2. Veränderung bei der Führungsrolle und den

Werbung
4. Internationale Konferenz zur Umweltbildung
CEE, Ahmedabad, Indien
26.-28. November 2007
Nach Ahmedabad – weitere Schritte
Umweltbildung im 21. Jahrhundert
Von Tiflis nach Ahmedabad
Internationale Konferenzen behandeln Veränderungen der Denkweisen und Lösungsansätze.
Außerdem werden neue Aktionspläne festgelegt. Das erste Paket internationaler Empfehlungen zur Gestaltung der Umweltbildung wurde 1977 in Tiflis, Georgien, ausgearbeitet. Zehn
Jahre später, 1987, wurden bei einer Konferenz in Moskau, Russland, die bisherigen Fortschritte bewertet sowie Strategien und Aktionspläne für Institutionen zur Förderung der Umweltbildung ausgearbeitet. 1997 fand die 3. Internationale Konferenz zur Umweltbildung in
Thessaloniki, Griechenland, statt. Bei dieser Konferenz wurde die Rolle der Umweltbildung
als Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung diskutiert. Nach dem Weltgipfel für nachhaltige
Entwicklung im Jahr 2002 wurde die UN-Dekade (2005-2014) „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (DESD) ausgerufen, die auf den Empfehlungen in Kapitel 36 der Agenda 21 basiert. Die 4. Internationale Konferenz für Umweltbildung, wurde 2007, also 30 Jahre nach
Tiflis, im Rahmen der DESD in Ahmedabad, Indien, abgehalten.
Dieses Dokument spiegelt die Ansichten und Perspektiven von über 1.500 Menschen aus 97
Ländern wider, die an der Konferenz in Ahmedabad teilgenommen haben. Es behandelt allgemeine Themen, die während der Konferenz erörtert wurden, und wird ergänzt durch eine
Deklaration sowie Empfehlungen zu mehr als 30 von Arbeitsgruppen im Rahmen der Konferenz behandelten Themen. Bei der Ausarbeitung dieser Empfehlungen sehen wir dieses Dokument als eines in einer Reihe von Dokumenten, die eine Orientierungshilfe für die Umweltbildung des 21. Jahrhunderts darstellen, allen voran der Internationale Umsetzungsplan der
Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ und damit verbundene regionale, subregionale, nationale und lokale Strategien und Aktionspläne, die zur Umsetzung der UN-Dekade ausgearbeitet werden.
Die Entwicklung der Umweltbildung von 1977 bis 2007
1977 enthielt die Erklärung von Tiflis weit reichende Empfehlungen, dass die Umweltbildung
ganzheitlich, aktiv und inklusiv sein sollte und lebenslanges Lernen beinhaltet. Bei diesem
Treffen wurde auch der komplexe und multidimensionale Charakter von Umweltbelangen
angesprochen sowie die Notwendigkeit, die Ursachen von Umweltproblemen zu ergründen.
Seit 1977 haben sich international die Ansichten über die Umweltbildung geändert, hauptsächlich weil mehr Personen in diesem Bereich tätig sind und sich die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Weltordnung rasch verändert haben. Diese Empfehlungen basieren auf den
Grundlagen, die die Umweltbildung für die Entstehung der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) geschaffen hat, und zeigen auch erneut die Notwendigkeit auf, die Stellung der
Umweltbildung weiter auszubauen.
Ein grober Überblick über die Entwicklung der Umweltbildung zeigt die Vielschichtigkeit
dieser Veränderungen.
1

Veränderungen im Umgang mit Bildung und Lernen: 1987 lag der Schwerpunkt auf
Bildung und Ausbildung, im Jahre 1997 wurde das gemeinsame Lernen eingeführt.
Heute konzentriert man sich auf das Experimentieren und Lernprozesse, die die Rahmenbedingungen, also die Kultur und Gesellschaft berücksichtigen. Diese Veränderungen im Umgang mit Bildung und Lernen gingen einher mit Veränderungen in Pädagogik und Methodik. Doch müssen wir noch große Herausforderungen meistern, um
diese Lernprozesse in formalen Lernkontexten umzusetzen, die sich nur langsam verändern.

Veränderungen bei der Führungsrolle und den Partnerschaften: 1977 hatten hauptsächlich zwei UN-Organisationen, nämlich die UNESCO und UNEP, die Führungsrolle in der Umweltbildung inne. Seit damals haben sich viele nationale und internationale NGOs sowie Universitäten der Initiative angeschlossen und so die Anzahl der Institutionen für Umweltbildung vermehrt. Heute beteiligen sich auch Regierungen, nationale und internationale Organisationen durch verschiedene Partnerschaften an der
BNE.

