Gunnar Kristjánsson, Dr. theol., Freitag 11. April 14.30 - 15.45 Die religiöse Bedeutung der Natur in der lutherischen Glaubenskultur in Island. Menschsein und Religion. Anthropologische Probleme und Perspektiven der Glaubenskultur des Christentums I. Einführung Anthropologische Probleme und Perspektiven der Glaubenskultur des Christentums in Island ist das Thema dieses Vortrags. Die Präsentation wird teilweise historisch aber teilweise auch systematisch theologisch aufgebaut. Die Hauptthemen sind auf der einen Seite die Natur, die meiner Meinung nach die Glaubenskultur in Island sehr geprägt hat; das andere Hauptthema ist ein wichtiges theologisches Thema in unserer Literatur, das Mitleid. Beides, Natur und Mitleid dürfen wichtige Komponente in der Diskussion über Menschsein und Religion in der isländischen Glaubenskultur sein. Das eine hat mit der äußeren Umgebung, das andere mit der inneren Motivation des Menschen zu tun. Weil Island eine Insel ist, hat die Nähe zum Meer das Volk von Anfang an sehr tief geprägt, auch heute noch. Dasselbe gilt auch für die Beziehung der Isländer zum Land von Bergen, Gletschern und Vulkanen. Die Erwerbstätigkeit der Bauern und der Fischer ist nie fern von der Ambivalenz der Natur: auf der einen Seite ist die Ergiebigkeit, Fruchtbarkeit, Reichtum und Schönheit, auf der anderen Seite das Gefährliche, das Unheimliche, das Ungewisse und das Fürchterregende. a) Das Ohnmachtsgefühl In der Kunst, in Poesie und Prosa, wird die schöne und gute Schöpfung gelobt und gepriesen troz der Nähe zum Unheimlichen. Auch das Land: Die Gletscher, die Vulkane, die Flüsse, die Erdbeben, das alles ist den Isländern, auch heute, gut bekannt. Hier ist das Meer, das so viele Menschenleben genommen hat, wo das Boot so klein und der Mensch noch kleiner wird. Im bekanntesten Seefahrtsgebet von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts heißt es: 1 „Wenn ich jetzt zum Meer hinaus rudere und meine Ohnmacht spüre und die Schwachheit des Bootes angesichts der heimlichen Kräfte der Luft und des Meeres, dann erhebe ich die Augen des Glaubens zu Dir...“ i So ist die Natur ein ambivalentes Element in der Grunderfahrung der Isländer. In Poesie und Bildkunst, in Hymnen und Gebeten ist heute noch beides gut zu erkennen; die Erfahrung, die dort ihren Ausdruck findet, ist manchmal deutlich religiös. Die Natur bildet eine grundlegende Transzendenz-Erfahrung, die möglicherweise eine lockere Verbindung mit dem Kultus der Kirche der vergangenen Zeiten gehabt hat. In Hymnen und Gebeten spiegelt sich eine menschliche Erfahrung oder eine Kultur des Ohnmachtsgefühls wider. So ist die Glaubenskultur in Island aus verschiedenen Komponenten geflochten. Jede Kultur hat eigene Charakteristika wenn man nach der primären Glaubenserfahrung fragt.ii b) Die Gelassenheit Auf der anderen Seite sind die Isländer eins der wenigen Völker der Welt, das über mehr als vier Jahrhunderte hinweg fast ausschließlich nur das lutherische Christentum kennen. Nach Einführung der Reformation durch den dänischen König im Jahre 1541 verschwand der römisch-katholische Glaube allmählich. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gibt es wieder katholisches Christen in Island, die bis heute allerdings eine kleine Minderheit darstellen. Das Luthertum hat die isländische Glaubenserfahrung geprägt, und die isländische Kultur wiederum hat dem lutherischen Bekenntnis eine eigene Prägung gegeben. Durch die Jahrhunderte, bis zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts ist die isländische Gesellschaft ohne Dörfer und Städte gewesen. Die Kirchen sind in der Mitte der ländlichen Gemeinden gewesen, wo die Bauernhöfe zerstreut liegen. Bis zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts ist den Isländern das dörfliche Leben unbekannt. Deswegen hat sich das Hauschristentum in Island entwickelt und die isländische Glaubenskultur – und die Kultur überhaupt – sehr deutlich geprägt. 2 Lutherisch-reformatorische Themen wie Jesu Opfertod, die Rechtfertigung durch den Glauben, das allgemeine Priestertum, Gnade und Freiheit, sind bis heute wichtige Themen in der isländischen Glaubenskultur. Bis heute haben diese Komponenten die isländische Glaubenskultur geprägt. Allerdings ist das Hauschristentum keine kirchlich orthodoxe oder pietistische Religionsgemeinschaft gewesen, auch nicht biblisches Christentum. Die Hauspostille hat das Christentum durch die Jahrhunderte geprägt, d.h. ein Christentum das eher individualistisch geprägt ist, ethisch-religiös und unabhängig vom Kirchengebäude, aber enger an die Familie gebunden. c) Das Hauschristentum Die christliche Glaubenserfahrung ist von der lutherischen Tradition, in den letzten zwei Jahrhunderten von der volkskirchlichen Tradition, geprägt. Allerdings kann man gut sehen, dass die Hauptwerke der christlichen Literatur vom 17. und 18. Jahrhundert durch die Haus-Frömmigkeit guten Zugang zur Bevölkerung hatten, einerseits die Passionspsalmen von Hallgrímur Pétursson (1614-1674) – Hauptthema: Das Leiden – und die Hauspostille von Bischof Jón Vídalín (1666 -1720) – Hauptthema: Gerechtigkeit. Beide Werke sind häufig herausgegeben worden, die Passionspsalmen sind in verschiedene Sprachen übersetzt worden, darunter in die deutsche Sprache, die Hauspostille von Bischof Vidalin ist nie in andere Sprachen übersetzt worden.iii In den Gebeten spiegelt sich eine Glaubenskultur des Vertrauens, der Hoffnung und der Gelassenheit wider. Ich werde versuchen die Hauptelemente der Glaubenskultur in Island auf dem historischen Hintergrund darzustellen und zu zeigen, dass in Island sich eine eigenartige Glaubenskultur entwickelt und die Kultur grundsätzlich geprägt hat. Aber wie? 3 Wie gehen wir weiter mit dem Untertitel der Konferenz: Anthropologische Probleme und Perspektiven der