1 Kirchengeschichte in Jahrhunderten http://www.salvator.net/salmat/reli/2jahrtausend.html#11 Die beiden ersten Jahrhunderte Alles beginnt mit Jesus von Nazareth. Er ist von Gott gesandt; mehr noch: Nach seinem Tod erkennen seine Anhänger: Er war Gottes Sohn. Er ist Immanuel = Gott mit uns. Jesu Verkündigung war einfach und entschieden: Liebe Gott aus Deinem ganzen Herzen und liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Diese einfache Botschaft, eine „gute, frohe Nachricht“ (d.h. griechisch: Evangelium) befreit Menschen. So heilt Jesus die Menschen, er tröstet, gibt Vertrauen, stärkt das Selbstbewusstsein. Aufgezeichnet in den Evangelien: Mt, Mk, Lk, Joh. Seine Jünger tragen die Botschaft in alle Welt. Unter den Aposteln sind Petrus und Paulus die bedeutendsten. Apostelgeschichte. Am weitesten kommt dabei Paulus aus Tarsus herum. Mehrere große Reisen führen ihn nach Kleinasien, Griechenland und zuletzt bis Rom. Auf diesen Reisen gründet er viele Gemeinden. In zahlreichen Briefen hält er mit ihnen Kontakt. Diese Briefe entfalten und begründen den jungen Glauben. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil des Neuen Testamentes. Zwischen den Jahren 50 und 100 entstehen die vier Evangelien. In ihnen berichten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes aus dem Leben Jesu. Von Lukas stammt ein weiteres Buch des Neuen Testamentes: Die Apostelgeschichte. Sie schildert die Ausbreitung des Glaubens von Jerusalem bis nach Rom, dem Herzen des römischen Imperiums. Johannes wird die so genannte Offenbarung zugeschrieben. Dieses Buch versucht in extrem bildhafter Art den unter Verfolgung leidenden Gemeinden Trost und Zuversicht zu spenden: Auch wenn die Welt in Trümmer zu fallen scheint („Apokalypse“): Gott wird am Ende siegen. Die ersten Jahrhunderte sind einerseits Jahre stürmischen Wachstum - entlang der römischen Handels- und Verkehrswege über Händler und Soldaten. Schon bald gab es in allen mehr oder weniger großen Städten und Garnisonen Christen. Das Christentum wird zur Religion vor allem der einfachen Leute und der Angehörigen sozial benachteiligter Gruppen. Sie vor allem waren ansprechbar für die revolutionären Ideen der Geschwisterlichkeit, der Menschenwürde, der Barmherzigkeit und Friedfertigkeit. Andererseits aber dringen immer mehr auch Gedanken der hellenistischen Philosophie in das Christentum ein (vor allem die Gnosis), Gedanken und Idee, die der Theologie der kommenden Jahre manchen Verdruss bereiten werden. Mitte dieses Jahrhunderts ist der christliche Glaube im ganzen Reich verbreitet: Spanien, Frankreich, Südengland, Ägypten, Kleinasien, Nordafrika, am Schwarzen Meer; auch außerhalb des Imperiums in Armenien, in Syrien, in Äthiopien. Der Legende nach soll der Apostel Thomas sogar bis hin nach Indien (Thomaschristen)gekommen sein. Zum Dritten ist dies eine Zeit der institutionellen Konsolidierung der jungen Kirche. Strukturen verfestigen sich. Die besondere Rolle des Bischofs von Rom beginnt sich herauszukristallisieren. Lehrbriefe und Synoden legen Ordnungen fest. Um 200 gibt es die Kirchenordnung des Hippolyt, die den Aufbau der Gemeinde und liturgische Fragen regelt. 2 Das dritte Jahrhundert Andererseits werden nun aber auch die Probleme der jungen Kirche deutlicher: Es beginnt die theologische Durchdringung des Glaubens, vor allem des Christusgeheimnisses. Wer ist Jesus wirklich? Wie kann Gott Mensch sein? Wie können die Geheimnisse des Glaubens in der Sprache der Vernunft verständlich gemacht werden. Aus einem einfachen Glauben beginnt sich eine komplizierte Theologie zu entwickeln. Währenddessen hält der äußere Druck unvermindert an: Die Christen müssen weiterhin blutige Verfolgungen ertragen. 1. Epoche: Christen als Sündenböcke: Nero bis ca. 100, Brand Roms (Tacitus: Christen dienten als lebendige Brandfackeln bei den nächtlichen Zirkusspielen, Kreuzigungen, Tierhetzen…) Kaiser Domitian (81-96) ließ sich „Dominus et Deus“ anreden, Kaiserkult (Adonai/kyrie) 2. Epoche: Rechtsbestimmung des Staates: Trajan/Hadrian (100 – 250) Briefwechsel zwischen Trajan und Plinius 3. Epoche: Systematische Verfolgung: Decius/Diokletian (250-311), „Christen gelten als gottlos (Opferbescheinigung), als Staatsfeinde und als unvernünftig“ (Katakomben in Rom geben Zeugnis vom Glauben der Christen, christl. Symbolik) Es ist aber auch die Zeit großer Heiliger: Der Bischof und Theologe Origines, Tertullian, der die Rechtgläubigkeit verteidigt,, die Bischöfe Dionysius von Alexandrien, Cyprian von Karthago oder der sozial engagierte Diakon Laurentius, den man auf einem Rost zu Tode quält ... „Sanguis martyrum semen christianorum“ weiterführende Themen: Christenverfolgung heute 3 Das vierte Jahrhundert Dieses Jahrhundert bringt zunächst das Ende der Unterdrückung. Schlacht an der Milvischen Brücke Konstantin gegen den Rivalen Maxentius („in diesem Zeichen siege“) Kaiser Konstantin macht das Christentum zu einem vom Staat anerkannten Kult – Toleranzedikt von Mailand (313). Veränderungen: Staat und Kirche gehen zusammen, Ende der Christenverfolgung, Abschaffung der Kreuzigung, Sklaverei, Gladiatorenkämpfe, Sonntag wird als freier Tag eingeführt, Kirchenorganisation beginnt (Pfarren, Diözesen,…), Rechtsdenken und Konzilien, Kirche wird zur Massenkirche (Mitläufer), Kindertaufe, christliche Soldaten, Intoleranz von Christen gegen die „Heiden“. Unter dessen Nachfolger Theodosius dem Großen schließlich wird es sogar Staatsreligion (380). Der Legende nach soll Konstantin sich dem Christentum zugewandt haben, weil er kurz vor der Entscheidungsschlacht um Rom an der milvischen Brücke eine Kreuzes-Vision gehabt habe, in der ihm verheißen worden sei: „In diesem Zeichen wirst Du siegen!“ Der wahre Grund ist dagegen vermutlich seine politische Weitsicht. Eine einzige Religion im Staat, der Glaube an einen Gott, dem Schöpfer der ganzen Welt und dem Herrn aller Menschen ist allemal staatserhaltender und einheitsstiftender als eine Vielzahl von Religionen, Kulten und religiösen Überzeugungen. Außerdem war diese neue, junge Religion noch stark, kraftvoll und voller Dynamik. Für viele Kirchenkritiker jedoch war diese staatliche Protektion ein verhängnisvoller Schritt mit weit reichenden Folgen für den Glauben: Dadurch sei die Kirche in eine gefährliche Nähe zur staatlichen Macht gekommen. In der Tat haben in der Folgezeit römisches Recht, Verwaltungswesen und Organisation das kirchliche Denken beeinflusst und kirchliche Strukturen mitgeprägt. Das vierte Jahrhundert ist aber auch die Zeit gefährlicher Irrtümer und Irrlehren. Erste gesamtkirchliche Konzilien und viele regionale Synoden und Konzilien müssen Klarheit schaffen. Überblick zu den Konzilien 4 Das fünfte Jahrhundert In diesem Jahrhundert leben und sterben so bekannte Leute wie: Martin von Tours, Ambrosius von Mailand, Johannes Chrysostomos, und Augustinus (30). Der heilige Patrick von Irland missioniert. Von Irland und Schottland aus werden bald darauf eine Vielzahl von Missionaren das Festland durchwandern und missionieren. Währenddessen geht das weströmische Reich in die Brüche. Vandalen, West- und Ostgoten, die Franken - sie werden zusammen mit ihrem König 498 - katholisch- drängen über die Grenzen. Die Umwälzungen der Völkerwanderung lassen Rom wanken und schließlich stürzen. Mehr und mehr fällt der Kirche nun die Rolle einer ordnenden Macht zu. Sie wird Kulturerbe der klassischen Antike und Kulturträger der kommenden Zeit. Unter den Händen rivalisierender Kaiser und Könige und miteinander kämpfender Völker wird andererseits das Christentum aber auch zum begehrten Spielball politischer Interessen: Für die Kirche lebensgefährliche Irrlehren wie der Arianismus oder der Nestorianismus zum Beispiel werden in den Händen rivalisierender Herrscher zum Mittel der politischen Auseinandersetzung Das sechste Jahrhundert Einer der herausragenden Figuren des 6. Jahrhunderts ist der Heilige Benedikt von Nursia. In Monte Casino gründet er 529 das erste große Kloster. Der Kernsatz der Ordensregel der Benediktiner lautet: Bete und arbeite. Gegen die Völkerwanderung setzte er die stabilitas loci fest. Die Regel des hl. Benedikt ist bis heute Grundlage vieler Ordensgemeinschaften. Das Weströmische Reich liegt in den letzten Zügen und bricht mehr und mehr unter dem Ansturm von Goten und Langobarden zusammen. Der Untergang Roms ist nicht aufzuhalten. Einer der größten Päpste der Kirche hat 590 den Papstthron bestiegen: