Proceedings 2009 Onkologie Schönbrunn - Tierklinik Dreier

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Leben mit Krebs bei
Hunden, Katzen,
Kaninchen und
kleinen Heimtieren
Dr. Christina Dreier-Schöpf
Fachtierärztin für Kleintiere
ÖTK Diplomierte Kleintieronkologin
Präsidentin VÖK-VONA Kleintieronkologie
Genderhinweis: Im Sinne einer besseren Lesbarkeit des Textes
wurde entweder die männliche oder weibliche Form von
personenbezogenen Hauptwörtern gewählt. Dies impliziert
keinesfalls eine Benachteiligung des jeweils anderen Geschlechts.
Frauen und Männer mögen sich von den Inhalten gleichermaßen
angesprochen fühlen.
Dr. Christina Dreier-Schöpf mit einer ihrer onkologischen
Patientinnen, deren Erstdiagnose Mastzelltumor vor 6 ½ Jahren
gestellt wurde. Trotz wiederholter Krebsbehandlungen erfreut sich
die Hundedame bis heute eines glücklichen Hundelebens und
kommt immer wieder gerne in die Tierklinik, da doch jede
Behandlung mit einem Hundekeks belohnt wird.
Immer häufiger werden Tierbesitzer mit der Diagnose Krebs konfrontiert und damit einer
hohen emotionalen Belastung ausgesetzt. Ängste kommen hoch, da viele schon persönlich in
der Familie, im Freundeskreis oder bei anderen Tierbesitzern die Diagnose Krebs und deren
Behandlungen miterleben mussten. Obwohl die Onkologie, die Wissenschaft, die sich mit
Krebs beschäftigt, in der Tiermedizin eine vergleichsweise junge Sparte ist, geht die
Entwicklung rasant voran. Tumorerkrankungen, die vor wenigen Jahren noch unheilbar
schienen, können heute bereits mit sehr guter Lebensqualität für die Patienten behandelt
werden. Krebs zählt mehr und mehr zu den chronischen Erkrankungen, da die betroffenen
Patienten zwar nicht immer geheilt, aber deren Krankheit sehr oft unter Kontrolle gehalten
werden kann. Erfreulicherweise gibt es sowohl in der Human-, wie auch in der
Veterinärmedizin immer mehr positive Ergebnisse bei der Behandlung. Dennoch überwiegen
beim Gedanken an Krebs doch meist die negativen Aspekte. Daher ist es wichtig, die
Diagnose und die Behandlungsmöglichkeiten mit einem onkologisch fachkompetenten
Tierarzt besprechen und beraten zu können.
VÖK Sektion Kleintieronkologie „Veterinäronkologisches Netzwerk Austria, kurz VÖKVONA“
ist eine onkologische Arbeitsgemeinschaft aus Veterinärmedizinischer Universität Wien,
Tierärztekammer Österreich und praktizierenden Tierärzten, die sich vertiefend mit dem
Thema Onkologie bei Kleintieren beschäftigen. Tierärzte mit der Zusatzqualifikation
„Österreichisches TK Diplom Kleintieronkologie“ gewährleisten Kompetenz und höchste
Sorgfalt bei der Behandlung der ihnen anvertrauten Patienten.
Früherkennung
Durch chirurgische Eingriffe, Chemotherapien, Bestrahlungen und die Entwicklung neuer
Medikamente ist es inzwischen möglich krebskranke Tiere zu heilen oder ihr Leben mit
hoher Lebensqualität zu verlängern. Tierbesitzer können hier einen ganz entscheidenden,
wenn nicht den wichtigsten Beitrag zu einer erfolgreichen Therapie leisten, und das ist die
Früherkennung. Sie stellen oftmals zu Hause Veränderungen bei ihrem Haustier fest, die
erste Anzeichen für Krebs sein könnten, wie z.B.:
• abnorme Schwellungen, die sich nicht zurückbilden
• nicht heilende Wunden und Entzündungen
• Muskelschwund, v.a. entlang der Wirbelsäule
• Gewichtsverlust
• Apathie
• Fressunlust
• Atmungsstörungen
• Blutungen oder ungewöhnliche Sekretion aus Körperöffnungen
• unangenehmer Geruch
• Kau- und Schluckstörungen
• Leistungsschwäche
• anhaltende Lahmheit
• vermehrtes Trinken
• auch Harn- oder Kotabsatzstörungen.
Stellt der Tierbesitzer eines dieser Symptome fest, sollte er nicht zögern den Tierarzt seines
Vertrauens aufzusuchen. In vielen Fällen, kann eine einfache, unkomplizierte Erkrankung
gefunden und behandelt werden. In dem einen oder anderen Fall kann durch die
rechtzeitige Kontaktaufnahme mit dem Tierarzt eine Krebserkrankung zeitgerecht erkannt
und heilend behandelt werden.