Glaubenskultur des Christentums? Anthropologische Probleme, was könnte das sein, wenn man die Glaubenskultur in Island betrachtet? Und welche Perspektiven gibt es innerhalb der Religionskultur eines Volkes das von der Natur so abhängig ist? II. Glaubenserfahrung Wenn man durch die Natur die Empfindung der Abhängigkeit so gründlich und tief erlebt hat, kann man nach einer Gottesverbindung des Menschen oder auch nach dem Christusglauben fragen: i. Könnte es sein, dass die Schöpfung dabei eine grundlegende Bedeutung gehabt habe? ii. Kann es sein, dass vor allem hier das Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit geweckt wird? iii. Und könnte es sein dass der Mensch gerade hier ständig ein Gefühl von ultimate concern erfahren habe, ist es vor allem durch die Natur, dass der Mensch erfährt, was ihn unbedingt angeht? An dieser Stelle möchte ich an zwei Begriffe in der Theologie vom Religionswissenschaftlicher Theo Sundermeier erinnern, er unterscheidet zwischen primärer und sekundärer Religionserfahrung. Er hebt damit auf die Wirklichkeitsbewältigung von kleinen Gesellschaften ab, in denen Menschen in einem geographisch begrenzten Raum leben, die gleiche Sprache sprechen, in einem bestimmten Verwandtschaftsverhältnis zueinander stehen, die gleichen grundlegenden Kulturtechniken verwenden und durch eine patriarchalische Herrschaftsform miteinander verbunden sind. „Gesellschaft“ und „Religion“ lassen sich in diesen Gemeinschaften nicht voneinander trennen, sondern gehen eine enge Symbiose ein und prägen die Bildund Vorstellungswelt. 4 Mit seiner These, dass sich die sekundäre Religionserfahrung immer wieder in die primäre Religionserfahrung integriert und an der primären ausrichtet, gibt er den primären Religionen den nach seiner Auffassung angemessenen Platz in der Religionsgeschichte. Nach Sundermeier ist auch die individuelle Entscheidung von Menschen moderner Gesellschaften für eine Welt- oder Erlösungsreligion, die missionarisch Universalität für sich beansprucht und sich als „vera religio“ von falschen Religionen absetzt, nie vom Deuterahmen primärer Religion ablösbar. Durch Selektion, Interpretation, Transformation und Integration primärer Religionserfahrung reichert sich die sekundäre Religionserfahrung mit den Beständen primärer Religionserfahrung an. So können sich etwa christliche Glaubensüberzeugungen auf diese Weise „inkulturieren“ und auch in jeweils neuen Kontexten als lebensfähig erweisen.“iv Die Natur hat die primäre religiöse Empfindung der Isländer tief geprägt. Das Meer hat allezeit die Ambivalenz des Lebens wach gehalten, man konnte nie wissen ob die Fischer am Abend zurück ans Land kommen würden. Dasselbe gilt für Erdbeben, die zeitweise häufig sein können, ein Erdbeben weckt tiefe Unsicherheit, die Erde ist nicht mehr ein fester Grund, sondern auch wie das Meer ein Ort radikaler Unsicherheit. Die Vulkane und deren Zerstörung kennen die Isländer seit Jahrhunderten und die damit verbundene Gefahr für Leib und Leben, Hof und Vieh, Gut und Land. Im 19. Jahrhundert haben solche Ereignisse die Auswanderung vieler Isländer nach Amerika nach NordAmerika und Latein-Amerika zur Folge gehabt. Früher, z.B. in Volksmärchen, sind die Gletscher Orte des Unheimlichen, der Kälte und des sicheren Todes. In einigen Gebieten mussten Leute über die Gletscher wandern, um zu anderen Orten oder Gebieten zu gelangen. Die Gletscherflüsse sind auch ein Teil von der Gefährdung der Gletscher, z.B. wenn Vulkane unter der Schneedecke ausgebrochen sind, die Decke teilweise geschmolzen und so den Strömung im Gletscherfluss verstärkt haben. - Wenn man die anthropologischen Aspekte untersuchen will muss man an die Erfahrung denken. 5 Erfahrung ist ein breites Konzept.v Bei Luther hatte die Erfahrung eine grundlegende Bedeutung wie es in seinen Tischreden heisst: sola autem experientia facit theologum [allein die Erfahrung macht den Theologen].vi Religion hat im wesentlichen eine emotionale Basis: „... wir können das nur so verstehen wenn wir uns an die Tiere wenden... Alle grosse Gefühle haben wir mit den Tieren gemeinsam“ (E. Drewermann). Das absolut grundlegende Gefühl die Dynamik der Befürchtung ist allen sterblichen Wesen gemeinsam.“ vii „Schleiermacher ... setzt wieder in Kraft die direkte Verbindung mit Gott, die bei den mittelalterlichen Mystikern bekannt ist, aber in einem Kontext wo das Subjekt jetzt autonom ist“. viii Religion trifft den Menschen existentiell, das religiöse gehört den Tiefen der menschlichen Seele. ix a) Die Romantiker Anfang des 19. Jahrhunderts haben vier isländische Studenten in Kopenhagen eine neue Zeitschrift, Fjölnir, gegründet. Sie waren Jónas Hallgrímsson, Tómas Sæmundsson, Konráð Gíslason, Student der Philologie und Brynjólfur Péturson, Jurastudent. Das sind die sogenannten Fjölnismänner (Fjölnismenn). Die beiden ersten sind für meine Darstellung besonders wichtig. Jónas Hallgrímsson (1807-1945) wurde respektierter Naturwissenschaftler in Kopenhagen und Island, schon in jungen Jahren auch ein beliebter Poet, heute noch hat er ähnlichen Status in Island wie etwa Goethe in Deutschland.x Tómas Sæmundsson (1807-1841) wurde Pfarrer in Süd-Island. Jónas Hallgrímsson hat die Schönheit der isländischen Natur „entdeckt“, die Natur war für den Naturwissenschaftler aber mehr als Natur, sie war göttlicher Heiligtum. Sie war ein Ort des Menschen, um zur göttlichen Erfahrung zu gelangen. Eine gute Schöpfung, die schön und ergiebig ist: das ist das Motto der Romantiker, ihre tiefste Realität ist göttlich, die Natur lebt wegen des Geistes Gottes. Die Natur als göttlicher Heiligtum ist ein bekanntes Thema in Island.xi Wichtig für die Prägung dieser Theologie – und auch der jungen Isländer in Kopenhagen – war der Pfarrer der Frauenkirche in Kopenhagen und Bischof von