Kirchengeschichte der Antike und des Mittelalters. Grund- und Überblickswissen (Modul 2: Quellen und Entwicklungen – Das Christentum in seiner Geschichte), Stöve, Sommer-Semester 2006, Do 8-10 Uhr, R 12, R 07, A 69 Begriffserläuterungen zum Thema: Theologie oder die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben (18.5.06) Anthropomorphismus - Übertragung menschlicher Eigenschaften auf die Gottheit im AT geläufig, z.B.: der Herr entbrennt im Zorn (Ex.32,11); im Hellenismus als anstößig empfunden; Problemlösung: Allegorisierung (Verbildlichung, symbolische Deutung) der biblischen Aussage (Philon von Alexandrien, um 20 v.Chr. - 50 n.Chr., Origenes, um 185-254) Allegorese – Aufdeckung des geistlichen Sinngehaltes einer (anstößigen) Aussage vermeidet biblische Anthropomorphismen; von Philon von Alexandrien (um 20 v. Chr. – um 50 n. Chr.) bei der Vermittlung von jüdischer Tradition und griechischer Kultur benutzt; von Origenes für die christliche Exegese übernommen; problematisch, wenn Heiliger Schrift Legitimationscharakter (z.B. das sola scriptura der Reformation) beigemessen wird 3-facher Schriftsinn – dreifach gestufte Bibelexegese der Antike von Origenes auf der Basis der vom jüdischen Gelehrten Philo von Alexandrien betriebenen Schriftauslegung entwickelt; überträgt die 3-fach differenzierte platonische Anthropologie auf die heilige Schrift: den drei Dimensionen: Leib – Seele – Geist entsprechen die drei Bedeutungsebenen der Schrift: buchstäblich – moralisch – mystisch oder geistig 4-facher Schriftsinn – im Mittelalter erweiterte Differenzierung in der klassischen Exegese beispielhaft vertreten von Nikolaus von Lyra: der Buchstabe (littera) lehrt die Fakten, was du glauben sollst die Allegorie, der moralische Schriftsinn, was du tun sollst, wohin du streben sollst, die Anagogie anagogischer Schriftsinn - zu den göttlichen Geheimnissen hinführende Auslegung höchste Stufe der Bibelauslegung nach der Methode des mehrfachen Schriftsinnes (vgl. Nikolaus von Lyra, 13. Jh.): die vorangehenden Stufen: literale, wörtliche Auslegung; allegorische, geistige Auslegung, die die Missverständnisse einer wörtlichen Bedeutung beseitigt; moralische Auslegung: die moralische Belehrung Kirchenlehrer (doctores ecclesiae) – besondere Auszeichnung einzelner Kirchenväter normgebende Theologen, die sich durch Rechtgläubigkeit, Heiligkeit des Lebens und Gelehrtheit auszeichnen; Zitate aus ihren Schriften galten als besonders beweiskräftig; in der mittelalterlichen Kirche waren dies: Ambrosius, Augustin, Hieronymus, Gregor d. Gr.; in neuerer Zeit wird die Bezeichnung vom Papst vergebener Ehrentitel Scholastik – Schulphilosophie, christliche Philosophie des Mittelalters Die scholastische Methode besteht darin, die Aussprüche der Kirchenväter und der Bibel selbst zu den verschiedenen Punkten des christlichen Glaubens nach pro und contra zu sichten, zu vergleichen, um dann mit einer meist vermittelnden Synthese abzuschließen; die logische Erörterung der Autoritäten ersetzt weitgehend die Beobachtung der Wirklichkeit und die vorurteilsfreie vernünftige Prüfung Summe (Summa) - enzyklopädische Zusammenfassung des Wissensstandes sie bestehen aus mehreren Büchern, die wiederum aus einer Vielzahl hierarchisch angeordneter Disputation