Gregor der Große. In den Wirren dieser Epoche ist der Papst die einzige noch effektiv funktionierende Ordnungsmacht in Rom. Seine Politik (Konzentration des Besitzes um Rom, Zentralisierung der Verwaltung) schafft die ersten Voraussetzungen für die spätere Schaffung des Kirchenstaates Weite Teile Europas waren inzwischen zwar getauft. Das Christentum war aber noch lange nicht „in den Herzen der Menschen verwurzelt“ 5 Das siebte Jahrhundert Kennt relativ wenige „große Daten und Ereignisse“. Und dennoch: Was damals geschah, wirkt sich noch heute aus... 640 zum Beispiel werden die Serben christlich. Einige tausend Kilometer südlich wird zur gleichen Zeit Mohammed geboren. Und mit ihm der Islam. Noch 1994/95 müssen beide Religionen als Rechtfertigung und Ausrede herhalten für Völkermord, Nationalismus, Gewalt und Terror... In England gewinnt der römische Papst mit Hilfe der iroschottischen Mönche den Sieg über die Angelsachsen (664 Synode von Whitby). Damit setzt er zugleich auch römisches Denken durch: Und das bedeutet: Zentralisierung und Hierarchisierung. Es werden Mönche aus dieser geistigen Tradition sein, die wenig später auf dem Festland die Kirche aufbauen und in eben diesem Sinn reorganisieren. Und es sind wiederum diese Staaten, die bis weit ins Mittelalter hinein europäische und kirchliche Politik dominieren. In Gallien, im Bereich der heutigen Schweiz und in Oberitalien missioniert oder besser reformiert in diesem Jahrhundert Columban die Kirche. Er wird unterstützt von Kilian (Würzburg) und Gallus (St. Gallen). Ende dieses Jahrhunderts wird dann der Mann geboren, der für Deutschlands Kirche von ausschlaggebender Bedeutung ist: Bonifatius Für Salzburg beginnt ein Wiederaufbau unter Rupert aus Worms (696) und dem iroschottischen Mönch und späteren Bischof Virgil Weiterführende Themen: Salzburger Kirchengeschichte Das achte Jahrhundert Das achte Jahrhundert steht - zumindest unter deutscher Sicht- ganz unter dem Namen Bonifatius. In einem - für frühmittelalterliche Verhältnisse - reifen Alter von 40 Jahren erhält Winfried Bonifatius den Auftrag, Germanien zu missionieren. Sein Aufgabenbereich reicht von der Nordsee bis zu den Alpen. Er gründet eine Vielzahl von Bistümern (u.a. Fulda, Erfurt, Würzburg, Eichstätt). Er kämpft gegen heidnische Vorstellungen, reformiert das Klosterwesen (unterstellt sie der Regel des hl. Benedikt), er sorgt für eine gediegene Klerusausbildung, er baut eine funktionierende Verwaltung auf, er schwört die germanische Kirche auf Rom ein: Ein Mammutlebenswerk. 754 wird er bei einer Tauffeier in Friesland erschlagen. Im Westen Europas werden unterdessen ebenfalls Fakten geschaffen. 732 hatte Karl Martell das Abendland bei Tours und Poitiers vor den Arabern gerettet. Sein Nachfolger Pippin ist der Kirche eng verbunden. Bonifatius salbt ihn zum König, Papst Stephan wiederholt die Weihe. Die römische Kirche bindet ihr Schicksal an das Frankenreich. Pippin zeigt sich erkenntlich: Er schenkt der römischen Kirche weite Bereiche Mittelitaliens zu eigen, ideologisch gestützt mit der „konstantinischen Schenkung“, einer glatten Fälschung. Angeblich habe Konstantin die Päpste zu Erben und Rechtsnachfolgern des römischen Reiches gemacht. Obwohl schon sehr früh die Falschheit des Dokumentes bekannt war, hat die römische Kirche intensiv davon Gebrauch gemacht und Ansprüche durchgesetzt. 6 Das neunte Jahrhundert Das neunte Jahrhundert ist das Jahrhundert Karls des Großen. Er schafft ein einheitliches europaweites Reich und ist gleichzeitig Hüter der Kirche. Weihnachten 800 krönt ihn Papst Leo III. in Rom zum Kaiser. Spätestens jetzt kann man von einem „christlichen Abendland“ im heutigen Sinn sprechen, Militärischen Eroberungen Karls folgen - teils brutale Zwangsmissionierungen (z.B: Sachsen). Dabei mischen sich bei Karl militärpolitische Überlegungen mit religiösen Überzeugungen. 814 stirbt Karl in Aachen. Im Osten Europas haben inzwischen die Mönche Methodius und Cyrill ein Werk vollbracht, das hinter der Leistung des Bonifatius nicht zurücksteht. Sie entwickeln für die Slawen ein eigenes Alphabet, eine Liturgie und eine Bibel in eigener Sprache. Bei gleichzeitiger optimaler „Inkulturation“ binden auch sie ihr Werk konsequent an Rom und den Papst an. Umso verrückter, dass gerade dieses Jahrhundert als eines der schwärzesten in der katholischen Kirche gilt. Mit ihm beginnt das „saeculum obscurum“, das so genannte „finstere Mittelalter“. Rom findet sich nach Karls Tod alleingelassen und den Intrigen und Machtspielen regionaler Machthaber um Rom ausgeliefert. Das Papsttum wird hineingerissen in den Sumpf von politischer Gewalt, machtlüsternen Intrigen, feigem Verrat und kalkuliertem Mord, von Ämterkauf und sexueller Ausschweifung. Betrug, Mord und Todschlag stehen fast auf der vatikanischen Tagesordnung. 44 Päpste besteigen den Papstthron allein zwischen 882 (Papst Johannes VIII) und 1049 (Papst Leo IX), ein Personalbedarf, der unter normalen Umständen für 500 Jahre und mehr gereicht hätte! Aber wie so oft: Wo alles zu zerfallen scheint, sind die heilenden, die positiven Kräfte des Neuanfangs nicht fern. Die cluniazensische Reformbewegung (benannt nach dem burgundischen Reformkloster Cluny) erneuert die Kirche nachhaltig und von innen heraus. weitere Themen: Taizé und Freré Roger Schutz 7 Das zehnte Jahrhundert Gleichzeitig kommen in Deutschland die „Ottonen“ an die Macht. Heinrich I. deutscher König von 919-936, Otto der Große, Kaiser seit 963 und mit Kaiser Konrad 1024 das Geschlecht der Salier. Sie schaffen neu ein starkes, geeintes deutsches Reich, das nun wieder in die Lage versetzt wird, ordnend in Rom einzugreifen. In dieser Epoche wird die Kirche in Deutschland konsequent in die Herrschaftsstrukturen eingebunden. Die Könige geben Bischöfen Anteil an der Macht, machen sie zu Fürsten mit großem und weit reichenden Einfluss. Da die Bischöfe ehe- und kinderlos sind und somit keinen familiären- oder Sippeninteressen unterliegen, erhoffen sich die Könige und später die Kaiser von ihnen besondere Treue, Verbundenheit und Verlässlichkeit. Dafür beanspruchen sie entscheidende Mitspracherechte bei der Bischofsernennung. Dieses System, das im günstigen Fall durchaus zu beider Seiten Vorteil gelingen konnte, trug in sich den Keim des Missbrauchs („Vetternwirtschaft“, „Ämterkauf“ - Nepotismus, Simonie). Der Konflikt mit Rom war vorprogrammiert. Zumal, wenn die Kaiser sich bei der Besetzung des Papststuhls einmischten. Das geschah oft genug sogar zum Besten der Kirche (Unterstützung von innerkirchlichen Reformbewegungen). Das elfte Jahrhundert Der Kampf darum, wer in der Kirche und im Reich das Sagen und das letzte Wort hat, ist als „Investiturstreit“ bekannt. Dieser Streit fand 1077 mit dem Bußgang nach Canossa einen Höhepunkt, aber noch lange nicht das Ende. Papst Gregor VII. schien zwar vordergründig „Sieger“ über König Heinrich IV. zu sein. Aber kurz danach entbrannte der Streit umso heftiger, gegenseitige Absetzungen, Bannsprüche, militärisch ausgefochtene Machtkämpfe zwischen der königlichen und der päpstlichen Partei bleiben an der Tagesordnung. Denn so einfach lagen die Dinge nicht. Zu sehr waren Kirche und Königreich von dem Gedanken durchdrungen, dass es vor Gott nur eine Christenheit gebe, gleichsam ein Leib, an dem Papst und Kaiser lediglich der jeweils „andere“ Arm waren. Der Kampf zwischen beiden sollte sich noch bis zum Wormser Konkordat 1122 hinziehen. Doch vielleicht weit reichender und folgenschwerer wurde die Auseinandersetzung des Papstes mit Byzanz. Der Patriarch von Konstantinopel fühlte sich im Kampf gegen die islamischen Sarazenen von Rom verraten und verkauft; er sammelt „Glaubensgründe“ gegen den Papst. Diese theologischen Streitigkeiten führen dann zum großen Schisma von 1054. Seither gibt es die Westkirche (römisch-katholisch) und die Ostkirchen (Orthodoxe). Zum ersten Mal in der Geschichte des Christentums kann man nicht einfach nur von „der Kirche“ sprechen. 8 Das 12. Jahrhundert Die kommenden Jahrhunderte haben ein neues Thema: Die Auseinandersetzung mit dem Islam und der arabischen Expansion. Längst hat der Islam Arabien, Nordafrika, Spanien erobert. Er ist bis Indien vorgedrungen. Israel, das Heilige Land ist bedroht. 