Seeland (ab 1834), Jacob Peter Mynster (1775-1854), einer der Wegbereiter der Romantik in 6 Dänemark. Er war ein Zeitgenosse und Kontrahent von Sören Kierkegaard (1813-1855), Mynster ist eher ein Vertreter der konservativen Richtung in der dänischen Kirche seiner Zeit.xii Die Theologie stand den Fjölnismännern nicht fern, Jónas Hallgrímsson – selber Sohn eines Pfarrers wie auch Brynjólfur, der zugleich Bruder des Bischofs von Island gewesen ist – hat sich dreimal erfolglos um eine Pfarrstelle in Island beworbeb. Im Jahre 1839 wurden Mynsters „Betragtninger over de christelige Troslaerdomme“ in isländischer Sprache in Kopenhagen herausgegeben. xiii Das Buch wurde in Island sehr beliebt und im Jahre 1853 zum zweiten Mal herausgegeben.xiv In einem Brief an Jónas Hallgrímsson vom 9. August 1938 heißt es bei Tómas Sæmundsson: „Mir gefällt es gut dass Ihr Mynsters „Betragtninger“ übersetzt“ habt“.xv Die Poeten der romantischen Zeit haben tiefe Spuren im Verständnis der Isländer im Verhältnis zur Natur hinterlassen, wo die Natur vor allem schön ist und verbirgt auch die Nähe und Schönheit der Gottheit. Ihre Werke sind nicht selten fast Hymnen zur Natur und zum Schöpfer. In der Kirche sind ihre Lieder jedoch nie gerne gesehen worden. Wir können auch von Naturmystik in der „weltlichen“ Dichtung der Romantik reden. In der Schönheit der Natur begegnet der Mensch seinem Schöpfer. Die Natur ist mysterium tremendum et fascinans. Sie ruft auch hervor das Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit der Menschenxvi. In jungen Jahren hatte der Rationalismus großen Einfluss auf Tómas, heißt es in dessen Biographie, die sein Schwiegersohn, Dr. Jón Helgason (1866 – 1942), Bischof von Island, geschrieben hat; in Kopenhagen ist der Rationalismus aber im Abwertstrend gewesen, als die Fjölnismänner dort waren; der neue Trend heißt in der Biographie NeuKonfessionalismus. Die Romantik aber ist schon in der Zeit der isländischen Studenten eins starke Bewegung in der Literatur und auch in der Theologie geworden. Pfarrer Tómas Sæmundsson hat eine einjährige Europareise gemacht während der er im Jahre 1832 in Berlin Friedrich Schleiermacher (1768-1834) getroffen hat. In seinem Reisebuch beschreibt er seine Begegnung mit Schleiermacher, der großen Eindruck auf 7 den isländischen frisch gebackenen candidatus theologiae gehabt hat.xvii Seine Beschreibung Schleiermachers zeigt, dass er nach ihrer Begegnung nicht enttäuscht war.xviii Der deutsche Theologe hatte auch in Dänemark grossen Einfluss, das zeigt die Beschreibung bei Tómas Sæmundsson, als Schleiermacher ein Jahr später und ein Jahr vor seinem Tod nach Kopenhagen kam: die Studenten haben ihn mit einem Fackelzug durch die Stadt empfangen und mit einem großen Fest geehrt; das dokumentiert seinen Status – und damit seinen Einfluss – unter den Studenten in Kopenhagen in der Zeit der Romantik. Während des Besuches von Schleiermacher in Kopenhagen war Tómas Sæmundsson allerdings noch unterwegs auf seiner Reise durch Europa. xix b) Nachhaltiger Einfluss der Romantiker Folgendes ist für unsere Untersuchung wichtig. Der nachhaltige Einfluss der Romantiker in Bezug auf das Einvernehmen der Natur bezieht sich auf den Gottesbegriff der Romantik, der auch ein direkter Gegensatz zum Verständnis des Rationalismus gewesen ist. In der Romantik begegnen wir der Gottheit in der Natur, im Rationalismus war die Gottheit nicht mehr in der Schöpfung vorhanden, die Schöpfung ist vom Schöpfer verlassen, ähnlich wie die Uhr ihren Uhrmacher nicht mehr braucht, die Gottheit des Rationalismus hat der Schöpfung Gesetze gesetzt. In der Schöpfung sieht die Romantik die lebensspendende Nähe der Gottheit. Gott ist hier eine unaufhörliche kreative Macht.xx In Mynsters „Betragtninger over de christelige Troslaerdomme“ ist diese Theologie deutlich zu finden. Die Vernunft ist aber auch wichtig, damit der Mensch sich selbst versteht und damit er die Wahrheit des Glaubens begreifen kann. Diese Ideen sind in den Werken von Tómas Sæmundsson deutlich zu erkennen. Gegen Jahrhundertwende 1900 sind die Maschinen in die Boote gekommen, dann haben die Fischer langsam die gemeinsamen Seefahrts-Gebete vor der Abfahrt abgelegt. So hat sich die Säkularisierung in Island gemeldet: die machina hat den deus abgelöst, die Welt der Technik hat vieles geändert, nicht alles und wahrscheinlich nicht so viel, wie man in einer post-säkularisierten Gesellschaft annehmen könnte. 8 Im hochmoderniserten Island des 21. Jahrhunderts hat sich die Angst, die man früher vor der Natur hatte, geändert. Sie ist ein Ort der Möglichkeiten, die Rohstoffe sind wertvoll, die Schönheit der Natur kann man den Touristen gut verkaufen, die Wasserkraft ist von ausländischen Großkonzernen begehrt, eine Möglichkeit zum Verkauf von Elektrizität durch eine Kabel-Verbindung zum Kontinent ist eine offene Möglichkeit. Die Natur als Erlebnisort der Erlebnisgesellschaft ist auch ein begehrtes Ziel, die Gletscher und die Vulkane, auch das Meer mit den Walen und anderen Meerestieren, auch die Dunkelheit des Winters, die Nordlichter und der Schneesturm im Hochland. Alles was früher so abschreckend und fürchterregend war, ist jetzt umgekehrt interessant geworden und gibt den Einheimischen dazu Geld in die Tasche. Die Isländer begreifen die Natur nicht mehr als eine unheimliche Erscheinung sondern umgekehrt eine Möglichkeit: wir können etwas reicher werden um etwas glücklicher zu werden, so sieht es aus. Neue Visionen werden verbreitet, neue Aufgaben sind in Aussicht – und neue Verwantwortung. Die Möglichkeiten führen auch Probleme mit sich: das sind die neuen Perspektiven mit denen das Volk sich beschäftigen muss. Welche Aufgabe hat die Religion in der neuen Situation, was für eine Glaubenskultur entsteht in der neuen post-säkularisierten Welt, die schon präsent ist? c) Die Perspektiven Wir kommen jetzt zurück zur Erfahrung der göttlichen Schönheit in der Natur. Fragen kann man, ob die Theologie in unseren isländischen Kirchen zu christozentrisch sei, ob die Schöpfung zu kurz kommt und damit auch die damit verbundene Erfahrung des Menschen in der Natur, die im Grunde als eine religiöse Erfahrung gedeutet werden dürfte? In der isländischen schöngeistigen Literatur braucht man nicht lange zu suchen, um diese Gotteserfahrung zu spüren; dies allerdings vielleicht nicht immer explizit, weil die säkulare Literatur sehr scheu sein kann, wenn es zu einer religiösen Erfahrung kommt. 