Christina Sievert Beijing Oper heute Moderne Gesichter einer alten Tradition Examensarbeit im Fach Musikwissenschaft Universität Utrecht 2007 Dozent: Drs. Him Yong Kwee Inhalt INHALT ................................................................................................................................... 2 PREFIX ...................................................................................................................................... 4 Abbildungen ........................................................................................................................................................ 4 Tabellen ................................................................................................................................................................ 5 EINLEITUNG .......................................................................................................................... 6 I. PEKING OPER – EIN GENRE ......................................................................................... 9 I.1 Die Form im Wandel ..................................................................................................................................... 9 I.1.1 Hintergrund und Entstehung ................................................................................................................ 9 I.1.2 Blütezeit .................................................................................................................................................. 13 I.1.3 Unter Mao .............................................................................................................................................. 17 I.1.4 Nach 1978 ............................................................................................................................................... 23 I.1.5 Peking Oper in Taiwan ......................................................................................................................... 25 I.2 Ästhetik und Sprache des Jingju .............................................................................................................. 28 I.2.1 Rollenfächer ........................................................................................................................................... 32 I.2.2 Auditive Sprache ................................................................................................................................... 34 II. PEKING OPER HEUTE.................................................................................................. 38 II.1 Aufbruch in die Moderne ......................................................................................................................... 44 II.1.1. Inspiration aus dem Westen .............................................................................................................. 44 II.1.2 Moderne Wege in China – Tanz zwischen Tradition und Moderne ............................................ 47 II.1.3 Moderne Wege in Taiwan - Contemporary Legend Theatre ......................................................... 49 II.2 Moderne Gesichter – Wirkung auf andere Fachbereiche ................................................................... 54 II.2.1 Zeitgenössische Komponisten............................................................................................................ 54 II.2.2 Film und Jingju..................................................................................................................................... 57 II.2.2.1. Martial Arts Filme und Jingju ....................................................................................................... 59 II.2 2.2 Filmmusik........................................................................................................................................ 62 II.2.3 China - Zwischen Museum und Moderne ....................................................................................... 66 SCHLUSSFOLGERUNG .................................................................................................... 68 ANHANG .............................................................................................................................. 71 Rollentabelle ...................................................................................................................................................... 71 2 CD ............................................................................................................................................ 79 Inhalt ................................................................................................................................................................... 79 LITERATURVERZEICHNIS .............................................................................................. 80 Internetquellen .................................................................................................................................................. 84 Jingjuaufführungen .......................................................................................................................................... 85 Filme .................................................................................................................................................................... 85 ABBILDUNGSVERZEICHNIS ......................................................................................... 86 3 Prefix Abbildungen Abbildung 1: Theatervorstellung während Ch’ien-lungs Regierungszeit .................... 10 Abbildung 2 – Mei Lanfang 1915 als Lady Chang E ........................................................ 15 Abbildung 3: "Study revolutionary play's to become a revolutionary" 1975 ............... 21 Abbildung 4: "Even children love to study heroes" 1975 ................................................ 22 Abbildung 5: Komischer Sprung bei dem der Chou zeigt, dass er sich am Zeh gestoßen hat. .................................................................................................................. 30 Abbildung 6: Mei Lanfang in The Fisherman’s Revenge, rudernd in einem imaginären Boot .................................................................................................................................. 31 Abbildung 7: Die wichtigsten Streichinstrumente: v.l.n.r.: erhu, huqin (oder chinghu), „Mond-mandoline“ (yüeh-ch’in) und „drei Seiten“ (san-hsien) ............................ 34 Abbildung 8: Die wichtigsten Schlaginstrumente: r.o. Zymbalen, die kleine Trommel (rechts unten), großer Gong (links oben), flache Trommel (pan-ku, links unten), kleiner Gong (Mitte), Kastagnetten (Mitte unten). ................................................... 35 Abbildung 9: Bühne und Orchester des Jingju ................................................................. 36 Abbildung 10: Szenenfotos aus The Revenge of Prince Zi Dan – Peking-Oper Ensemble Shanghai ......................................................................................................................... 47 Abbildung 11: Szenenfoto The Kingdom of Desire .............................................................. 50 Abbildung 12: Szenenfoto aus War and Eternity ............................................................... 51 Abbildung 13: Szenenfoto aus The Lady of Loulan ............................................................ 51 Abbildung 14: Szenenfoto aus Oresteia ............................................................................. 52 Abbildung 15: Wu Hsing-Kuo als Yin-Yang Meister in The First Emperor ................. 55 Abbildung 16: Vue n°91 Sortie d'Usine I ........................................................................... 57 Abbildung 17: Tan Xinpei in Der Berg Dingjun................................................................ 58 Abbildung 18: Kampfszene aus dem Film Come drink with me (1966) ........................... 59 Abbildung 19: Jackie Chan in Drunken Master, 1978 ........................................................ 60 Abbildung 20: Kampfszene aus dem Film Hero (2002) .................................................... 61 Abbildung 21: Werbeplakat von den Olympischen Spielen in Atlanta 1996 ............... 66 4 Tabellen Tabelle 1: Anzahl Auftritte und Zuschauer des Jingju in 1998 und 1999 ...................... 39 Tabelle 2: Prozentanteil interessierter Teilnehmer per Kategorie .................................. 40 Tabelle 3: Gründe für rückläufige Zuschauerzahlen beim Jingju .................................. 40 Tabelle 4: Stimuli für Interesse am Jingju .......................................................................... 42 Tabelle 5: Übersicht Handlung und Musik in Raise the Red Lantern ........................... 63 5 Einleitung Einleitung „There is, perhaps, not a people in the world who carry so far their taste and passion for theatrical entertainments as the Chinese… There is no little village that has not its theatre, which is usually placed opposite to the pagoda, and sometimes even forms a part of it.“ 1 Dies ist in Reiseaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert zu lesen – einer Zeit in der u.a. die Peking-Oper auf den chinesischen Bühnen immer mehr an Bedeutung gewann. In der vorliegenden Abschlussarbeit meines Musikwissenschaftsstudiums an der Universität Utrecht möchte ich mich mit den modernen Gesichtern dieser Tradition näher auseinander setzen. Denn auch wenn die Peking-Oper von immenser Bedeutung in der chinesischen Kultur war und sogar den Status der Nationaloper erlangte, so ist doch nicht zu verkennen, dass sie heute in einer ganz anderen Welt zu bestehen hat als ihr Hintergrund ist. Im späten 18. Jahrhundert aus verschiedenen bis dato gängigen Theatertraditionen entstanden, erlangte sie im Laufe der Jahre enorme Popularität bei den Menschen. Darsteller wie Mei Lanfang (1894-1961) waren in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts die gefeierten Stars – die Popstars der damaligen Zeit. Doch diese Blütezeit ist vorüber. Nun haben andere Medien und Künste die Vorherrschaft beim Publikum übernommen. Daher möchte ich mich in der vorliegenden Arbeit der aktuellen Situation dieser alten Tradition zuwenden. Wie besteht sie in der heutigen Zeit und was sind ihre modernen Gesichter? Zur Annäherung und Beantwortung dieser Fragestellung gehe ich im ersten Teil der Arbeit zunächst ausführlich auf die historische Entwicklung und die ästhetische Sprache dieser Kunstform ein. Im zweiten Teil wende ich mich dann zunächst der gegenwärtigen Situation der Peking-Oper, in sozial-gesellschaftlicher Hinsicht, zu. Anschließend werden exemplarisch Ansätze einer modernen Umgehensweise mit 1 Huc, E.R., The Chinese Empire 1 (Port Washington, N.Y.: Kennikat Press, 1970, rpt. Of the second ex., 1855), S. 263. 6 Einleitung dieser Kunstform gegeben. Da es sich um eine ehemals so bedeutungsvolle Kunstform der chinesischen Kultur handelt setzt sich das anschließende Kapitel mit den eventuellen Auswirkungen auf andere Fachbereiche auseinander – Peking-Oper und seine modernen Gesichtern. Zur Beantwortung dieser Fragestellung stützen sich dieser Untersuchungen auf vorhandene Publikationen, Auswertung von Videoaufnahmen von Aufführungen, sowie von Interviewmaterial und Musikmitschnitte. Das chinesische Theater, xiju (lit. „Theater des Dramas“) genannt, umfasst ein wesentlich breiteres Spektrum an dramatischen Elementen auf der Bühne, von Puppentheater, Tanz-drama, Gesangs-drama, Sprechtheater oder Story-telling, als das im Westen mit dem Begriff zum Ausdruck kommt. Das traditionelle chinesische Theater, oder die „chinesische Oper“, wird xiqu (lit. „theatre of song“) genannt. Es gibt mehr als 360 verschiedene Formen von „Musik-Theater“ in China – eine davon ist also die Peking-Oper – das Jingju. Die Namensgebung rührt von ihrem Entstehungsort her – Beijing (Peking). Im chinesischen wird sie als Jingju (lit. „Drama der Hauptstadt“), Jingxi (lit. „Theater der Hauptstadt“) oder Guoju (lit. „Nationales Drama“) bezeichnet.2 In der westlichen Übersetzung Peking-Oper wird der Eindruck einer engen Verbindung zur westlichen Operntradition fälschlicherweise nahe gelegt. Um diese Verwirrung zu vermeiden werde ich im Folgenden vorwiegend den Begriff Jingju verwenden. Last but not least will ich an dieser Stelle meinen ganz herzlichen Dank aussprechen. Drs. Him-Yong Kwee für die Betreuung und Begleitung dieser Arbeit. Dr. Antoinette Schimmelpenninck und Frank Kouwenhoven vom CHIME Institut in Leiden, ohne deren reichen Fundus zu chinesischer Musik diese Arbeit in diesem Rahmen nicht möglich gewesen wäre. Meiner Mutter, die den Abschluss dieser Arbeit leider nicht 2 Wichmann, E., Listening to theatre : the aural dimension of Beijing Opera (Honolulu: University of Hawaii Press, 1991), S. XIII. 7 Einleitung mehr miterleben kann; die mich Zeit ihres Lebens unterstützt und an mich geglaubt hat. Meinem Vater und meinem Bruder, die mir als Gesprächspartner im Prozess dieser Arbeit stets zur Seite standen. Sowie Pat für goldwerte Unterstützung in der Endphase dieser Arbeit. 8 I. Peking Oper – Ein Genre Die Form im Wandel I. Peking Oper – Ein Genre I.1 Die Form im Wandel I.1.1 Hintergrund und Entstehung China. Ein Land das auf großartige Kulturleistungen auf verschiedensten Gebieten in seiner langen Geschichte zurückblicken kann. Man denke beispielsweise an die Terrakotta-Armee (eine Grabanlage stammend aus 210 v. Chr., aus der ersten QinDynastie), oder die Erfindung von Papier und Porzellan. Die aufgezeichnete Geschichtsschreibung dieser Kultur reicht zurück bis zu den Kaisern des dritten vorchristlichen Jahrtausends.3 Die Geschichte der Theatertradition in China reicht ebenfalls weit zurück und ist in ihrer Vielfalt und Fülle vielleicht einmalig in dieser Welt.4 Den Ursprung von Darstellenden Künsten in China vermutet man einerseits in der Unterhaltung, andererseits aber auch in Tänzen und Gesängen die Rituale, religiöse Feste oder Feiern begleiteten.56 In China scheinen Darstellende Künste schon in der Zeit der ersten Dynastie, vor rund 4000 Jahren, existiert zu haben.7 Im Laufe der Zeit entwickelte sich eine Vielzahl von lokalen Theatertraditionen und diese wurden zu einem wichtigen Bestandteil im Leben der Menschen in allen Klassen der Gesellschaft.8 3 Störig, H.J., Kleine Weltgeschichte der Philosophie (Frankfurt a M.: Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, 1992), S. 85. 4 Idema, W.L., ‘Traditional Theatre in Modern Times: The Chinese Case’, in: Barfoot, C.C., Bordewijk, C., (Hrsg.), Theatre Intercontinental: Forms, Functions, Correspondences (Amsterdam: Rodopi, 1993), S. 11. 5 Scott, A.C., The Classical Theatre of China (New York: The Macmillan Company, 1978), S. 28. 6 Für eine ausführlichere Einführung in die Verbindung von Darstellenden Künsten und frühen Riten und Tänzen siehe: Dolby, W., ‘Early Chinese Plays and Theater’ in: Mackerras, C. (Hrsg.), Chinese Theater – From Its Origins to the Present Day (Honolulu: University of Hawaii Press, 1983), S. 7-31. Oder: Mackerras, C., The Rise of the Peking Opera 1770-1870 (Oxford: Claredon Press, 1972). 7 Howard, R., Contemporary Chinese theatre (London: Heinemann Educational Books, 1978), S.3. 8 Mackerras, C., The Rise of the Peking Opera 1770-1870 (Oxford: Clarendon Press, 1972), S. 16. 9 I. Peking Oper – Ein Genre Die Form im Wandel Unter der Herrschaft der Manchu Dynastie, des Kaisers Ch’ien-lung (1711-1799), erfuhr China im späten 18. Jahrhundert, vor allem in der gesellschaftlichen Elite, großen Wohlstand. Die chinesische Wissenschaft florierte, Bücher wurden gedruckt und gesammelt auch wenn die Zensur den Gelehrten keine Meinungsfreiheit zugestand. Auch das Theaterleben am Hofe in Beijing konnte sich in dieser Zeit zu neuer Pracht entfalten. Dieser Entwicklung auf der einen Seite steht jedoch ein langsam einsetzender Niedergang der politischen Situation am Hof und im Lande gegenüber. Dieses Ungleichgewicht bekamen vor allem die armen Menschen schnell zu spüren und die allgemeine Unzufriedenheit machte sich in Form von Aufständen bemerkbar.9 In dieser politisch sehr widersprüchlichen Zeit wurde im Jahre 1790 der 80. Geburtstag des Kaisers Ch’ien-lung gefeiert. Zu diesem Anlass Theatertruppen reisten aus den Provinzen Anhui, Jiangxi, Hubei, Sichuan und Shanxi nach Beijing. Abbildung 1: Theatervorstellung während Ch’ien-lungs Regierungszeit Zwar sollte es noch einige Zeit dauern bis die Peking Oper zu ihrer ganz eigenen, selbstständigen Form fand, doch dieses Aufeinandertreffen verschiedener Stile, Künste und Traditionen in der Hauptstadt wird heute allgemein als Geburtsstunde der Peking Oper gesehen.10 Die Truppen aus der Anhui und Hubei Provinz waren auf die zwei musikalischen Formen, dem Erhuang und dem Xipi spezialisiert. Zusammen wurde dies eine Zeit lang als Pihuang bezeichnet. Diese Stile werden zum musikalischen Herzen des 9 Mackerras (1972), S. 11-12. 