Universität Regensburg Lehrstuhl für bayrische Geschichte Übung: Staatsexamensthemen aus der Bayerischen Geschichte Dozent. Dr. Georg Köglmeier Referent: Dominik Herzner 29.01.2013 Bayern in der Zeit der Weimarer Republik Grundfragen der inneren Entwicklung und des Verhältnisses zum Reich I. Einleitung: zeitliche Einordnung, thematische Eingrenzung, Leitfragen 1. Zeitliche Einordnung Ausrufung der Weimarer Republik 1918. Ende der Weimarer Republik 1933. Zwar blieb die Verfassung der Weimarer Republik formal bestehen, doch endete mit der Gleichschaltung der Länder die Eigenstaatlichkeit Bayerns. Um das Verhältnis Bayerns zum Reich einordnen zu können ist ein Blick auf die Ausgangslage und auf die von vor 1918 nötig. -> Bayern und das Reich 1871 2. Thematische Eingrenzung - Untersuchung der Rolle BYs in der Weimarer Republik - 3 Phasen: krisenhafte Anfangsjahre, die goldenen 20er und das Ende der Republik 3. Leitfragen - Welche Rolle spielt BY in der Weimarer Republik? - Wie weit haben sich die Verhältnisse zum Reich im Vergleich zum Kaiserreich geändert? - Wie weit kann BY seine Souveränität bewahren? - Welche Rolle spielt BY beim aufkommenden Nationalsozialismus? II. Hauptteil: Bayern in der Weimarer Republik A) Der Weg in die Weimarer Republik 1. BY im Kaiserreich - BY kein eigener Staat mehr, sondern Teil des Kaiserreichs mit pr. Dominanz - Aber zahlreiche Hoheits&Reservatsrechte - Bsp. Bier&Brandweinsteuer - Steuereinnahmen gingen an die Bundesländer, nicht an das Kaiserreich - -> Länder finanzieren Bund - Eintritt als Teil Dtlds. in den WK I. -> Kriegsniederlage, Dolchstoß, Hungersnot, etc. 2. Die Revolution in Bayern - 7. Nov Beginn der Revolution in BY. -> Signalwirkung für das ganze Reich - Räterepublik (Eisner) vs. parlamentarische Republik (Auer) - Nach Ermordung Eisners, Ausrufung der bay. Räterepublik. - Komm. Vollzugsrat (Levien&Levine) bewaffnen Anhänger und stellen „rote Armee“ auf - „weiße Garden“ (+pr. Truppen) schlagen Aufstand nieder - -> antikommunistisches Trauma nach der einzigen Räterepublik 1 3. BY und die Weimarer Verfassung - Verfassungsbildung in Berlin (Ebert/Scheidemann rufen dort die Republik aus) - Föderalistische Interessen BY´s - Lähmung durch innere Unruhen während Verhandlungen - BY verlor Reservat&Sonderrechte - Art. 13 Reichsrecht bricht Landrecht - BY – Verfassung wurde ein Rahmen vorgeschrieben (Staatsform, Verhältniswahlrecht). Am 14.08.1919 verkündet. Ende der Staatskirchenhoheit Einbinden von Staatsgesetzen: Volksbegehren, Volksentscheide, etc. - Kein Bundesstaat mehr, sondern Teilstaat - Verliert Anspruch auf eigene Armee, Finanzhoheit und Sonderrechte (Bahn&Post) - Regierung Hoffmann stimmt zu (zum einzigen mal in by. Geschichte) erkennt damit die Existenz eines deutschen Staatsvolkes an. - Konferenz der süddeutschen Staaten am 27.12.1918 in Stuttgart, welcher die bundesstaatliche Gestaltung des Reiches betonte. Bei den Verfassungsverhandlungen jedoch keine Einigkeit unter den südd. Staaten. Bayrische Abgeordneten der Nationalversammlung keine „treuen Erfüllungsgehilfen.“ BY verliert Kompetenzen an das Reich! 4. Ausgangslage nach der Republikgründung - Entwaffnung durch VV geregelt (-> Einwohnerwehren werden zur Verteidigung benötigt) - Rheinpfalz entweder in Saargebiet aufgegangen oder auf 15 Jahre von alliierten Truppen besetzt - - Anschluss Coburgs durch Volksabstimmung Zunehmend Machtfaktoren außerhalb des Parlaments. Vaterländische Verbände, Reichswehren (Landeshauptmann Forstrat Georg Escherich) Monarchische Richtungen: 18.10.1921 + Ludwig III. monarchische Bezeugungen vom Kölner OB Adenauer und Kardinal Faulhaber B) Die Anfangsjahre der Weimarer Republik 1. Ordnungszelle Bayern - Koalition MSPD, BVP, DDP zerbricht an inneren