1119 gründen französische Ritter zum Schutz der Pilger im Heiligen Land den „TemplerOrden“. In Spanien kann König Alfons I. von Arragon einen Teil Spaniens den Muslimen wieder entreißen Spanien tritt allmählich ins Rampenlicht der europäischen Machtpolitik. Allerdings dauert es noch ca. 300 Jahre, bis unter dem Spanier Philipp II. ein Weltreich entstanden ist, in dem „die Sonne nicht untergeht“. In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts beginnen die Kreuzzüge. Dem Zisterziensermönch Bernhard von Clairveaux gelingt es, in feurigen Predigten den deutschen und französischen König und die Ritterschaften Europas für den Kreuzzug zu begeistern. In dieser Zeit lebt auch Hildegard von Bingen. Inzwischen ist es Kaiser Friedrich I., der sich mit dem Papst herumschlägt und am Ende unterliegt. Er wird zweimal gebannt, sein Sohn wird hingerichtet. Das Ende der Stauffermacht drängt für lange Zeit Deutschland aus der europäischen Machtpolitik. 1187 wird Jerusalem von den Sarazenen erobert und das christliche Heer vernichtend durch Saladin geschlagen. Während die Päpste und bischöflichen Fürsten in der „Weltpolitik“ engagiert sind, finden sich an der Basis immer wieder Reformer, die den Kern des christlichen Glaubens entschieden leben. Einer, der bis heute den Geist der Kirche entscheidend mitprägte, ist der Bettelmönch Franziskus. Auch heute sind es vor allem Mönche aus den franziskanisch geprägten Orden, die sich für soziale Gerechtigkeit auch politisch engagieren (Theologie der Befreiung). Neben den Reformbewegungen in der Kirche entstehen auch kirchenkritische und sozialrevolutionäre Bewegungen. Eine kirchliche und staatliche Interessengemeinschaft führt in Südfrankreich zu einem brutalen und grausamen Krieg gegen die Albigenser. Ein Massaker im Namen des rechten Glaubens. Nachdem Jerusalem von Kreuzfahrern in einer blutigen Schlacht zwischenzeitlich zurückerobert werden konnte, geht Jerusalem 1244 der Christenheit endgültig verloren. Rund 50 Jahre später ist das gesamte Kreuzzugsunternehmen gescheitert: Mit dem Fall der Burg der Hafenstadt Akko 1291 werden die letzten Kreuzritter vertrieben. 9 Das 13. Jahrhundert Es ist das Jahrhundert der Hochscholastik. In ihm leben und sterben so große Theologen wie Thomas von Aquin (+1274), Bonaventura (+1274), der „doctor universalis“ Albertus Magnus (+1280), Hochschullehrer in Köln und Paris, Alexander von Hales, Johannes Dunscotus. Es ist aber auch das Jahrhundert aufgewühlter religiöser Erneuerung, apokalyptischer Ängste, schwärmerischer und sozialer Bewegungen. Es ist das Jahrhundert eines Franziskus, aber auch das der Geißlerbewegung und der Albigenserkriege. Die Geißler (lat. Flaggelanten), zogen singend und betend durch das Land, geißelten sich zur Buße die nackten Oberkörper, um so -schwärmerisch verzückt- am Leiden Jesu teilzuhaben und die Welt zu erlösen. Fanatisierte Kinder rotten sich zusammen und ziehen gegen Jerusalem (Kinderkreuzzug) und gehen unterwegs elend zugrunde. Der nach Joachim von Fiore genannte Joachimismus (Warten auf den Weltuntergang) findet rund 50 Jahre nach dem Tod Joachims in dieser Zeit seinen Höhepunkt. Wie verunsichert die offizielle Kirche auf diese Aufbrüche reagiert, zeigt das Verbot von Ordensgründungen. 1215 und 1231 wird die Inquisition gegründet, in ihren schlimmen Auswirkungen eine Art "kirchliche Gesinnungspolizei". In der gleichen Zeit leben und dichten in Deutschland Walter von der Vogelweide, Wolfram von Eschenbach und Gottfried von Straßburg. In Italien entstehen die ersten Werke Dantes. Im Kloster Helfta lebt eine große Mystikerin: Die heilige Mechthild. 10 Das 14. Jahrhundert Das vierzehnte Jahrhundert steht für das Aufkommen der Renaissance und dem gleichzeitigen Verfall des Papsttums. Es ist eines der dunkelsten Kapitel der Kirche. Anfang des Jahrhunderts bereits geraten die Päpste unter den Einfluss Frankreichs und müssen nach Avignon umsiedeln (1309) und bleiben dort bis 1377. Papst Gregor XI kehrt nach Rom zurück. Ein Jahr später setzt Frankreich einen Gegenpapst durch. Das abendländische Schisma ist da und dauert bis 1415. Der Wunsch nach kirchlicher Erneuerung und religiöser Vertiefung bewegt dagegen die Basis. Bußprediger wie Vinzenz Ferrer und Bußwallfahrten finden breiten Anklang. Unter dem französischen Druck löst der Papst 1312 den Templerorden auf, das Vermögen fällt an den französischen König. In Frankreich wachsen auch innerkirchliche, theologische Bestrebungen, die zentrale Rolle Roms infrage zu stellen: die Ideen des Konziliarismus (ein Konzil ist die oberste Autorität der Kirche und dem Papst übergeordnet) und Gallikanismus (die Forderung nationaler Staatskirchen) werden die kommenden Jahre Kirche, Theologie und Staat beschäftigen und bis ins 19. Jahrhundert hineinwirken. Die Schwäche des Papsttums und seine Abhängigkeit von französischen Interessen führt umgekehrt dazu, dass sich die deutschen Fürsten und Könige von Rom und päpstlichen Machtansprüchen emanzipieren. Mit Ludwig wird 1328 zum ersten Mal ein Kaiser in Abwesenheit eines Papstes gekrönt. 1338 regelt der Rhenser Kurverein und 1356 die Goldene Bulle das Wahlrecht neu: Sieben Kurfürsten wählen den deutschen König; eine päpstliche Bestätigung ist dazu nicht mehr erforderlich. In diesem Jahrhundert beginnen die - vorher so nicht erahnten- die Kontaktes des Abendlandes mit dem Morgenland in den Kreuzzügen Früchte zu tragen: Die abendländische Kultur lernt arabische Wissenschaften kennen, über sie findet sie wieder Kontakt zu verloren gegangenen antiken, hellenistischen Quellen. Das führt zu einer Wiedergeburt (Renaissance) antiken Denkens. Der klassisch-schöne, göttliche Mensch wird Leitbild der Epoche. Diese Ausgangslage führt zu einer fast explosionsartigen Entwicklung von Kunst, Erforschung, Entdeckung und Bildung. 1348 wird die Universität Prag gegründet, 1365 folgen Wien, 1386 Heidelberg, 1388 Köln, 1392 Erfurt. 11 Das 15. Jahrhundert Dieses Jahrhundert bringt den Höhepunkt der Renaissance. Das zeigen so berühmte Namen wie: Erasmus von Rotterdam, Theologe und humanistischer Philosoph; die Maler Michelangelo, Leonardo da Vinci und Raffael; der Theologe Nikolaus von Cues, der Mystiker Thomas von Kempen. Gutenberg entdeckt den Buchdruck (1445), Kolumbus entdeckt Amerika (1492). Gleichzeitig aber wütet in Spanien aufs Grausamste die Inquisition gegen Mauren, Juden, Katharer und Waldenser. 1483 wird Luther geboren, 1484 Zwingli. Die Päpste in Rom zeichnen sich eher durch Kunstverstand und Bauwut aus als durch theologische oder religiöse Kompetenz. Das 16. Jahrhundert Das 16. Jahrhundert ist das Jahrhundert der Reformation. Vieles trägt zu dieser Entwicklung bei: Da ist einmal das veränderte geistige Klima der Epoche, das gewachsene Selbstbewusstsein (Humanismus) der Menschen, ihr Anspruch auf Selbstverantwortung (beginnender Individualismus), der die am Subjekt und an moralischer Eigenverantwortung orientierte reformatorische Frömmigkeit mehr entsprach als die eher an Gemeinschaft und Gehorsam orientierte katholische Mentalität. Dem hatte eine degenerierte Kirche - zumal in Rom - wenig entgegenzusetzen. In den entscheidenden Jahren sitzt ein Medici auf dem Papstthron, dem Glaube, Theologie und Kirche weniger bedeuten als Kunst, prachtvolle Hofhaltung und Machtpolitik. Der Buchdruck und die damit gegebene Publizität der Gedanken spielt eine wichtige Rolle und macht die Reformation zu einer Massenbewegung. Die Übersetzung der Bibel durch Martin Luther ins Deutsche erlaubt den Gläubigen einen eigenen Einblick in die Quellen des Glaubens und macht sie damit kritischer und unabhängiger. Sicherlich kam die Reformation mit ihrer antirömischen und faktisch auch antikaiserlichen Dynamik den Unabhängigkeitswünschen der Fürsten entgegen. Zumal der Habsburger Kaiser mit vier Kriegen (1521, 1527, 1536, 1442) gegen Franz I., König von Frankreich, hinreichend beschäftigt war. Außerdem stehen die Türken vor Wien. (1529) Als Rom dem englischen König Heinrich VIII. die Scheidung von seiner spanischen Frau und eine Heirat mit Anna Boleyn verbietet (1533), macht ihn die Suprematsakte (1534) zum Oberhaupt einer unabhängigen englischen Staatskirche. 1588 vernichtet seine kleine, aber wendige Flotte die Armada, die berühmte Großflotte Spaniens. Nach den Auseinandersetzungen mit Rom in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts folgt in der zweiten eine Konsolidierung der Reformation zugleich auch ihre Ausdifferenzierung (Calvinisten, Zwinglianer), gleichzeitig besinnt sich endlich auch die katholische Kirche und beginnt ihre Selbstreform mit dem Konzil zu Trient 1545-1563. Papst Pius IV. stützt und fördert die theologische und pastorale Erneuerung der Kirche. Diese innere Reform wird bald zu einer „Gegenreformation“, dem Versuch - kirchlich und machtpolitisch das an die reformatorischen Kirchen verlorene Terrain zurückzuerobern. Innerkirchlich sind es vor allem die Jesuiten (in Deutschland Petrus Canisius und sein Katechismus), auf der politischen und militärischen Seite sind es die spanischen Kaiser. 