Veränderungen in der Auffassung von der Beziehung zwischen Umwelt und Entwicklung: 1987 lag der Schwerpunkt auf Umwelt im Zusammenhang mit sozialen und
wirtschaftlichen Fragen, während bei der Konferenz 1997 festgestellt wurde, dass zur
Erreichung der Nachhaltigkeit die Verringerung der Armut unbedingt notwendig ist.
Heute werden in der Umweltbildung auch die Beziehungen zwischen Umwelt, Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft in Betracht gezogen, obwohl oft befürchtet wird, dass
die Wirtschaft die anderen Faktoren dominiert. Dies führt zu Fragen der Ausgewogenheit und sozialen Gerechtigkeit. Auch dem Management von Risiken und Katastrophen und deren Milderung wird nun, da man die Auswirkungen des globalen Klimawandels zu erkennen beginnt, im Bereich der Umweltbildung Beachtung geschenkt.

Veränderungen in den Bereichen Kommunikationsmittel und Zugang zu Wissen: In
den letzten zwei Jahrzehnten waren rasante Veränderungen in den Bereichen Wissen,
Kommunikationsmittel und Zugang zu Informationen zu beobachten. 1987 erfolgte
die Kommunikation noch hauptsächlich anhand von Rundschreiben, 1997 kam die
Kommunikation über Internet gerade erst auf. Heute gibt es viele verschiedene Kommunikationsmöglichkeiten, und durch das Internet wurde der Bereich Wissen maßgeblich verändert. Allerdings gibt es weiterhin nicht überall dieselben Zugangsmöglichkeiten zu Kommunikationstechnologien und nicht jeder Mensch hat Zugang zu Bildung.

Veränderungen in der Gewichtung von Fragen: Während der letzten 30 Jahre hat
sich die Gewichtung der Umweltfragen von Verschmutzung und Bevölkerungswachstum (1987) über Armut und nachhaltige Entwicklung (1997) bis hin zum globalen
Klimawandel verändert, der zur Zeit an der Spitze der internationalen politischen
Agenda steht. Es ist allgemein anerkannt, dass Umweltfragen wie der globale Klimawandel mit einer Vielzahl von verwandten Fragen wie Gesundheit, Menschenrechte,
Recht auf Bildung, Armut, Verschmutzung, Verantwortung von Unternehmen, Konsum und Produktion, Rückgang der Artenvielfalt, Wasserqualität und –quantität,
Energie, Gender und Umweltethik vernetzt sind. Umweltgerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit stehen bereits in engem Zusammenhang zueinander. Obgleich die Anzahl
der Probleme immer weiter zunimmt und den Bildungsprozess komplexer erscheinen
lassen könnte, benötigt dieser zusätzlich noch eine ganzheitliche Zusammenschau in
den Diskussionen und die Nutzung von Synergien.
2