10Guy, Nancy, ‘Beijing Opera’ Grove Music Online ed. L. Macy (Zugriff 19. Januar 2007) <http://www.grovemusic.com> 10 I. Peking Oper – Ein Genre Die Form im Wandel Jingju und es wird angenommen dass sie 1790 in Beijing zum ersten Mal zusammen zu hören waren. Die vordem gebräuchlichen musikalischen Systeme wurden stets unbeliebter. Zwar wurden noch Stücke in älteren Stilen wie dem kun- oder dem chui-Stil gespielt, jedoch gewann die Pihuang Musik beim Publikum zunehmend an Bedeutung. Um 1830 fließen beide musikalischen Stile zusammen und formen die pihuang-Oper, später dann Jingju genannt. Dieser Übergangsprozess war letztendlich bis zu Begin der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts abgeschlossen.11 Die wachsende Popularität des neuen Musiktheaters lässt sich nicht ohne Betrachtung der damaligen gesellschaftlich-politischen Situation erläutern. Wie zuvor erwähnt kam es zunehmend zu Spannungen, die sich mit Eingang des 19. Jahrhunderts zu heftigen politischen Auseinandersetzungen entwickelt hatten. Der Kampf gegen die Engländer, die ihre Invasionsabsichten mit Waffengewalt und Opium zu erkämpfen versuchten und die Taiping-Revolution. Das feine, klassische Drama der Literaten, die Kun-Oper, konnte diesen Irren und Wirren keinen Gegenpol bieten. Es musste eine künstlerische Form sein, die die nationalen Gefühle der leidenschaftlich kämpfenden Menschen wieder zu spiegeln und die das Volk anzusprechen und anzuspornen vermochte. Das Jingju, oder die Peking Oper, erfüllte diese Bedürfnisse. Aus den verschiedensten Traditionen war etwas entstanden, was in seiner Vielfältigkeit seines Gleichen sucht. Das Jingju bot ein breit gefächertes Repertoire und vereinte Gesang, Tanz, Akrobatik, Kampfkunst, Rezitation und Musik, ausgestattet mit prachtvollen Kostümen und kunstvoll bemalten Masken und Gesichtern. Die, großem Anspruch gewachsene Darstellungsform, die volksnahe und kraftvolle Musik und eine leichtere Verständlichkeit des Textes, erreichte ein sehr breites Publikum – von der 11 Schönfelder, G., Die Musik der Peking-Oper (Leipzig: Deutscher Verlag für Musik, 1972), S. 17. 11 I. Peking Oper – Ein Genre Die Form im Wandel königlichen Familie, Gelehrten, Würdenträgern zu Händlern, Handwerkern und Arbeiter.12 Anfänglich stellte das Jingju für den kaiserlichen Hof eine eher vulgäre Unterhaltungsform dar. Diese Haltung erfuhr jedoch mit den Jahren eine Änderung und so wurden im Jahre 1860, zum dreißigsten Geburtstag des Kaisers Xianfeng (1830-1861), Operntruppen für Aufführungen in den Palast geladen. Trotz des zuvor sozial eher schwachen Ansehen und Status des Jingju fand es offensichtlich langsam Anerkennung und Gönner am kaiserlichen Hofe.13 Vor allem die Kaiserwitwe Cixi (1835 – 1908), selbst eine begeisterte Laiendarstellerin14, hat maßgeblich zur Förderung des Jingju beigetragen. Vor ihrer Regentschaft war es lediglich ausgesuchten Truppen vorbehalten am Hofe, und nahezu ausschließlich dort, Aufführungen zu geben. Doch ab 1884, das Jahr ihres fünfzigsten Geburtstages, wurde der Palast auch von Schauspielern aus der Stadt regelmäßig besucht. Einige lebten und Unterrichteten sogar am Hof. 15 Ausgewählte Schauspieler, darunter der berühmte T’an Hsin-p’ei (1847 – 1917), einem regelmäßigen Besucher der Kaiserin in ihren späteren Regentschaftsjahren, wurden besonders von ihr gefördert. Hsin-p’ei verlieh sie sogar einen offiziellen Rang.16 Im Peking des späten 19. Jahrhunderts boten zahlreichen Teehäuser sowie um die 360 Gildehäuser eine gute Infrastruktur für die junge Kunstform sowie neue, wichtige Aufführungsorte. Die Schauspieler kamen vorwiegend aus sehr armen Verhältnissen und sie verfügten nur selten über genügend Räumlichkeiten für Proben. So fragten sie Teehausbesitzer 12 Ibid., S. 18. Xu Chengbei, Peking Opera (Beijing: China International Press, 2003), S. 12-15. 13Guy, Nancy, ‘Beijing Opera’ Grove Music Online ed. L. Macy (Zugriff 24. Januar 2007) <http://www.grovemusic.com> 14 Scott (1957), S. 37. 15 Xu (2003), S. 13. Guy, Nancy, ‘Beijing Opera’ Grove Music Online ed. L. Macy (Zugriff 26. Januar 2007) <http://www.grovemusic.com 16 Mackerras (1983), S. 106. 12 I. Peking Oper – Ein Genre Die Form im Wandel ob sie dort proben dürften. Für die Teehäuser bedeute dies eine neue Attraktion und das Jingju erreichte damit ein zunehmend breiteres Publikum und konnte sich entwickeln. Teehäuser ähnelten im Laufe der Jahre fast eher einem Theater. Tee wurde zwar noch serviert aber der Proberaum entwickelte sich mehr und mehr zur Bühne.17 Nach 1860 wurde das Jingju ebenfalls durch Reiseaufführungen ins übrige Land gebracht, wo es sich anschließend schnell verbreitete. In Shanghai kam das Jingju um 1867 an. Einige berühmte Darsteller wanderten südwärts und schafften hier ein zweites Zentrum der Kunst, neben Beijing. Hier entwickelten sich im Laufe der Zeit einige einmaligen Charakteristiken in der Aufführungsform, was später zur Trennung der „Beijing-Schule“ und der „Shanghai-Schule“ führte.18 So entstand im Laufe der Jahre, mit der Standardisierung der Schauspieltechnik und der verwendeten Musik sowie mit Veränderungen in der auf der Bühne gebrauchten Sprache und mit dem Entstehen von neuen, speziell für das Jingju geschriebenen Stücken, ein eigenes Genre – das Jingju.19 I.1.2 Blütezeit Auch durch die Förderung des kaiserlichen Hofes erfuhr das Jingju großen Aufschwung. So hatte es im späten 19. Jahrhundert die Vormachtstellung auf den Bühnen übernommen und erfreute sich großer, wachsender Beliebtheit beim Publikum.20 Getragen und entwickelt wurde es durch Schauspieler, die mit ihren Schulen neue Standards und Ästhetiken setzten. Kennzeichnend für die frühen Jahre der erfolgreichen Kunstform, etwa von 1840 bis 1911, ist die Entstehung der großen Lao 17 Halson, E., Peking Opera (Hong Kong: Oxford University Press, 1982), S. 3-4. 18 Xu (2003), S. 15-16. 19 Halson, S. 1-7. 20 Guy, Nancy, ‘Beijing Opera’ Grove Music Online ed. L. Macy (Zugriff 2. Februar 2007) <http://www.grovemusic.com 13 I. Peking Oper – Ein Genre Die Form im Wandel Sheng21 Schauspieler – unter ihnen Ch’eng Chang-keng (1812 – 1880), Sun Chü-hsien (1841 - 1931) und T’an Hsin-p’ei. Ein Grund für die Begeisterung des Publikums für die Lao Sheng Rollen geht einher mit einem wachsenden Interesse für Chinas heroische Vergangenheit und somit auch für heroische Dramen. Dies rührte aus dem allgemeinen Gefühl der Erniedrigung im Lande, dass durch ausländische Angriffe in dieser Periode zu erklären ist.22 Ch’eng Chang-keng wird allgemein als der größte Darsteller, als Vater, des Jingju im 19. Jahrhundert angesehen. Er übte auf das Theater seiner Zeit viel Einfluss aus, als Darsteller und Lehrer. Ihm wird letztendlich die Entstehung der vervollkommnten Techniken im Jingju zugeschrieben.23 In jungen Jahren erlernte er zunächst die Kunst des Kunqu. Durch die Ausbildung in dieser eleganten Dramaform wurde ihm eine sehr klare Ausdrucksweise nachgesagt. Er war einer der Auserwählten, die später an den kaiserlichen Hof für Aufführungen geladen wurde. Über die Jahre wuchs sein Ruhm, auch weil sein Repertoire eins der breitesten seiner Zeit war. Doch auch als Lehrer war er von immenser Bedeutung. Viele, später sehr erfolgreiche und berühmte Schauspieler, lernten ihr Handwerk bei ihm. Er konnte alle Rollentypen lehren und er zeichnete sich als besonders gründlicher und genauer Lehrer für seine Schüler aus. 24 Ch’i Ju-shan schreibt: “After [the students] had learned [this art], he would again divide them up into sheng, tan, ching, ch’ou and so on, so that each [group] formed a company; and he would make the best student act as leader. Each company would walk for one or two hours every day, while the teacher superintended from the side. Whenever someone did the walking badly, he would immediately correct the fault. This process would continue over one or two years.”25 21 Lao-Sheng-Rollen stellt einen alten Mann dar, oft gebildete bzw. einflussreiche Charakter. Für detaillierte Informationen vergleiche Kapitel I.2.1 sowie die Rollentabelle im Anhang. 22 Mackerras (1975), S.36–38. 23 Scott (1957), S. 37. 24 Mackerras (1975), S. 38-41. 25 Ch’ing-tai P’i-huang ming-chüeh chien-shu, S. 4. 14 I. Peking Oper – Ein Genre Die Form im Wandel Der wohl bekannteste und erfolgreichste seiner Schüler und Nachfolger war der schon zuvor genannte T’an Hsin-p’ei. Er verfügte offenbar über eine wunderbare Stimme, vor allem aber entwickelte er die bärtige Sheng Rolle zu neuer Größe. Mit seiner Darstellungskunst und seinem Wirken als Lehrer beeinflussten er noch viele, ihm folgenden Schauspieler des Jingju.26 Zum einen hatte er die Lehren von seinen Vorgängern verinnerlicht und in seine eigene Kunst integriert, zum anderen entwickelte er jedoch seinen sehr persönlichen Stil und veränderte u.a. den Wortlaut in Dramen manchmal recht frei. Mit seinem wachsenden Ruhm wuchs auch sein Einfluss und bald war sein Stil Tonangebend.27 Beide, Ch’eng Chang-keng sowie T’an Hsin-p’ei, waren Meister der Sheng Rolle, der angesehensten für einen Darsteller der Zeit. Doch dann gab auf einmal 1913 in Shanghai ein junger Sänger sein Debüt, der die Dan Rolle zu bisher ungeahntem Glanz brachte. Die Rede ist von Mei Lanfang (1894 – 1961). Mei, der Enkel eines bekannten Jingju Akteurs, durchlief bereits in sehr jungen Jahren eine harte, traditionelle Bühnen- Ausbildung. Wie viel so ein Training von den Jungen verlangte, zeigt beispielsweise seine Beschreibung einer Übung: „The two legs were placed firmly apart at a distance of twelve inches. Both hands were lifted over the head, palms outward with eyes focused on the thumbs. The body was then gradually bent over backwards; if you could grasp your ankles with both your hands your technique was considered good.”28 Nach seinem Debüt in Shanghai wuchs er zum neuen Abbildung 2 – Mei Lanfang 1915 Star des Jingju heran. Sein Einfluss in den kommenden als Lady Chang E 26 Scott (1957), S. 37. 27 Mackerras (1975), S. 46. 28 Mei Lanfang, Wutai shenghuo sishi nian [My forty years on stage] 1 (Beijing: Zhongguo Xiju Chubanshe, 1987), S. 40. 15 I. Peking Oper – Ein Genre Die Form im Wandel Jahren auf das Theater war enorm. Er wurde als unangefochtener Meister der Dan Rolle verehrt, doch auch sein Engagement für die Weiterentwicklung des Genres war von immenser Bedeutung. Er begann neue Stücke in der klassischen Tradition auf die Bühne zu bringen, integrierte historische Tänze und passte die Kostüme an bzw. entwarf neue. 29 Die frühen Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts entwickelten sich zur absoluten Blütezeit des Jingju. Es war allgegenwärtig und die beliebteste Unterhaltungsform in China. 3031 Einen Eindruck welche Begeisterung für das Jingju und damit auch für seine Stars, allen voran Mei Lanfang, vorhanden war, zeigt ein Zeitungsbericht über den Empfang von Mei im Frühling 1937 in Changsha: “After Mr. Mei got off the train, he was surrounded by a crowd of welcomers. He stood in the midst of a human mountain, a human sea, and could not move forward. Only after much manoeuvring among the crowd and with great difficulty could the friends who were looking after him find a way out and get Mr. Mei into a car… The Communications Bank was responsible for selling tickets [for his performances], but who would have thought that as soon as they started selling the tickets, those for ten days sold out in one go?...Many people who came to Changsha and were unable to get tickets requested that a day session on Sunday be added, and Mr. Mei agreed. On that occasion it was decided that seats in the (open air) theatre square should all be priced at four yüan [a high price] yet people fought for them all. …Although the theatre square was bad and the audiences large [at all his performances], everyone would fall silent as soon as he came on stage.”32 Bis zum Kriegsausbruch mit Japan 1937 entwickelte sich das Jingju sehr vital und innovativ. Viele Schulen wurden damals entwickelt, die teilweise heute noch 29 Scott (1957), S. 37-38. 30 Guy, Nancy, ‘Beijing Opera’ Grove Music Online ed. L. Macy (Zugriff 29. Januar 2007) <http://www.grovemusic.com> 31 Der Film Farewell My Concubine (Regie: Chen Kaige, 1993) beginnt in den frühen 20er Jahren und zeigt das Jingju in seiner Blütezeit. Im Film wird eine große Zeitspanne in der Chinesischen Geschichte beschrieben und somit werden ebenfalls die Auswirkungen der aufkommenden politischen Unruhen und Auseinandersetzungen im 20. Jahrhundert auf Menschen und Kunst sichtbar. 32 Zitiert in: Mackerras (1975), S. 62. 16 I. Peking Oper – Ein Genre Die Form im Wandel dominieren und als Maßstab dienen. Die einflussreichen, wichtigen Darsteller der Zeit waren an der Weiterentwicklung und Komposition von neuen Opern sowie an der Überarbeitung alten Materials beteiligt. Die Opern beispielsweise der vier berühmten Dan Darsteller (sida mingdan), Mei Lanfang, Cheng Yanqiu (1904 – 1958), Xun Huisheng (1900 – 1968) und Shang Xiaoyun (1900 – 1976) sind weiterhin als Standartrepertoire auf den Bühnen zu finden und ihr Darstellungsstil wurde übernommen.33 Mit dem Beginn des Krieges gegen Japan, von 1937-1945, kam es zu einem jähen Einbruch in der Entwicklung des Jingju. Schulen wurden geschlossen, Schauspieler weigerten sich weite aufzutreten. Auch das Team um Qi Rushan (1877 – 1962), einer der wichtigsten Librettisten und Theoretiker der Peking Oper sowie Ratgeber von Mei Lanfang, zerfiel und konnte nie wieder zusammen finden.34 I.1.3 Unter Mao Nach langen Jahren des Krieges gegen Japan und heftigen Revolutionskämpfen im eigenen Land rief am 1. Oktober 1949 ein jubelndes Volk die Volksrepublik China aus. 35 Mit Mao Tse-tung (1893-1976) an der Spitze hatten sich die Kommunisten endlich durchgesetzt und mit ihrer Übernahme der Regierung kamen große Veränderungen auf das Land zu. Wie viele politische Veränderungen das Land in den letzten fünfzig Jahren auch gesehen hatte, die politischen Führer teilten jedoch eine Vorliebe: das Jingju. Auch den Kommunisten war die gesellschaftliche Bedeutung und Wirkung dieser DramaForm bewusst, und versuchten sie in ihre politischen Bestrebungen mehr und mehr einzubeziehen. 33Guy, Nancy, ‘Beijing Opera’ Grove Music Online ed. L. Macy (Zugriff 8. Februar 2007) <http://www.grovemusic.com> 34 Scott (1957), S. 38. 35 Bianco, L. (Hrsg), ‘Die chinesische Revolution (1937-1949)’, in: Welt Geschichte - Das Moderne Asien 33 (Frankfurt a/M: Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, 2000), S. 125-145. 17 I. Peking Oper – Ein Genre Die Form im Wandel Die Partei versuchte ihre Ideologien durch das ganze Land zu verbreiten, und Slogans wie „to leave no stone unturned“, „to let a hundred flowers bloom“ und “push out the old and produce the new” umschreiben die Aufbruchsstimmung der Zeit. 1942 machte Mao in „Talks at the Yenan Forum of Literature and Art“ seinen Standpunkt zur Kunst deutlich. Hierin ist u.a. zu lesen: "Das Ziel für unser heutiges Treffen liegt darin sicher zu gehen, dass sich die Literatur und die Kunst in die Revolutionsbewegung einpassen, dass sie als kraftvolle Waffen zur Vereinigung und Bildung des Volkes fungieren, den Feind angreifen und zerstören, und das sie den Menschen helfen den Feind mit Herz und Verstand zu bekämpfen.”36 Und weiter: „…alle Kulturen, Literatur und Kunst gehören bestimmten Klassen an und sind darauf ausgerichtet die politischen Interessen zu verteidigen. In Wirklichkeit gibt es keine Kunst um der Kunst willen, Kunst die über Klassen steht oder Kunst die frei von der Politik steht. Literatur und Kunst der Proletarier sind Teil der ganzen proletarischen Revolution da sie, wie schon Lenin sagte, die Zahnräder und Räder der ganzen revolutionären Apparates darstellen. Daher nimmt die Parteiarbeit für Literatur und Kunst eine ganz spezielle Stellung in der revolutionären Arbeit der Partei ein, und sie muss sich den revolutionären Aufgaben unterordnen.”37 Diese Grundhaltung galt natürlich auch für das Jingju. Mao sah im Jingju die Aufgabe und die Möglichkeit, als Propaganda für seine Revolution zu arbeiten und die Massen zum Sozialismus zu bekehren. Er kündete vier Gebiete an, in denen Reformen stattfinden sollten: Kritische Betrachtung der Dramaturgie, Regie, Reorganisation der Theatergruppen und die Entfernung unerwünschter Stücke. Die ersten zwei Punkte streben Einflussnahme und Kontrolle der Partei auf die Oper an, die letzten zwei Punkte halfen von alten, unerwünschten Bestandteilen der 36 Brecht, B., ‘Bemerkungen über die chinesische Schauspielkunst’, in: Berhold Brecht Schriften 2 Teil 1 1933- 1942 Berliner und Frankfurter Ausgabe 22/1 (Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1993), S. 70. 37 Brecht (1993), S. 86. 18 I. Peking Oper – Ein Genre Die Form im Wandel Operntradition abstand nehmen zu können.38 Somit war dem Ansatz „pushing out the old and producing the new“ hervorragend genüge getan. Das im Juli 1950 entstandene Drama Reform Komitee strebte Änderungen an Text und Aufführungskonventionen für mehr Patriotismus, Demokratie und Gleichheit zwischen Mann und Frau an. In 1954 wurde dann zur ersten Konferenz vom Ministerium für Kultur eingeladen. Zu dieser Gelegenheit fanden sich unter Amateuren und Parteimitgliedern auch Experten aus dem Drama- und Operngenre zusammen. 