12 Das 17. Jahrhundert Für viele Menschen in ganz Europa bringt dieses Jahrhundert Elend und Leid, Verfolgung und Unterdrückung. Europa ordnet sich religiös-kirchlich und machtpolitisch neu. 30 Jahre, von 1618-1648 tobt auf deutschem Boden ein Krieg zwischen protestantischen Mächten, angeführt von dem schwedischen König Gustav Adolf und den katholischen Mächten, angeführt von den spanischen Kaisern. Viele fliehen vor der religiösen Unterdrückung und dem wirtschaftlichen und sozialen Elend nach Amerika und suchen dort eine neue, friedvollere und freiere Heimat. Aber im gleichen Jahr, da die Pilgerväter in Amerika den Staat Massachusetts gründen, werden in Virginia die ersten Negersklaven importiert. Wiederum einige tausend Meilen südlich gründen Jesuiten 1608 einen unabhängigen „Indianerstaat“, den Jesuitenstaat von Paraguay mit dem Ziel, die Unabhängigkeit und Freiheit der Indianer zu sichern, sie zu bilden und wirtschaftlich unabhängig zu machen und sie vor allem vor kolonialistischen Zugriffen zu schützen. 1648 wird Oliver Cromwell in England Gewaltherrscher; 1660 versuchen die katholischen Stewarts eine Restauration auch in England; in der glorreichen Revolution 1688 werden die Stewarts vertrieben und die englische Hochkirche als alleinige Kirche wiederhergestellt. Aber dieses Jahrhundert kennt auch andere Namen: Die Maler Peter Paul Rubens und Rembrand, die Philosophen Descartes und Baruch Spinoza oder John Locke, Thomas Hobbes, in Frankreich Plaise Pascal, in Italien der Naturwissenschaftler Galileo Galilei. In Frankreich lebt und wirkt Vinzenz von Paul, der sich für Arme und Kranke einsetzt. Das 18. Jahrhundert Die Jahre dieses Jahrhunderts bringen Europa endlich wieder eine gewisse Ruhe; mehr noch: es erhebt sich aus den Ruinen zu neue Größe und Blüte. Es ist die Zeit des Barock (Johann Sebastian Bach (+1750), Versaille und Ludwig XIV. (+1715); es ist die Zeit der Aufklärung und der deutschen Klassik: Goethe, Schiller, Lessing, Klopstock, Kant, Herder, Voltaire, Leibniz, David Hume ... Aber Frieden kennt auch dieses Jahrhundert nicht: Österreich und Preußen (Siebenjähriger Krieg 1756-1763), die spanischen Erbfolgekriege (1701-14), England und Frankreich kämpfen in den amerikanischen Kolonien gegeneinander, Polen wird geteilt und schließlich, am Ende dieses Jahrhunderts: die große französische Revolution. Nur unter Wehen kommt die Neuzeit zur Welt! Und aufs Ganze gesehen, gehört die katholische Kirche noch zur alten Welt! Sie tut sich schwer mit dem neuen Denken, mit protestantischer Freiheit und Selbstbewusstsein. Mit aller ihr noch verbliebenen Macht kämpft sie gegen erneute Bestrebungen, Nationalkirchen unabhängig von Rom zu errichten (Emser Punktation 1786; Febronianismus); auf Druck Portugals und Spaniens, die den Jesuitenorden bereits aus ihren Ländern vertrieben hatten, muss der Papst schließlich 1773 diesen Orden aufheben. Wegen ihres Einflusses und wegen ihrer antikolonialistischen Indianerpolitik waren sie diesen Mächten obsolet geworden. Aber in der französischen Revolution 1789 entladen sich all jene Spannungen ähnlich dem Erdbeben von Lissabon, das 1755 die Stadt dem Erdboden gleichmachte. 13 Das 19. Jahrhundert. Die Revolution hat erst Frankreich, dann durch Napoleons Kriege ganz Europa grundlegend verändert. Europa wird neu geordnet. Zunächst befreit man sich von Napoleon; auf dem Wiener Kongress stecken die Großmächte ihre Claims neu ab. Die deutschen Länder bewegen sich aufeinander zu (Zollverein, Deutscher Bund), versuchen sich in Demokratie (Burschenschaft, Paulskirche). Das deutsche Bürgertum konsolidiert sich, sehnt sich nach Geborgenheit und privater Ruhe (Biedermeier); die Romantik sucht nach neuen Idealen. Goethes Faust entsteht, Beethoven lebt in Wien. Auch die katholische Kirche versucht Boden unter die Füße zu bekommen. Der Kirchenstaat war bereits 1809 aufgehoben, der Papst gefangen gesetzt worden. In Deutschland ist die Kirche enteignet worden. Doch bereits 1848 erhält der Kirchenstaat eine neue Verfassung und der Papst kehrt zurück. Der äußeren Machtgrundlagen beraubt, sucht die katholische Kirche Halt und Sicherheit „innen“. Einmal in der Betonung des Papsttums und des Zentrums Rom (Ultramontanismus, Wiedereinführung der Inquisition, Einführung des Index, Wiederzulassung der Jesuiten). Zum anderen aber auch in einer pastoralen, religiösen Erneuerung vor allem auch in Deutschland. Das zeigte sich nicht zuletzt auch in ihrer Sensibilität für die soziale Frage (Aufbau eines katholischen Vereinswesens, Aufbau des Laienkatholizismus, Einführung von Katholikentagen; der für soziale Gerechtigkeit kämpfende Bischof Kettler, der „Gesellenvater“ Adolph Kolping). Anders Rom: Von einer Sensibilität für die Moderne keine Spur: Statt dessen Abwehr, Verteidigung und Verfestigung. Während das geistige Leben von Denkern wie Marx, Feuerbach, Kierkegard, Comte, Hartmann und Nietzsche bestimmt wird, wird seit 1870 im katholischen Bildungsbereich ausschließlich neuscholastisch gedacht und gelehrt. Der Papst stellt die Irrtümer der Moderne zusammen (Syllabus) und verurteilt sie. Kirchliche Amtsträger müssen darauf schwören (Antimodernisteneid 1910). Die Betonung der päpstlichen Macht führte 1871 zur Unfehlbarkeitserklärung des I. Vatikanischen Konzils; sie stellt die Kirche in Deutschland vor eine Zerreißprobe und führt zur Abspaltung der Altkatholischen Kirche. Auch gegenüber dem Staat muss das Verhältnis neu geordnet werden. Konkordate werden geschlossen mit den katholischen Ländern Österreich, Spanien, Bayern; mit dem protestantischen Preußen muss erst ein „Kulturkampf“ ausgefochten werden. 14 Das 20. Jahrhundert Es sind keine kirchlichen Themen, die das 20. Jahrhundert bestimmen, sondern die russische Revolution und deren Folgen, zwei große Weltkriege, der Holocaust, die Atombomben auf Japan und schließlich der Zusammenbruch des Kommunismus oder auch die Landung des ersten Menschen auf dem Mond. Dennoch gelingt der katholischen Kirche im zwanzigsten Jahrhundert mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil der Anschluss an die Neuzeit. Hatte am beginn dieses Jahrhunderts noch der Antimodernisteneid gestanden, so wünscht Papst Johannes XXIII nun ein Aggiornamento, eine Anpassung. Papst Paul VI. setzt das Konzil fort. Das neue Konzil sollte inhaltlich das Erste Vaticanum ergänzen und die Kirche der Neuzeit öffnen: Katholische Kirche, das ist nicht nur der Papst, sondern die Gesamtheit aller Bischöfe weltweit; das ist nicht nur der geweihte Klerus, sondern alle Getauften. Entsprechend stärkten die Dokumente dieses Konzils die kollegialen Strukturen und die Rechte und Mitverantwortung des „ganzen Volkes Gottes“. Das Konzil öffnet sich dem demokratischen Denken und synodalen Strukturen, es bejaht die Ökumene, bestimmt ihr eigenes Verhältnis gegenüber den anderen Weltreligionen neu. Das Konzil mit seinen Hunderten von Bischöfen aus allen Ländern der Welt deutet aber auch das Ende des Eurozentrismus an. Schon lange ist Europa nicht mehr der statistische Mittelpunkt der Kirche. Mehr und mehr wird sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten auch der Schwerpunkt der theologischen Forschung und der Spiritualität in die jungen Kirchen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas verlagern. Was das für die katholischen Kirchen Europas bedeutet, in welche Richtung sich auch inhaltliche und politische Schwerpunkte der Kirche verlagern ist noch nicht abzusehen. Das zwanzigste Jahrhundert bringt mit dem Polen Karol Woityla den ersten Nichtitaliener seit 500 Jahren als Johannes Paul II. auf den Papstthron. Er zählt zu den bedeutendsten Päpsten der Kirchengeschichte, seine vielen Reisen haben ihn zu der bekanntesten Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts gemacht. Als seine Nachfolger werden Bischöfe aus Schwarzafrika, aus Südamerika, den Philippinen wahrscheinlich. Sein Nachfolger wird der deutsche Theologe Kardinal Joseph Ratzinger, er nennt sich Benedikt XVI. http://www.salvator.net/salmat/reli/2jahrtausend.html#11 15 Kirchengeschichte in Jahrhunderten http://www.salvator.net/salmat/reli/2jahrtausend.html#11 Die beiden ersten Jahrhunderte Alles beginnt mit Jesus von Nazareth. Er ist von Gott gesandt; mehr noch: Nach seinem Tod erkennen seine Anhänger: Er war Gottes Sohn. Er ist Immanuel = Gott mit uns. Jesu Verkündigung war einfach und entschieden: Liebe Gott aus Deinem ganzen Herzen und liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Diese einfache Botschaft, eine „gute, frohe Nachricht“ (d.h. griechisch: Evangelium) befreit Menschen. So heilt Jesus die Menschen, er tröstet, gibt Vertrauen, stärkt das Selbstbewusstsein. Aufgezeichnet in den Evangelien: Mt, Mk, Lk, Joh. Seine Jünger tragen die Botschaft in alle Welt. Unter den Aposteln sind Petrus und Paulus die bedeutendsten. Apostelgeschichte. Am weitesten kommt dabei Paulus aus Tarsus herum. Mehrere große Reisen führen ihn nach Kleinasien, Griechenland und zuletzt bis Rom. Auf diesen Reisen gründet er viele Gemeinden. In zahlreichen Briefen hält er mit ihnen Kontakt. Diese Briefe entfalten und begründen den jungen Glauben. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil des Neuen Testamentes. Zwischen den Jahren 50 und 100 entstehen die vier Evangelien. In ihnen berichten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes aus dem Leben Jesu. Von Lukas stammt ein weiteres Buch des Neuen Testamentes: Die Apostelgeschichte. Sie schildert die Ausbreitung des Glaubens von Jerusalem bis nach Rom, dem Herzen des römischen Imperiums. Johannes wird die so genannte Offenbarung zugeschrieben. Dieses Buch versucht in extrem bildhafter Art den unter Verfolgung leidenden Gemeinden Trost und Zuversicht zu spenden: Auch wenn die Welt in Trümmer zu fallen scheint („Apokalypse“): Gott wird am Ende siegen. Die ersten Jahrhunderte sind einerseits Jahre stürmischen Wachstum - entlang der römischen Handels- und Verkehrswege über Händler und Soldaten. Schon bald gab es in allen mehr oder weniger großen Städten und Garnisonen Christen. Das Christentum wird zur Religion vor allem der einfachen Leute und der Angehörigen sozial benachteiligter Gruppen. Sie vor allem waren ansprechbar für die revolutionären Ideen der Geschwisterlichkeit, der Menschenwürde, der Barmherzigkeit und Friedfertigkeit. Andererseits aber dringen immer mehr auch Gedanken der hellenistischen Philosophie in das Christentum ein (vor allem die Gnosis), Gedanken und Idee, die der Theologie der kommenden Jahre manchen Verdruss bereiten werden. Mitte dieses Jahrhunderts ist der christliche Glaube im ganzen Reich verbreitet: Spanien, Frankreich, Südengland, Ägypten, Kleinasien, Nordafrika, am Schwarzen Meer; auch außerhalb des Imperiums in Armenien, in Syrien, in Äthiopien. Der Legende nach soll der Apostel Thomas sogar bis hin nach Indien (Thomaschristen)gekommen sein. Zum Dritten ist dies eine Zeit der institutionellen Konsolidierung der jungen Kirche. Strukturen verfestigen sich. Die besondere Rolle des Bischofs von Rom beginnt sich herauszukristallisieren. Lehrbriefe und Synoden legen Ordnungen fest. Um 200 gibt es die Kirchenordnung des Hippolyt, die den Aufbau der Gemeinde und liturgische Fragen regelt. Das dritte Jahrhundert Andererseits werden nun aber auch die Probleme der jungen Kirche deutlicher: Es beginnt die theologische Durchdringung des Glaubens, vor allem des Christusgeheimnisses. Wer ist Jesus wirklich? Wie kann Gott Mensch sein? Wie können die Geheimnisse des Glaubens in der Sprache der Vernunft verständlich gemacht werden. Aus einem einfachen Glauben beginnt sich eine komplizierte Theologie zu entwickeln. Währenddessen hält der äußere Druck unvermindert an: Die Christen müssen weiterhin blutige Verfolgungen ertragen. Epoche: Christen als Sündenböcke: Nero bis ca. 100, Brand Roms (Tacitus: Christen dienten als lebendige Brandfackeln bei den nächtlichen Zirkusspielen, Kreuzigungen, Tierhetzen…) Kaiser Domitian (81-96) ließ sich „Dominus et Deus“ anreden, Kaiserkult (Adonai/kyrie) Epoche: Rechtsbestimmung des Staates: Trajan/Hadrian (100 – 250) Briefwechsel zwischen Trajan und Plinius Epoche: Systematische Verfolgung: Decius/Diokletian (250-311), „Christen gelten als gottlos (Opferbescheinigung), als Staatsfeinde und als unvernünftig“ (Katakomben in Rom geben Zeugnis vom Glauben der Christen, christl. Symbolik) Es ist aber auch die Zeit großer Heiliger: Der Bischof und Theologe Origines, Tertullian, der die Rechtgläubigkeit verteidigt,, die Bischöfe Dionysius von Alexandrien, Cyprian von Karthago oder der sozial engagierte Diakon Laurentius, den man auf einem Rost zu Tode quält ... „Sanguis martyrum semen christianorum“ weiterführende Themen: Christenverfolgung heute 16 Das vierte Jahrhundert Dieses Jahrhundert bringt zunächst das Ende der Unterdrückung. Schlacht an der Milvischen Brücke Konstantin gegen den Rivalen Maxentius („in diesem Zeichen siege“) Kaiser Konstantin macht das Christentum zu einem vom Staat anerkannten Kult – Toleranzedikt von Mailand (313). Veränderungen: Staat und Kirche gehen zusammen, Ende der Christenverfolgung, Abschaffung der Kreuzigung, Sklaverei, Gladiatorenkämpfe, Sonntag wird als freier Tag eingeführt, Kirchenorganisation beginnt (Pfarren, Diözesen,…), Rechtsdenken und Konzilien, Kirche wird zur Massenkirche (Mitläufer), Kindertaufe, christliche Soldaten, Intoleranz von Christen gegen die „Heiden“. Unter dessen Nachfolger Theodosius dem Großen schließlich wird es sogar Staatsreligion (380). Der Legende nach soll Konstantin sich dem Christentum zugewandt haben, weil er kurz vor der Entscheidungsschlacht um Rom an der milvischen Brücke eine Kreuzes-Vision gehabt habe, in der ihm verheißen worden sei: „In diesem Zeichen wirst Du siegen!“ Der wahre Grund ist dagegen vermutlich seine politische Weitsicht. Eine einzige Religion im Staat, der Glaube an einen Gott, dem Schöpfer der ganzen Welt und dem Herrn aller Menschen ist allemal staatserhaltender und einheitsstiftender als eine Vielzahl von Religionen, Kulten und religiösen Überzeugungen. Außerdem war diese neue, junge Religion noch stark, kraftvoll und voller Dynamik. Für viele Kirchenkritiker jedoch war diese staatliche Protektion ein verhängnisvoller Schritt mit weit reichenden Folgen für den Glauben: Dadurch sei die Kirche in eine gefährliche Nähe zur staatlichen Macht gekommen. In der Tat haben in der Folgezeit römisches Recht, Verwaltungswesen und Organisation das kirchliche Denken beeinflusst und kirchliche Strukturen mitgeprägt. Das vierte Jahrhundert ist aber auch die Zeit gefährlicher Irrtümer und Irrlehren. Erste gesamtkirchliche Konzilien und viele regionale Synoden und Konzilien müssen Klarheit schaffen. Überblick zu den Konzilien Das fünfte Jahrhundert In diesem Jahrhundert leben und sterben so bekannte Leute wie: Martin von Tours, Ambrosius von Mailand, Johannes Chrysostomos, und Augustinus (30). Der heilige Patrick von Irland missioniert. Von Irland und Schottland aus werden bald darauf eine Vielzahl von Missionaren das Festland durchwandern und missionieren. Währenddessen geht das weströmische Reich in die Brüche. Vandalen, West- und Ostgoten, die Franken - sie werden zusammen mit ihrem König 498 - katholischdrängen über die Grenzen. Die Umwälzungen der Völkerwanderung lassen Rom wanken und schließlich stürzen. Mehr und mehr fällt der Kirche nun die Rolle einer ordnenden Macht zu. Sie wird Kulturerbe der klassischen Antike und Kulturträger der kommenden Zeit. Unter den Händen rivalisierender Kaiser und Könige und miteinander kämpfender Völker wird andererseits das Christentum aber auch zum begehrten Spielball politischer Interessen: Für die Kirche lebensgefährliche Irrlehren wie der Arianismus oder der Nestorianismus zum Beispiel werden in den Händen rivalisierender Herrscher zum Mittel der politischen Auseinandersetzung Das sechste Jahrhundert Einer der herausragenden Figuren des 6. Jahrhunderts ist der Heilige Benedikt von Nursia. In Monte Casino gründet er 529 das erste große Kloster. Der Kernsatz der Ordensregel der Benediktiner lautet: Bete und arbeite. Gegen die Völkerwanderung setzte er die stabilitas loci fest. Die Regel des hl. Benedikt ist bis heute Grundlage vieler Ordensgemeinschaften. Das Weströmische Reich liegt in den letzten Zügen und bricht mehr und mehr unter dem Ansturm von Goten und Langobarden zusammen. Der Untergang Roms ist nicht aufzuhalten. Einer der größten Päpste der Kirche hat 590 den Papstthron bestiegen: Gregor