Spannungen - Kapp Putsch in Berlin -> Auf Drängen von von Kahr (Regierungspräsident Oberbayerns), Pöhner (Polizeichef MUC), tritt die Regierung Hoffmann zurück -> MSPD in der Opposition. Gewalt wird auf General von Möhl übertragen: Ausweitung des Kapp Putsch soll in BY verhindert werden. - BVP stärkste Partei –> von Kahr wird Mrz. 1920 zum Ministerpräsidenten gewählt - Ruhe im Staat durch Einwohnerwehren (werden durch Kahr amtlich gefördert), Polizei&Reichswehr hergestellt - Ordnungszelle als Hort der Rechten - Entstehung der NSDAP 1921 (Anton Draxler) 2. Konflikte mit der Reichsregierung - Finanzreform Erzbergers = Zentralisierung der Finanzhoheit beim Reich - Alliierten fordern Auflösung der Reichswehren, konnten aber in BY als vaterländische Verbände weiterbestehen 2 - - 1921 Ermordung Erzbergers -> Kahr betont bay. Hoheitsrechte gg. Notverordnungen -> BVP untersagt ihm den Rückhalt Nachfolger Hugo Graf von Lerchfeld muss nach Konflikte um Notverordnungen (Ersetz die Notverordnungen des Reiches mit landesrechtlicher Notverordnung -> Druck von F. Ebert) nach Ermordung Rathenaus ebenfalls zurücktreten. Nachfolger wird Eugen Ritter v. Knilling 3. Krisenjahre 1923/1924 in Bayern - Inflation führt zu Verlust des Sparvermögens - Zunehmende Agitation der radikalen Rechten . Saalschlachten, bewaffnete Demos - Ernennung Kahrs zum Generalstaatskommissar (hatte starken Rückhalt in den Einwohnerwehren und Verbänden) und Übertragung der Verfassungsgewalt, aber Maßnahmen eher antilinksgerichtet. Man sah eher die Gefahr einer linken Revolution. - „Trimuvirat“ Kahr, Lossow (Landeskommandant), Seißer (Polizei) Kahr setzt das Republikschutzgesetz außer Vollzug und Lossow weigert sich Verbot gegen „Völkischen Beobachter“ (hatte gegen Stresemann und Seeckt geschrieben) durchzusetzen. Wird vom Reichspräsidenten seiner Stellung enthoben und am gleichen Tag von der bay. Regierung wieder eingesetzt. - 9.11. Hitlerputsch scheitert am Widerruf Kahrs - Hitler-Ludendorff Prozess – Festungshaft Landsberg (mein Kampf). Rücktritt Kahrs. -> Ende der Ordnungszelle, Verbot der NSDAP. Landtagswahlen 1924. (BVP 33%, völkischer Block 17%) - Separatismus Bewegung in der Pfalz durch Frankreich unterstützt. „Autonome Regierung der pfälz. Republik“ unter Franz-Josef Heinz. Ermordung durch „Organisation Consul“. Feb. 1924 Auflösung der separatistischen Bewegungen. C) Phase der Stabilisierung – die „goldenen 20er“ 1. Innere Stabilität - Kabinett Heinrich Held - Ära der Stabilität und Durchsetzung der parlamentarischen Demokratie - Homburger Vereinbarungen legen Konflikte mit dem Reich bei. - Denkschrift: „Zur Revision der Weimarer Reichsverfassung“ Jan. 1924 - Konkordat mit Vatikan als gemeinsamer Nenner für Koalition von BVP, Bauernbund und DNVP. Aber weiterhin rechts orientierte Minister. Bsp. Justizminister Gürtner -> Justiz auf dem „rechten Auge blind“ - Wirtschaftsaufschwung: Einführung der Rentenmark, amerikanische Kapitalzufuhr, Aufbauarbeit + Förderung des Mittelstandes, Energiepolitik (Kompensation der verlorenen pfälz.) Steinkohlewerke - München als kulturelles Zentrum (B. Brecht, Th. Mann, L. Feuchtwanger) - Einziges Konkordat in Dtld mit Vatikan im Jan 1925: 1817 staatliches Ernennungsrecht fiel weg, Pflichtfach Religion im Unterricht. -> löst Bedenken auf Reichsebene aus. - Evang. Kirche: Mit Sturz der Monarchie fiel Kirchenoberhaupt weg. 1921 neue Kirchenverfassung; oberste Kirchengewalt an Landessynode. 