39 Unter ihnen auch Mei Lanfang, der später zum Direktor der Chinesischen Akademie für Jingju berufen wurde. Die hier diskutierten Meinungen sollten ausschlaggebend für die später erfolgenden Reformversuche sein.40 Die einflussreicheren Anregungen und Äußerungen kamen nicht von den Amateuren sondern von Seiten der Experten. Exemplarisch sei hier ein Einblick in die Meinung Mei Lanfangs gegeben: „The art of performing the Peking Opera, the singing, the dancing and the acting, is closely related to its other features including the use of costumes [broad-sleeved gowns and thick-soled boots], facial masks [painted on the face to indicate different characters], beards [of many different but definite types, usually worn by the singers] and stage properties [chairs, tables, whips, and oars]. All these combined together have made PO a unique art. Thus before we talk about its reform, we must first study carefully its origin and development…”41 In einigen Punkten kam man letztendlich zu der Übereinstimmung dass die technischen Elemente des Jingju einer nicht zu gravierenden Veränderung bedürften. So blieben, wie von Mei Lanfang ausgeführt, fast alle Masken erhalten, da ihr Identifikationsgehalt für das Publikum zu grundlegend 38 Guy, Nancy, ‘Beijing Opera’ Grove Music Online ed. L. Macy (Zugriff 12. Februar 2007) <http://www.grovemusic.com> 39 Mackerras (1975), S. 166. 40 Yang (1962), S. 128 41 Zitiert in: Yang (1962), S. 129. 19 war. Kleinere I. Peking Oper – Ein Genre Die Form im Wandel Veränderungen, wie die mögliche Verwendung eines Bühnenbilds oder Vorhang, sowie das Entfernen des Orchesters von der Bühne, wurden ebenfalls vorgenommen. Der größte Teil der Reform aber beschäftigte sich mit Inhalt und Text der Stücke. Reaktionäre Textpassagen und Inhalte wurden aus den Stücken raus geschrieben. Wurde beispielsweise ein populärer Held in einer erniedrigenden Situation in einem Stück gezeigt, wurde dies umgeschrieben. 42 Auch jegliche Assoziation mit Aberglauben wurde streng Zensiert, wie das folgende Beispiel aus der Oper Fishermman’s Revenge zeigt. Der ursprüngliche Text lautete als folgt: Hsiao en (the fisherman, to his friends): In the business [of fishing] I am now engaged in, two words are considered taboo, one is “kan” [means “dry”, but is also used in toasts to mean “bottom up”] and the other is “han” [drought]. If anyone should mention these two words “kan” and “han”, I would not dare to say that he should be “fined” to drink three cups [of wine]; let us say that he should be given the honour of drinking three cups. Ni Jung and Li Chü (Hsiao’s two friends, together): We’ll remember it. (Hsiao En raises his cup for a toast. Ni Jung and Li Chü also raise theirs. All drink up the wine. Then---). Ni Jung (forgetting): Kan! [bottoms up]. Hsiao En (to Ni Jung): Ah! My dear brother, you are “honoured” with three cups [of wine]. (The three friends laugh.) Diese Passage wurde jedoch geändert in: Hsiao En (drinks and finishes his wine with his two friends): My dear brother! Do you still remember the days when you and I and other brothers were at Liang-shan po, doing justice for Heaven, helping the good people and getting rid of the bad. We saved many good people; we also killed many corrupt officials. Whenever we had a moment of leisure, we would drink and feast at the Hall of Justice. What a happy life we had at that time! (heaves a sigh). Now, since our defeat [by the government], you and I have been wandering around all over the country. We no longer enjoy the happy life of the past. Li Chü: Although you and I have been wandering around, we haven’t lost our heroic ambitions of the old days. Hsiao En: We haven’t? Li Chü and Ni Jung (together): We haven’t. (The three of them burst out laughing). 42 Mackerras (1975), S. 164-166. 20 I. Peking Oper – Ein Genre Die Form im Wandel Das bei dieser Übersetzung der Witz der Situation verloren ging wurde als nicht so wichtig erachtet.43 Die Regierung begann mehr und mehr Kontrolle auf die Entwicklung und Erscheinungsform des Jingju auszuüben. Zum einen wurden Theatergruppen nationalisiert und damit der direkten Kontrolle der Regierung unterstellt, und zum anderen wurden neue Trainingsschulen, zunächst in den größeren Städten, aufgebaut um neben Gesangs- und Schauspieltraining, vor allem ideologischen Einfluss ausüben zu können.44 Das politische Klima verschärfte sich zusehends und in 1964 wurden letztendlich alle traditionellen Opern von der Bühne verbannt. In einer abschließenden Zusammenfassung anlässlich eines Forums über Kunst in Shanghai 1966 heißt es, die angestrebten Modellopern betreffend “Since the founding of the People’s Republic, literary and art have been under the dictatorship of a black line, a combination of bourgeois ideas on literature and art, modern revisionist ideas, and the literature and art of the 1930s (in the Kuomintang areas of China)”. Der erste Schritt zur Bekämpfung dieser schwarzen Linie, die Revolutionisierung des Jingju “will exert a profound influence”. Weiter heisst es „Only when we have successful experience in creating them [die Modellopern] will we be able to convince the people, to consolidate the positions we hold, and to knock the reactionaries’ Abbildung 3: "Study revolutionary play's to become stick out of their hands. On this question, a revolutionary" 1975 43 Yang (1962), S. 132. 44 Ibid., S. 137. 21 I. Peking Oper – Ein Genre Die Form im Wandel we should have a sense of pride and not of inferiority. … we must destroy the blind faith in what is known as the literature and art of the 1930 (in the Kuomintang areas of China).”45 Während der Kulturrevolution (1966-1976) wurden diese strikt durch moderne Stücke, den Modellopern (Yanbangxi), ersetzt. 46 Neben dem revolutionären Inhalten und sehr oberflächlich gezeichneten Heldenfiguren von Arbeitern, Bauern und Soldaten, wurde der Beijing Dialekt auf der Bühne gesprochen, ein sehr simplifiziertes Make-up und einfache Kostüme verwendet, Bühnenbilder und Beleuchtung hingegen wurden erheblich aufwendiger und es wurde eine Akt- und Szeneneinteilung der Stück verwendet. Der musikalische Part wurde nun von einem Symphonieorchester übernommen.47 Zur Feier des fünfundzwanzigsten Ehrentags anlässlich Maos Reden am Yenan Forum, wurden 1967 acht „revolutionäre Modell-Theaterstücke“ in Beijing zur Aufführung gebracht. Diese acht ModellStücke sollten Kulturrevolution während auf den der Bühnen zugelassen sein – jegliche anderen Opern und die meisten Schauspiele wurden von der Bühne verbannt.48 Bei diesen Stücken Abbildung 4: "Even children love to study heroes" 1975 handelte es sich um The Red Lantern, Shajia Bang, Raid on the White Tiger Regiment, Taking the Tiger Mountain by Strategy und On 45 Summery of the Forum on Works in Literature and Art in the Armed Forces with which Comrade Lin Piao Entrusted Comrade Chiang Ching (Beijing: Foreign Language Press, 1968). 46 Guy, Nancy, ‘Beijing Opera’ Grove Music Online ed. L. Macy (Zugriff 13. Februar 2007) <http://www.grovemusic.com> 47 Siyuan Liu, "geming xiandai xi" The Oxford Encyclopedia of Theatre and Performance. Ed. Dennis Kennedy. © Oxford University Press 2003, 2005. The Oxford Encyclopedia of Theatre and Performance: (e-reference edition). Oxford University Press. Utrecht University Library. theatreandperformance.com/entry?entry=t177.e1487 48 Howard (1978), S. 91-92. 22 14. Februar 2007 http://www.oxford- I. Peking Oper – Ein Genre Die Form im Wandel the Docks; zwei wujü oder Tanzdramen Red Detachment of Women und The WhiteHaired Girl; sowie die symphonische Musik von Shajia Bang. Anfang 1970 wurden noch einige weitere Jingju Stücke zugelassen, wie Hymn of Dragon River, Battle on the Plain, The Dujuan Mountain, Red Detachment of Women und Panshi Wan.4950 Diese Modellstücke wurden im ganzen Land von den verschiedensten Medien übernommen. Als Ballet, in Radiosendungen Fernsehprogramme oder in der Werbung. Ebenso oder Übertragungen, wurden, zur weiteren Popularisierung der Inhalte zwischen der Bevölkerung, die Modellopern langsam in lokale Operntraditionen übersetzt. Innerhalb von drei Jahren waren aus diesem Grunde um die hundert lokale Operntraditionen wieder belebt worden.51 Trotz des enormen Aufwandes eine neue, politisch korrekte Theatertradition zu kreieren und damit positiven Einfluss auf die politische Konstitution der Bevölkerung auszuüben, konnten die Bemühungen letztendlich nicht ganz den Vorstellungen entsprechen. Kritische Stimmen beklagten sich über die rigide und oberflächliche Behandlung der Charaktere sowie die strenge Kontrolle der Regierung, die eine künstlerisch freie Entwicklung dieser Kunstform völlig unmöglich machte.52 I.1.4 Nach 1978 Mit der Machtübernahme von Deng Xiaoping (1904-1997) änderte sich die Richtung des politischen Windes entscheidend. Er traf u.a. zwei sehr wichtige Entscheidungen, die ihm viel Unterstützung und Sympathie einbrachten. Erstmals war es erlaubt, die 49 Siyuan Liu "geming xiandai xi" The Oxford Encyclopedia of Theatre and Performance. Ed. Dennis Kennedy. © Oxford University Press 2003, 2005. The Oxford Encyclopedia of Theatre and Performance: (e-reference edition). Oxford University Press. Utrecht University Library. 14. Februar 2007 http://www.oxford- theatreandperformance.com/entry?entry=t177.e1487 50 Sehr ausführliche Informationen über die verschiedenen Modellstücke sind bei Roger Howard Contemporary Chinese Theatre, Kapitel 4: ‘The Plays of 1949-65’ sowie Kapitel 5: ‘The Cultural Revolution in the Theatre and After’ zu finden. 51 Howard (1978), S. 96. 52 Tung, C., Mackerras, C. (Hrsg.), Drama in the People’s Republic of China (Albany: State University of New York, 1987), S. 108. 23 I. Peking Oper – Ein Genre Die Form im Wandel Kulturrevolution und ihr Leid öffentlich zu kritisieren und er schaffte das System des Klassenhintergrunds ab. Des Weiteren verfolgte er eine für die Volksrepublik China radikale Öffnungspolitik gegenüber dem Westen, insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht. Nach der Kulturrevolution und dem Fall der „gang of four“ wurden die Modellopern gestoppt. Der geplante und überwältigende Einfluss bzw. Erfolg dieser Stücke war nicht zu verwirklichen gewesen. Deng Xiaoping sprach sich für eine Widerbelebung der alten Stücke auf den Bühnen aus.53 Doch die Tradition des Jingju hatte durch die Kulturrevolution einen schweren Schlag hinnehmen müssen. Man konnte nicht einfach wieder dort anknüpfen wo man vor Jahren aufgehört hatte. Besonders problematisch war die Tatsache, dass es sein Publikum mehr und mehr verlor. Zum einen war dies durch die Kulturrevolution bedingt, durch welche die Menschen nicht mehr mit dem Jingju als selbstverständliche Kultur aufgewachsen waren und somit seine Sprache verlernt hatten, zum anderen hatte es auch zunehmend neben modernen Medien wie Fernsehen oder Kino zu bestehen. In den 80er und 90er Jahren wurde das Jingju weiter zunehmend als lebendige Tradition bedroht. Der Staat zog sich langsam von der bisherigen Unterstützung von Schulen und Theatertruppen zurück und somit wurden die Kasseneinnahmen nun wesentlich ausschlaggebender für die Vorstellungen als zuvor. Das alte Publikum des Jingju schwand mehr und mehr und dies in einer Zeit, in der das Interesse der Menschen, und vor allem der Jugend, an Altem, Traditionellem abnimmt.54 Jedoch kamen mit der vor allem wirtschaftlichen Öffnungspolitik Deng Xiaopings nicht nur mediale Einflüsse und damit Konkurrenz für das Jingju ins Land, sondern 53 Guy, Nancy, ‘Beijing Opera’ Grove Music Online ed. L. Macy (Zugriff 26. Februar 2007) <http://www.grovemusic.com> 54 Guy, Nancy, ‘Beijing Opera’ Grove Music Online ed. L. Macy (Zugriff 26. Februar 2007) <http://www.grovemusic.com> 24 I. Peking Oper – Ein Genre Die Form im Wandel auch Touristen und neue Einflüsse aus anderen Kulturen. Ein möglicher neuer Markt öffnete sich damit für das Jingju und neue Entfaltungsmöglichkeiten dieses Genres. Wie also mit dieser neuen Situation umgegangen wird, wie sich das Jingju als Kunstform heute behauptet, verändert oder beeinflusst, soll im zweiten Teil dieser Arbeit genauer erörtert werden. I.1.5 Peking Oper in Taiwan Das Jingju erfuhr in Taiwan, nach der politischen Abspaltung vom Festland, eine etwas andere Entwicklung als im kommunistischen China Maos. Nach dem Rückzug Chiang Kai-sheks (1887-1975) und seiner Truppen 1949 auf die Insel, aufgrund des verloren Bürgerkrieg gegen die Kommunisten, wurde es zum Träger für nationalen Stolz auf die traditionelle chinesische Kultur.55 Der Grundstein für die heutige Operntradition in Taiwan wurde in den 40er Jahren mit Schauspielern gelegt, die vom chinesischen Festland kamen. 56 So auch Gu Zhengqiu mit ihrer Truppe, die 1948 aus Shanghai nach Taiwan kam. Gu Zhengqiu hatte ihre Ausbildung 1945 an der renommierten Shanghai Theater Schule (Shanghai Xiqu Xuexiao) erfolgreich abgeschlossen. Sie wurde schon während ihrer Ausbildung als ein viel versprechendes, junges Talente gesehen und hatte bereits mit Meistern wie Mei Lanfang auf der Bühne gestanden. Die Gu Truppe kam nach Taiwan und erfuhr einen ungeahnten Erfolg.57 Letztendlich spielte die Truppe fünf Jahre zusammen, von 1948 bis 1953, und als sie sich langsam auflöste wechselte der Kern der Gruppe in die Armeetheatertruppe. Zwischen 1949 bis Mitte der Neunziger war das Verteidigungsministerium der Hauptförderer der Operntruppen auf Taiwan und es unterhielt eine Anzahl von 55 Guy, N., ‘Íntroduction: Positioning Peking Oper on Taiwn’, in: Peking Opera and Politics in Taiwan (Chicago: University of Illinois Press, 2005), S. 1-10. 56 Mansha, T., Odenthal, J. (Hrsg.), Legendige Erinnerung – Xiqu Zeitgenössische Entwicklung im chinesischen Musiktheater (Berlin: Haus der Kulturen der Welt, 2006), S. 148. 57 Guy, Nancy, Peking Opera and Politics in Taiwan (University of Illinois Press: Chicago, 2005), S. 23. 25 I. Peking Oper – Ein Genre Die Form im Wandel professionellen Ensembles und Trainingsschulen im Lande.58 Viele der Offiziere und Soldaten Nationalchinas waren nicht nur Liebhaber dieser Kunstform, sondern kannten mitunter ganze Arien auswendig und konnten sie mitsingen.59 Das Guoju (Nationale Oper), wie das Jingju in Taiwan genannt wird, behielt vorerst den ‘traditionellen’ Aufführungsstil, aus den Jahren nach 1949, bis in die achtziger Jahre bei.60 Langsam wuchs eine neue Generation von Schauspielern heran, doch die Kluft zwischen Oper und gesellschaftlicher Realität klaffte immer weiter auseinander. Zwar herrschten harte Trainingsmethoden und es wurde auf äußerste Präzision Wert gelegt, doch es mangelte an Lebendigkeit und innovativen Elementen. Unter Jungen Leuten wurden Äußerungen verlautbar, wie: „Wir wissen, dass wir sie [das Jingju] als einen nationalen Schatz ehren sollen, aber wir verstehen sie nicht. Und im Grunde wollen wir sie auch gar nicht verstehen.“61 Für die junge Generation war diese Kunstform irrelevant geworden und sie wurde eher als eine kunstvolle und kuriose Antiquität wertgeschätzt, die aber leider von den Entwicklungen und Strömungen der modernen Kunst- und Literaturwelt ausgeschlossen blieb. Erst in 1978 kam mit dem Ya-Yin Ensemble Veränderung und frischer Wind. Dieses Ensemble schaffte es, aus der veralteten Tradition wieder eine moderne und aufblühende Kunst zu machen. Es verlegte seine Aufführungsorte an die modernen, neu errichteten Theaterhäuser, integrierte professionelle Theaterleute in das Produktionsteam, begann mit dem Regiesystem, gab Texte neu heraus, veränderte die gesamte Bühnentechnik sowie Beleuchtung und Kostüme und es wurde auf ein professionelles Marketing umgestellt. Auch wurden traditionelle chinesische und volkstümliche Musikgruppen erstmals eingeladen gemeinsam an der szenischen Gestaltung mitzuwirken. 58 Guy, Nancy, ‘Beijing Opera’ Grove Music Online ed. L. Macy (Zugriff 19. Februar 2007) <http://www.grovemusic.com> 59 Mansha (2006), S. 148. 60 Guy, Nancy, ‘Beijing Opera’ Grove Music Online ed. L. Macy (Zugriff 19. Februar 2007) <http://www.grovemusic.com> 61 Mansha (2006), S. 148. 26 I. Peking Oper – Ein Genre Die Form im Wandel Damit entwickelte sich das Guoju wieder zu einer regelrechten Kulturbewegung, die auch von der gegenwärtigen Kunst- Literatur- und Medienszene beeinflusst wurde. Die traditionelle Form wurde langsam in den Hintergrund gedrängt, denn das Publikum wollte nicht mehr ausschließlich traditionelle Opernarien hören sondern die ganze Fülle des Dramas geboten bekommen.62 Die Verehrung für die westlichen Kunstformen legte sich schlagartig, als Taiwan von den Vereinten Nationen ausgeschlossen wurde und die USA die diplomatischen Beziehungen abbrach. Es kam zu einer Rückbesinnung auf die chinesische bzw. taiwanesische Gefühls- und Kulturwelt und es wurde versucht Volkskunst in die moderne Gesellschaft zu integrieren. Das Ya-Yin Ensemble, Wegbereiter für kommende Veränderungen, hatte sich das Motto „Modernisierung der traditionellen Peking Oper“ auf die Fahnen geschrieben, und es half einer Jugend auf der Suche nach den eigenen Wurzeln und es half auf eine moderne Weise mit der eigenen Geschichte umzugehen.63 Nachdem sich die Bewegung der Rückbesinnung auf die eigene Kultur weiter gefestigt hatte wurden die Einflüsse aus China, und damit auch das Jingju, immer kritischer gesehen und lokale Kunstformen erfuhren vermehrt Unterstützung von offizieller Seite. 