der Große. In den Wirren dieser Epoche ist der Papst die einzige noch effektiv funktionierende Ordnungsmacht in Rom. Seine Politik (Konzentration des Besitzes um Rom, Zentralisierung der Verwaltung) schafft die ersten Voraussetzungen für die spätere Schaffung des Kirchenstaates Weite Teile Europas waren inzwischen zwar getauft. Das Christentum war aber noch lange nicht „in den Herzen der Menschen verwurzelt“ Das siebte Jahrhundert Kennt relativ wenige „große Daten und Ereignisse“. Und dennoch: Was damals geschah, wirkt sich noch heute aus... 640 zum Beispiel werden die Serben christlich. Einige tausend Kilometer südlich wird zur gleichen Zeit Mohammed geboren. Und mit ihm der Islam. Noch 1994/95 müssen beide Religionen als Rechtfertigung und Ausrede herhalten für Völkermord, Nationalismus, Gewalt und Terror... In England gewinnt der römische Papst mit Hilfe der iroschottischen Mönche den Sieg über die Angelsachsen (664 Synode von Whitby). Damit setzt er zugleich auch römisches Denken durch: Und das bedeutet: 17 Zentralisierung und Hierarchisierung. Es werden Mönche aus dieser geistigen Tradition sein, die wenig später auf dem Festland die Kirche aufbauen und in eben diesem Sinn reorganisieren. Und es sind wiederum diese Staaten, die bis weit ins Mittelalter hinein europäische und kirchliche Politik dominieren. In Gallien, im Bereich der heutigen Schweiz und in Oberitalien missioniert oder besser reformiert in diesem Jahrhundert Columban die Kirche. Er wird unterstützt von Kilian (Würzburg) und Gallus (St. Gallen). Ende dieses Jahrhunderts wird dann der Mann geboren, der für Deutschlands Kirche von ausschlaggebender Bedeutung ist: Bonifatius Für Salzburg beginnt ein Wiederaufbau unter Rupert aus Worms (696) und dem iroschottischen Mönch und späteren Bischof Virgil Weiterführende Themen: Salzburger Kirchengeschichte Das achte Jahrhundert Das achte Jahrhundert steht - zumindest unter deutscher Sicht- ganz unter dem Namen Bonifatius. In einem - für frühmittelalterliche Verhältnisse - reifen Alter von 40 Jahren erhält Winfried Bonifatius den Auftrag, Germanien zu missionieren. Sein Aufgabenbereich reicht von der Nordsee bis zu den Alpen. Er gründet eine Vielzahl von Bistümern (u.a. Fulda, Erfurt, Würzburg, Eichstätt). Er kämpft gegen heidnische Vorstellungen, reformiert das Klosterwesen (unterstellt sie der Regel des hl. Benedikt), er sorgt für eine gediegene Klerusausbildung, er baut eine funktionierende Verwaltung auf, er schwört die germanische Kirche auf Rom ein: Ein Mammutlebenswerk. 754 wird er bei einer Tauffeier in Friesland erschlagen. Im Westen Europas werden unterdessen ebenfalls Fakten geschaffen. 732 hatte Karl Martell das Abendland bei Tours und Poitiers vor den Arabern gerettet. Sein Nachfolger Pippin ist der Kirche eng verbunden. Bonifatius salbt ihn zum König, Papst Stephan wiederholt die Weihe. Die römische Kirche bindet ihr Schicksal an das Frankenreich. Pippin zeigt sich erkenntlich: Er schenkt der römischen Kirche weite Bereiche Mittelitaliens zu eigen, ideologisch gestützt mit der „konstantinischen Schenkung“, einer glatten Fälschung. Angeblich habe Konstantin die Päpste zu Erben und Rechtsnachfolgern des römischen Reiches gemacht. Obwohl schon sehr früh die Falschheit des Dokumentes bekannt war, hat die römische Kirche intensiv davon Gebrauch gemacht und Ansprüche durchgesetzt. Das neunte Jahrhundert Das neunte Jahrhundert ist das Jahrhundert Karls des Großen. Er schafft ein einheitliches europaweites Reich und ist gleichzeitig Hüter der Kirche. Weihnachten 800 krönt ihn Papst Leo III. in Rom zum Kaiser. Spätestens jetzt kann man von einem „christlichen Abendland“ im heutigen Sinn sprechen, Militärischen Eroberungen Karls folgen - teils brutale - Zwangsmissionierungen (z.B: Sachsen). Dabei mischen sich bei Karl militärpolitische Überlegungen mit religiösen Überzeugungen. 814 stirbt Karl in Aachen. Im Osten Europas haben inzwischen die Mönche Methodius und Cyrill ein Werk vollbracht, das hinter der Leistung des Bonitfatius nicht zurücksteht. Sie entwickeln für die Slawen ein eigenes Alphabet, eine Liturgie und eine Bibel in eigener Sprache. Bei gleichzeitiger optimaler „Inkulturation“ binden auch sie ihr Werk konsequent an Rom und den Papst an. Umso verrückter, dass gerade dieses Jahrhundert als eines der schwärzesten in der katholischen Kirche gilt. Mit ihm beginnt das „saeculum obscurum“, das so genannte „finstere Mittelalter“. Rom findet sich nach Karls Tod alleingelassen und den Intrigen und Machtspielen regionaler Machthaber um Rom ausgeliefert. Das Papsttum wird hineingerissen in den Sumpf von politischer Gewalt, machtlüsternen Intrigen, feigem Verrat und kalkuliertem Mord, von Ämterkauf und sexueller Ausschweifung. Betrug, Mord und Todschlag stehen fast auf der vatikanischen Tagesordnung. 44 Päpste besteigen den Papstthron allein zwischen 882 (Papst Johannes VIII) und 1049 (Papst Leo IX), ein Personalbedarf, der unter normalen Umständen für 500 Jahre und mehr gereicht hätte! Aber wie so oft: Wo alles zu zerfallen scheint, sind die heilenden, die positiven Kräfte des Neuanfangs nicht fern. Die cluniazensische Reformbewegung (benannt nach dem burgundischen Reformkloster Cluny) erneuert die Kirche nachhaltig und von innen heraus. weitere Themen: Taizé und Freré Roger Schutz Das zehnte Jahrhundert Gleichzeitig kommen in Deutschland die „Ottonen“ an die Macht. Heinrich I. deutscher König von 919-936, Otto der Große, Kaiser seit 963 und mit Kaiser Konrad 1024 das Geschlecht der Salier. Sie schaffen neu ein starkes, geeintes deutsches Reich, das nun wieder in die Lage versetzt wird, ordnend in Rom einzugreifen. In dieser Epoche wird die Kirche in Deutschland konsequent in die Herrschaftsstrukturen eingebunden. Die Könige geben Bischöfen Anteil an der Macht, machen sie zu Fürsten mit großem und weit reichenden Einfluss. Da die Bischöfe ehe- und kinderlos sind und somit keinen familiären- oder Sippeninteressen unterliegen, erhoffen sich die Könige und später die Kaiser von ihnen besondere Treue, Verbundenheit und Verlässlichkeit. Dafür beanspruchen sie entscheidende Mitspracherechte bei der Bischofsernennung. Dieses System, das im günstigen Fall durchaus zu beider Seiten Vorteil gelingen konnte, trug in sich den Keim des Missbrauchs („Vetternwirtschaft“, „Ämterkauf“ - Nepotismus, Simonie). Der Konflikt mit Rom war vorprogrammiert. Zumal, wenn die Kaiser sich bei der Besetzung des Papststuhls einmischten. Das geschah oft genug sogar zum Besten der Kirche (Unterstützung von innerkirchlichen Reformbewegungen). 18 Das elfte Jahrhundert Der Kampf darum, wer in der Kirche und im Reich das Sagen und das letzte Wort hat, ist als „Investiturstreit“ bekannt. Dieser Streit fand 1077 mit dem Bußgang nach Canossa einen Höhepunkt, aber noch lange nicht das Ende. Papst Gregor VII. schien zwar vordergründig „Sieger“ über König Heinrich IV. zu sein. Aber kurz danach entbrannte der Streit umso heftiger, gegenseitige Absetzungen, Bannsprüche, militärisch ausgefochtene Machtkämpfe zwischen der königlichen und der päpstlichen Partei bleiben an der Tagesordnung. Denn so einfach lagen die Dinge nicht. Zu sehr waren Kirche und Königreich von dem Gedanken durchdrungen, dass es vor Gott nur eine Christenheit gebe, gleichsam ein Leib, an dem Papst und Kaiser lediglich der jeweils „andere“ Arm waren. Der Kampf zwischen beiden sollte sich noch bis zum Wormser Konkordat 1122 hinziehen. Doch vielleicht weit reichender und folgenschwerer wurde die Auseinandersetzung des Papstes mit Byzanz. Der Patriarch von Konstantinopel fühlte sich im Kampf gegen die islamischen Sarazenen von Rom verraten und verkauft; er sammelt „Glaubensgründe“ gegen den Papst. Diese theologischen Streitigkeiten führen dann zum großen Schisma von 1054. Seither gibt es die Westkirche (römisch-katholisch) und die Ostkirchen (Orthodoxe). Zum ersten Mal in der Geschichte des Christentums kann man nicht einfach nur von „der Kirche“ sprechen. Das 12. Jahrhundert Die kommenden Jahrhunderte haben ein neues Thema: Die Auseinandersetzung mit dem Islam und der arabischen Expansion. Längst hat der Islam Arabien, Nordafrika, Spanien erobert. Er ist bis Indien vorgedrungen. Israel, das Heilige Land ist bedroht. 