9 In den Werken von Halldór Laxness (1902-1998), dem isländischen Nobelpreisträger für Literatur des Jahres 1955, gibt es viele Anspielungen auf die religiöse Erfahrung der Menschen in der Natur. Es muss gesagt werden, dass die Literaturkritik solche Ereignisse meistens nicht als religiös gedeutet hat. Es muss auch gesagt werden, dass die Werke von Laxness mit Abstand die beliebtesten Bücher im Island des zwanzigsten Jahrhunderts sind, eins von seinen Büchern, Sein eigener Herr, (erste Ausgabe 1933-1935, in vier Teilen), wurde sogar zum „Roman des zwanzigsten Jahrhunderts“ in Island gewählt. In diesem Roman stürmt eines der Kinder eines abgelegenen Bauernhofs in den bergischen Höhen in Ost-Island ins Haus, wo die Familie sich aufhält: Der kleine Nonni brachte seine Beinknochen auf den Hügel. Eines Tages brachte er die Nachricht in die Stube, dass an der Hausmauer ein Löwenzahn aufgeblüht sei. Ein aufgeblühter Löwenzahn. Ein seltenes Ereignis in einem hochgelegenen Tal zu dieser Zeit des Jahres. Alle Geschwister und die Mutter gingen hinaus an die Hausmauer, um diesen kleinen Löwenzahn zu betrachten, der seine Blüte so fröhlich und kühn gegen die Wintersonne ausbreitete, diese junge, empfindliche Blüte. Ein Blümlein der Ewigkeit. Lange, lange blickten sie in andächtiger Bewunderung auf diesen neuen Freund, diesen zierlichen und liebenswerten Vorboten des Sommers inmitten der Winterstrenge. In schweigender Verehrung berührten sie ihn leicht mit den Fingerspitzen...; es war als ob sie sagen wollten: Du bist nicht allein, wir sind auch da, wir versuchen auch zu existieren. Es war ein Tag mit heiterem Himmel...xxi Hier erleben die Menschen „ein seltenes Ereignis“, das eine „schweigende Verehrung“ hervorruft. Es weist hin auf eine grundlegende existentielle Erfahrung, wie es im Text heisst: „... wir versuchen auch zu existieren.“ Hier erkennen die Menschen eine Hilfe in ihrer Ohnmacht, ein Gefühl von „ultimate concern“ wird erkannt. Viele gute Beispiele der primären religiösen Erfahrung finden sich auch im Werk Weltlicht von Halldor Laxness, einem seiner beliebtesten Romane. Es erzählt von einem Dichter, der arm und leidend ist – eine Art Christus-Figur –, er hat aber ganz eindeutige religiöse Erfahrungen, deren erste so beschrieben wird: 10 Ólafur „fühlt, wie sich die Gottheit in der Natur in einem unbegreiflichen Klang offenbart; das ist der Offenbarungsklang der göttlichen Allmacht. Ehe er es fassen kann, ist er selber eine bebende Stimme im herrlichen Klang der Allmacht. Ihm ist, als wollte seine Seele aufwallen, über seinen Körper hinausschäumen – wie kochende Milch über den Rand einer Schüssel - , als sollte sich seine Seele in das grenzenlose Meer eines höheren Lebens ergießen, das höher als Worte ist, jenseits des Gefühls. Den Leib durchströmt eine Lichtflut, strahlender als jegliches Licht. Seufzend wird er der eigenen Winzigkeit inne, umschlossen von diesem unermesslich herrlichen Klingen und Leuchten. Sein Bewusstsein löst sich auf in ein heiliges, tränenreiches Sehnen: nicht mehr ein Teil des eigenen Ichs zu sein, eins zu werden mit dem Höchsten.“ xxii Hier wird ein Erlebnis im Sinne einer Naturmystik beschrieben. Der Dichter erlebt die Nähe des „Höchsten“, es ist „ein heiliges“ Erlebnis als ihm „die Gottheit in der Natur“ in einem „unbegreiflichen Klang offenbart“. In eigener Person ist er ein Teil von diesem Ereignis geworden, er ist „selber eine bebende Stimme im herrlichen Klang der Gottheit“. Hier geht es nicht mehr um ein menschliches Gefühl, weil das Ereignis den Dichter „jenseits des Gefühls“ führt. Aufgrund dieser Nähe zur Natur ist die primäre religiöse Erfahrung so deutlich in unserer Kultur anzutreffen, in Prosa, Poesie, Theater und Film. Es ist des weiteren meine These, dass eben diese primäre religiöse Erfahrung allgemein akzeptiert wird, die sekundäre, kirchliche Religion, aber weniger. Hier haben Poeten und Theologen der Romantik des neunzehnten Jahrhunderts nachhaltigen Einfluss gehabt. II. Die sekundäre Religionserfahrung: Das Mitleid Die Tradition aber hat auch einen anderen Ton. Das ist das Element der Menschlichkeit, das sich durch die schwierigen Zeiten der Armut und Abgrenzung entwickelt hat. Nicht nur die primäre religiöse Erfahrung ist an die Erfahrung in der Natur geknüpft. Die Christologie, das Gebet an den christlichen Gott, sowie weitere Themen der lutherischen Predigt durch die Jahrhunderte sind deutlich zu spüren. Mag sein, dass auch dies ein typisch isländisches Phänomen ist. 11 Im schon oben erwähnten Roman Sein eigener Herr von Halldor Laxness wird von einer Bauernfamilie im Heideland im Bergland Ost-Islands erzählt; es ist ein abgelegener Bauernhof, auf dem die Familie in schwerster Armut lebt. Einmal sehen wir die Geschwister Nonni und Ásta Sóllilja (Sonnenlilie). Der Lehrer ist fortgegangen, und sein Weggang verstärkt noch die Einsamkeit vor allem für Ásta, denn sie hat ihn geliebt. Sie weint als der jüngere Bruder Nonni zu ihr kommt. Das Kapitel heisst „Die grosse Schwester“: „Warum weinst du?“ fragte er. „Wegen nichts“, antwortete sie und zog die Nase hoch. „Hast du etwas verloren?“ sagte er. „Ja“, sagte sie. „Was?