1996 wurden die drei letzten verbliebenen Theatertruppen vom Verteidigungsministerium aufgelöst sowie die Supervision ihrer letzten Schule aufgegeben. Gegenwärtig gibt es zwei staatlich unterstütze Ensembles, beide unter der Verwaltung des Bildungsministeriums, die National Guoguang Opera Company und die National Taiwan Junior College of Performing Arts.6465 62 Mansha (2006), S. 148. 63 Ibid., S. 149. 64 Guy, Nancy, ‘Beijing Opera’ Grove Music Online ed. L. Macy (Zugriff 19 Februar 2007) <http://www.grovemusic.com> Bi-yu Chang, “Reclaiming cultural ownership – Indigenous xiqu and the construction of Taiwanese identity’ (Zugriff 20. März 2007) <http://www.soas.ac.uk/taiwanstudiesfiles/EATS2005/panel8Changpaper.pdf> 65 Für einen ausführlichen Eindruck über die Entwicklung des Jingju in Taiwan siehe: Guy, N., Peking Opera and Politics in Taiwan (University of Illinois Press: Chicago, 2005). 27 I. Peking Oper – Ein Genre Ästhetik und Sprache des Jingju I.2 Ästhetik und Sprache des Jingju Haben wir uns im vorangegangenen Kapitel dem Jingju aus historischer Sicht genähert, so will ich im Folgenden auf seine Ästhetik sowie die visuelle und auditive Sprache dieser Kunstform eingehen. Was ist genau unter Jingju zu verstehen und wie stellt es sich in ästhetischer Hinsicht dar? In der westlich geprägten Welt wird für das Jingju oft der Name „Peking Oper“ verwendet. Jedoch ist der Begriff, wie einführend erwähnt, irreführend. Denn das Jingju ist mit der westlichen Oper nicht zu vergleichen. Das Jingju ist nicht mit Gesang und musikalischer Begleitung beschrieben. Hier werden die verschiedensten darstellenden Kunstformen miteinander verbunden. Gesang, Dialog, Pantomimik, Kampfkunst bzw. Akrobatik finden hier auf der Bühne zusammen66, begleitet von einem Orchester, das ebenfalls eine andere Rolle spielt im „Gesamtkunstwerk Jingju“, als es dem Opernorchester im Westen zukommt. Wir kennen das Streben nach einem Gesamtkunstwerk in der westlichen Kulturwelt schon von Richard Wagner. Sein Bestreben war die Einheit zwischen Drama und Musik, die gleichwertige Verbindung dieser Mittel zum Ausdruck einer dramatischen Idee.6768 Fortsetzung fand dieser Gedanke vor allem im 20. Jahrhundert mit dem totalen Theater.69 Hier findet man bei E. T. Kirby zu dem Term die Definition: „Theatre as the place of intersection of all arts is…the meaning of ‘total theatre’. We most often find this totality indicated by a list of components such as music, movement, voice, scenery, lightening, etc”. Im weiteren Verlauf nennt er spezifischere Kriterien für „totales Theater“. Hier heisst es: 66 Latsch, M., Peking Opera As a European Sees It (Beijing: New World Press, 1980), S. 5. 67 Im Gegensatz zur konventionellen, westlichen Oper, in der der Gesang maßgeblich ist und das Libretto vorwiegend als Gerüst für die Musik dient. 68 Grout, D.J., Palisca, C.V., A History Of Western Music (W.W. Norton: New York, 1996), S. 645. 69 Oxford University Press. Utrecht University Library. 8. März 2007 http://www.oxfordtheatreandperformance.com/entry?entry=t177.e3967 I. Peking Oper – Ein Genre Ästhetik und Sprache des Jingju More important … is the understanding that there must be an effective interplay among the various elements, or a significant synthesis of them. Totality may, in this sense, be more or less extensive, including a greater or lesser number of aspects, but it must always be intensive, effecting an integration of the components. While totality as an ideal is extensive and allinclusive, it is this relationship between elements, rather than an accumulation of means, which actually distinguishes the form.70 Vergegenwärtigt man sich diese Umschreibung in Bezug auf das Jingju, so kann es nicht nur als „totales Theater“ gelten, sondern als eine beispielhafte Form des Konzepts. Die ästhetischen Ziele, die im Jingju angestrebt werden, verbinden die verschiedenen Elemente auf einmalige Art und Weise. Die Bühne stellt hierbei einen Ort dar, an dem ein Schauspieler vier Fähigkeiten vereinen und präsentieren muss. Chang (Lied bzw. Gesang), nian (Sprache), zou (Tanz) und da (Kampfkunst). Diese Fähigkeiten gehören zum Drama und seiner Darstellung.71 Jedoch reicht es nicht diese Elemente technisch perfekt zu zeigen, dann gelten sie als leer. Sie müssen auch der Ästhetik genügen. Dies bedeutet, dass „Beijing Opera likewise aims first to strike the audience with a resemblance to life – and then to convey the very essence of life. …In the pursuit of this aesthetic aim, performers adhere strictly to a basic aesthetic value: everything within the world of the play must above all be beautiful (mei). In its simplest applications the demand for beauty requires, for instance, that a beggar be dressed in a black silk robe covered with multicoloured silk patches rather than in actually dirty or tattered clothes, which would not be considered beautiful.”72 Dieses Streben nach Schönheit beeinflusst die Aufführungen auch in der darstellerischen Natur. So sollte Gesang, Sprache, Tanz, Schauspiel und Kampfkunst 70 Kirby, E.T., ‘Introduction’ in Total Theatre: A critical Anthology (New York: Dutton, 1969), S. xii. 71 Wichmann, E., Listening to theatre : the aural dimension of Beijing Opera (Honolulu: University of Hawaii Press, 1991), S. 2. 72.Ibid., S.3. 29 I. Peking Oper – Ein Genre Ästhetik und Sprache des Jingju in jeder Situation absolut mühelos aussehen. Das höchste Lob das man dann auch einer Aufführung geben kann ist, sie als Schön zu bezeichnen. Als drei ästhetische Prinzipien des Jingju werden Synthese, Stilisierung und Konvention angesehen. Was das Element der Synthese betrifft, so ist Geschichte, Musik, Gesang, Sprache und Tanz-Schauspiel in fast allen Stücken zu finden. Auch sind sehr häufig Kampfkunst und Akrobatik inbegriffen, und all diese Elemente zusammengenommen sind charakterisierend für das Jingju. Gesang und Sprache gehen einher mit tanzartigen Bewegungen der Schauspieler, tänzerisches Spiel und Kampfkunst werden melodisch und/oder rhythmisch begleitet. Vom Publikum einer Jingjuaufführung werden zu aller Zeit Augen und Ohren gefordert. Mit dem Element der Stilisierung wird ein Unterschied zwischen dem Verhalten im täglichen Leben und der Präsentation desselbigen auf der Bühne umschrieben. Durch die Stilisierung wird etwas erhoben und verfeinert – es wird angestrebt, das alltägliche Verhalten schön zu machen. Ein Element ist hierbei die Rundheit (yuanxing) in Bewegungen. Gerade Linien und Ecken gelten als nicht schön und somit wird eine Darstellung aus Bögen, Kreisen und gebogenen Linien angestrebt, was für körperliche Bewegungen der Schauspieler als auch für Bewegungen durch den Raum gilt. Die Konventionen im Jingju beinhalten u.a. spezifische Tradition Handlungen, eine ganz denen bestimmte durch die Bedeutung zugemessen wird. Für ungeübte Augen oft nicht sofort nachzuvollziehen, für den Kenner eröffnet sich so eine ganz neue Dimension in der visuellen Geschichtenerzählung. 30 Abbildung 5: Komischer Sprung bei dem der Chou zeigt, dass er sich am Zeh gestoßen hat. I. Peking Oper – Ein Genre Ästhetik und Sprache des Jingju Die tänzerisch, vor allem aber pantomimischen Bewegungen der Darsteller, wie das Öffnen und schließen einer Tür, das hinauf und hinabsteigen einer Treppen, oder die Bewegung über unwegsames Gelände in Dunkelheit, Wärme, Regen und Kälte, sind auch für das ungeübte Auge leicht zu verfolgen. Andere tänzerisch-schauspielerische Bewegungen und Konventionen sind formeller und für den Jingju-Laien schwerer nachzuvollziehen. So beispielsweise der Gang auf der Bühne in einem großen Kreis, was für Reisen über einen langen Abstand steht.73 Die Requisiten und Bühnenbild werden sehr sparsam, aber sehr variabel und mit großer Aussagekraft, verwendet. Ein Ruder symbolisiert eine Bootsfahrt (Siehe beiliegende CD, Nummer 1 für ein kurzes Videofragment) oder eine Reitgerte in einer Hand genügt, um Reiter und Pferd auf der Bühne entstehen zu lassen. Abbildung 6: Mei Lanfang in The Fisherman’s Revenge, rudernd in einem imaginären Boot Auch Bertold Brecht, nachdem er 1935 Mei Lanfang in Russland gesehen hatte, war von dieser Schauspieltechnik sehr beeindruckt und schreibt in seinem daraufhin verfassten Artikel Bemerkungen über die chinesische Schauspielkunst u.a. folgendes: „Ein Mädchen wird gezeigt, wie sie einen Kahn rudert. Sie ist die Tochter eines Fischers. Stehend lenkt der Artist mit einem kleinen Ruder, das ihm kaum bis zu den Knien reicht, den Kahn, der nicht vorhanden ist. Jetzt wird die Strömung schneller, jetzt wird es schwieriger, das Gleichgewicht zu halten, jetzt ist sie in einer Bucht, sie rudert etwas kräftiger. Nur so lenkt man einen Kahn. Aber die Kahnfahrt scheint historisch zu sein, in vielen Liedern besungen, eine ungewöhnliche Fahrt, jedermann bekannt. Jede der Bewegungen dieses berühmten Mädchens ist in Bildern festgehalten, jede Biegung des Flusses war ein Abenteuer, man kennt es, auch die betreffende Flussbiegung ist bekannt. Dieses Gefühl des Zuschauers wird 73 Wichmann (1991), S. 1-6 und Xu Chengbei, Peking Opera (Beijing: China International Press, 2003), S. 106117. 31 I. Peking Oper – Ein Genre Ästhetik und Sprache des Jingju hervorgerufen durch die Haltung des Artisten: sie ist es, die diese Fahrt berühmt macht.“74 Nach einem einführenden Blick auf die ästhetische Welt und Sprache des Jingju, will ich nun anschließend kurz auf die Rollenfächer dieser Kunstform eingehen, denn auch hier sind entscheidende, wichtige Unterschiede zur westlichen Theatertradition festzustellen. I.2.1 Rollenfächer Im Jingju hat sich eine Einteilung in vier unterschiedliche Rollenkategorien entwickelt – Sheng (Männlich), Dan (Weiblich), Jing (‚bemalten Gesichter‘) und Chou (Clown). Jede dieser Kategorien hat wiederum seine eigene Unterteilung in verschiedene Charaktere.75 In diesem Rollensystem werden Geschlecht, Alter, sozialen Stand und Charakteranlage angegeben. Im Gegensatz zum westlichen Theater wird hier der Archetyp eines Charakters auf der Bühne gezeigt. Eine Auseinandersetzung mit der Psychologie eines Individuums wird nicht angestrebt. Einfache positiv-negativ Kontraste bzw. die Absetzung zwischen Gut oder Böse, werden durch das Bühnengeschehen zum Ausdruck gebracht.76 Sheng-Rollen Die männlichen Charaktere werden im Jingju in der Kategorie der Sheng-Rollen zusammengefasst und können entweder ziviler oder einer Krieger-Natur sein. Die Schauspieler werden vor allem in drei Hauptrollen in dieser Kategorie ausgebildet. Lao Sheng, einem Mann mittleren Alters mit einem Bart; Hsiao Sheng, einem jungen 74 Brecht, B., ‘Bemerkungen über die chinesische Schauspielkunst’, in: Berhold Brecht Schriften 2 Teil 1 1933- 1942 Berliner und Frankfurter Ausgabe 22/1 (Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1993), S. 152. 75 Xu (2003), S. 31. 76 Mackerrras (1983), S. 119. 32 I. Peking Oper – Ein Genre Ästhetik und Sprache des Jingju Mann und dem Wu Sheng, einem Mann mit militärischem Hintergrund, vor allem begabt in Kampfkunst und Akrobatik.77 Dan-Rollen Die Dan, die weiblichen Charaktere, können wiederum in sechs Hauptrollen unterteilt werden. Ching I, eine bescheidene, tugendhafte Frau; Hua Dan, die femme fatale des Jingju; Kuei Men Dan, eine junge, naive und unverheiratete Frau; Daomadan, ein kräftiger Charakter, oft auch ein weiblicher General; Wu Dan, die chinesische Amazone bzw. eine weibliche Kriegerin und Lao Dan, eine ältere Frau.78 Jing-Rollen Eine weitere Hauptrollen-Kategorie stellen die „bemalten Gesichter“ (hualian, lit. „Blumen Gesicht“) dar. Sie repräsentieren beispielsweise Krieger, Helden, Staatsmänner oder auch Dämonen.79 Eins der markantesten Merkmale dieser Rolle ist ihr Maskenbild. Die Gesichtsmasken werden mit kräftigen Farben und in bemerkenswertern Mustern aufgetragen. Das verwendete Design kann von recht schlichter Bemalung bis hin zu sehr komplizierten und umwerfenden Mustern gehen. Anhand dieser werden dem Publikum visuell spezielle Charakteristika dieser Rolle übermittelt.80 Chou-Rollen Die Chou-Rolle wird oft als „Clown“ übersetzt, und, obwohl dieser oft humoristische Charaktere darstellen, sind sie damit nicht ausreichend beschrieben. Der Chou stellt ebenfalls die Verbindung zwischen Bühne und Publikum her. Ihm ist es auch erlaubt im Stück zu Improvisieren und direkt mit dem Publikum zu reden.81 77 Wichmann (1991), S. 7-8. 78 Ibid., S. 8-9. 79 Xiafeng (1995), S. 46. 80 Wichmann (1991), S. 10. Auch Brecht verwendet oft einen Erzähler in seinen Stücken, um, im Dienste des Verfremdungseffekts, eine kritische Distanz zwischen Bühnengeschehen und Publikum zu kreieren. 81 33 I. Peking Oper – Ein Genre Ästhetik und Sprache des Jingju Für eine ausführlichere Übersicht über die bestehenden Rollenkategorien, Charakteristika und verschiedenen Unterteilungen siehe in der Anlage die beigefügte Rollentabelle. I.2.2 Auditive Sprache Wie wichtig die auditive Sprache und Welt für eine Jingju Aufführung ist, wird daran deutlich, dass man traditionell vom „Theater hören“ (tingxi) spricht und dass das Darstellen in einem Stück „Theater singen“ (changxi) genannt wird.82 Die Musik ist Teil des Ganzen und entgegen der westlichen Operntradition nicht dominierend; so kommen beispielsweise pur orchestrale Passagen nicht vor.83 Ein traditionelles Jingju Orchester kann zunächst in zwei Gruppen unterteilt werden; dem wenchang und dem wuchang. Das wenchang besteht aus Streich- und Blassinstrumenten, das wuchang aus Schlaginstrumenten. Im Wenchang ist die Huqin das wichtigste Streichinstrument zur Begleitung des Gesangs. Sie spielt im unisono mit dem Gesangspart und ohne eine perfekte Begleitung kann auch der talentierteste Jingju Darsteller sein Talent nicht zur vollen Geltung bringen. 84 Bekannte Schauspieler haben daher oft ihren eigenen Huqin-Spieler. 85 So wie ein Abbildung 7: Die wichtigsten Streichinstrumente: v.l.n.r.: erhu, chinesisches huqin (oder chinghu), „Mond-mandoline“ (yüeh-ch’in) und „drei Sprichwort besagt „So schön Seiten“ (san-hsien) 82 Wichmann (1991), S. 1. 83 An-ch’I Wang, Peking opera (Leuven/Apeldoorn: Garant, 1993), S. 44. 84 Xiafeng (1995), S. 69. 85 Halson (1982), S. 56. 34 I. Peking Oper – Ein Genre Ästhetik und Sprache des Jingju die Pfingstrosen sind, sie brauchen die Unterstützung der grünen Blätter“, so braucht ein guter Opernsänger perfekte Zusammenarbeit mit dem Huqin-Spieler oder eine perfekte Begleitung des wenchang.86 Und so wie das wenchang untrennbar von den Jingju-Dastellern ist, so ist es auch das wuchang, dem rhythmischen Puls des Jingju. Dieses begleitet Schauspiel, Rezitation, Tanz und akrobatische Kampfszenen. Für westliche Ohren scheint eine Aufführung mit sehr viel Lärm, besonders von den Schlaginstrumenten, begleitet zu werden. Der Ursprung der lauten Klänge der Gongs und Trommeln ist noch in einer Zeit zu suchen, in der die Theatertruppen auf provisorischen Bühnen auf Märken und in Straßen standen und so versuchten die Aufmerksamkeit der Menschen zu erlangen.87 Auch hier besteht eine musikalische Synthese mit dem Bühnengeschehen. Jede Geste oder Emotion eines Charakters, aber auch die Bühneneffekte, wie ein Windstoss oder Regen, sollte in absoluter Harmonie zu den Trommel- und Gongschlägen stehen. Im Laufe der Entwicklung des Jingju hat sich auch eine Sprache der Trommeln und Gongs entwickelt. Zwischen 50 und 60 verschiedene rhythmische Fragmente und Variationen werden normalerweise auf der Bühne verwendet. Wie das Wenchang, so akzentuiert und initiiert das Wuchang die Stimmung und den Rhythmus der vier Rezitation, Elemente des Schauspiel Jingju: und Gesang, Akrobatik. Abbildung 8: Die wichtigsten Schlaginstrumente: r.o. Zymbalen, die kleine Trommel (rechts unten), großer Gong (links oben), flache Trommel (pan-ku, links unten), kleiner Gong (Mitte), Kastagnetten (Mitte unten). Unterschiedliche Gong- und Trommelschläge stellen verschiedene Emotionen dar und sollten mit der Handlungsentwicklung harmonisieren. 88 86 Xiafeng (1995), S. 70. 87 Xu (2003), S. 56. 88 Xiafeng (1995), S. 70-71. 35 I. Peking Oper – Ein Genre Ästhetik und Sprache des Jingju Die kleine Trommel ist hierbei das wichtigste Instrument im Orchester, da mit ihr die Zeit bzw. der Rhythmus einer Aufführung angegeben wird. Wenn ein Darsteller improvisiert, so muss er dem Tan Pi Ku (Kleine Trommel) Spieler gegenüber angeben, wann er mit dem Gesangspart einsetzt.89 Somit ist das gesamte Konzept vom Zusammenspiel zwischen Gesang und instrumentaler Musik ist ein ganz anderes als man es in westlicher Oper findet. Im Jingju gibt es drei unterschiedliche Stile musikalischer Basisfragmente. Diese gelten Abbildung 9: Bühne und Orchester des Jingju für alle Opern, sie variieren je nach gefragter Stimmung und die Texte werden in diese drei Stile eingefügt. Daher auch die repetitiven Orchesterfragmente. Bei den Stilen handelt es sich um den Xipi Stil aus der Shensi Provinz, sowie dem Erhunag und Fan Erhuang Stil aus der Anhwei Provinz. 