1924 Vertrag 3 - mit Staat: Konfessionsschulen, rechtliche Angleichen an Katholiken Ziel antidemokratische Kräfte zurückzudrängen nur teilweise erfolgreich: schnelle Entlassung Hitler, Aufhebung des Parteiverbots und Neugründung der NSDAP 2. Bayern und das Reich in der „Ära Held“ - Finanzielle Abhängigkeit. Arbeitslosigkeit & Wohnungsnot nicht zu beseitigen - Held: „Treue BY´s zum Reich“ - Aber Ziel: Änderung der Weimarer Verfassung und relative Unabhängigkeit BY. Forderungen: Finanzhoheit Verfügung über Militär bei inneren Unruhen Eigenständige Regelung des Schulwesens Recht auf diplomatische Vertretungen Wiedereinrichtung eines Organs, das dem Bundesrat entspricht Aber nur bei den Finanzen konnte Held Erfolge erzielen - Reichspolitische Ambitionen (Bedenken gegen den Locarno Vertrag) blieben wirkungslos. Tod des Reichspräsidenten Ebert 1925: Held und Marx (Zentrumspolitiker, der sich jedoch wegen seiner Nähe zur MSPD unbeliebt machte -> Marxismusvorwurf) stellen sich zur Wahl, keine Einigung auf einen Kandidaten führt zur Wahl Paul v. Hindenburgs. D) Die Endjahre der Weimarer Republik 1. Das Ende der demokratischen Koalitionen - Landtagswahlen in BY 1928 bestätigen Kabinett Held. (32% BVP), aber starker Linksruck im Bauernbund führt zu Instabilität - 1929 Weltwirtschaftskrise -> Staatsschulden, katastrophale finanzielle Lage. Die Einführung einer Verbrauchersteuer verbindet Held mit der Vertrauensfrage -> Verlust der parlamentarischen Mehrheit führt zu einer Minderheitsregierung Helds. - Zerbrechen der großen Koalition auf Reichsebene auf Grund innerparteilicher Konflikte -> Präsidialkabinette - Auch in BY zerbricht die Koalition wegen der Schlachtsteuer. Rückzug des BB aus der Regierung -> Regieren nach Art. 64 der Landesverfassung mit Notverordnungen 2. Anwachsen des Nationalsozialismus - Kampf Helds gegen radikale Gruppen: Tragen von Uniformen eingeschränkt, Veranstaltungen im Freien nur mit Genehmigungen, Zusammenarbeit mit dem Reich (Brüning) - Zweite Amtsperiode Hindenburgs 1932 nur knapp vor Hitler - Arbeitslosenzahlen und Hass auf demokratische Regierung steigen - Propaganda und Druck der SA - Sympathisanten in allen Gruppen, bsp. evang. Kirche, Wirtschaft, Politik 4 - Landtagswahl 1932 (BVP 45 Sitze, NSDAP 43 Sitze, SPD 20 Sitze), demokratische behielten absolute Mehrheit, aber es war keine Koalitionsbildung möglich -> Minderheitsregierung Helds und der BVP. 3. Konflikte mit der Reichsregierung in der Endphase der Weimarer Republik - Bestreben Helds nach Föderalismus bei der angestrebten Reichsreform der Länderkonferenz 1929 - 1932 v. Papen hebt Verbote zur Eindämmung des polit. Radikalismus auf. Daraufhin erlässt BY ein eigenes Uniformgesetz, aber Reichsrecht bricht Landrecht. - Preußenschlag Papens (=Widerrechtliche Absetzung der SPD-Regierung Brauns in Preußen): BY fürchtet ähnliches Schicksal. –> Klage beim Staatsgerichtshof in Leipzig führt zu unklarem Urteil: „Braun bleibt Minister, aber eingesetzte Reichskommission sei rechtsmäßig“ 4. Die Präsidialkabinette - Regierung auf Grundlage des Art. 48 mit Notverordnungen + Art. 25 Auflösung des Reichstags. Bedeutende Rolle des Reichspräsidenten. - Präsidialkanzler (Brüning, Papen, Schleicher) hatten keinen Rückhalt mehr beim Parlament und konnte auch nicht für innere Ruhe und Stabilität sorgen. NSDAP stärkste Partei. - Neuwahlen vom Nov 1932 lassen immer noch Sperrmajorität durch NSDAP/KPD zu. „Zähmungskonzept“ Papens führt zur Ernennung Hitlers zum Reichskanzler. 5. Durchbruch der NSDAP - Reichstagsbrand -> Verordnung zum Schutz von Volk & Staat (= Reichstagsbrandverordnung) setzte Grundrechte außer Kraft und ermöglichte polit. Gegner vor Neuwahlen auszuschalten. - Reichstagswahl Mrz. 1933 NSDAP + DNVP knappe Mehrheit - BY hatte Angst vor Gleichschaltung: Wiedereinführung der Monarchie wurde angedacht, aber scheitert zum Scheitern verurteilt. Militärischer Widerstand nicht möglich, da Armee dem Reich unterstand. 