Diagnostik
Egal um welche Erkrankung es sich handelt, unabdingbar aber bei der Diagnose Krebs, ist
eine genaue diagnostische Abklärung. Nur dadurch kann der Tierarzt sachlich über die
Erkrankung des Patienten, über die Behandlungsmöglichkeiten und die Prognose aufklären
und der Tierbesitzer für sein Tier und sich die beste Entscheidung treffen.
In der Diagnostik setzt der Tierarzt, je nach Bedarf und Anforderung viele verschiedene
Untersuchungsmöglichkeiten ein. An erster Stelle steht eine fundierte klinische
Untersuchung. Weiters kommen Blut-Harn- und Kotuntersuchungen, Röntgen, Ultraschall
und in der bildgebenden Diagnostik auch Computertomografie und
Magnetresonanztomografie zum Einsatz.
Die relevanteste Tumordiagnostik ist jedoch die Gewebeuntersuchung. Diese kann im
einfachsten Falle durch eine Feinnadelaspirationszytologie erfolgen. Hierzu werden mit einer
feinen Nadel Zellen aus der Umfangsvermehrung entnommen und mikroskopisch beurteilt.
Mikroskopisches Bild von einem Lymphdrüsenkrebs, Zellen entnommen mit einer Feinnadelaspirationszytologie
Entgegen immer wieder kolportierter Laienmeinung, ergaben zahlreiche Studien keinen
Hinweis darauf, dass durch korrekt durchgeführte Gewebeprobennahmen die
Metastasierungswahrscheinlichkeit erhöht oder die Überlebenszeit des Patienten negativ
beeinflusst werden könnte. Dort wo die zytologische Untersuchung kein hilfreiches Ergebnis
erbringt, muss eine histologische Diagnose über Biopsie oder eine chirurgische
Tumordarstellung mittels diagnostischer Operation zur Diagnosefindung angeschlossen
werden.
Nicht immer bedeutet Tumor (lat.) = Neoplasie (griech.) = Geschwulst etwas Bösartiges. Es
handelt sich in erster Instanz einmal nur um eine örtlich umschriebene Zunahme des
Gewebsvolumens, welche auch nur durch eine Entzündung oder eine gutartige
Zellvermehrung verursacht sein kann.
Haben die Untersuchungen jedoch ergebe, dass es sich um einen malignen, d. h. bösartigen
Tumor handelt, wird und muss der Tierarzt mit dem Besitzer ein ausführliches
Beratungsgespräch führen. Denn an diesem Punkt muss der Tierbesitzer entscheiden, ob er
bereit ist weitere therapeutische, sowohl zeit- als auch kostenintensive Schritte wie
Chirurgie, Chemotherapie oder Strahlentherapie mit seinem Tier zu gehen. Ist es der
Wunsch des Besitzers diesen Weg nicht weiter zu gehen, wird der Tierarzt ein
entsprechendes Palliativprotokoll erstellen, um dem Patienten die verbleibende Zeit so
schmerzfrei und mit so viel Lebensqualität wie möglich zu gestalten.
Entscheidet sich der Tierbesitzer für ein weiteres Vorgehen, so muss abgeklärt werden, ob
noch andere, die Behandlung und den Behandlungserfolg erschwerende Krankheiten
zusätzlich vorliegen. Weiters muss geklärt werden, wo überall im Körper der Tumor
nachzuweisen bzw. wo mit Tumor zu rechnen ist.
Röntgenbild eines Hundes mit Lungenmetastasen
Behandlungsmöglichkeiten
Krebsbehandlungen bei Tieren unterscheiden sich deutlich von der Humanmedizin. Bei
unseren Tieren hat der Erhalt oder die Wiederherstellung der Lebensqualität oberste
Priorität. Erst danach kommt die Lebensverlängerung. Behandlungen, die die Lebensqualität
stark einschränken oder einen langen Klinikaufenthalt bedingen würden, werden bei
unseren Haustieren meist nicht durchgeführt. Sowohl bei Chemo- als auch Strahlentherapien
werden im Vergleich zu den Behandlungen beim Menschen auch Dosisanpassungen
vorgenommen, um Nebenwirkungen auf ein Minimum zu reduzieren. Zudem gibt es heute
bereits sehr gut verträgliche und wirksame Medikamente, um gegen Schmerzen und
Übelkeit zu behandeln, bevor diese überhaupt auftreten.