90 Der Xipi Stil ist von lebendigem, energischem Charakter und wird zur Begleitung von erregten Momenten, wie Glücksgefühlen, Ärger oder Beunruhigung verwendet. Der Erhuang Stil ist dahingegen von sanftmütiger, beständiger und inniger Natur. Er wird verwendet um Momente von Melancholie, Leid oder beispielsweise tiefgründigen Gedankengängen auszudrücken. Diese beiden Melodien werden zum Ausdruck von dutzenden Situationen verwendet, abhängig vom Tempo, der Satzlänge und den theatralischen Anforderungen der Szene.91 Der Fan Erhuang Stil wird für Momente tiefer Depression oder Melancholie verwendet, oder kann ebenfalls angewendet werden um einer Person sein Mitgefühl in dessen leidvoller Situation auszudrücken. Interessanterweise würde beispielsweise der Ching Schauspieler niemals in diesem Stil singen, da seine Person 89 Halson (1982), S. 52. 90 Siehe hierzu auch Kapitel I.1.1, S. 5. 91 Xu (2003), S. 54. 36 I. Peking Oper – Ein Genre Ästhetik und Sprache des Jingju nicht von tiefgründiger Natur ist. Seine Gedanken und Stimmungen sind schnell und wechselhaft.92 Im Gegensatz zu westlichen Opern variiert die Musik wesentlich weniger und besteht nicht aus unterschiedlichen, charakteristischen Arien. Diese drei besprochenen Stile werden im Jingju nach der jeweilig gefragten Stimmung variiert und diese musikalischen Phrasen sind in allen Opern zu finden – nur mit unterschiedlichen Texten. In diesem Teil der Arbeit wurde zunächst die historische Entwicklung des Jingju aufgezeigt und anschließend kurz in die dieser Kunstform eigene Ästhetik und Sprache eingeführt. Der nun anschließende Teil wendet sich der gegenwärtigen Situation zu – das Jingju in der heutigen Welt. 92 Halson (1982), S. 60. 37 II. Peking Oper heute II. Peking Oper heute Der erste Teil dieser Arbeit befasste sich mit dem Genre Jingju in historischer und technisch-ästhetischer Hinsicht, um ein genaueres Bild dieser Kunstform zu geben. Auch wurde hier schon deutlich, dass sich das Jingju in konstantem Wandel befand, mit seiner Zeit mit wuchs. Im zweiten Teil dieser Arbeit will ich nun auf die zeitgenössische Situation des Jingju eingehen – das heißt ihre Entwicklung nach der Kulturrevolution bis heute. Wie stellt es sich in der heutigen Zeit dar und welche Wandlungen haben sich mit dem heutigen Zeitgeist vollzogen? Kommend aus dem 18. Jahrhundert – kann sich Jingju in der modernen Welt noch behaupten und wenn ja, wie? Wodurch wurde es seitdem beeinflusst, welche Einflüsse dieser doch so ungemein bedeutsamen Kunstform in der chinesischen Kultur sind in der heutigen chinesischen Bühnenund Medienwelt zu finden. Was sind die modernen Gesichter dieser Kunstform? Der Wandel in der Welt des Jingju lässt sich beispielsweise am Leben von Nachkommen berühmter Peking-Opern-Darsteller verdeutlichen. In einer Kultur, in der Familientradition von immenser Bedeutung war, hat sich viel geändert. Mei Wei ist Schlagzeuger in einer Freizeit-Rockgruppe und - der Urenkel von Mei Lanfang. „Peking-Oper ist nur eines meiner Hobbys, aber bei weitem nicht mein ganzes Leben.“ 93 Früher war es üblich den Beruf des Vaters auf den Sohn weiterzugeben, aber davon ist heute nichts mehr zu spüren. Die Aussichten des traditionellen Schauspielerberufes gelten im gegenwärtigen China als nicht sehr viel versprechend. „Ich kann mich heute noch daran erinnert, dass mein Vater kurz nach der Befreiung 1949 monatlich 500 Yuan verdiente. Er galt als Spitzenverdiener, denn er verdiente mehr als der Staatspräsident. Unsere Familie bestand damals aus neun Personen einschließlich der Hausbediensteten. Mit dem Gehalt meines Vaters konnte die ganze Familie ernährt werden, es gab sogar Überschüsse. Heute kommt selbst ein 93 Zhang Xueying, ‘Die Nachkommen berühmter Peking-Oper-Schauspieler’, in: China Heute 1 (2004). II. Peking Oper heute Schauspieler des höchsten staatlichen Rangs mit einer 3-köpfigen Familie nur schwer über die Runden. Das ist einer der Gründe, warum ich nicht Peking-OperSchauspieler geworden bin“ 94 , sagt Qiu Yun, die Tochter Qiu Shengrongs, des namenhaften Begründers der nach ihm benannten Darstellungsschule der PekingOper. Ein Grund für diese Situation ist der schwindende Markt für das Jingju. Aus Untersuchungen zur rezenten Situation des Jingju geht eindeutig hervor, dass diese Kunstform in den letzten Jahren massiv an Popularität verloren und mit rückläufigen Zuschauerzahlen zu kämpfen hat. Dies wird beispielsweise anhand folgender Tabelle ersichtlich: Tabelle 1: Anzahl Auftritte und Zuschauer des Jingju in 1998 und 1999 Jahr Anzahl Gesellschaften Anzahl Arbeitnehmer Anzahl Auftritte Gesamt Anzahl Zuschauer Ländliche Regionen 1998 112 10.187 9.000 3.000 47.593.000 1999 110 9.933 9.000 3.000 18.001.000 Quelle: Chinesisches Jahrbuch für Statistik 2000 und 1999, pp. 709 en 693. 95 Gab es also in 1998 noch 47.593.000 Zuschauer, so waren es im darauf folgenden Jahr nur noch 18.001.000, was eine Abnahme von 62% bedeuten würde. In der Welt des Jingju gibt es verschiedene Auffassungen und Ansätze um die Krise und ihre Ursachen zu erklären. So hat beispielsweise das Kulturministerium in der Zeit von 1993-1994 bei der Philosophischen Gesellschaft von Beijing eine Untersuchung in Auftrag gegeben zur Ursachenfindung und Lösung. Die Befragten wurden u.a. in fünf unterschiedliche Alterskategorien unterteilt – die Anzahl der interessierten Teilnehmer per Kategorie sei in der folgenden Tabelle gegeben: 94 Zhang Xueying (2004). 95 Die Anzahl der Auftritte beruht auf einer Schätzung. 39 II. Peking Oper heute Tabelle 2: Prozentanteil interessierter Teilnehmer per Kategorie Kategorie Prozentanteil der Kategorien interessiert an Jingju Jugend (13-15) 10.5% Junge Erwachsene (16-35) 16.8% Mittleres Alter (36-55) 33.7% Ältere (56 und älter) 57.4% Quelle: Untersuchung nach der heutigen Situation der Peking Oper, p. 55. Hieraus wird ersichtlich, dass das Publikum des Jingju heutzutage vorwiegend aus ältern Menschen besteht, die Jugend ist stets weniger vertreten. „Heute geben Jugendliche lieber einige hundert oder gar tausend Yuan für ein Rockkonzert aus, anstatt einige Dutzend Yuan für einen besuch in der Peking-Oper zu bezahlen“, äußert sich ein alter Mitarbeiter eines Peking-Oper-Hauses.96 In der vorab genannten Untersuchung wurde u.a. auch nach dem Grund für das abnehmende Interesse der Menschen am Jingju gefragt. Die genannten Gründe und Resultate dieser Befragung sind in der anschließenden Tabelle aufgeführt: Tabelle 3: Gründe für rückläufige Zuschauerzahlen beim Jingju Gründe Prozentanteil Überfluss von andern Unterhaltungsformen 61% Veraltete Aufführungen von Jingju 35% Abnahme von ästhetischem Bewusstsein des Publikums in Bezug 26% auf Jingju Mangel an qualitativ hochwertigen Stücken auf hohem Niveau 17% Andere Gründe 6% Mangel an guten Schauspielern 4% Quelle: Untersuchung nach der heutigen Situation der Peking Oper, p. 57. Vor allem Gründe wie die veralteten Aufführungen von Jingju (35%) sowie die Abnahme des ästhetischen Bewusstseins des Publikums in Bezug auf das Jingju (26%) 96 Zhang Xueying (2004). 40 II. Peking Oper heute fallen hier besonders hoch aus. Beide Faktoren beziehen sich ebenfalls auf eine gemeinsame Ursache – dem Bruch zwischen der alten und modernen chinesischen Kultur. Die Erwartungshaltungen des modernen, chinesischen Publikums stammen längst nicht mehr mit der überein mit dem früheren Publikum. Das Jingju scheint eine andere, veraltete Sprache zu sprechen – für ein heutiges Publikum nur noch schwer zugänglich. Im Gegensatz zu den Blütezeiten des Jingju ist es heute nicht mehr selbstverständlich in die feine Ästhetik dieser Kunstform eingeführt zu werden und konsequenterweise findet sich auch eine Abnahme des ästhetischen Bewusstseins des Publikums in Bezug auf das Jingju in der Tabelle wieder. An erster Stelle steht jedoch der Überfluss von andern Unterhaltungsformen (61%), der Einfluss der modernen Welt. Hierbei ist wahrscheinlich das Fernsehen der wichtigste Faktor. 1985 war ein Fernseher für Familien in (größeren) Städten der Volksrepublik China bereits ein normales Besitztum.97 1998 waren in ganz China 300 Millionen Fernseher in Gebrauch und mehr als eine Milliarde Chinesen machten regelmäßig Gebrauch vom reichhaltigen Programmangebot von 2228 Chinesischen Fernsehsendern. 98 Wie auch in der westlichen Kulturwelt zu beobachten ist es einfacher den Fernseher einzuschalten, als erneut aus dem Haus und ins Theater zu gehen. Doch hat das Fernsehen auch positive Einflüsse für das Jingju. Die Auswertung der Befragung nach Stimuli für das Interesse am Jingju zeigt ebenfalls einen hohen Anteil 97 Lull, J., China Turned on: Television, Reform and Resistance (London: Routledge, 1991), S. 1. 98 Jahrbuch vom Chinesischen Radio und Fernsehen (Beijing, 1999), S. 43. 41 II. Peking Oper heute (26,2%), welcher angibt über das Fernsehen mit Jingju in Kontakt gekommen zu sein., wie aus der unteren Tabelle ersichtlich wird.99. Tabelle 4: Stimuli für Interesse am Jingju Stimuli Prozentanteil Einfluss von zu Hause 16.2% Einfluss aus dem sozialen Umfeld 19.8% Einfluss der Model Opern 15.8% Jingju im Fernsehen gesehen 26.2% Jingju im Radio gehört 10.3% Andere Gründe 11.5% Quelle: Untersuchung nach der heutigen Situation der Peking Oper, p. 61. Die Gründe für die sinkende Popularität des Jingju in der chinesischen Gesellschaft sind vorwiegend sozial-gesellschaftlicher Natur. Nach 1978 kam es in China erneut, d.h. nach den Auswirkungen der Kulturrevolution, zu gravierenden, politischen Umwälzungen. Die neue Ideologie der chinesischen kommunistischen Partei war eine überarbeitete Interpretation des Marxismus und Leninismus durch Deng Xiaoping, in der besonderes Augenmerk auf Reform und Umbau gelegt wurde. Der so genannte „Sozialismus mit chinesischen Charakteristika“. 100 In ökonomischer Hinsicht bedeutete das u.a. die Einführung der ’vier Modernisierungen’: im Landbau, der Industrie, der Verteidigung und Wissenschaft sowie in der Technologie. Bauern wurde es durch ein Vertragssystem wieder ermöglicht ein Stück Land von der Kommune zu pachten und dies nach eigenem Ermessen zu bebauen. Kleine Märkte auf denen die Überschüsse verkauft werden 99 Wie eng die Geschichte von Jingju und Film in China anfänglich miteinander verbunden war sei in Kapitel II.2.2 weiter erläutert 100 Mackerras, C.P., Pradeep, T. und Young, G., China since 1978: Reform, Modernization and ‘Socialism with Chinese Characteristics’ (New York: St. Martin’s Press, 1994), S. 1. 42 II. Peking Oper heute konnten wurden wieder erlaubt sowie auch private Unternehmen zugelassen. Die Öffnung der Grenzen brachte wieder verstärkt ausländische Geschäftleute, Touristen und Einflüsse nach China. Dies alles führte zu einem verbesserten Lebensstandard in China. Doch mit diesen neuen Einflüssen kamen auch neue Lebensstile und Werte nach China. Damit begann ebenfalls der Bruch zwischen Tradition und Moderne, der Vergangenheit und dem Heute.101 Dieser Bruch wirkte sich ebenfalls auf das Jingju aus und hinterließ seine Narben. Im Folgenden seien einige Ansätze gegeben, wie man versucht mit diesem Bruch umzugehen und wie sich Alt und Neu beeinflussen. 101 Arjun, A., Modernity at Large, Cultural Dimension of Globalization (Minneapolis/London: University of Minnesota Press, 1996), S. 2-4. 43 II. Peking Oper heute II.1 Aufbruch in die Moderne II.1.1. Inspiration aus dem Westen Wenn man die Entwicklung des Jingju durch die Jahre genauer betrachtet, so ist das chinesische Musiktheater von Wechselbeziehungen zu anderen Traditionen geprägt. Und nicht nur Hollywood hat William Shakespeares (1564–1616) Stücke für sich entdeckt. Auch in der Welt des Jingju begegnet man Shakespeare bzw. dem elisabethanischen Theater. Shakespeares Stücke sind in China bereits seit mehr als hundert Jahren zu finden. So kam in Hong Kong 1867 The Merchant of Venice erstmals zur Aufführung, 1902 dann auch in Shanghai. In der weiteren Entwicklung sind bis in die heutige Zeit zahlreiche Adaptionen des englischen Meisters zu finden. Adaptionen mit Hilfe derer einige Ensemble heute ein modernes chinesisches Musiktheater anstreben.102 Shakespeares Stücke haben somit auch im Laufe der Zeit viel Einfluss auf das traditionelle chinesische Theater ausgeübt. Er wurde zwischenzeitlich, sogar noch vor der Kulturrevolution, als Schriftsteller des Proletariats und der Volksmassen uminterpretiert und auch Marx kam nicht umhin seine Stücke zu loben und zu zitieren. Während der Kulturrevolution wurden jedoch auch diese Stücke verboten.103 Erst mit der Künstlergeneration der 80er und 90er lebten Shakespeares Stücke erneut auf und standen für Neuerung, Internationalisierung und Öffnung zur Welt. 104 Ersichtlich wird dies beispielsweise auch den Shakespeare-Festivals in China, 1986 in Shanghai und Beijing, 1994 in Shanghai. Shakespeare dient in China vor allem der Hinterfragung und Neupositionierung der eigenen Kunst und in diesem Bestreben sind vor allem zwei Tendenzen zu erkennen. 102 Für eine genauere Ausführung zu einigen Ensembles und Adaptionen siehe folgende Kapitel. 103 Huang, A.C.Y., ‘Shakespeare bunt geschminkt – Die chinesische Shakespeare-Werkstatt’ in: Lebendige Erinnerung – Xiqu. Zeitgenössische Entwicklungen im chinesischen Musiktheater (Berlin: Haus der Kulturen der Welt, 2006), S. 156-157. 104 Ibid., S. 156. 44 II. Peking Oper heute Einerseits wird Shakespeare “traditionell” chinesisch inszeniert um damit auf internationalen Theaterfestivals anwesend zu sein und einem internationalen Publikum die chinesischen Besonderheiten verständlich zu machen. Andererseits der Ansatz Shakespeare nach China zu holen und die Stücke dort mittels postmoderner Strukturen neu zu denken und somit das traditionelle Theater zu reformieren. Doch wie kommt diese starke Affinität mit u.a. Shakespeares Theater in der chinesischen Theatertradition? Ist das elisabethanische Theater Shakespeares und das chinesische traditionelle Theater einerseits auch sehr unterschiedlich, so lassen sich andererseits, bei genauerer Betrachtung, jedoch interessante Parallelen ziehen. Shakespeares Schaffenszeit fällt in der chinesischen Kultur in die späte Ming Dynastie. In beiden Kulturen ist ein blühendes Theaterleben am Hofe zu finden.105 Nach dem Aufstieg der Kun-Oper in China begannen viele Literaten und Gelehrte für das Theater zu schreiben. Einer der wohl bekanntesten Autoren der Zeit in China war Tang Xianzus (1550 – 1616). In China wie auch in England fanden die Theaterstücke durch die neue Drucktechnik schnell Verbreitung.106 Auch in der Bühnenästhetik lassen sich Prallelen zwischen den zwei Kulturen finden. Zur Zeit Shakespeares war das Globe-Theater in London eines der berühmtesten Theater. Um eine so genannte Plattformbühne, eine offene, quadratische Bühne, die in den Hof hinaus ragte, waren Zuschauergalerien angebracht. Im Hof waren die Stehplätze, die billigsten Plätze. Es wurde kein Bühnenbild verwendet, es gab lediglich links und rechts an der Bühnenrückwand zwei Eingänge für die Auf- und Abtritte. Als Requisiten wurden vorwiegend ein Tisch und zwei Stühle verwendet. Auch hier wurde mit wenig viel ausgedrückt. Vergleicht man diese Praxis mit der im 105 Franke, H., Trauzettel, R. (Hrsg.), Welt Geschichte – Das Chinesische Kaiserreich 19 (Augsburg: Weltbild Verlag, 2000), S. 239. 106 Huang, S. 159. 45 II. Peking Oper heute traditionellen chinesischen Theater üblichen, so zeigen sich auch Übereinstimmungen.107 Auch in der ästhetischen Sprache lassen sich Parallelen ziehen. So kann man im chinesischen Theater eine formelle Unterscheidung zwischen Gesang und Deklamation treffen, wobei durch die Musik Gefühle zum Ausdruck kommen und durch die Deklamation die Handlung vorangetrieben wird. Zwar handelt es sich bei Shakespeares Theater um Sprechtheater, jedoch kann in der Verwendung von Vers und Prosa eine ähnliche Teilung zurück gefunden werden. Wo im chinesischen Theater die Musik eingesetzt wird, findet bei Shakespeare der Vers seine Verwendung um mittels Monologen die komplizierte Gefühlswelt seiner Charaktere zum Ausdruck zu bringen. Daneben gibt es, gleich den Sprachpassagen im chinesischen Theater, Prosapassagen für die Dialoge. Und zu guter letzt ist ebenfalls die Kombination von Tragik und Komik in beiden Theatertraditionen charakteristisch vertreten. Jedoch Shakespeare hat etwas, was dem Jingju nicht eigen war. In traditionellen Opern wurde nur äußerst selten psychologisiert. Das Verhalten der Charaktere war meist vorhersehbar und der dramatische Rahmen oft einfach, vom Konfuzianismus beeinflusst. Das heißt die Schwerpunkte lagen auf Tugenden wie Treue an Familie und Hierarchie. Ein vielschichtig, unvorhersehbares Verhalten der Charaktere war in dieser Tradition eher fremd.108 Shakespeare schließt also zum einen gut bei der eigenen Tradition an und dient vor allem zur inhaltlichen, psychologischen Neuerung. In bühnenästhetischer Hinsicht sind natürlich ebenfalls Einflüsse aus anderen Theater- und Medientraditionen wider zu finden. Wie sich dies in der Praxis darstellen sei anhand von rezenten Produktionen in der Jingju-Tradition im Folgenden exemplarisch näher erläutert. 107, Tao-Ching Hsu, The Chinese Conception of the Theatre (London: University of Washington Press, 1985), S. 459-470. 