1119 gründen französische Ritter zum Schutz der Pilger im Heiligen Land den „Templer-Orden“. In Spanien kann König Alfons I. von Arragon einen Teil Spaniens den Muslimen wieder entreißen Spanien tritt allmählich ins Rampenlicht der europäischen Machtpolitik. Allerdings dauert es noch ca. 300 Jahre, bis unter dem Spanier Philipp II. ein Weltreich entstanden ist, in dem „die Sonne nicht untergeht“. In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts beginnen die Kreuzzüge. Dem Zisterziensermönch Bernhard von Clairveaux gelingt es, in feurigen Predigten den deutschen und französischen König und die Ritterschaften Europas für den Kreuzzug zu begeistern. In dieser Zeit lebt auch Hildegard von Bingen. Inzwischen ist es Kaiser Friedrich I., der sich mit dem Papst herumschlägt und am Ende unterliegt. Er wird zweimal gebannt, sein Sohn wird hingerichtet. Das Ende der Stauffermacht drängt für lange Zeit Deutschland aus der europäischen Machtpolitik. 1187 wird Jerusalem von den Sarazenen erobert und das christliche Heer vernichtend durch Saladin geschlagen. Während die Päpste und bischöflichen Fürsten in der „Weltpolitik“ engagiert sind, finden sich an der Basis immer wieder Reformer, die den Kern des christlichen Glaubens entschieden leben. Einer, der bis heute den Geist der Kirche entscheidend mitprägte, ist der Bettelmönch Franziskus. Auch heute sind es vor allem Mönche aus den franziskanisch geprägten Orden, die sich für soziale Gerechtigkeit auch politisch engagieren (Theologie der Befreiung). Neben den Reformbewegungen in der Kirche entstehen auch kirchenkritische und sozialrevolutionäre Bewegungen. Eine kirchliche und staatliche Interessengemeinschaft führt in Südfrankreich zu einem brutalen und grausamen Krieg gegen die Albigenser. Ein Massaker im Namen des rechten Glaubens. Nachdem Jerusalem von Kreuzfahrern in einer blutigen Schlacht zwischenzeitlich zurückerobert werden konnte, geht Jerusalem 1244 der Christenheit endgültig verloren. Rund 50 Jahre später ist das gesamte Kreuzzugsunternehmen gescheitert: Mit dem Fall der Burg der Hafenstadt Akko 1291 werden die letzten Kreuzritter vertrieben. Das 13. Jahrhundert Es ist das Jahrhundert der Hochscholastik. In ihm leben und sterben so große Theologen wie Thomas von Aquin (+1274), Bonaventura (+1274), der „doctor universalis“ Albertus Magnus (+1280), Hochschullehrer in Köln und Paris, Alexander von Hales, Johannes Dunscotus. Es ist aber auch das Jahrhundert aufgewühlter religiöser Erneuerung, apokalyptischer Ängste, schwärmerischer und sozialer Bewegungen. Es ist das Jahrhundert eines Franziskus, aber auch das der Geißlerbewegung und der Albigenserkriege. Die Geißler (lat. Flaggelanten), zogen singend und betend durch das Land, geißelten sich zur Buße die nackten Oberkörper, um so -schwärmerisch verzückt- am Leiden Jesu teilzuhaben und die Welt zu erlösen. Fanatisierte Kinder rotten sich zusammen und ziehen gegen Jerusalem (Kinderkreuzzug) und gehen unterwegs elend zugrunde. Der nach Joachim von Fiore genannte Joachimismus (Warten auf den Weltuntergang) findet rund 50 Jahre nach dem Tod Joachims in dieser Zeit seinen Höhepunkt. Wie verunsichert die offizielle Kirche auf diese Aufbrüche reagiert, zeigt das Verbot von Ordensgründungen. 1215 und 1231 wird die Inquisition gegründet, in ihren schlimmen Auswirkungen eine Art "kirchliche Gesinnungspolizei". 19 In der gleichen Zeit leben und dichten in Deutschland Walter von der Vogelweide, Wolfram von Eschenbach und Gottfried von Straßburg. In Italien entstehen die ersten Werke Dantes. Im Kloster Helfta lebt eine große Mystikerin: Die heilige Mechthild. Das 14. Jahrhundert Das vierzehnte Jahrhundert steht für das Aufkommen der Renaissance und dem gleichzeitigen Verfall des Papsttums. Es ist eines der dunkelsten Kapitel der Kirche. Anfang des Jahrhunderts bereits geraten die Päpste unter den Einfluss Frankreichs und müssen nach Avignon umsiedeln (1309) und bleiben dort bis 1377. Papst Gregor XI kehrt nach Rom zurück. Ein Jahr später setzt Frankreich einen Gegenpapst durch. Das abendländische Schisma ist da und dauert bis 1415. Der Wunsch nach kirchlicher Erneuerung und religiöser Vertiefung bewegt dagegen die Basis. Bußprediger wie Vinzenz Ferrer und Bußwallfahrten finden breiten Anklang. Unter dem französischen Druck löst der Papst 1312 den Templerorden auf, das Vermögen fällt an den französischen König. In Frankreich wachsen auch innerkirchliche, theologische Bestrebungen, die zentrale Rolle Roms infrage zu stellen: die Ideen des Konziliarismus (ein Konzil ist die oberste Autorität der Kirche und dem Papst übergeordnet) und Gallikanismus (die Forderung nationaler Staatskirchen) werden die kommenden Jahre Kirche, Theologie und Staat beschäftigen und bis ins 19. Jahrhundert hineinwirken. Die Schwäche des Papsttums und seine Abhängigkeit von französischen Interessen führt umgekehrt dazu, dass sich die deutschen Fürsten und Könige von Rom und päpstlichen Machtansprüchen emanzipieren. Mit Ludwig wird 1328 zum ersten Mal ein Kaiser in Abwesenheit eines Papstes gekrönt. 1338 regelt der Rhenser Kurverein und 1356 die Goldene Bulle das Wahlrecht neu: Sieben Kurfürsten wählen den deutschen König; eine päpstliche Bestätigung ist dazu nicht mehr erforderlich. In diesem Jahrhundert beginnen die - vorher so nicht erahnten- die Kontaktes des Abendlandes mit dem Morgenland in den Kreuzzügen Früchte zu tragen: Die abendländische Kultur lernt arabische Wissenschaften kennen, über sie findet sie wieder Kontakt zu verloren gegangenen antiken, hellenistischen Quellen. Das führt zu einer Wiedergeburt (Renaissance) antiken Denkens. Der klassisch-schöne, göttliche Mensch wird Leitbild der Epoche. Diese Ausgangslage führt zu einer fast explosionsartigen Entwicklung von Kunst, Erforschung, Entdeckung und Bildung. 1348 wird die Universität Prag gegründet, 1365 folgen Wien, 1386 Heidelberg, 1388 Köln, 1392 Erfurt. Das 15. Jahrhundert Dieses Jahrhundert bringt den Höhepunkt der Renaissance. Das zeigen so berühmte Namen wie: Erasmus von Rotterdam, Theologe und humanistischer Philosoph; die Maler Michelangelo, Leonardo da Vinci und Raffael; der Theologe Nikolaus von Cues, der Mystiker Thomas von Kempen. Gutenberg entdeckt den Buchdruck (1445), Kolumbus entdeckt Amerika (1492). Gleichzeitig aber wütet in Spanien aufs Grausamste die Inquisition gegen Mauren, Juden, Katharer und Waldenser. 1483 wird Luther geboren, 1484 Zwingli. Die Päpste in Rom zeichnen sich eher durch Kunstverstand und Bauwut aus als durch theologische oder religiöse Kompetenz. Das 16. Jahrhundert Das 16. Jahrhundert ist das Jahrhundert der Reformation. Vieles trägt zu dieser Entwicklung bei: Da ist einmal das veränderte geistige Klima der Epoche, das gewachsene Selbstbewusstsein (Humanismus) der Menschen, ihr Anspruch auf Selbstverantwortung (beginnender Individualismus), der die am Subjekt und an moralischer Eigenverantwortung orientierte reformatorische Frömmigkeit mehr entsprach als die eher an Gemeinschaft und Gehorsam orientierte katholische Mentalität. Dem hatte eine degenerierte Kirche - zumal in Rom - wenig entgegenzusetzen. In den entscheidenden Jahren sitzt ein Medici auf dem Papstthron, dem Glaube, Theologie und Kirche weniger bedeuten als Kunst, prachtvolle Hofhaltung und Machtpolitik. Der Buchdruck und die damit gegebene Publizität der Gedanken spielt eine wichtige Rolle und macht die Reformation zu einer Massenbewegung. Die Übersetzung der Bibel durch Martin Luther ins Deutsche erlaubt den Gläubigen einen eigenen Einblick in die Quellen des Glaubens und macht sie damit kritischer und unabhängiger. Sicherlich kam die Reformation mit ihrer antirömischen und faktisch auch antikaiserlichen Dynamik den Unabhängigkeitswünschen der Fürsten entgegen. Zumal der Habsburger Kaiser mit vier Kriegen (1521, 1527, 1536, 1442) gegen Franz I., König von Frankreich, hinreichend beschäftigt war. Außerdem stehen die Türken vor Wien. (1529) Als Rom dem englischen König Heinrich VIII. die Scheidung von seiner spanischen Frau und eine Heirat mit Anna Boleyn verbietet (1533), macht ihn die Suprematsakte (1534) zum Oberhaupt einer unabhängigen englischen Staatskirche. 