“ Nichts.“ „Wein doch nicht“, sagte er. „Ich weine ja gar nicht“, sagte sie und hörte nicht auf zu weinen. „War Papa böse zu dir?“ „Ja.“ „Was sagte er?“ „Gar nichts.“xxiii Nonni versteht nicht was mit Ásta Sóllilja passiert ist, auch nicht als sie ihm erzählt, dass sie so vor lauter Liebeskummer sterben möchte. Am Ende des Kapitels lesen wir diese Gedanken vom kleinen Nonni: Es war das erste Mal, dass er in das Labyrinth der menschlichen Seele blickte. Er verstand es keinesweges. Aber was mehr war: er litt mit ihr... Die Quelle des erhabensten Gesangs ist das Mitleid. Das Mitleid mit Asta Sollilja auf Erden.xxiv Das ist das Ende des Kapitels, Nonni hat in die Seele eines Menschen hinein geblickt und hat dabei eine neue Erfahrung gemacht: mit den leidenden zu leiden: Die Quelle des erhabensten Gesangs ist das Mitleid. 12 Labyrinth der menschlichen Seele, ist das Wort, das der Autor des Romans gewählt hat, um die Erfahrung Nonnis zu beschreiben, als er seine Schwester ansieht, deren Herz wegen der Liebe gebrochen ist. Dann hat er empfunden, wie sehr ihm seine Schwester lieb ist, und auch dass gerade in der Liebe zu den Leidenden der Kern der Menschlichkeit, des Menschseins, und der Menschenwürde verborgen ist. Laxness hat eine Anknüpfungstheologie entwickelt; hier ist ein Konzept, das Mitleid, das an Tillichs „ultimate concern“ grenzt.xxv Es ist ein Wendepunkt christlicher Provenienz, im Fall Laxness katholischer Provenienz, wenn man an seine römisch-katholische Prägung denkt, die er in jungen Jahren als Novize während eines zweijährigen Aufenthalts im Benediktiner- Kloster Saint Maurice de Clairvaux in Luxemburg erfährt – aber auch lutherischer Provenienz, wenn man an seine Kindheit und Jugend denkt und die isländische Glaubenskultur, die in seinem Elternhaus praktiziert wurde, wo die Passionspsalmen von Hallgrímur Pétursson einen hohen Platz hatten. Wo die Passion auch als compassio verstanden wird. xxvi Die Passionspsalmen Hallgrímur Péturssons haben bis heute einen sehr großen Einfluss auf die isländische Glaubenskultur in Island. Als Beispiel sei erwähnt, dass am Ende fast jeder Beerdigung in Island ein Hymnus von ihm gesungen wird. III. Anthropologische Perpektiven: Subjektivität, Religion, Ritual Ich komme zurück zu der religiösen Deutung der Natur in der alten isländischen Gesellschaft und in der Interpretation der Romantik, besonders in Theologie und Literatur. In der Bildkunst ist die Präsentation der Natur überwiegend vom romantischen Erbe des neunzehnten Jahrhunderts geprägt. Was sagt das alles über die anthropologischen Perspektiven einer Theologie der Glaubenskultur? Die Glaubenskultur ist meiner Meinung nach von den verschiedenen Komponenten der Erfahrung und der religiösen Deutung der Erfahrung, die ich beschrieben habe, geprägt. 13 Wenn man zu den Begriffen primäre und sekundäre Religionserfahrung von Theo Sundemeier xxvii zurückkommt finde ich drei Komponenten besonders wichtig: 1) Subjektivität, 2) Religion und 3) Ritual. Die Subjektivität basiert auf der grundlegenden Bedeutung der Erfahrung die das religiöse Verständnis in Island prägt. Die Religion ist meiner Meinung nach vor allem ein anthropologisches Element, das sehr eng mit der subjektiven Erfahrung gebunden ist. Und drittens meine ich, dass der Begriff der sekundären Religionserfahrung in einem bedeutungsvollen Ritual ausmündet. a) Subjektivität Es ist nicht unwichtig, dass die lutherische Kirche so früh in Island Fuß gefasst hat, nachdem der dänische König Christian III. die lutherische Reformation in Island durchgesetzt hat, allerdings nicht ohne isländische Reformatoren, die die Reformation in Deutschland – besonders in Hamburg, Rostock und Wittenberg – und in Dänemark kennengelernt hatten. In seinen Vorlesungungen über die Philosophie der Geschichte heißt es bei Georg Wilhelm Friedrich Hegel: „Während die übrige Welt hinaus ist nach Ostindien, Amerika – mit dem Ziel, Reichtümer zu gewinnen, eine weltliche Herrschaft zusammenzubringen, deren Territorium sich über die ganze Erde erstreckt und wo die Sonne nicht untergehen soll – ist es ein einfacher Mönch, der das, was die Christenheit vormals in einem irdischen, steinernen Grabe suchte, vielmehr in dem tieferen Grabe der absoluten Idealität alles Sinnlichen und Äußerlichen, im Geiste findet und im Herzen zeigt [...]. Luthers einfache Lehre ist, dass das Dieses, die unendliche Subjektivität, d.i. die wahrhafte Geistigkeit, Christus, auf keine Art in äußerlicher Weise gegenwärtig und wirklich ist, sondern als Geistiges überhaupt nur in der Versöhnung mit Gott erlangt wird.“xxviii Dieses Zitat ist der Auftakt für Ulrich Barth in seiner Entfaltung der Luther-Deutung im Sinne der „Subjektivität des Glaubens“. xxix In seiner Entfaltung sieht er hauptsächlich auf drei Themen: Buss-, Schrift-, und Gnadenverständnis Luthers. „Subjektivität des Glaubens“ ist ein wichtiger Zugangspunkt in Luthers theologischem Ansatz, dort muss die Erfahrung der Menschen in gewisssem Sinne am Anfang stehen, nicht die Glaubenslehre, 14 sondern die Glaubenserfahrung. Oder mit anderen Worten: nicht nur die sekundäre Religion, sondern auch die primäre Religion. Wenn man die Natur als den Grund der religiösen Erfahrung bezeichnet, kann man gut eine Verbindung zwischen Luthers Erfahrung und der primären Erfahrung ziehen. b) Religion Der zweite Punkt ist die Religion. Es kann gut sein, dass das Wort Religion in der Umgangssprache zu eng verstanden wird und meistens auch nur mit Hinweis auf die traditionellen Religionen der Welt, in Island dann meistens auf das Christentum und zwar in engem eher dogmatischem Sinne der lutherischen Überlieferung, und zwar in den letzten Jahrzehnten antiliberal und neukonservativ. Man kann es aber auch in breiterem Sinne verstehen. Hier ist interessant der Anfang der „Betragtningen“ von Mynster anzusehen, dort heisst es „Meine Seele ist müde – wo kann sie Ruhe finden? Sollte ich ihrem Zustand beschreiben müsste ich sagen, sie wäre wie der Vogel, den der Wind bis zum offenen Meer treibt: gegen den Himmel ist sein Kurs, seine Flügel aber werden müde...