108 Siehe hierzu auch Kapitel I.2.1 Rollenfächer 46 II. Peking Oper heute II.1.2 Moderne Wege in China – Tanz zwischen Tradition und Moderne Das Peking Opern Ensemble Shanghai ist momentan auf Tournee durch Europa mit The Revenge op Prince Zi Dan, einer Adaption von Shakespeares Hamlet. Abbildung 10: Szenenfotos aus The Revenge of Prince Zi Dan – Peking-Oper Ensemble Shanghai Die Handlung ist in ein altes, chinesisches Königreich verlegt, die wichtigsten Ereignisse aus Shakespeares Stück bleiben jedoch unangetastet. Die Schlüsselfrage nach dem Verhalten von Menschen in Krisenzeiten findet sich auch hier wieder. Hamlet ist in diesem Stück der Prins Zi Dan und er muss sich auch hier einem innerlichen Streit stellen. Seine Unsicherheit und Zerrissenheit in einer Situation in der er zu extremen Entscheidungen gezwungen und die letztendlich in blutiger Rache endet, werden im Stück wiedergegeben. Wie zuvor schon angesprochen waren die Verhaltensweisen der Charaktere in traditionellen Stücken vorhersehbar, der Konsens und die Botschaft eindeutig. Das Peking-Opern Ensemble aus Shanghai hat sich inzwischen in der Vergangenheit von diesem traditionellem Standart lösen können. Diese Shakespeare-Adaption ist die erste für das Ensemble aber es hat sich bereits mit Produktionen wie Cao Cao and Yang Xiu (1988) einen Namen auf dem Gebiet gemacht. 109 Die Protagonisten wurden vielschichtig angelegt und dem Publikum wurde es erleichtert, sich mit den Figuren zu identifizieren und dem Geschehen zu folgen. 109 Kouwenhoven, F., Peking Opera Ensemble Shanghai – Toelichting (Amsterdam: Het Concertgebouw, 2005). 47 II. Peking Oper heute Hierfür musste natürliche eine Anpassung von einigen Standart-Charakteren, wie beispielsweise dem weisen alten Mann oder dem jungen Liebhaber usw., getroffen werden, um eine vielschichtigere Persönlichkeit zu entwickeln. Doch damit nicht genug, auch Musik und Bühnenbild unterliefen Veränderungen, im Dienste der künstlerischen Aussage. Wie zuvor schon erwähnt, ist das Bühnenbild im elisabethanischen Theater dem im traditionellen chinesischen Theater ähnlich. Auch zeigt sich im internationalen Theaterwesen die Tendenz, moderne Stücke und Inszenierungen mit eher kargen Bühnenbildern auszustatten. Und der Ansatz ist auch in der Hamlet-Produktion des Shanghaier Ensembles zu finden. Es schafft eine ausgeglichene Synthese zwischen Tradition und Moderne. Das normalerweise fünf Stunden dauernde Stück Shakespeares ist in der Shanghaier Adaption in zwei Stunden gefasst. Eine, vom Zeitaufwand deutlich gekürzt Version, was wohl auch einem heutigen, von der schnelllebigen Medienwelt geprägtem, Publikum eher entspricht Inhaltlich sowie sprachlich sind einerseits einige Schlüsselmomente unangetastet geblieben, andererseits sind jedoch andere frei angepasst. So erfuhren einige Situationen eine Übersetzung in typische „Jingju-sprache“, bei denen Metaphern verwendet werden von einfachem und sentimentalem Charakter, an denen Shakespeare wahrscheinlich weniger Gefallen gefunden hätte. Einige Nebencharaktere, wie die Hofleute Rosenkranz und Güldenstern, kommen in dieser Jingju-Adaption nicht vor. Der Oberkämmerer Polonius wiederum wurden komische Züge beigefügt. Er erscheint als dicker Zwerg – eine komische Standartrolle im Jingju. Es scheint als habe eine Gewichtsverlagerung in den Ansprüchen und Zielen von Jingju-Produktionen stattgefunden. Das auditive Element, was von so immenser Bedeutung war, das, wir erinnern uns, von ‘ting xi’ (Theater hören) gesprochen wird, scheint für inhaltliche und visuelle Elemente in den Hintergrund getreten zu sein. 48 II. Peking Oper heute Vergleicht man heutige Produktionen wie diese mit herkömmlichen, traditionellen, so scheinen Bühnenbild, der Einsatz von Requisiten sowie Kostüm an Bedeutung gewonnen zu haben. Stand früher der Schauspieler und seine Schauspielkunst im Vordergrund scheint es heute eher der Inhalt zu sein. Hierin versucht man einerseits leichte Unterhaltung zu bieten, zum anderen wird durch inhaltliche Anpassung versucht, die Menschen zum kritischen Nachdenken über die heutige Gesellschaft anzuregen. Auch ansonsten scheint bei der Theatertruppe einiges für eine bessere Öffentlichkeitsarbeit und mehr Kontakt zu einem jüngeren Publikum getan zu werden. So gibt das Shanghai Jingju Ensemble regelmäßig Auftritte an Universitäten und es werden spezielle Infotage für Schüler organisiert. Des Öfteren stehen ebenfalls freie Aufführungen an öffentlichen Plätzen auf dem Programm. 110 Auch den Tourismus, oder besser gesagt das Ausland, hat das Ensemble als Publikum entdeckt. Im Gegensatz zu Beijing, wo die Truppen vorwiegend den Tourismus vor Ort als Einkommensquelle nutzen, geht das Ensemble aus Shanghai regelmäßig auf Tournee ins Ausland und erschließt sich damit einen neuen Markt und neues Publikum. II.1.3 Moderne Wege in Taiwan - Contemporary Legend Theatre Die Hintergründe und die spezielle, exilbedingte Situation des Jingju in Taiwan wurden bereits im Abschnitt I.1.5 kurz erläutert. Die Modernisierung und Anpassung dieser Theaterform an die heutige Zeit wurde ab 1986 vor allem vom Contemporary Legend Theatre (Dangdai chuanqi juchang)vorangetrieben. Diese Truppe geht einen bisher unbekannten, entscheidenden Schritt weiter. Hier steht nicht mehr die Balance zwischen Tradition und Moderne im Vordergrund, sonder man lehnt sich gegen die chinesische Prägung auf. Das Interesse an 110http://www.pekingopera.sh.cn Wichmann-Walczak, E., ‘Reform" at the Shanghai Jingju Company and Its Impact on Creative Authority and Repertory’, in: TDR 44 (2000), S. 4. 49 II. Peking Oper heute kulturellen Optionen zur Modernisierung und Internationalisierung tritt in den Vordergrund. Das Contemporary Legend Theatre (CLT) hat einen neuen Theatertyp vor Augen und versucht sich von dem traditionellen Korsett des Jingju zu befreien. Um dieses Ziel zu erreichen werden drei unterschiedliche Ansätze verfolgt: die Adaption von westlichen Dramen, Verarbeitung von Form, Inhalt und Theorie von westlichem Theater die Suche nach Material aus der Mythologie die Suche nach Inspiration aus dem alltäglichen Leben moderner Menschen und ihrer Umgebung Mit diesen Ansätzen wird der Versuch gemacht, die traditionelle Oper zu einer neuen Theaterform zu transformieren. Und auch hier findet sich u.a. Shakespeare wieder. Zur Premiere des 1986 gegründeten CLT fiel die Wahl auf eine Adaption von Macbeth. 111 Die Produktion kam unter dem Titel The Kingdom of Desire (Yuewang chengguo) heraus und für Taiwan war dies das erste Mal, dass ein PekingOper Ensemble ein Shakespeare-Stück zur Abbildung 11: Szenenfoto The Kingdom of Desire Aufführung brachte.112 Auch die Shanghai-Kun-Operntruppe adaptierte anschließend Macbeth unter dem Titel Die Geschichte der blutigen Hände. Jedoch versuchten diese dem Stück den Stil der Kun-Oper überzustülpen, wohingegen das CLT das Stück Shakespeares als Weiterentwicklung des Jingju zu nutzen versuchte. Es strebte nach einer Weiterentwicklung des traditionellen hin zu einem neuen Typ des chinesischen Musiktheaters. 113 Es soll für die jüngere Generation ansprechender und für ausländische Besucher leichter zugänglich gemacht werden. Hierzu äußert sich einer 111 Contemporary Legend Theatre (Zugriff 26. April 2007) http://www.cl-theatre.com.tw/about_clt.htm 112 Mansha, (2006), S. 150. 113 Ibid., S. 150. 50 II. Peking Oper heute der Gründer und Leiter, Wu Hsing-kuo, als folgt: „Our ultimate concern is to enrich the development of Chinese opera…. Making use of Western drama techniques and materials is one way to achieve this goal. Through careful comparison and contrast, we create a new cultural phenomenon." Und offensichtlich nicht ohne Erfolg, denn "There were a great many more young people in the audience than expected," wie ein Agent nach Besuch der Vorstellung feststellte.114 Als nächstes Projekt kam dann 1990 die Adaption von Hamlet War and Eternity heraus.115 In visueller Hinsicht unterscheidet sich diese Produktion deutlich von einer traditionellen Jingju-Aufführung. Wo im Jingju symbolhafte Requisiten, einige Stühle und Tische üblich waren, verwendete der Bühnenbildner Nieh Kuang-yan hier eine dreidimensionale Tintenzeichnungen, konkrete Fläche mit Requisiten großen Abbildung 12: Szenenfoto aus und die War and Eternity Beleuchtungstechnik wurde so eingerichtet, dass gespenstische Silhouetten und Schattenspiel auf der Bühne ermöglicht wurden. Was die Kostüme anbelangt, so unterschieden sich diese gerade in der Hinsicht, als das sie wesentlich weniger farbenreich und aufwendig waren als es in traditionellen Opern der Fall ist. Die Kleidung wurde auch zur Verdeutlichung von Veränderungen im Laufe des Geschehens verwendet. Beispielsweise tritt der Prinz in einer Szene in Weiß auf, der Farbe des Todes in der Abbildung 13: chinesischen Kultur, jedoch wird damit hier sein Schicksal Szenenfoto aus The Lady of Loulan impliziert. In musikalischer Hinsicht war diese Produktion jedoch noch nicht so befreit und verwendete weitestgehend traditionelle Jingju-Partitur.116 114 Taiwan Journal (Zugriff 26. april 2007) http://taiwanjournal.nat.gov.tw/ct.asp?xItem=8397&CtNode=118 115 Contemporary Legend Theatre (Zugriff 26. April 2007) http://www.cl-theatre.com.tw/about_clt.htm 116Taiwan Journal (Zugriff 26. april 2007) http://taiwanjournal.nat.gov.tw/ct.asp?xItem=8397&CtNode=118 51 II. Peking Oper heute 1993 folgte dann The Lady of Loulan (Lo Lan Nu) und mit dieser Produktion wurden wieder neue Wege in der Modernisierung eingeschlagen. Dieses Stück basiert auf Euripides antiker griechischer Tragödie Medea. Erneut ging das CLT einen Schritt weiter sich von traditionellen Jingju-Ansätzen zu lösen und sich einem modernen, westlich orientierten Theaterstil hinzuwenden.117 Musik und Melodie spielen jedoch noch immer eine eher untergeordnete Rolle.118 1995 wurde ein weiteres Projekt realisiert, die Aeschylus-Trilogie Oresteia – eine griechische Tragödie mit Darstellern und Arien aus dem Jingju. Hierfür arbeitete das CLT mit dem Theatermacher Richard Schechner, über viele Jahre Leiter von The Performance Group Abbildung 14: Szenenfoto aus Oresteia 119 , zusammen, der die Regie übernahm. 120 Diese Produktion war ebenfalls außergewöhnlich, da sie im Da-An Park zur Aufführung gebracht wurde mit dem Ziel, das Theater zu den Menschen zu bringen.121 Von den Anfängen 1986 mit Kingdom of Desire bis hin zu Oresteia 1995 entfernte sich der Ablauf der Programme immer mehr vom ursprünglichen Jingju, was natürlich auch zu Kontroversen in der Theaterwelt führte. 122 Jedoch wurde etwas Neues geschaffen und Ost und West machten langsam Schritte aufeinander zu. Seit 2001 brachte die Truppe jedes Jahr eine neue Produktion heraus, darunter King Lear (2001), The Hidden Concubine (2002), sowie A Play of Brother and Sister: a Hip 117 Contemporary Legend Theatre (Zugriff 26. April 2007) http://www.cl-theatre.com.tw/about_clt.htm 118 Mansha ( 2006), S. 150. 119 The Performance Groupe war eine experimentelle Theatergruppe, 1967 von Richard Schechner gegründet. 120 Ibid., S. 154. 121 Contemporary Legend Theatre (Zugriff 27. April 2007) http://www.cl-theatre.com.tw/about_clt.htm 122 Mansha, (2006), S. 154. 52 II. Peking Oper heute Hopera (2003). In Dezember 2004 kam die Adaption von Shakespeares The Tempest unter der Regie des bekannten Filmregisseurs Tsui Hark heraus.123 Die weiteren Ziele des CLT sind auf deren Homepage u.a. als folgt umschrieben: “The CLT continues to look ahead, seeking to create something new while preserving the eloquent character of Chinese singing, dancing, and theatre, and integrating the glorious theatrical aesthetics of the west with the rich cultural heritage of the east.”124 123 Contemporary Legend Theatre (Zugriff 27. April 2007) http://www.cl-theatre.com.tw/about_clt.htm 124 Contemporary Legend Theatre (Zugriff 27. April 2007) http://www.cl-theatre.com.tw/about_clt.htm 53 II. Peking Oper Heute Moderne Gesichter II.2 Moderne Gesichter – Wirkung auf andere Fachbereiche II.2.1 Zeitgenössische Komponisten Die Verbindung von Musik und Theater blickt in der chinesischen Kultur auf eine lange gemeinsame Geschichte zurück, wie schon zuvor an dem chinesischen Begriff „Xiqu“ („Theater-Gesang“) deutlich wurde. Das westlich geprägte Sprechtheater hat sich dagegen erst im 20. Jahrhundert in China etablieren können. Dies zeigt, dass die Verbindung von Musik und Sprache wesenhaft im Chinesischen begründet liegt. 1991 zählte man beispielsweise ca. 360 verschiedene Opernstile im Lande. 125 In wieweit ist also im Schaffen heutiger Komponisten diese kulturelle Tradition zurück zu finden? Nachdem 1978 das Konservatorium in Beijing wiedereröffnet wurde und Anfang der 80 Jahre ausländische Komponisten, wie beispielsweise Hans Werner Henze oder Toru Takemitsu nach China kamen, entwickelte sich eine neue Autonomie in der chinesischen Musik. Die seit Anfang der 80er entstandene neue musikalische Avantgarde wurde unter dem Begriff „new wave“ zusammengefasst. Diese neue Generation von Komponisten strebt nach einer neuen Weltoffenheit, innerhalt der eigenen Kultur. Der Komponist Tan Dun(*1957), einer der Hauptvertreter dieser Strömung, formuliert es so: „Wir wollen zurück zum Ursprung unserer Kultur. Dass das Ursprüngliche den meisten Menschen in diesem Land fremd und unzugänglich zu sein scheint, zeigt gerade die Verlorenheit und Verfremdung unserer Kultur.“126 Der jung taiwanesische Komponist Lee Tsyy-sheng äußert sich in einem Interview zum chinesischen Musiktheater und den Bestrebungen der neuen Generation als folgt: „Die Entfremdung der jüngeren Generation von der chinesischen Tradition ist relativ stark. Die Orientierung an westlichen Maßstäben bestimmt auch unsere Ausbildung. Zu meiner Studienzeit wurde aber als Gegengewicht auch Unterricht in Gesang und 125 Wichmann (1991), S. XIII. 126 Tian Mansha, Odenthal, J. (Hrsg.), China - zwischen Vergangenheit und Zukunft Ein Projekt zur zeitgenössischen Kunst Chinas (Berlin: Haus der Kulturen der Welt, 2006), S. 32. II. Peking Oper heute Moderne Gesichter Musik des chinesischen Musiktheaters gegeben. Das wollte damals außer den Komponisten niemand machen. Für mich war es aber sehr inspirierend, diese Tradition so authentisch von einem Peking-Opern-Darsteller vermittelt zu bekommen. In meiner Musik finden sich sicher einzelne Spuren davon, aber nur als gedanklicher Hintergrund, nie als explizites Zitat.“127 In dieser Suche nach einer neuen musikalischen Identität, zeigt sich ebenfalls die äußerste Vorsicht der Komponisten gegenüber einer naiven Form des Folklorismus und die Tendenz zu einer originären Amalgamierung musikalischer Tradition. Hierzu äußert sich Tan Dun folgendermaßen „Ich will Musik komponieren, die weder chinesisch wie bisher, noch westlich ist; ich strebe nach dem Neuen, was vielleicht mir, oder vielleicht meiner Nation, doch sicherlich der Zukunft gehören sollte.“ 128 Auch bei Tan Dun, der in jungen Jahren kurze Zeit in einem Jingju Ensemble im Orchester spielte, sind Elemente des Jingju, auf der Suche nach der musikalischen Zukunft, offensichtlich von großer Bedeutung. Später greift er in seinen Werken u.a. besonders oft auf den, innerhalb eines strengen Rahmens improvisierten, oft in Dialogform auftretenden Sprechgesang zurück.129 Seiner Oper Marco Polo (1995) setzt sich zum einen mit einer äußeren, physischen Reise des Hauptcharakters sowie zum anderen mit seiner inneren, spirituellen Reise vom Westen zum Osten auseinander. Diese physische und spirituelle Reise sind musikalisch abgegrenzt. Die erste wird vorwiegend durch westliche Avantgarde-Klänge charakterisiert, die zweite Abbildung 15: Wu Hsing-Kuo als Yin-Yang Meister in The First Emperor 127 Gespräch mit Christian Utz, Taipei 16.3.1998. 128 Ibid. Utz, C., Neue Musik und Interkulturalität – von John Cage bis Tan Dun (Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2002), S. 341-343. (= Beihefte zum Archiv für Musikwissenschaft, Bd. 51) 129 55 II. Peking Oper heute Moderne Gesichter dahingegen im Stil von Beijing Oper wiedergegeben.130 Doch nicht nur musikalisch hat die Jingju-tradition in diesem neuen Werk seine Einflüsse hinterlassen. So tritt beispielsweise der Charakter Rustichello stets nach der Tradition des Jingju geschminkt in Erscheinung. Auch beim jüngsten Werk des Komponisten sind Einflüsse des Jingju wieder zu finden. The First Emperor hatte im Dezember 2006 an der Metropolitan Opera in New York Premiere. Gleich zu Begin der Oper tritt der Yin-Yang Master in Erscheinung und nimmt das Publikum 2000 Jahre mit zurück in die Vergangenheit. Dieser Charakter erinnert nicht nur äußerlich an Peking Opern Darsteller, sondern vor allem auch gesanglich. Schaut man auf die Besetzungsliste der Uraufführung in New York, so sieht man, dass diese Rolle von Wu Hsing-Kuo vertont wurde. Der gebürtige Taiwanese ist u.a. Gründungsmitglied und Regisseur des zuvor besprochenen Contemporary Legend Theatre131, welches westliche Klassiker in Stile und Technik des Jingju übersetzt.132 Auch wenn der Komponist immer wieder betont, dass es sein Bestreben ist seine eigen, neue Sprache zu entwickeln, so ist die Basis auf der man baut ebenfalls von immanenter Bedeutung. Wie wichtig hierbei offensichtlich auch der kulturelle Bestandteil des Jingju ist, zeigt folgender Abschnitt, der sich mit der Probenarbeit zu The First Emperor befasst. Hierin heißt es: "Tan Dun also had the singers of The First Emperor work with a Peking Opera master at the start of rehearsals, before they even opened the score. Although the opera is sung almost entirely in English, the composer, who himself performed in the Peking Opera as a child during China’s Cultural Revolution, wanted his cast to learn the significance of movement and gesture in that venerable artistic institution. “For 130 Joanna C. Lee: 'Tan Dun', Grove Music Online ed. L. Macy (Zugriff 16. April 2007), <http://www.grovemusic.com> 131 Eine ausführliche Besprechung des Contemporary Legend Theatre ist in Kapitel II.1.2 zu finden. 