Chirurgie
Abhängig von den erstellten Vorbefunden gibt es bei der Chirurgie zwei Therapieformen:
 Die kurative Chirurgie, welche als Ziel die Heilung des Patienten hat. Diese ist oftmals
sehr großräumig und muss vom Chirurgen gute geplant werden. Die Tierbesitzer
müssen sich mit dieser Option im Vorfeld intensiv auseinander setzten, denn die
heilende Operation kann unter Umständen die Entfernung wichtiger Körperteile
bedingen. Der große Vorteil ist jedoch, dass das Krebsgeschehen alleine damit geheilt
werden kann.
 Die zytoreduktive Chirurgie hat zum Ziel die Tumormasse nur zu reduzieren, um
damit dem Patienten eine bessere Lebensqualität zu gewährleisten und um mit einer
anschließenden Chemo- und/oder Strahlentherapie bessere Erfolge erzielen zu
können. Diese Operation kann jedoch nie heilend sein, da Tumorzellen im Körper
zurückbleiben.
Generell gilt gerade auch bei der Chirurgie: Je früher ein Tumor erkannt und entfernt wird,
umso besser sind die Aussichten auf Heilung nur durch Chirurgie. Daher sollte bei einer
festgestellten Umfangsvermehrung nie zugewartet werden.
Kryotherapie
Bei kleinen, gutartigen Hauttumoren ist die Kryotherapie eine gute Alternative zur
herkömmlichen Chirurgie. Bei dieser Methode wird der Tumor unter Lokalanästhesie mit
flüssigem Stickstoff über ein Verdampfungsgerät auf - 89° C gefroren und stirbt dadurch ab.
Je nach Größe des Tumors sind in der Regel 1-4 Behandlungen im 1-2-wöchigen Abstand
nötig um den Tumor vollständig zu entfernen. Die Anwendung selbst dauert nur wenige
Sekunden und hinterlässt eine spannungsfreie Narbe, weshalb diese Methode bevorzugt in
Bereichen wie Augenlid, Ohr, Nase oder bei Tumoren im Afterbereich angewandt wird, wo
wenig Gewebe zum Verschließen einer chirurgischen Wunde zur Verfügung steht.
Gutartiger Tumor am Augenlid eines Beagles
Tag 7 nach der einmaligen Kryotherapiebehandlung
Tag 14 nach der Behandlung
Tag 39 nach der Behandlung
Chemotherapie
Chemotherapien werden durch die teilweise von früher bekannten, sehr heftigen
Nebenwirkungen wie Übelkeit und Haarausfall beim Menschen, mit sehr viel Skepsis
betrachtet. Inzwischen gibt es hervorragende Medikamente zur Vermeidung der Übelkeit.
Zudem steht in der Veterinärmedizin die Lebensqualität vor der Lebenszeit, wofür die
Dosierungen angepasst werden.
Chemotherapien können sowohl als alleinige Behandlungsformen angewandt werden, wie
z.B. beim Lymphom, aber auch als zusätzliche Therapie im Anschluss an eine zytoreduktive
Chirurgie oder in Kombination mit der Strahlentherapie.
Wie viele und welche Medikamente in welchen Intervallen eingesetzt werden, hängt sehr
stark von der Tumorart, der Funktionstüchtigkeit der ausscheidenden Organe Leber und
Niere und dem Allgemeinzustand des Patienten ab.
Oftmals muss auch unter einer begonnenen Therapie eine Anpassung, je nach Befinden des
Patienten und seinen Blutwerten erfolgen, wodurch auch noch einmal die Nebenwirkungen
reduziert werden können.
Haarausfall tritt in ausgeprägtem Masse nur bei den Hunderassen auf, die dauerhaft
wachsende, regelmäßig zu schneidende Haare, wie der Mensch, besitzen. Das sind z. B. ShiTzu, Havaneser, oder Pudel. Diese Rassen verlieren die Haare fast vollständig, bekommen sie
aber nach der Chemotherapie auch wieder sehr intensiv zurück. Bei allen anderen Rassen ist
der Haarausfall nur während der regulären Haarwechselperiode etwas verstärkter. Das
restliche Jahr über kommt es zu fast keinem Haarausfall.
Metronomische Chemotherapie
Bei dieser Therapieform werden sehr geringe Dosen eines Chemotherapeutikums, dafür
aber kontinuierlich in Tablettenform verabreicht. Dadurch wird das Stützgewebe (Stroma)
und das Gefäßsystem des Tumors angegriffen und geschädigt. Wenn Stroma und Gefäße
verschwinden, kann der Tumor nicht mehr oder viel schlechter weiterwachsen, und somit
erzielt man mit dieser Therapie einen Erfolg. Durch die sehr tiefe Dosierung sind kaum
Nebenwirkungen zu befürchten. Im Gegensatz zu einer herkömmlichen Chemotherapie ist
die metronomische Chemotherapie aber eine lebenslange Therapie. Die
Behandlungsmethode ist erst bei einigen wenigen Tumor ausgewertet worden, wird aber
auch in der Humanmedizin immer häufiger eingesetzt, hauptsächlich bei Tumoren, die
relativ langsam wachsen, oder bei älteren Menschen. Bei unseren Haustieren kommt diese
Therapieform vor allem dort zur Anwendung, wo das Tier eine herkömmliche
Chemotherapie nicht vertragen würde, die Besitzer für eine herkömmliche Chemotherapie
nicht bereit sind oder diese bereits versucht wurde und keinen Erfolg zeigte.