“xxx Die Überschrift des ersten Kapitels ist: Religion. Christentum.xxxi Hier wird die Religion als eine anthropologische Angelegenheit interpretiert: Den Anfang ist beim Menschen zu finden. „Religion ist nicht nur Ritus, Kult und dadurch erzeugte Vergemeinschaftung, sondern auch rational kaum kontrollierbare Neigung zum Phantastischen, die aussergewöhnliche Fähigkeit von Menschen, sich in heiligen Geschichten, Legenden und Mythen eine ganz andere Wirklichkeit als die hier und jetzt gegebene vorzustellen.“ So heisst es bei Friedrich Wilhelm Graf.xxxii c) Ritual Hier sind wir am Anknüpfungspunkt zwischen der primären religiösen Erfahrung und der sekundären religiösen Erfahrung gelangt. Die Idee von den beiden verschiedenen Erfahrungen ist hilfreich und wichtig, auch für die Pfarrer einer Volkskirche wie in Island, in der der Pfarrer den Menschen durch seine Amtshandlungen dient, vor allem anläßlich von Taufe, Konfirmation, Trauung und Beerdigung. 15 Ritus und Ritual in der „alten Gesellschaft“ in Island sind nicht nur Gottesdienste und Amtshandlungen der Pfarrer, sondern auch Hausandachten am Abend und längere Hausandachte am Sonntagabend, wo ganze Predigten aus der Hauspostille gelesen wurden. Auch die Gebete, besonders die persönlichen Morgengebete und Anbendgebete und die Seefahrtsgebete der Mannschaft auf den Ruderbooten. Es ist auch von großem Interesse zu sehen, wie gut Begriffe wie Schönheit und Mitleid zu diesem Gedanken passen. Solche Begriffe sind Hinweise in zwei Richtungen: auf eine primäre und sekundäre Religionserfahrung. Ihre Wurzel sind nicht ausschließlich innerhalb der christlichen Lehre zu finden, sondern auch im Leben des Menschen der sich einer sekundären Religionserfahrung nicht bewusst ist. Die Elemente der primären Religionserfahrung sind in allen Religionen wiederzufinden.xxxiii Hier geht es nicht um eine Entwicklung von einer primitiven zu einer höheren Stufe sondern „verändert sich die Religionserfahrung mit der Welterfahrung so, dass sich das Neue immer wieder in die primäre Erfahrung integriert und an ihr ausrichtet“. xxxiv Das Differenzieren zwischen den zwei Typen von religiöser Erfahrung kann eine gewisse Spannung mit sich bringen. Die Spannung wird in den Amtshandlungen der Pfarrer sehr deutlich.xxxv Teilweise gründet die Spannung einerseits in der Subjektivität der religiösen Erfahrung und andererseits in der kirchlichen, d.h. gemeinsamen Erfahrung, die auf Inhalt und Wahrheit der religiösen Gemeinschaft beruht und deren Vertreter (auch) der Pfarrer ist. Der Pfarrer muss beides im Sinn haben, die primäre und die sekundäre Erfahrung. Grundlegend für die Primärreligiosität sind Motive des Schützes und des Segens.xxxvi Das passt für die verschiedenen Rituale, die ihre Wurzel in der primären religiösen Erfahrung haben. Gewiss ist es eine Frage, die Theologen beantworten müssen, wie diese beiden Elemente der Rituale, besonders der Amtshandlungen, zusammenspielen in einem gegebenen Ritual. Im Grunde sind es keine neue Vorstellungen, die alten Mystiker haben den Satz cognitio Dei experimentalis: Die Erkenntnis Gottes durch die Erfahrung, hoch 16 geschrieben.xxxvii Meiner Meinung nach ist das auch heute ein sehr bedeutender Gesichtspunkt. IV: Schlussworte Zum Schluss: In der isländischen Theologie hat die Erfahrung des Menschen in der Natur wenig aufmerksam gehabt. Allerding geht es hier um eine grundlegende Erfahrung, die Angst und Gelassenheit erweckt. Der entscheidende Unterschied, der traditionell zwischen menschlicher Erfahrung und religiöser Erfahrung im engeren Sinne gemacht worden ist, hat hat meiner Meinung nach dazu beigetragen dass die menschliche Erfahrung des Unbedingten, des ultimate concern, seit Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts keine angemessene Aufmerksamkeit innerhalb von Theologie und Kirche gefunden aufgrund der Wende in der isländischen Theologie hin zu einer antiliberalneukonservativen Ausrichtung. Hier muss man einen neuen Anfang machen, der einerseits auf der Grundlage der beiden Religionsbegriffe Sundermeiers gebaut ist – aber andererseits auch auf den praktisch-theologischen Ansätzen von Professor Wilfried Engemann und Professor Wilhelm Gräb. Ihrer beiden Werke, die jetzt in isländischer Übersetzung vorliegen, sind gut aufgenommen worden. Beide haben das Thema „Als Mensch zum Vorschein kommen“. Darin kann man gute Perspektiven der Glaubenskultur des Christentums erkennen. 17 Literaturverzeichnis BARTH, ULRICH: Aufgeklärter Protestantismus, Mohr Siebeck, Tübingen 2004. ENGEMANN, WILFRIED: Á mælikvarða mannsins, Mosfellsbær 2012. ENGEMANN, WILFRIED: Einführung in die Homiletik, 2. Auflage, A. Francke Verlag Tübingen und Basel 2011. FISCHER, HERMANN: Friedrich Schleiermacher, Beck'sche Reihe, München 2001. FRIEDRICH WILHELM GRAF: „Einleitung“ in: Friedrich Wilhelm Graf und Heinrich Meier (Hg.); Politik und Religion. Zur Diagnose der Gegenwart, Verlag C.H.Beck, München 2013. GEYBELS, HANS: Cognitio Dei experimentalis. A Theological Genealogy of Christian Religious Experience (Bibliotheca Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium), Leuven 2007. GRETHLEIN, CHRISTIAN: Grundinformation Kasualien. Kommunikation des Evangeliums an Übergängen des Lebens, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007. GUNNAR KRISTJÁNSSON: „Mynstershugleiðingar“, S. 33-37, in: Þórunn Valdimarsdóttir und Pétur Pétursson (Red.): Til móts við nútímann. Kristni á Íslandi, IV. bindi, ritstjóri Hjalti Hugason, Reykjavík 2000. GUNNAR KRISTJÁNSSON: Religiöse Gestalten und christliche Motive im Romanwerk „Weltlicht“ von Halldór Laxness, Bochum 1978. HALLDÓR LAXNESS: Sein eigener Herr, aus dem Isländischen von Bruno Kress. Steidl Verlag, Göttingen 1992,1998. 