132 Programmbuch zu The First Emperor, (Zugriff 16. April 2007) http://www.tandunonline.com/files/PLAYBILL_Program%20Notes.pdf 56 II. Peking Oper heute Moderne Gesichter Peking Opera,” he says, “the most important thing is to always treat movement and singing as one thing. Even before the cast could read one line of music, I wanted everybody to learn how to handle the hand gestures, the arms and the legs, and the way of walking. There are general hand gestures for if you are tender, haunting, angry. It’s very simple, but crucial.”133 Neben visuell-ästhetischen Aspekten und Charakteristika wird das Jingju u.a. auch durch das Ban-Prinzip, welches ein grundlegendes rhythmisches System gibt, sowie Xipi und Erhuang charakterisierend. Schaut man auf das Schaffen heutiger chinesischer Komponisten, so wird ersichtlich, dass auch dieser Hintergrund noch immer einen wichtigen Anknüpfungspunkt für das chinesische Musiktheater darstellt. Ebenso wird natürlich auf die Vielfalt an Regionalstilen zurückgegriffen, der musikalischen Faktur und virtuosen Gesangstechnik.134 II.2.2 Film und Jingju Die Geschichte des Films in China und das Jingju sind eng miteinander verbunden. Ohne dieses traditionelle Theater hätte die neue Kunstform aus dem Westen vielleicht nicht so schnell Fuß fassen können in der neuen Welt. Wie sich diese Verbindung darstellt und ob in der späteren Filmwelt in China noch Beeinflussungen zu finden sind, soll in diesem Kapitel besprochen werden. Am 11. August 1898 zeigten die Brüder Auguste und Louis Lumiére im Xu Vergnügungspark in Shanghai, mit ihrem Cinematographen erstmals bewegliche Bilder auf einer Abbildung 16: Vue n°91 Sortie d'Usine I Leinwand in China.135 133 Programmbuch zu The First Emperor, (Zugriff 16. April 2007) http://www.tandunonline.com/files/PLAYBILL_Program%20Notes.pdf 134 Utz, C., ‘Die Tradition des Chinesischen Musiktheaters als Folie des Schaffens heutiger chinesischer Komponisten – Komponieren zwischen Abstraktion und Konkretion’, in: Österreichische Musikzeitschrift (Mai, 1998), S. 36. 135 Kramer, S., Geschichte des chinesischen Films (J. B. Metzler Verlag: Stuttgart, 1997), S. 4. 57 II. Peking Oper heute Moderne Gesichter Dem vorwiegend westlich orientierten chinesischen Publikum und den in Shanghai lebenden Ausländern wurden frühe französische Filmszenen wie Le déjeuner de bébé oder La Sortie des usines gezeigt. Eigenartig anmutende Bilder aus einer gänzlich anderen Kultur. Waren bewegliche Bilder an sich schon im Westen eine Sensation – wie mag dann die erste Filmvorstellung in China gewirkt haben? Dies war also der Einzug des Dianguang yingxi (Elektisches-Licht-Schatten-Spiel), denn so wurde der Film in China getauft. Ein Name, der stark an das traditionelle, chinesische Schattenspiel erinnert. Er zeigt, wie das Phänomen des Filmes, in Zusammenhang mit der eigenen Kultur in China, aufgenommen und eingeordnet wurde. Einer der wichtigsten sozialen Treffpunkte in der chinesischen Gesellschaft waren die Teehäuser. Dort wurden, wie zuvor erwähnt auch traditionelle Opern aufgeführt136 und genau da fanden auch die ersten Filmvorführungen statt.137 In China angekommen, bezog der Film zunächst, ähnlich wie die Schattenspiele, seine Geschichten zur Verfilmung aus dem Jingju. Dies zeigt zum einen, dass seine Möglichkeiten als selbstständige Kunstform noch nicht wahrgenommen und ausgeschöpft wurden, zum anderen, dass man versucht dieser westlichen Neuerung einen Platz in der eigenen Kultur zu schaffen. So wurden zunächst klassische, chinesische Bühnendramen verfilmt. Die erste derartige Filmproduktion in China entstand 1905 mit Der Berg Dingjun (Dingjunshan) mit Tan Xinpei. 138 Dem Ruhm und Ansehen von Sänger und Schauspieler wie Mei Lanfang oder Tan Xinpei ist es zu verdanken, dass sich das Medium Film in China langsam Abbildung 17: Tan Xinpei in Der Berg Dingjun 136 Minhua, W., Chinese opera (Shanghai: Shanghai ancient book publishing house, 1996), S. 18. 137 Jihua, C., Shaobai, L., Zuwen, X., The history of development of Chinese cinema (Beijing: China Film Press, 1981), S. 8-9. 138 Kramer (1997), S. 6. 58 II. Peking Oper heute Moderne Gesichter festigte.139 Jingju für den Film zu adaptieren ist also schon in den Anfangszeiten zu finden; jedoch hat sich diese Technik bis heute durchgesetzt und erfreut sich noch immer großer Beliebtheit.140 In der weiteren Entwicklung des Films in China spielt das Jingju jedoch noch eine weitere, wichtige Rolle. Es inspiriert eine Filmsparte, die es so vorher nie gab – die Martial-Arts-Filme. II.2.2.1. Martial Arts Filme und Jingju Zunächst mag die Verbindung zwischen martial arts Filmen und Jingju vielleicht etwas obskur erscheinen. Doch setzt man sich etwas eingehender mit der Entwicklung dieses Genres auseinander wird sie sehr schnell ersichtlich. Denn die Geschichte Filmindustrie beginnt von Hong eigentlich Kongs Abbildung 18: Kampfszene aus dem Film mit den Come drink with me (1966) Stuntmen und mit ihnen bei der Peking Oper. Schüler der lokalen Trainingsschulen waren es, die Stunts für die Filme ausführten. Die Trainingskleidung bestand u.a. aus den charakteristischen roten Hosen, was ihnen zunächst auch den Namen „red trousers“ einbrachte. 141 Der Film Come drink with me (Da zui xia) (Siehe beiliegende CD, Nummer 2 für den Trailer) setzt bei seinem Erscheinen in 1966 neue Standards für martial-arts Filme. Der Regisseur King Hu (1931-1997) erschloss damit nicht nur einen neuen Bereich sondern leistete auch entscheidende Vorarbeit für alle folgenden Actionfilme. 139 Kramer, S., ‘Tradition, Revolution und Innovation – Zur Geschichte der Filmmusik in China’, in: film-dienst, 25 (1994), S. 35. 140 Mackerras, C., The performing arts in contemporary China (London ; Boston: Routledge & Kegan Paul, 1981), S. 129. 141 Die Dokumentation „Red Trousers: The Life of the Hong Kong Stuntmen” (2003, Regie: Robin Shou) beschäftigt sich mit diesen Hintergründen und den weiteren Entwicklungen seither. 59 II. Peking Oper heute Moderne Gesichter Doch wie ist auch hier im Speziellen die Verbindung mit dem Jingju zu belegen? King Hu, der Regisseur, wurde 1931 in Beijing geboren und studierte dort am nationalen Kunstinstitut. Dort lernte er vor allem traditionelle chinesische Geschichte und die Oper zu schätzen.142 Auch wenn er mit seinem Film Come drink with me neue Wege für das Actionkino einschlug, so sah er die Kampfszenen nie lediglich als Action. Für ihn handelte es sich vielmehr um einen Tanz. Er habe “always taken the action part of [his] films as dancing rather than fighting”und “always keyed to the notion of dance.”143 Das choreographische Element beschränkt sich jedoch nicht lediglich auf die Kampfszenen und Charaktere. Die Kamerabewegung und das Editing sind ebenso choreographiert wie die Charaktere selbst und ergeben zusammen den eleganten, operninspirierten Stil des Films. Auch in musikalischer Hinsicht ist der Film nach dem Aufführungsstil des Jingju choreographiert und es liegt ihm der Klang, Rhythmus und Takt eines traditionellen Orchesters zugrunde. Eine weitere Parallele zwischen Film und Jingju ist im Gebrauch von Masken bzw. Archetypen zu finden. Dieses Thema zieht sich motivisch durch den ganzen Film, nicht nur wörtlich sondern auch symbolisch und strukturell. So finden sich beispielsweise verschiedene Typen, wie den militärischen Charakter, der Betrunkene, der böse Schurke oder der Anführer. Das Element der Choreographie ist auch sehr stark in den Filmen von Jackie Chan vertreten. Er besuchte ab seinem siebten Lebensjahr die PekingOpern-Schule; heute kennt ihn die Welt als Martial-Arts Legende– nicht aber als PekingOpern-Darsteller. Er hat die Kampfkunst, ein Abbildung 19: Jackie Chan in Drunken Master, 1978 142 http://www.fdk-berlin.de/foruMärziv/forum2003/katalog/comedrink.pdf 143 Rayns, Tony, ‘Director: King Hu’, in: Sight and Sound, 45/1 (Winter 1975/76), S. 11. 60 II. Peking Oper heute Moderne Gesichter grundlegender Bestandteil des Jingju, für seine Filme eingesetzt und transportiert mit ihnen gleichzeitig moralische Werte aus der traditionellen Welt über beispielsweise Familie, Disziplin oder hierarchische Strukturen.144 Einer seiner großen Erfolge feierte Jackie Chan u.a. mit dem Film The Drunken Master (1978, Regie: Woo-ping Yuen). (siehe beiliegende CD, Nummer 3 für die betreffende Szene) Chan, als Wong Fei Hong, spielt hier eine Kampfszene als Betrunkener. Die Szene zeichnet sich durch Komik, absolute Körperbeherrschung und Choreographie der Bewegungen aus. Das komische Element, Körperbeherrschung, Kampfkunst und Choreographie ist auch im Jingju zu finden. Der dargestellte Charakter im Film hat eine direkte Parallele mit dem Wuchou aus der Beijing-Oper. Gemeinsam mit Jackie Chan besuchte auch Sammo Hung (*1952) die Beijing-OpernSchule. Er durchlief die gleiche Peking-Opern-Ausbildung und wandte sich dann ebenfalls dem Film zu. Auch in seinen Filmen fallen die ballett-ähnlich choreographierten Kampfszenen auf, welche auch immer wieder komische Elemente beinhalten, wie exemplarisch in einer Szene der Fernsehserie Martial Law (Fernsehserie, USA, 1998-2000) zu sehen ist. (Siehe beiliegende CD, Nummer 4) Mit Darstellern wie, Jackie Chan oder Sammo Hung, und in Hollywood in einer anderen Tradition Bruce Lee, breitete sich der Martial-Arts-Film über die westliche Welt aus und er ist heute auch aus Hollywood nicht mehr wegzudenken. Zeitgenössische Martial- Arts- Produktionen wie Crouching Tiger Hidden Dragon (2000, Regie: Ang Lee), Hero (2002, Regie Zhang Yimou) oder House of Flying Daggers (2004, Regie: Zhang Yimou) übernehmen zwar weniger das komische Element aus dem Jingju, doch hier Abbildung 20: Kampfszene aus dem Film Hero (2002) 144 Interview mit Philipp Blom für Watch International, September 2006. 61 II. Peking Oper heute Moderne Gesichter sind zum einen thematische sowie ästhetische Parallelen zu finden. Verfilmt werden Geschichten aus dem alten China oder mit mythologischem Hintergrund, auch im Jingju oft zu finden, und filmerisch wiedergegeben mit einer ausgeprägten Ästhetik für Farben, Einstellungen und Bewegungen (Siehe Abbildung 20). Der Film Crouching Tiger Hidden Dragon setzte bei seinem Erscheinen neue, ästhetische Standards für filmerische Techniken von Kampfszenen. Die Darsteller werden teilweise an Seilen in die Luft gezogen, was den Eindruck des Fliegens entstehen lässt. Eine Technik die seitdem oft aufgegriffen wurde. (Siehe beiliegende CD, Nummer 5) Mit diesem Genre ist vielleicht das kommerziell wichtigste moderne Gesicht des Jingju genannt und daher ist es auch sehr ausschlaggebend für das Überleben der traditionellen Theaterform dahinter. II.2 2.2 Filmmusik Die Bedeutung der auditiven Komponente beim Jingju und darstellender Kunst wurde bereits in Kapitel I.2.3 eingehender erläutert. Da die Geschichte des Films in China anfänglich eng mit der Welt des Jingju verbunden ist, bleibt die Frage, ob in dieser Hinsicht ebenfalls noch Einflüsse zu erkennen sind. Bevor sich die Filmmusik in China eigenständig entwickeln konnte, mussten erst einige Hürden genommen werden. Zunächst war Film eng mit der Theaterwelt und damit auch mit der Musik verbunden, dann, unter Mao, wurde Filmmusik zunächst weniger frei, eher konform den ideologischen Zielen des kommunistischen Regimes eingesetzt. Erst unter Deng Xiaoping änderte sich dies. Er traf einige, zuvor schon angesprochenen, wichtige Entscheidungen. Die erlaubte Kritik an der Kulturrevolution, die Abschaffung des Klassenhintergrunds und die für die Volksrepublik China radikale Öffnungspolitik gegenüber dem Westen. So kam es, dass sich die Filmmusik eigentlich erst langsam, nach dieser politischen Entspannung und Öffnung, mit der so genannten Fünften Generation Anfang der 80er, den Regisseuren Chen Kaige (*1952), Zhang Yimou (*1951), Huang Jianxin 62 II. Peking Oper heute Moderne Gesichter (*1954), Tian Zhuangzhunag (*1952) und Wu Ziniu (*1953), eigenständig entwickeln konnte.145 Wie stand es nun um die auditive Komponente einer Kunstform die anfänglich eng mit dem traditionellen Theater verbunden war? Natürlich kann hier keine Verallgemeinerung getroffen werden, jedoch ist die JingjuTradition noch heute in verschiedenster Hinsicht in chinesischen Filmproduktionen als strukturelle bzw. musikalische Inspiration zu erahnen. Im Folgenden sei hierzu exemplarisch eine kurze musikalische Analyse und Erläuterung des Films Raise The Red Lantern (1991, Regie Zhang Yimou) gegeben. Der Film von Zhang Yimou gewann nach seinem Erscheinen in 1991 einige Auszeichnungen für besten ausländischen Film, u.a. beim Filmfestival in Venedig, hat jedoch vordergründig nichts mit Jingju zu tun. Sind aber auch hier noch Spuren dieser Tradition zu finden? – das soll hier geklärt werden. Zhang Yimous Film Raise The Red Lantern basiert musikalisch auf der Zusammenarbeit mit dem Komponisten Zhao Jiping (*1945). Erzählt wird die tragische Geschichte der Studentin Songlian, die zur Hochzeit gezwungen wird und als vierte Frau eines alten Mannes in dessen Haus kommt. Das Haus und ihre Situation werden zu ihrem Gefängnis. (Siehe beiliegende CD, Nummer 6 für den Trailer) Zur Verdeutlichung wie hier Musik und filmisches Geschehen ineinander greifen und wie sich die Filmmusik zu einem filmdramatischen Mittel, mit seinen Wurzeln in einer alten Tradition entwickelt hat, sei folgende Tabelle gegeben: Tabelle 5: Übersicht Handlung und Musik in Raise the Red Lantern 145 Kramer (1994), S.154. 63 II. Peking Oper heute Moderne Gesichter Zeit Sommer Geschehen Aufspann „Hochzeitsgespräch“ Titel, Besetzung Ankunft Laternen kommen Diagetic146/Klangeffekte Vorbereitung Rasseln, hall (Wirkung wie Trommeln) Blick in Spiegel/Konfrontation mit eigener Situation und sich Vorstellen an die Familie Laternen werden gebracht Ehemann geht nicht zu 3. Frau 3. Frau singt auf Dach Laternen weg Herbst Essenskampf Songlian allein Majong-duell Einrichtung: Opernbühne “niemand kann seine Vergangenheit verleugnen” Arzt legt LP auf Überleitung Non-Diagetic147 Jingju-Percussion Traditionelle Musik Vogelgezwitscher Jingju-Percussion, Synthesizer Frauenstimmen, liturgischer Chorgesang Vogelgezwitscher Jingju-Percussion (bis zur Platzierung der Laternen) Rasseln (Wirkung wie Trommeln) 3. Frau singt auf Dach Jingju-Percussion, Synthesizer Rasseln (Wirkung wie Trommeln) Vogelgezwitscher Flöte (aus der Ferne) Rasseln (Wirkung wie Trommeln) (Meishan) Opernmusik Jingju-Percussion So hieß es doch „Theater hören“ und nicht, wie bei uns „sehen“. Wenn ein Darsteller im Jingju auftritt, so wird es durch die Musik schon angegeben bevor er die Bühne betritt. Wenn man sich nun dem Einsatz von Musik, vor allem in Hinsicht des Jingju, im Film Raise The Red Lantern zuwendet, so sind ebenfalls derartige Momente zu finden. Gleich zu Beginn des Films, beim Aufspann, begegnen wir wieder dem Wuchang aus dem Jingju. Auch bei einer Bühnenaufführung wird hiermit der Anfang gemacht, sowie Auftritte angekündigt. In welcher Form die Elemente des Jingju hier, 146 Diagetic ist eine Fachterminus aus dem Film, der Klänge bezeichnet, die in die Erzählhandlung aufgenommen sind. Beispielsweise, wenn ein Charakter im Film Klavier spielt oder eine CD gespielt wird. 147 Im Gegensatz zu Diagetic steht Non-Diagetic. Klänge oder Musik im Hintergrund des Films aber nicht hörbar für Charaktere im Film. Beispielweise der „Sound-Track“ eines Films. 64 II. Peking Oper heute Moderne Gesichter akustischer und visueller Natur, eingesetzt werden ist sehr aufschlussreich. Neben Opernelementen, die in die Handlung des Filmes aufgenommen sind, ist der Film somit auch musikalisch, an diese alte Tradition anlehnend, strukturiert. Unterteilt ist der Film in die vier Jahreszeiten – wovon hier lediglich der Sommer detaillierter besprochen wird. Jedoch wird auch jeder Übergang zu einer neuen Jahreszeit mit den Jingju-Rhythmen eingeleitet und vollzogen. Im weiteren filmerischen Geschehen ist die Platzierung der Laternen, ein strukturierendes Moment für die weitere Handlung im Film, jedes Mal von JingjuPercussion eingeleitet und begleitet. Verwendet werden hier Trommeln aus dem Wuchang, dem rhythmischen Herz des Jingju, aber auch möglicher Indikator für Spannung, Auftritte und dergleichen. Ein strenges und Spannung erregendes Ritual in musikalischer und menschlich emotionaler Hinsicht im Film. Die Momente in denen Jiping Jingju-Klänge in den Film einbringt, erzeugen zum einen Spannung, zum anderen strukturieren sie den Film in auditiver Hinsicht. Im Ganzen entwirft Jiping für diesen Film eine farbenreiche Partitur, mit symphonischen, westlichen und traditionellen Elementen. Es sind nur noch verstümmelte Elemente von Volksmusik zu hören, genauso wie die Außenwelt und das alte Leben der Hauptdarstellerin immer weiter in die Ferne rücken. Die Nostalgie der Außenwelt wird für Songlian im Film durch ein Flötensolo wiedergegeben. Die Symbolik der Flöte, ein vorwiegend Männern zugestandenes Instrument, wird auch im filmischen Geschehen aufgegriffen. Die Flöte der Songlian, die sie hütet wie einen Schatz, wird ihr von ihrem Mann entrissen. Es zeigt, wie sich die kulturellen Wurzeln und Traditionen eines Landes in neuen Medien fortsetzen. 