6. Gleichschaltung der Länder - BY als letzter Staat gleichgeschaltet. Druck von oben (Hitler) und von unten (SA) - 9.Mrz 1933 Ultimatum Röhms an Held: Epp als Generalstaatskommissar einzusetzen. Held bietet Einberufung des Landtags und Regierungswahl an - Hitler überträgt Regierungsgewalt an Epp, SA besetzt Landtag. Bay. Polizei leistet keinen Widerstand mehr, da Epp von Regierung eingesetzt - Verhaftungen: Bsp. Innenminister Stützel - Nach München wird ganz BY gleichgeschaltet - Held telegraphiert an Hindenburg, doch erhält keine Hilfe von ihm - Bewaffnete SA bei der letzten Kabinettssitzung Helds. (zieht sich nach Regensburg zurück) - Epp besetzt alle Ämter mit NSDAP Mitarbeitern 7. Bayern als Reichsprovinz - Beseitigung des Rechtsstaats. Strafzüge der SA&SS gegen Juden, Kommunisten etc. 5 - - - Machtkonzentration bei Epp, Röhm und Himmler (Chef der Polizei) Mrz. 33 Eröffnung des KZ Dachau Ermächtigungsgesetz erlaubt ohne Parlament Gesetze zu erlassen Mrz 33. Gesetz zur Gleichstellung der Länder mit dem Reich. Neubildung des Landtags nimmt unter NSDAP Mehrheit Landesermächtigungsgesetz an. Terror und Verhaftungen gegen probayrische Organisationen: BVP, Kolpinggesellen (polit. Katholizismus). Auflösung der Parteien und der Gewerkschaften Jan. 1934 Neuaufbaugesetz Länder = Reichsprovinzen ohne eigene Hoheitsrechte Einheitsstaat Deutschland Schließung bayr. Gesandtschaften (Bsp. Rom) Auflösung des Landtags Bayr. Regierung besteht pro forma weiter, aber hat keine Bedeutung mehr. Macht geht an die Gauleiter III. Schluss /Fazit - BY muss mit der Weimarer Verfassung erneut Kompetenzen an das Reich abtreten und verliert an Souveränität, aber bleibt als eigenes Land noch erhalten. Die Verhältnisse im Vergleich zum Kaiserreich haben sich verschlechtert. - - - - - Die Geschichte BY kann aber nicht mehr losgelöst von der Reichsgeschichte betrachtet werden. Zu sehr sind beide Ebenen miteinander verwoben. (Vgl. Präsidialkabinette, Wirtschaftskrisen). Die Bemühungen nach mehr Souveränität scheitern am starken Reichsrecht und an innenpolitischen Spannungen in BY (vor allem in den Anfangsjahren) Die Rolle BYs in der Weimarer Republik ist schwierig zu bewerten: Einerseits hatte BY kaum Einfluss auf die Politik der Weimarer Republik, andererseits trug der gerade in BY aufkommende Nationalsozialismus zur Destabilisierung der Republik bei Die Ordnungszelle BY wurde zum einen Hort der Rechten. Die von Anfang an bestehende Republikfeindlichkeit (auch auf Seiten der Politik, man wollte ja mehr Souveränität) begünstigte das Aufkommen des NS. Hierbei spielt München als Ort des Hitlerputschs eine tragende Rolle. Die einseitig rechte Justiz erlaubte vielfältige Verbrechen und Terror seitens der NS. Mit Nürnberg und Rothenburg ob der Tauber befinden sich weitere NS-Hochburgen in BY. Mit der Legalitätstaktik Hitler breitet sich der Nationalsozialismus zunehmend auf Reichsebene aus und ist kein genuin bayrisches Problem mehr. Trotzdem bleibt BY die Keimzelle des Nationalsozialismus und hat auch während der NS – Herrschaft eine wichtige Rolle. Bsp. München – Stadt der Revolution, Nürnberg – Stadt der Reichsparteitage. Mit der Gleichschaltung der Länder endet auch endgültig die Souveränität Bayerns. 6 Literatur: Gessner, Dieter: Die Weimarer Republik, Darmstadt 22005. Hürten, Heinz: Revolution und Zeit der Weimarer Republik, in: Alois Schmid (Hg.): Handbuch der Bayerischen Geschichte (begr. von Max Spindler). Bd. IV. Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart. 1. Teilband: Staat und Politik, München 2003. S. 440-499. Menges, Franz: Vom Freistaats zur Reichsprovinz (1918-1933), in: Treml, Manfred (Hg.): Geschichte des modernen Bayern. Königreich und Freistaat, München 32006, S. 161-286. Stammen, Theo [Bayrische Landeszentrale für politische Bildung] (Hrsg.): Die Weimarer Republik. München 22001. (3 Bände) 7