1. Auflage 1998. HALLDÓR, LAXNESS: Weltlicht, aus dem Isländischen übersetzt von Ernst Harthern. AufbauVerlag, Berlin 1956. HALLGRÍMUR PÉTURSSON: Die Passionspsalmen des isländischen Dichters Hallgrímur Pétursson 1614-1674. Unter Beibehaltung der Dichtungsform des Originals. In deutscher Sprache wiedergegeben von Wilhelm Klose, Reykjavík 1974. 18 HJALTI HUGAON, „Kristnir trúarhættir“. Íslensk þjóðmenning V. Bd., ritstj. Frosti F. Jóhannsson, Þjóðsaga, Reykjavík, 1988. Hugtök og heiti í bókmenntafræði, Bókmenntafræðistofnun Háskóla Íslands, Reykjavík 1983. JÓN HELGASON: Tómas Sæmundsson, Æfiferill hans og æfistarf, Ísafold, Reykjavík 1941. JÓN ÞORKELSSON VÍDALÍN (1666-1720): Vídalínspostilla, hússpostilla eður einfaldar predikanir yfir öll hátíða- og sunnudagaguðspjöll árið um kring. Gunnar Kristjánsson og Mörður Árnason sáu um útgáfuna. Mál og menning, Reykjavík 1995. LAUSTEN, MARTIN SCHWARZ: Danmarks kirkehistorie, Gyldendal, 2. Ausgabe, 2. Auflage, Kopenhagen 1987. LÚÐVÍK KRISTJÁNSSON: Íslenzkir sjávarhættir Bd IV. Menningarsjóður, Reykjavík 1985. MYNSTER, JAKOB PETER: Betragtninger over de christelige Troslaerdomme I-II, Kopenhagen 1833 (deutsch 1840 [2. Auflage]). MYNSTER, JAKOB PETER: Hugleiðingar um höfuðatriði kristinnar trúar, Þorgeir Guðmundsson (útg.), Kaupmannahöfn 1839. PÁLL VALSSON: Jónas Hallgrímsson, ævisaga, Mál og menning, Reykjavík 2007. SCHLEIERMACHER, FRIEDRICH, Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern. Philipp Reclam jun., Stuttgart, 1969. Die Seitenangabe erfolgt ohne weitere Kennzeichnung im Text und zwar nach der in dieser Ausgabe am Rande mitgeteilten Originalpagerung. Isländische Ausgabe, Um trúarbrögðin, þýðing: Jón Árni Jónasson, Hið íslenska bókmenntafélag, Reykjavík 2007. SUNDERMEIER, THEO: Religion. Was ist das? Religionswissenschaft im theologischen Kontext. Ein Studienbuch. Frankfurt am Main, Verlag Otto Lembeck, 2007, 2. erweiterte Neuauflage von „Was ist Religion. Religionswissenschaft im theologischen Kontext“, Gütersloh 1999. 19 TILLICH, PAUL: Perspectives on 19th and 20th Century Protestant Theology, SCM Press Ltd, London 1967. TILLICH, PAUL: Systematic Theology, James Nisbet & Co Ltd, London1968. TÓMAS SÆMUNDSSON: Bréf Tómasar Sæmundssonar. Gefin út á hundrað ára afmæli hans 7. júní 1907. Búið hefur til prentunar Jón Helgason, Sigurður Kristjánsson, Reykjavík 1907. TÓMAS SÆMUNDSSON: Ferðabók, Hið íslenska bókmenntafélag, Reykjavík 1947. ÞORKELL BJARNASON: „Trúrækni og kirkjulíf fyr meir“, Kirkjublaðið, Reykjavík 1891, s. 5152. 20 Anmerkungen i Sjóferðabæn sr. Odds V. Gíslasonar: Í nafni Guðs föður, sonar og heilags anda. / Almáttugi Guð, ég þakka þér að þú hefur gefið mér líf / og heilsu svo ég geti unnið mín störf í sveita míns andlits. / Drottinn minn og Guð minn. Þegar ég nú ræ til fiskveiða / og finn vanmátt minn og veikleika bátsins / gegn huldum kröftum lofts og lagar, / þá lyfti ég upp til þín augum trúar og vonar / og bið þig í Jesú nafni að leiða oss á djúpið, / blessa oss að vorum veiðum og vernda oss, / að vér aftur farsællega heim til vor náum með þá björg / sem þér þóknast að gefa oss. / Blessa þú ástvini vora, og leyf oss að fagna aftur samfundum / svo vér fyrir heilags anda náð samhuga / flytjum þér lof og þakkargjörð. / Ó, Drottinn, gef oss öllum góðar stundir, / skipi og mönnum í Jesú nafni. Amen. ii Wichtig für meine theologische Sicht ist auch Engemanns anthropologisch/theologische Thema der Predigtlehre, sein Vorschlag für den Titel für die Ausgabe seiner 13 Vorträge über die Predigt in isländischer Übersetzung war „Als Mensch zum Vorschein kommen“. iii Die Passionspsalmen des isländischen Dichters Hallgrímur Pétursson 1614-1674. Unter Beibehaltung der Dichtungsform des Originals. In deutscher Sprache wiedergegeben von Wilhelm Klose. Reykjavík 1974. iv http://de.wikipedia.org/wiki/Theo_Sundermeier (10.4.2014). Sundermeier, Theo, Religion. Was ist das? Religionswissenschaft im theologischen Kontext. Ein Studienbuch. Frankfurt am Main, Verlag Otto Lembeck, 2007. 2. erweiterte Neuauflage von „Was ist Religion. Religionswissenschaft im theologischen Kontext“, Gütersloh 1999. v Geybels, Hans: Cognitio Dei experimentalis. A Theological Genealogy of Christian Religious Experience (Bibliotheca Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium), Leuven 2007, S. 4: „Etymologiscally there are two possible aspects and approaches, an active and a passive. The Greek peirasþai (substansive: peira; Latin: esperiri/experientia, experimentum) as an active verb means the crossing of land or sea in order to explore and get to know them (compare the etymology of the German erfahren or the contemporary use of experiment). Metaphoricalli it means entering into an experience and taking the risk og being changed by it. Here lies the link to the passive meaning of the concept. Passively, experiencing means „being moved, sensing, enduring“. vi WA.TR. 46. vii “Absolutely. And when you say: emotional and affective, we can only understand that by returning to the animal world and by feeling waht we have adopted from the animals. All great feelings are shared with animals.“ Von: E. Drewermann, Greeft religie nog zin? Zin vinden in tijden von zucht naar macht en geld, Averbode, 2002, pp. 87-88, hier nach Geybels, Hans: Cognitio Dei experimentalis. A Theological Genealogy of Christian Religious Experience (Bibliotheca Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium), Leuven 2007, S. 1-2. viii Geybels, Hans: Cognitio Dei experimentalis. A Theological Genealogy of Christian Religious Experience (Bibliotheca Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium), Leuven 2007, S. 446: „Thus Schleiermacher breaks with the medieval and Lutheran belief that religion and experience are not identical. He reinstates the immediate relationship with God of the medieval mystival authors, but in a context in which the subject is now autunomous.