1588 vernichtet seine kleine, aber wendige Flotte die Armada, die berühmte Großflotte Spaniens. Nach den Auseinandersetzungen mit Rom in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts folgt in der zweiten eine Konsolidierung der Reformation zugleich auch ihre Ausdifferenzierung (Calvinisten, Zwinglianer), gleichzeitig 20 besinnt sich endlich auch die katholische Kirche und beginnt ihre Selbstreform mit dem Konzil zu Trient 15451563. Papst Pius IV. stützt und fördert die theologische und pastorale Erneuerung der Kirche. Diese innere Reform wird bald zu einer „Gegenreformation“, dem Versuch - kirchlich und machtpolitisch das an die reformatorischen Kirchen verlorene Terrain zurückzuerobern. Innerkirchlich sind es vor allem die Jesuiten (in Deutschland Petrus Canisius und sein Katechismus), auf der politischen und militärischen Seite sind es die spanischen Kaiser. Das 17. Jahrhundert Für viele Menschen in ganz Europa bringt dieses Jahrhundert Elend und Leid, Verfolgung und Unterdrückung. Europa ordnet sich religiös-kirchlich und machtpolitisch neu. 30 Jahre, von 1618-1648 tobt auf deutschem Boden ein Krieg zwischen protestantischen Mächten, angeführt von dem schwedischen König Gustav Adolf und den katholischen Mächten, angeführt von den spanischen Kaisern. Viele fliehen vor der religiösen Unterdrückung und dem wirtschaftlichen und sozialen Elend nach Amerika und suchen dort eine neue, friedvollere und freiere Heimat. Aber im gleichen Jahr, da die Pilgerväter in Amerika den Staat Massachusetts gründen, werden in Virginia die ersten Negersklaven importiert. Wiederum einige tausend Meilen südlich gründen Jesuiten 1608 einen unabhängigen „Indianerstaat“, den Jesuitenstaat von Paraguay mit dem Ziel, die Unabhängigkeit und Freiheit der Indianer zu sichern, sie zu bilden und wirtschaftlich unabhängig zu machen und sie vor allem vor kolonialistischen Zugriffen zu schützen. 1648 wird Oliver Cromwell in England Gewaltherrscher; 1660 versuchen die katholischen Stewarts eine Restauration auch in England; in der glorreichen Revolution 1688 werden die Stewarts vertrieben und die englische Hochkirche als alleinige Kirche wiederhergestellt. Aber dieses Jahrhundert kennt auch andere Namen: Die Maler Peter Paul Rubens und Rembrand, die Philosophen Descartes und Baruch Spinoza oder John Locke, Thomas Hobbes, in Frankreich Plaise Pascal, in Italien der Naturwissenschaftler Galileo Galilei. In Frankreich lebt und wirkt Vinzenz von Paul, der sich für Arme und Kranke einsetzt. Das 18. Jahrhundert Die Jahre dieses Jahrhunderts bringen Europa endlich wieder eine gewisse Ruhe; mehr noch: es erhebt sich aus den Ruinen zu neue Größe und Blüte. Es ist die Zeit des Barock (Johann Sebastian Bach (+1750), Versaille und Ludwig XIV. (+1715); es ist die Zeit der Aufklärung und der deutschen Klassik: Goethe, Schiller, Lessing, Klopstock, Kant, Herder, Voltaire, Leibniz, David Hume ... Aber Frieden kennt auch dieses Jahrhundert nicht: Österreich und Preußen (Siebenjähriger Krieg 1756-1763), die spanischen Erbfolgekriege (1701-14), England und Frankreich kämpfen in den amerikanischen Kolonien gegeneinander, Polen wird geteilt und schließlich, am Ende dieses Jahrhunderts: die große französische Revolution. Nur unter Wehen kommt die Neuzeit zur Welt! Und aufs Ganze gesehen, gehört die katholische Kirche noch zur alten Welt! Sie tut sich schwer mit dem neuen Denken, mit protestantischer Freiheit und Selbstbewusstsein. Mit aller ihr noch verbliebenen Macht kämpft sie gegen erneute Bestrebungen, Nationalkirchen unabhängig von Rom zu errichten (Emser Punktation 1786; Febronianismus); auf Druck Portugals und Spaniens, die den Jesuitenorden bereits aus ihren Ländern vertrieben hatten, muss der Papst schließlich 1773 diesen Orden aufheben. Wegen ihres Einflusses und wegen ihrer antikolonialistischen Indianerpolitik waren sie diesen Mächten obsolet geworden. Aber in der französischen Revolution 1789 entladen sich all jene Spannungen ähnlich dem Erdbeben von Lissabon, das 1755 die Stadt dem Erdboden gleichmachte. Das 19. Jahrhundert. Die Revolution hat erst Frankreich, dann durch Napoleons Kriege ganz Europa grundlegend verändert. Europa wird neu geordnet. Zunächst befreit man sich von Napoleon; auf dem Wiener Kongress stecken die Großmächte ihre Claims neu ab. Die deutschen Länder bewegen sich aufeinander zu (Zollverein, Deutscher Bund), versuchen sich in Demokratie (Burschenschaft, Paulskirche). Das deutsche Bürgertum konsolidiert sich, sehnt sich nach Geborgenheit und privater Ruhe (Biedermeier); die Romantik sucht nach neuen Idealen. Goethes Faust entsteht, Beethoven lebt in Wien. Auch die katholische Kirche versucht Boden unter die Füße zu bekommen. Der Kirchenstaat war bereits 1809 aufgehoben, der Papst gefangen gesetzt worden. In Deutschland ist die Kirche enteignet worden. Doch bereits 1848 erhält der Kirchenstaat eine neue Verfassung und der Papst kehrt zurück. Der äußeren Machtgrundlagen beraubt, sucht die katholische Kirche Halt und Sicherheit „innen“. Einmal in der Betonung des Papsttums und des Zentrums Rom (Ultramontanismus, Wiedereinführung der Inquisition, Einführung des Index, Wiederzulassung der Jesuiten). Zum anderen aber auch in einer pastoralen, religiösen Erneuerung vor allem auch in Deutschland. Das zeigte sich nicht zuletzt auch in ihrer Sensibilität für die soziale Frage (Aufbau eines katholischen Vereinswesens, Aufbau des Laienkatholizismus, Einführung von Katholikentagen; der für soziale Gerechtigkeit kämpfende Bischof Kettler, der „Gesellenvater“ Adolph Kolping). Anders Rom: Von einer Sensibilität für die Moderne keine Spur: Statt dessen Abwehr, Verteidigung und Verfestigung. Während das geistige Leben von Denkern wie Marx, Feuerbach, Kierkegard, Comte, Hartmann 21 und Nietzsche bestimmt wird, wird seit 1870 im katholischen Bildungsbereich ausschließlich neuscholastisch gedacht und gelehrt. Der Papst stellt die Irrtümer der Moderne zusammen (Syllabus) und verurteilt sie. Kirchliche Amtsträger müssen darauf schwören (Antimodernisteneid 1910). Die Betonung der päpstlichen Macht führte 1871 zur Unfehlbarkeitserklärung des I. Vatikanischen Konzils; sie stellt die Kirche in Deutschland vor eine Zerreißprobe und führt zur Abspaltung der Altkatholischen Kirche. Auch gegenüber dem Staat muss das Verhältnis neu geordnet werden. Konkordate werden geschlossen mit den katholischen Ländern Österreich, Spanien, Bayern; mit dem protestantischen Preußen muss erst ein „Kulturkampf“ ausgefochten werden. Das 20. Jahrhundert Es sind keine kirchlichen Themen, die das 20. Jahrhundert bestimmen, sondern die russische Revolution und deren Folgen, zwei große Weltkriege, der Holocaust, die Atombomben auf Japan und schließlich der Zusammenbruch des Kommunismus oder auch die Landung des ersten Menschen auf dem Mond. Dennoch gelingt der katholischen Kirche im zwanzigsten Jahrhundert mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil der Anschluss an die Neuzeit. Hatte am beginn dieses Jahrhunderts noch der Antimodernisteneid gestanden, so wünscht Papst Johannes XXIII nun ein Aggiornamento, eine Anpassung. Papst Paul VI. setzt das Konzil fort. Das neue Konzil sollte inhaltlich das Erste Vaticanum ergänzen und die Kirche der Neuzeit öffnen: Katholische Kirche, das ist nicht nur der Papst, sondern die Gesamtheit aller Bischöfe weltweit; das ist nicht nur der geweihte Klerus, sondern alle Getauften. Entsprechend stärkten die Dokumente dieses Konzils die kollegialen Strukturen und die Rechte und Mitverantwortung des „ganzen Volkes Gottes“. Das Konzil öffnet sich dem demokratischen Denken und synodalen Strukturen, es bejaht die Ökumene, bestimmt ihr eigenes Verhältnis gegenüber den anderen Weltreligionen neu. Das Konzil mit seinen Hunderten von Bischöfen aus allen Ländern der Welt deutet aber auch das Ende des Eurozentrismus an. Schon lange ist Europa nicht mehr der statistische Mittelpunkt der Kirche. Mehr und mehr wird sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten auch der Schwerpunkt der theologischen Forschung und der Spiritualität in die jungen Kirchen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas verlagern. Was das für die katholischen Kirchen Europas bedeutet, in welche Richtung sich auch inhaltliche und politische Schwerpunkte der Kirche verlagern ist noch nicht abzusehen. Das zwanzigste Jahrhundert bringt mit dem Polen Karol Woityla den ersten Nichtitaliener seit 500 Jahren als Johannes Paul II. auf den Papstthron. Er zählt zu den bedeutendsten Päpsten der Kirchengeschichte, seine vielen Reisen haben ihn zu der bekanntesten Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts gemacht. Als seine Nachfolger werden Bischöfe aus Schwarzafrika, aus Südamerika, den Philippinen wahrscheinlich. Sein Nachfolger wird der deutsche Theologe Kardinal Joseph Ratzinger, er nennt sich Benedikt XVI. http://www.salvator.net/salmat/reli/2jahrtausend.html#11 22