Veränderungen in den Lernorten und der Teilnahme am Lernprozess: Es ist auch
eine Ausweitung von Lernorten, Medien und Methoden zu verzeichnen. 1987 fand
Umweltbildung vorwiegend in nur wenigen Institutionen wie Schulen und Umweltorganisationen statt, während 1997 auch Personen aus Wirtschaft, Lokalpolitik, Community Development und anderen Sparten miteinbezogen wurden. Heute erfolgt Umweltbildung und BNE im Gesundheitssektor, in der Katastrophenhilfe und in einer
Vielzahl von anderen sozialen Bereichen und Institutionen. Die Zunahme an Lernorten
geht einher mit neuen Medien und Methoden, die interdisziplinäres Lernen, Lernen an
verschiedenen Orten und eine breitere Teilnahme am Lernprozess ermöglichen.
Innerhalb dieser sich verändernden Rahmenbedingungen wurden viele tausende Programme,
Projekte und Lernmaterialien von Millionen Lernenden, Beteiligten und Entscheidungsträgern
in allen Ländern und Lernzusammenhängen, entwickelt und genutzt.
Netzwerke und Partnerschaften wurden geschaffen, offizielle Richtlinien wurden entwickelt,
und Ausbildungskurse sowie Qualifikation existieren bereits. Institutionen haben sich vergrößert und ein neues Berufsfeld hat sich erschlossen. Diverse kleinere Meetings und Konferenzen wurden abgehalten, bei denen sowohl Organisationen der Regierung als auch Organisationen der Zivilgesellschaft miteinbezogen waren. Diese Programme und Projekte wurden von
besonders engagierten Menschen und Gruppen getragen, die ein gemeinsames ethisches Engagement für eine bessere Welt für alle Menschen und Formen des Lebens teilen. Sie sorgen
sich um die Themen Zukunft, Welt, Gleichberechtigung, Demokratie, Nachhaltigkeit und
Gerechtigkeit.
Trotz dieses Einsatzes hat sich der Zustand des Planeten weiter verschlechtert. Dazu kommt
noch die Krise des Klimawandels, der, wie die Wissenschaft bestätigt, tatsächlich stattfindet
und dringendes Handeln erfordert.
Folglich möchten wir betonen, dass unsere Aufgabe dringlicher ist denn je und dass die Umweltbildung in einem ganz anderen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Umfeld und
einer anderen Welt des Wissens als im Jahr der Tiflis-Deklaration 1977 neu und breiter angegangen werden muss.
Die neue Dringlichkeit und die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels
Unsere Empfehlungen für die Umweltbildung und Bildung zur nachhaltigen Entwicklung im
Jahre 2007 müssen sich auf die harte Realität stützen, dass wir nicht nur die Ressourcen der
Erde in untragbarem Maße erschöpfen und plündern, sondern auch an der Schwelle zu unvorstellbarer Zerstörung stehen, die der Klimawandel wahrscheinlich mit sich bringen wird.
Wir können uns nicht länger mit Empfehlungen für schrittweise Veränderungen begnügen.
Wir brauchen Empfehlungen, die uns helfen, unser Wirtschafts- und Produktionssystem sowie
unsere Lebensweise grundlegend zu ändern. Wir brauchen eine Bildung, die diesen radikalen
Veränderungen nicht nur hinterher läuft, sondern auch die Führung übernehmen kann. Dies
erfordert einen Paradigmenwechsel. Unser gegenwärtiges weltweites Paradigma wurzelt in
der Zeit der Aufklärung, als die Wissenschaft, wie wir sie heute kennen, geboren wurde, und
die die Gedanken, Aktivitäten und Institutionen der Menschheit in allen Bereichen beeinflusst
hat. Dieses Paradigma der Aufklärung besagt, dass der Fortschritt auf Wissenschaft und Vernunft beruht und dass Wissenschaft und Vernunft die Rätsel der Natur lösen können. Es ermutigt uns, die Natur zu „verstehen“, um sie für unsere unersättlichen Bedürfnisse zu nützen und
zu verändern.
3
Heute brauchen wir eine neue Aufklärung, um unsere Vorstellung vom Fortschritt neu zu definieren. Da wir im Streben nach diesem Fortschritt unsere Natur in kürzester Zeit ausgebeutet
oder verschmutzt haben, muss dieses neue Paradigma in dem Bewusstsein entstehen, dass wir
unsere Lebensweise an die Grenzen der natürlichen Systeme anzupassen haben und dass wir
die Natur „verstehen“ müssen, um die Gesellschaft so zu verändern, dass diese ein nachhaltiges Leben in Glück, Frieden und Würde sowie im Einklang mit dem Planteten Erde führt.
Eine neue Aufklärung erfordert nicht nur die spezifischen Veränderungen, die in den
folgenden Empfehlungen angesprochen werden, sondern auch fundamentale Änderungen in der Schaffung, Weitergabe und Verwendung von Wissen in allen Bereichen und
auf allen Ebenen.
Um diese Empfehlungen umsetzen zu können, müssen wir nach sofortigen Veränderungen