“ ix Geybels, Hans: Cognitio Dei experimentalis. A Theological Genealogy of Christian Religious Experience (Bibliotheca Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium), Leuven 2007, S. 446: „[R]eligion must touch man existentially. Schleiermacher locates this feeling in the innermost reaches of the soul.“ x Hier kann man daran denken dass der „Tag der isländischen Sprache“ am 16. November, am Jónas Hallgrímssons Geburtstag, gefeiert wird. xi Nicht ungewöhnlich in Island sind Sätze wie: „Ich brauche nicht in die Kirche zu gehen um meinen Schöpfer zu finden, mein Gottesdienst findet statt in der Natur.“ In solchen Äusserungen begegnet uns die religiöse Erfahrung der Romantik. Vgl. Gunnar Kristjánsson: „Mynstershugleiðingar“, S. 33-37, in: Þórunn Valdimarsdóttir und Pétur Pétursson (Red.): Til móts við nútímann. Kristni á Íslandi, IV. bindi, ritstjóri Hjalti Hugason, Reykjavík 2000. Bd. IV. s. 280-281 xii Martin Schwarz Lausten, Danmarks kirkehistorie, Gyldendal, Kopenhagen, 2. Ausgabe, 2. Auflage, 1987, S. 233- 235. 21 xiii Betragtninger over de christelige Troslærdomme I-II, Kopenhagen 1833 (deutsch 1840 [2. Auflage]). Die Übersetzung wurde von den Fjölnismännern gemacht, von Jónas Hallgrímsson, Konráð Gíslason og dem Verleger Þorgeir Guðmundsson (1794-1871), später Pfarrer in Gloslunde, Lolland, Dänemark. xiv Hugtök og heiti í bókmenntafræði, Reykjavík 1983, S. 224. xv „Vel líkar mér uppátæki ykkar með að útleggja Mynsters „Betragtninger“; ... bókin gengur óhult út með tímanum, ef ekki strax.“ Bréf Tómasar Sæmundssonar. Gefin út á hundrað ára afmæli hans 7. júní 1907. Búið hefur til prentunar Jón Helgason, Reykjavík 1907, S. 246. xvi Hermann Fischer, Friedrich Schleiermacher, München 2001, S. 99f, 106f 119. xvii Tómas Sæmundsson, Ferðabók, Reykjavík 1947, S. 142. xviii Tómas Sæmundsson, Ferðabók, Reykjavík 1947, S. 143. xix Tómas Sæmundsson, Ferðabók, Reykjavík 1947, s. 144. xx Paul Tillich, Perspectives on 19th and 20th Century Protestant Theology, Norwich 1967, S. 77. xxi Halldór Laxness, Sein eigener Herr, aus dem Isländischen von Bruno Kress. Steidl Verlag, Göttingen 1992,1998. 1. Auflage 1998. S. 302. xxii Halldór Laxness, Weltlicht, aus dem Isländischen übersetzt von Ernst Harthern. Aufbau-Verlag, Berlin, 1956. Bd. I, S. 16. xxiii Laxness, Sein eigener Herr, aus dem Isländischen von Bruno Kress. Steidl Verlag, Göttingen 1992,1998. 1. Auflage 1998. s. 424. xxiv Laxness, Sein eigener Herr, aus dem Isländischen von Bruno Kress. Steidl Verlag, Göttingen 1992,1998. 1. Auflage 1998. S. 425. Das isländische Wort für Mitleid, samlíðun, ist – gemäss dem Wörterbuch der Universität Islands – erst im 17. Jahr., in einem Buch vom Pfarrer Páll Björnsson in Selárdalur, zu finden. xxv Tillich hat „eine ausgesprochene Anknüpfungstheologie ertwickelt“. xxv Das Konzept der „ultimate concern“ ist in der Hinsicht von grundlegender Bedeutung.xxv xxvi Hjalti Hugaon, „Kristnir trúarhættir“. 1988. Íslensk þjóðmenning 5. Bd., ritstj. Frosti F. Jóhannsson: Þjóðsaga, Reykjavík, 1987-1990. S. 75-339. Lúðvík Kristjánsson, Íslenzkir sjávarhættir bd IV. : Menningarsjóður, Reykjavík 1985. xxvii Christian Grethlein, Grundinformation Kasualien, S. 42 ff. Theo Sundermeier, „Primäre und Sekundäre Religionserfahrung“ in: Sundermeier, Was ist Religion? Religionswissenschaft im theologischen Kontext, S. 34-42. Theo Sundermeier, Religion. Was ist das? Religionswissenschaft im theologischen Kontext. Ein Studienbuch. Frankfurt am Main, Verlag Otto Lembeck, 2007. 2. erweiterte Neuauflage von „Was ist Religion. Religionswissenschaft im theologischen Kontext“, Gütersloh 1999. xxviii G.W.F.Hegel: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, Werke, hg. von E. Moldenhauer / K.M. Michel, Bd. 12, Frankfurt a.M. 1970, 494. Nach Ulrich Barth, Aufgeklärter Protestantismus, Mohr Siebeck, Tübingen 2004. S. 27. xxix G.W.F.Hegel: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, Werke, hg. von E. Moldenhauer / K.M. Michel, Bd. 12, Frankfurt a.M. 1970, 494. Nach Ulrich Barth, Aufgeklärter Protestantismus, Mohr Siebeck, Tübingen 2004. S. 29. xxx Jakob Peter Mynster, Hugleiðingar um höfuðatriði kristinnar trúar, Kaupmannahöfn 1839, S. III: (Meine Übersetzung aus dem Isländischen): Önd mín er þreytt – hvar má hún finnar hvíld? Ætti ég að lýsa ástandi hennar yrði ég að segja, hún væri einsog fuglinn, sem ofviðrið hrekur út á hið auða hafi: hann stefnir til himins, en vængir hans þreytast ...“ xxxi A.a.O. Trú. Kristindómur. xxxii Friedrich Wilhelm Graf, „Einleitung“ in: Friedrich Wilhelm Graf und Heinrich Meier (Hg.); Politik und Religion. Zur Diagnose der Gegenwart, Verlag C.H.Beck, München 2013. S. 9. xxxiii Theo Sundermeier, „Primäre und Sekundäre Religionserfahrung“ in: Sundermeier, Was ist Religion? Religionswissenschaft im theologischen Kontext, S. 40. xxxiv Theo Sundermeier, „Primäre und Sekundäre Religionserfahrung“ in: Sundermeier, Was ist Religion? Religionswissenschaft im theologischen Kontext, S. 40. xxxv Christian Grethlein, Grundinformation Kasualien, S. 52. Theo Sundermeier, „Primäre und Sekundäre Religionserfahrung“ in: Sundermeier, Was ist Religion? Religionswissenschaft im theologischen Kontext, S. 34-42. xxxvi Christian Grethlein, Grundinformation Kasualien, S. 49. 22 xxxvii Hans Geybels, Cognitio Dei experimentalis: A Theological Genealogy of Christian Religious Experience (Bibliotheca Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium), Leuven 2007. 23