bzw. quaestiones bestehen, in denen der Wissensstoff in der sic et non-Methode (Aussagen/Gegenaussage) behandelt wird; bekannte Summen sind von Thomas von Aquin: Summa theologica, Summa contra gentiles Sentenzenkommentar - gängige systematisch-theol. Vorlesung im MA von lat. sententia = Meinung, Gedanke, Ansicht, Idee; Aussagen der Bibel, Konzilien und Kirchenväter nach Themen gesammelt; bekannteste Sammlung: Petrus Lombardus, Libri quattuor sententiarum, 1148-52; schon sehr früh immer wieder glossiert (=kommentiert) Disputation - Streitgespräch, traditionelle akademische Erörterung ausgehend von einer Thesenreihe zur Übung, zur Erlangung eines wissenschaftlichen Grades oder wissenschaftlichen Klärung in Rede und Gegenrede geführte Auseinandersetzung; berühmtes Beispiel: Leipziger Disputation zwischen Luther und Eck, 1519 Syllogismus - logische Schluss-Sätze Syllogismus ist ein deduktiver (ableitender) Schluss; ausgehend von zwei Urteilen (Vordersätze oder Prämissen) wird eine Aussage (Schluss-Satz, Konklusion) gefolgert; Beispiel: alle Menschen sind sterblich; Sokrates ist ein Mensch; also ist Sokrates sterblich ontologische Gottesbeweis – der bekannteste Gottesbeweis Existenz wird als logisches Prädikat benutzt: aus der Vollkommenheit Gottes wird auf die Notwendigkeit seiner Existenz geschlossen; denn existiere er nicht, fehlte ihm etwas an seiner Vollkommenheit; also muss Gott existieren. Von Anselm von Canterbury in seinem „Proslogion“, ca. 1077 entwickelt; von Descartes in seinen „Meditationes de prima philosophia“ von 1641 analogia entis - Ähnlichkeit des Seienden (von Göttlichem und Menschlichem) die scholastische Lehre von der Seins-Verwandtschaft Gottes und seines Geschöpfes (des Menschen), ohne die keine Offenbarung (Gotteserkenntnis) möglich wäre; von griech. analogia „Verhältnis“, Form der Übereinstimmung von Gegenständen hinsichtlich gewisser Merkmale; setzt Kontinuität vom Sein in Raum und Zeit und Sein jenseits von Raum und Zeit voraus Universalien – Allgemeinbegriffe Voraussetzung für die Erkenntnis von konkretem Einzelnem; umstritten ist der ontologische Rang der Universalien, ob sie vor (Platonismus, Idealismus), in ([Begriffs]Realismus) oder erst nach (Nominalismus/Konzeptualismus) der Einzelerkenntnis sich konstituieren Nominalismus - bestreitet ontologische implikationen von Begriffen nur Einzeldinge real; (a) Roscelinus von Compiègne (1050ca-1120/25), Stiftsschule Tours: Allg.begriffe: Vereinbarungen (flatus voci, voces); (b) Ockhamismus (14. Jh.): Allgemeinbegriffe: Verstandesgebilde (conceptus), denen in der Realität nichts entspricht; Gegenposition: [Begriffs]Realismus des Thomismus (Thomas von Aquin); vgl. Universalien Mystik - erstrebt Einssein der Seele mit Gott (unio mystica) verbindet Kontemplation, Spekulation u. Ekstase; neuplatonisch geprägt (alle Wesen haben den Drang, zu dem übernatürlichem Einen als ihrem Ursprung zurückzukehren); Höhepunkt: Meister Eckehart (1260-1327); im SpätMA auch als sittl. Läuterung begriffen (Thomas von Kempen: Imitatio Christi, um 1420) Unio mystica - Einssein der Seele mit Gott Ziel und oberste Stufe der mystischen «Erkenntnis», die als göttliche Gnadengabe erfahren wird; Vorbereitung: Askese, Meditation, sittlich und intellektuelle Läuterung