Strahlentherapie
Die Strahlentherapie wird häufig in Kombination mit Chirurgie und/oder Chemotherapie
eingesetzt. Sie ist eine wichtige Therapieform bei vielen Tumorarten, speziell aber bei
Tumoren der Knochen und des Binde-Stützgewebes. Denn gerade bei diesen Tumoren sind
die chirurgischen Möglichkeiten oft nur sehr radikal zielführend, Chemotherapien nur mäßig
wirksam gegen den Primärtumor, weshalb der Bestrahlung hier ein sehr hoher Stellenwert
zukommt. Viele Besitzer entscheiden sich bei Knochenkrebs eher zur Bestrahlung als zur
Amputation.
Schwellung im Karpalgelenk eines Hundes und Lahmheit, Diagnose: Knochenkrebs. Nur frühzeitig erkannt, rasch diagnostiziert und intensiv
behandelt hat ein Patient mit dieser Krebserkrankung Chance auf ein schmerzfreies, erfülltes Hundeleben.
Bei der Bestrahlung unterscheidet man im wesentlichen zwei Therapieformen:
• Die kurative Bestrahlung, welche als Ziel die Heilung des Patienten hat. Nachteil bei
dieser intensiven Behandlung können Irritationen der Schleimhäute und der Haut
sein. Die Behandlung umfasst meist 15-18 täglich angewandte Bestrahlungen mit
Ausnahme des Wochenendes, weshalb eine solche Therapie zeitlich und
organisatorisch gut geplant werden muss.
• Die palliative Bestrahlung dient vor allem der Schmerzlinderung, die sehr rasch
einsetzt, der Verlangsamung des Tumorwachstums und der Verbesserung der
Lebensqualität.
In Österreich befindet sich die einzige Bestrahlungseinheit an der Veterinärmedizinischen
Universität in Wien, für die westlichen Bundesländer stehen die Veterinärmedizinische
Universität München und die Veterinärmedizinische Universität Zürich zur Verfügung.
Onkologische multimodale, ganzheitliche Therapie
verbindet die Behandlungsmöglichkeiten der Schulmedizin mit denen der verschiedenen
komplementären Therapieformen, wie z.B. der Homöopathie, der biomolekularen Therapie
und einigen anderen mehr. Wichtig ist bei all diesen unterstützenden Behandlungen die
Rücksprache und Abklärung mit dem Veterinär-Onkologen. Denn manche Präparate können
in Kombination mit den schulmedizinischen Medikamenten einen unerwünschten Effekt
bewirken, Manche Präparate verändern den Stoffwechsel und dadurch die Wirksamkeit der
Chemotherapeutika. Andere wiederum können sehr hilfreich bei der Körperentgiftung
während und nach der Chemotherapie sein.
Hovawarthündin mit 11 ½ Jahren Diagnose Lungenkrebs,
auf diesem Bild 4 Monate nach der Diagnosestellung
unter der Chemotherapie beim Wandern mit den Besitzern,
wurde knapp 13 Jahre alt bei guter Lebensqualität
während der Therapie. Die Hundebesitzer würden auch
rückblickend jederzeit wieder den Therapieweg gehen.
Europäisch Kurzhaar Kater mit 8 Jahren Diagnose
nasales Lymphom, über 9 Monate Chemotherapie
bei guter Lebensqualität, 2 Jahre nach Ende der
Chemotherapie Diagnose Schilddrüsenkrebs,
chirurgische Entfernung des Tumors, 3 Monate
nach der Operation schwere bakterielle Bauchfellentzündung, 6 Wochen Behandlung; Foto 8
Monate nach der letzten Behandlung im 12
Lebensjahr, 4 Jahre nach der Erstdiagnose Krebs
laut Besitzerin lebenslustig, zufrieden und
verschmust
An Hand dieser Vielzahl an Behandlungsmöglichkeiten kann man gut erkennen, warum die
Behandlung von Tumorerkrankungen, die vor wenigen Jahren noch unheilbar schienen,
heute mit sehr guter Lebensqualität für die Patienten möglich ist, und weshalb Krebs
inzwischen zu den chronischen Erkrankungen zu zählen ist.
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