
religions- und glaubensunabhängigen Begründungsargumentation zu Grunde gelegt werden,
„vielmehr erhalten spezifisch weibliche Tugenden, die ähnlich schon im 19. Jahrhundert
formuliert wurden, eine zusätzliche, nun feiministische, Dignität.“ [Dallmann (2003), S. 11]
Verhältnis von Fürsorge und Selbstsorge
Wird Fürsorge zum alleinigen Prinzip pflegerischen Handelns erhoben - kann die Frage
nach dem Verhältnis von Fürsorge und Sorge um sich selbst nicht beantwortet werden.
Selbstsorge bleibt auch ausgeschlossen, wenn Care als Erfüllung von Bedürfnissen einer
anderen Person, die diese sich nicht selbst erfüllen kann (Bubeck) oder als Interaktion
zwischen einer versorgenden und zu versorgenden Person (Conradi) bestimmt wird.
Asymmetrie von Pflegenden und Gepflegten
Noddings geht von vornherein von einer asymmetrischen Beziehung aus, indem sie die
Menschen in Pflegende und Bedürftige, Subjekte und Objekte der Pflege einteilt. Aber so ist
die Situation nicht, Menschen sind nicht ausschließlich aktiv oder passiv, Kranke sind von
daher nicht nur als bedürftige Wesen zu sehen, die der Pflege ausgeliefert sind. Wir haben
es hier mit einer „Defizitorientierung in der Pflege“ zu tun, von der aus noch vorhandene
Möglichkeiten und Fähigkeiten der Patienten nicht in den Blick gelangen, die „SelbstfürsorgeFähigkeiten“ des Kranken nicht berücksichtigt werden. „Natürlich sind helfende Beziehungen
der Tendenz nach asymmetrisch, […] aber problematisch wäre es, aus dieser Asymmetrie
unter der Hand ein Konzept zu machen und auf Abhängigkeit statt auf Emanzipation zu
setzen.“ [Dallmann (2003), S. 11-12]
Ist Fürsorge alleiniges Handlungsprinzip der Pflege, kann nicht begründet werden, wann auf
Fürsorge zu verzichten ist, z.B. in einer Situation, in der ein alter Mensch bestimmte
pflegerische Maßnahmen nicht mehr hinnehmen will, sich dagegen wehrt.
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5. Abschließende Bemerkungen zum Begriff „Liebe“
These
Die notwendige Trennung von Ordensberuf und Pflegeberuf sowie ein ideologisierter Begriff
der Nächstenliebe dürfen nicht den Blick verstellen für die Möglichkeit einer wissenschaftlich
fundierten Handlungslegitimation pflegerischer Praxis auf der Grundlage des Begriffs „Liebe“.
Liebe haben wir bisher bestimmt als
-
-
Zuwendung, Mitsein (Splett)
Gegenseitigkeit, die zweifache Ausrichtung: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“
(Lk 10,27). Zuwendung zum anderen ist zugleich Zuwendung zu sich selbst
(Sympathie, Mitdenken, Mitfühlen mit dem anderen sind nur möglich im gleichzeitigen
Wahrnehmen der eigenen inneren Bewegungen)
Aktivität, Situationsbewältigung in gegenseitigem Handeln
Liebe ist somit auf Handeln gerichtet. Es geht um den Bezug des Menschen zur Wirklichkeit,
zu der des anderen und zur eigenen.
„Liebe“ - wahrnehmend-tätige Gegenseitigkeit, absichtslose durchlässige Aufmerksamkeit dem anderen und sich selbst gegenüber
Erich Fromm (Die Kunst des Liebens) sieht die Möglichkeit, Liebe als Handlungsorientierung
zu konkretisieren in den Begriffen: Wissen, Verantwortung, Respekt, Fürsorge.
-
Wissen um den anderen in seiner Situation, um Handlunsmöglichkeiten,
Verantwortung, die Bereitschaft, Antwort zu geben auf die Situation des anderen,
Respekt, den anderen anerkennen, wie er ist,
Fürsorge, tun, was notwendig ist, d.h. was die Not wendet.
Schlussfolgerungen
Pflegende Praxis, orientiert am Prinzip der Liebe in den vier dargelegten Kategorien von
Wissen, Verantwortung, Respekt und Füsorge,
1. ist darauf ausgerichtet, die Asymmetrie zwischen Pflegenden und Gepflegten
abzubauen, indem sie den anderen frei lässt, auf die Ermöglichung seiner Autonomie
und Handlungsfähigkeit bedacht ist;
2. nimmt sich zurück und macht sich selbst entbehrlich in dem Masse, in dem der
Kranke seine Fähigkeit selbstbestimmten Handelns wiedergewinnt;
3. kann weder Selbstausbeutung noch beziehungslose marktkonforme Dienstleistung
sein. Sie verbietet somit die Degradierung sowohl des Kranken als auch des
Pflegenden zum bloßen Objekt.
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