65 II. Peking Oper heute Moderne Gesichter II.2.3 China - Zwischen Museum und Moderne Abbildung 21: Werbeplakat von den Olympischen Spielen in Atlanta 1996 Zwischen Museum und Moderne. Ein solcher Eindruck entsteht, wenn man sich das Gesicht des Jingju auf der Bühne und in der Medienwelt anschaut. Zwar hat die Peking Oper als Kunstform in ihrem traditionellen Kostüm mit einer ernsthaften Krise im eigenen Land zu kämpfen, sie wird aber in der Medienwelt und international immer noch als einmalig und charakteristisch für die chinesische Kultur oder phantastische Welt eingesetzt. Das obige Werbeschild stammt von den Olympischen Spielen in Atlanta 1996 – hier wurde das Jingju und seine faszinierende Welt als Werbung für die Spiele eingesetzt. Wie schon einleitend zu der modernen Situation des Jingju angesprochen, bestehen unterschiedliche Strömungen in der Welt des Jingju. Sowohl eine museale, konservative Tradition dieser Kunstform als auch verschiedene moderne Reformversuche. Während also der Geist des Jingju vor allem in der modernen Filmwelt ein Make-over erfahren hat, und momentan wohl das kommerziellste und erfolgreichste moderne Gesicht darstellt, wird die Bühnenform von der Regierung eher konservativ geschätzt. Offensichtlich wird von der Regierungsseite sehr wohl Wert auf diese kulturelle Tradition gelegt – jedoch nicht so sehr auf deren moderne Entwicklung. So berichtet 66 II. Peking Oper heute Moderne Gesichter der China Daily zum Jahreswechsel 2006-2007 von einem sehr medienwirksamen Besuch des Präsidenten Hu Jingtao und anderer Regierungsmitglieder bei einer (traditionellen) Jingju-Vorstellung. Ganz aktuell richten sich die Augen der Welt auf China vor allem als Austragungsort der anstehenden Olympischen Spiele 2008 in Beijing. Ein sehr wichtiges Ereignis für das Land, sowohl in politischer als auch wirtschaftlicher Hinsicht. Auf der offiziellen Seite der Spiele in Beijing wird viel Werbung für das Ereignis selbst und für China gemacht. Bei der Präsentation des Landes und seiner Kultur ist auch das Jingju immer wieder als kultureller Botschafter vertreten. Jedoch handelt es sich auch hier vorwiegend um touristische Produktionen und kleine, traditionelle Darbietungen.148 148 http://beijing2008.cn/ 67 Schlussfolgerung Schlussfolgerung Der erst Teil dieser Arbeit setzt sich mit dem Jingju als Genre näher auseinander. Zunächst wird seine historischen Hintergründe, Entwicklung und Form durch die Jahre nachempfunden. Anschließend folgt eine Einführung in die besondere Ästhetik und Sprache dieser Kunstform. Der zweite Teil befasst sich schließlich mit der heutigen Situation und den modernen Formen des Jingju. Wie besteht das Jingju also in der heutigen Zeit und was sind seine modernen Gesichter? Dies war die anfängliche Fragestellung zu dieser Arbeit. Zum einen ist ersichtlich geworden, dass sich diese Tradition in einem steten Wandel befindet. Jedoch, in der gegenwärtigen Welt, hat diese Kunstform durch moderne Medien und einen veränderten Lebensstil in der Gesellschaft, viel Konkurrenz bekommen. Diese Tendenz ist übrigens auch in der westlichen Theaterwelt zu beobachten. Im Umgang mit dieser Krise haben sich unterschiedliche Strömungen herausgebildet. Eine konservative, museale Strömung und ein progressiver, moderner Ansatz sowie der Versuch eine Symbiose zwischen beiden zu schaffen. Zwar gibt es noch Aufführungen die sich stark an traditionellen Modellen orientieren, vorwiegend als touristische Attraktion in Beijing zu finden, jedoch sind diese nicht mehr populär bei der Bevölkerung. Ersichtlich wird dies an den stetig rückläufigen Zuschauerzahlen und den angegeben Gründen bei Umfragen für das schwindende Interesse. Daneben gibt es natürlich auch ein progressives Bestreben. Im Jingju in dieser Arbiet beispielsweise am Contemporary Legend Theatre exemplarisch ausgelegt. Sie bringen neues Leben in eine alte Tradition. Diese neue Form nähert sich dabei gleichzeitig dem westlichen Theaterbild an. 68 Schlussfolgerung Interessanterweise sind progressive Ansätze sowieso vorwiegend außerhalb Beijings zu finden. Das Jingju scheint dabei auch nicht mehr die primäre, kulturelle Sprache unserer Zeit in China zu sein. Die junge Generation hat, durch die kulturelle Revolution aber vor allem auch durch neue mediale Reize, seine ästhetische Sprache nicht mehr erlernt. Jingju hat sich von einer populären Volkskultur zu einem speziellen Kleinod entwickelt – das als solches jedoch von Kennerkreisen sehr geschätzt wird. Jedoch hat die Tradition des Jingju in der heutigen Bühnenform nicht nur neue Einflüsse auf sich einwirken lassen, sondern es hat durch sein Bestehen auch andere Bereiche und Medien maßgeblich geprägt, wie in Kapitel II.2 Moderne Gesichter zum Ausdruck kommt. Hier ist vor allem der Film und insbesondere die Martial Arts Filme zu nennen. Aus den „red trousers“ hat sich ein eigenes Genre entwickelt, in dem immer noch der Geist, d. h. Ästhetik, Bewegung, Choreographie und Geschichten, des Jingju zurück zu finden sind. Entstanden ist das Jingju im späten 18. Jahrhundert aus damals sehr populären, unterschiedlichen Elementen. In der heutigen Zeit findet wiederum eine Teilung statt, und einzelne Elemente dieser Kunstform sind wiederum die populärsten und erfolgreichsten. Die anfängliche Fragestellung nach eventuellen modernen Gesichtern des Jingju kann auf unterschiedliche Art und Weise beantwortet werden. Die traditionelle Bühnenform dieser Kunstart hat sicherlich Modernisierungsansätze erfahren. Zwar zählt sie nicht mehr zu den populärsten Unterhaltungsformen, jedoch hat sie sich zu einer kulturverankerten aber auch modernen Theaterform entwickelt, die auch Elemente aus der westlichen Bühnenwelt zu integrieren wusste. Einzelne Elemente, aus denen sich das Jingju als „Gesamtkunstwerk“ zusammensetzt, haben dagegen in der modernen Welt einen 69 Schlussfolgerung sehr kommerziell erfolgreichen Weg zurückgelegt und sich mit neuen Medien fusioniert – wie am Beispiel der Martial Arts Filme verdeutlicht wurde. Zukünftig wird sich das Jingju auch weiterhin mit der modernen Welt auseinandersetzen müssen, es muss offen bleiben für neue Einflüsse um sich zwischen der Erstarrung als Touristenattraktion eines imaginären „traditionellen“ Chinas und dem kommerziellen Druck großer Geldbudgets als vitale Kunsttradition behaupten zu können. 70 Anhang Anhang Rollentabelle Sheng (männliche Rolle) Lao-sheng Wangmao Auch Xusheng Hier liegt der Schwerpunkt vor allem auf dem Gesang. Oft Herrscher in ihrer Glanzzeit. Oft gebildete Charaktere die Gelassenheit und Fassung ausstrahlen. Sie sind von ruhigem Gemüt und leben in natürlicher und ungehemmter Weise. Shuaipai Charakter der unter den Folgen eines herben Rückschlags leidet. Kaoba Dieser Charakter fordert sowohl Gesangs- als auch Kampfkünste. Sie tragen eine Rüstung und halten immer eine Waffe. Yinglizi Auch Erlu Zweitrangige Rolle, die ältere Menschen darstellen. Hong-sheng Repräsentieren die Laosheng Rollen, die das Gesicht rot bemalt haben. 71 Anhang Wu-sheng Verschiedene Charaktere; sehr beeindruckend sind die mächtigen Generäle mit reich verzierten Harnischen. Häufig auch mit vier dreieckigen Fahnen, die auf dem Rücken befestigt sind, ausgestattet. Die Rolle verlangt zwar eine gute Gesangsstimme, vor allem aber verlangt sie eine kraftund würdevolle Ausstrahlung, sowie eine gute Beherrschung der Kampfkunst. Hsiao-sheng „Junger Mann gutem Hause“ aus Meist Student, junger Gelehrter, oder Dandy – gekennzeichnet durch eine feine Art und eine beinahe weibliche Grazie in seinen Bewegungen. Er trägt keinen Bart und singt mit einer Kombination aus Bariton und Falsett. Wawasheng Stellt kindliche Rollen dar. Anstelle des Falsetts, das bei anderen Hsiao-sheng Rollen eingesetzt wird, singt der Darsteller mit seiner natürlichen Stimme. 72 Anhang Dan (weibliche Rolle) Ch’ing-i „Blaue Kleidung“ Gute, tugendhafte Frau – die Eltern liebende Tochter, die treue Ehefrau, die zu Unrecht verstoßene Konkubine. Ihre Bewegungen sind grazil aber zurückhaltend. Jede Überschwänglichkeit ist ihr fremd. Die Rolle fragt eine ausgezeichnete Gesangsstimme mit einer ebensollchen Falsetttechnik. Zhengdan Guimendan Noble Frau von feiner und sanftmütiger Art. Junge, naive Frau, die immer noch zu Hause leben muss. 73 Anhang Huadan Wanxiaodan „Bunte Dan“ Junge Frau, von gescheiter und fröhlicher Natur, nie um einen Witz verlegen. Symbol für weiblichen Charme und Lebendigkeit. Mit einigen Ausnahmen, symbolisiert die Rolle weniger positive Eigenschaften. Sie ist die femme fatale, die Verführerin, die mit ihren Listen und Künsten den Männern den Kopf verdreht. Die Rolle stellt hohe Ansprüche an Expressivität, Bewegung und Tanz – der Gesang steht weniger im Vordergrund. Als Verführerin trägt sie oft reiche Kleidung und Kopfschmuck. Qidan Frau in einem Manchu-Kostüm und Haartracht. Poladan Zänkischer weiblicher Charakter Cishadan Junge Frau, die zuvor einen Mann umgebracht hat. Tiedan Oder Xiaodan Junges Mädchen Daomadan Starker Charakter, oft ein weiblicher General. 74 Anhang Wudan Die Chinesische Amazone – Die Rolle umfasste sowohl positive als negative Charaktere, variierend von noblen Heldinnen bis zu unheimlichen Dämonen, die eine weibliche Gestalten angenommen haben. Sie sind lebendig und charmant, jedoch liegt der Schwerpunkt in virtuosen Kampfszenen. Laodan „Alte Dame“ Eine ziemlich realistische Widergabe „der Lasten des älter werden“ (langsame Bewegungen, gebückte Haltung, teilweise mit Stock) aber auch der Werstschätzung die in China mit dem Alter assoziiert werden. Wichtige Gesangsrolle Caidan Sollte von einem Clown-schauspieler gespielt werden. Da alle weiblichen Charakter momentan vorwiegend von Frauen verkörpert werden, fällt dieser Charakter ebenfalls unter die DanCharaktere. 75 Anhang Ching („painted face“) Wenjing Tongchui Gesang ist wichtiger als schauspielerische Fähigkeit. Trägt einen weißen Bart. Heitou („schwarzes Gesicht“) Hier liegt das Augenmerk mehr auf dem Gesang als auf der Schauspielkunst. Trägt einen schwarzen Bart. Jiazihua Hier ist Dialog und Schauspiel im Vodergrund – Gesang zweitrangig. Youhua Hier sind vor schauspielerischen vor allem tänzerische Fähigkeiten gefragt. Außerdem fragt die Rolle die Beherrschung von Tricks, wie beispielsweise Feuer spucken. Wujing Wuhua Hier wird vor allem Akrobatik/Kampfkunst verlangt. 76 Anhang Shuaidahua Stellt Krieger und Helden, mit reizbarem Charakter dar. Es wird nicht nur die Beherrschung von Kampfkunst sondern auch akrobatische Akts, wie beispielsweise Saltos, gefragt. Chou („Clown“) Wenchou (zivil) Paodaichou Porträtiert einen dümmlichen, linkischen oder geizigen Charakter – nicht zwingend böse. Es ist vielmehr ein einfacher, aufrichtiger, meist warmherziger Charakter, repräsentativ für normale Leute. Nur in Comedy übernehmen sie die Hauptrolle. Erkennbar ist der Chou an der weißen Stelle in verschiedenen Formen im Gesicht. Ein nobler oder aristokratischer Charakter in offiziellem Gewandt. Fangjinchou Gelehrter oder Student, spricht normalerweise im Yunbai-Stil. Legt besonderen Wert auf Redegewandtheit. Suchou Spricht im Suzhouoder YangzhouDialekt. Tritt nicht zwingend als Gelehrter auf (im Gegensatz zum 77 Anhang Fangjinchou) Laochou Spricht im jingbai Stil. Stellen oft ältere, sehr humorvolle Charaktere dar. Chayichou Spricht im jingbai Stil und trägt eine Filzkappe, Schlappen und schwarze Jacke. Stellen oft z. B. Weinverkäufer oder Kutscher dar. Wuchou (Militär) Kaikoutiao Für diese Rolle ist meisterhafte Beherrschung von Akrobatik und Kampfkunst eine Voraussetzung. Neben exzellenter Beherrschung von Kampftechniken ist dieser Charakter auch sehr clever und beredsam. 78 Anhang CD Inhalt 1. Fragment einer Bootsfahrt in der Tradition des Jingju 2. Trailer zu Come Drink with Me 3. Szene aus The Drunken Master – Jackie Chan 4. Szene aus Martial Law – Sammo Hung 5. Szene aus Crouching Tiger Hidden Dragon 6. Trailer zu Raise the red lantern 79 Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis Arjun A., Modernity at Large, Cultural Dimension of Globalization (Minneapolis/London: University of Minnesota Press, 1996). Bianco, L. (Hrsg), ’Die chinesische Revolution (1937-1949)’, in: Welt Geschichte - Das Moderne Asien 33 (Frankfurt a/M: Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, 2000), S. 125145. Brandon, J. R. und Banham, M., The Cambridge guide to Asian theatre (Cambridge [England]; New York, NY, USA: Cambridge University Press, 1993). 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Titel: Da zui xia, Land: Hong Kong, Jahr: 1966, Regie: King Hu) Crouching Tiger Hidden Dragon (Chin. Titel: Wo hu cang long, Land: Taiwan/Hong Kong/USA/China, Jahr: 2000, Regie: Ang Lee) Drunken Master (Chin. Titel: Jui kuen, Land: Hong Kong, Jahr: 1978, Regie: Woo-ping Yuen) Farewell My Concubine (Chin. Titel: Ba wang bie ji, Land: China/Hong Kong, Jahr: 1993, Regie: Chen Kaige) Hero (Chin. Titel: Ying xiong, Land: Hong Kong/China, Jahr: 2002, Regie Zhang Yimou) House of Flying Daggers (Chin. Titel: Shi mian mai fu, Land: China/Hong Kong, Jahr: 2004, Regie: Zhang) Martial Law (Fernsehserie, Land: USA, Jahr: 1998-2000) Raise The Red Lantern (Chin. Titel: Da hong deng long gao gao gua, Land: China/Hong Kong/Taiwan, Jahr: 1991, Regie Zhang Yimou) Red Trousers – The Life of the Hong Kong Stuntmen (Land: Hong Kong/USA, Jahr: 2003, Regie: Robin Shou) 85 Abbildungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Theatervorstellung während Ch’ien-lungs Regierungszeit, S. 10; Aus: Xu Chengbei, Peking Opera (Beijing: China International Press, 2003), S. 18. Abbildung 2: Mei Lanfang 1915 als Lady Chang E, S. 15; Aus: Wu Zuguang, Peking opera and Mei Lanfang: a guide to China’s traditional theatre and the art of its great master (Beijing: New World Press, 1981), S. 23. Abbildung 3: "Study revolutionary play's to become a revolutionary" 1975, S. 21; Aus: http://www.iisg.nl/~landsberger/ybx.html Abbildung 4: "Even children love to http://www.iisg.nl/~landsberger/ybx.html study heroes" 1975, S.22; Aus: Abbildung 5: Komischer Sprung bei dem der Chou zeigt, dass er sich am Zeh gestoßen hat, S. 30; Aus: Halson, E., Peking Opera (Hong Kong: Oxford University Press, 1982), S. 35. Abbildung 6: Mei Lanfang in The Fisherman’s Revenge, rudernd in einem imaginären Boot, S. 31; Aus: Wu Zuguang, Peking opera and Mei Lanfang: a guide to China’s traditional theatre and the art of its great master (Beijing: New World Press, 1981), S. 11. Abbildung 7: Die wichtigsten Streichinstrumente: v.l.n.r.: erhu, huqin (oder chinghu), „Mond-mandoline“ (yüeh-ch’in) und „drei Seiten“ (san-hsien), S. 34: Aus: Halson, E., Peking Opera (Hong Kong: Oxford University Press, 1982), S. 40. Abbildung 8: Die wichtigsten Schlaginstrumente: r.o. Zymbalen, die kleine Trommel (rechts unten), großer Gong (links oben), flache Trommel (pan-ku, links unten), kleiner Gong (Mitte), Kastagnetten (Mitte unten), S. 35; Aus: Halson, E., Peking Opera (Hong Kong: Oxford University Press, 1982), S. 41. Abbildung 9: Bühne und Orchester des Jingju, S. 36; Aus: Halson, E., Peking Opera (Hong Kong: Oxford University Press, 1982), S. 41. Abbildung 10: Szenenfotos aus The Revenge of Prince Zi Dan – Peking-Oper Ensemble Shanghai, S. 47; Aus: http://www.pekingopera.sh.cn/ Abbildung 11: Szenenfoto The Kingdom of Desire, S. 50; Aus: http://www.cltheatre.com.tw/ Abbildung 12: Szenenfoto aus War and Eternity, S. 51; Aus: http://www.cltheatre.com.tw/ 86 Abbildungsverzeichnis Abbildung 13: Szenenfoto aus The Lady of Loulan, S. 51; Aus: http://www.cltheatre.com.tw/ Abbildung 14: Szenenfoto aus Oresteia, S. 52; Aus: http://www.cl-theatre.com.tw/ Abbildung 15: Wu Hsing-Kuo als Yin-Yang Meister in The First Emperor, S. 55; Aus: www.tandunonline.com Abbildung 16: Vue n°91 Sortie d'Usine I, S. 57; Aus: http://www.institutlumiere.org/francais/patrimoinelumiere/filmslumiere.html Abbildung 17: Tan Xinpei in Der Berg Dingjun, S. 58; Aus: Xu Chengbei, Peking Opera (Beijing: China International Press, 2003), S. 18. Abbildung 18: Kampfszene aus dem Film Come drink with me (1966), S. 59; Aus: Come drink with me (Chin. Titel: Da zui xia, Land: Hong Kong, Jahr: 1966, Regie: King Hu). Abbildung 19: Jackie Chan in Drunken Master, 1978, S. 60; Aus: Drunken Master (Chin. Titel: Jui kuen, Land: Hong Kong, Jahr: 1978, Regie: Woo-ping Yuen). Abbildung 20: Kampfszene aus dem Film Hero (2002), S. 61; Aus: Hero (Chin. Titel: Ying xiong, Land: Hong Kong/China, Jahr: 2002, Regie Zhang Yimou). Abbildung 21: Werbeplakat von den Olympischen Spielen in Atlanta 1996, S. 66; Aus: Xu Chengbei, Peking Opera (Beijing: China International Press, 2003), S. 128. 87