streben, selbst wenn wir uns über den Ist-Zustand unseres Planeten, das gegenwärtige Paradigma, nach dem unsere Gesellschaft und unser Bildungssystem funktioniert, und die Notwendigkeit, eine grundlegende Veränderung der Ziele und Praktiken der Bildung herbeizuführen, im Klaren sind.
Umweltbildung im 21. Jahrhundert:
Praktische Umsetzung
Diese Empfehlungen spiegeln die Grundidee von hunderten von Empfehlungen wider, die bei
der Konferenz ausgearbeitet wurden. Sie appellieren an das Bildungswesen, an Experten und
Institutionen für ökologische und nachhaltige Entwicklung sowie an internationale Organisationen und nationale Regierungen, allein oder gemeinsam den Worten Taten folgen zu lassen.
Die 4. Internationale Konferenz zur Umweltbildung:
1. bestätigt nochmals die Empfehlungen, die im Zuge der 3. Konferenz für Umweltbildung und im Internationalen Umsetzungsplan der Vereinten Nationen für die Dekade
„Bildung für nachhaltige Entwicklung“ formuliert wurden, laut denen Bildung als effektives Mittel angesehen werden muss, um in Verbindung mit anderen Mitteln wie
zum Beispiel dem ethischen Handeln, Maßnahmen und gesetzlichen Vorgaben der
Regierungen, wirtschaftlichen Anreizen und technischen Neuerungen Veränderungen
herbeizuführen.
2. begrüßt es, wenn Regierungen Strategien und Rahmenbedingungen für die Umweltbildung und die BNE geschaffen haben, und fordert alle Länder dazu auf, der Finanzierung und der Unterstützung für die Umsetzung dieser Strategien und Rahmenbedingungen mehr Priorität beizumessen. Wir fordern die Bürger auf, die Regierungen
für diese Implementierung zur Verantwortung zu ziehen.
3. unterstützt die Aktivitäten von Gruppierungen und Institutionen, die auf eine sichere
und nachhaltige Welt hinarbeiten und ruft diese Gruppen auf, ihre Aktivitäten innerhalb eines großen Netzwerks auszuweiten und zu verstärken.
4. erkennt, dass wir ständig nach neuen Paradigmen und Innovationen suchen müssen, da
wir nicht alle Wege in eine nachhaltige Zukunft kennen. Wir sind verpflichtet, Lernende in allen Gesellschaftsbereichen anzuregen, neue Wege, Netzwerke und Mög4
lichkeiten des gesellschaftlichen Handelns zu finden, um eine Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit zu erreichen.
5. fordert alle auf, aus der Geschichte, von der Natur und den natürlichen Systemen zu
lernen, um ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie man im Einklang mit der Natur
leben, ihre Grenzen akzeptieren und soziale, technologische und wirtschaftliche Verfahren sowie Produktionsmethoden entwickeln kann, die kreativ, innovativ, fair und
nachhaltig sind.
6. unterstützt Bildung, durch die Lernende die Fähigkeit entwickeln, sich kritisch mit der
gegenwärtigen (nicht nachhaltigen) Entwicklung auseinander zu setzen und die Fertigkeiten erwerben, die man für die Gesprächsführung und die Verteidigung des eigenen Standpunktes braucht.
7. befürwortet Bildung, um faire und nachhaltige Lebensgrundlagen für jeden zu schaffen. Ein solches Bildungswesen entwickelt das Wissen, die Fähigkeiten und die Talente, die notwendig sind, damit sich die Menschen in Würde und auf nachhaltige Weise
ihre Lebensgrundlagen verdienen können (wie unselbstständige und selbstständige
Erwerbstätigkeit, Unternehmertum und andere Arten von Beschäftigung). Innovative
Strategien zur Existenzsicherung, die nicht auf der Ausbeutung der Natur oder anderer
Menschen basieren, müssen weltweit in allen Gesellschaften entwickelt werden.
8. pflichtet den Worten Gandhis bei, die besagen, dass „ Die Welt genug hat für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier“ und erkennt, dass es noch Menschen gibt, die nicht in der Lage sind, ihre Grundbedürfnisse zu decken, andere gerade
in der Lage sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen zu können und Systeme, die Gier in
Bedürfnisse verwandeln. Umweltbildung muss das Spannungsfeld zwischen Bedürfnissen und Gier erkennen und sich kritisch damit auseinandersetzen.
9. unterstützt den Einsatz von Methoden zur Kontrolle und Evaluierung, die für alle Beteiligten einen wertvollen Lernprozess darstellen. Lernorientierte Kontroll- und Evaluierungsmethoden können Fähigkeiten ausbauen und Beispiele guter Praxis aufzeigen.
10. unterstützt das Konzept eines weltweiten Fonds für Umweltbildung, um durch die
Entwicklung von Strategien, Programmen und Initiativen, die fair und langfristig sind,
nachhaltige Gesellschaften aufzubauen.
Des Weiteren schlägt die Konferenz Veränderungen in verschiedenen Bereichen der Theorie
und der Praxis vor.
1. Veränderungen im Umgang mit Bildung und Lernen
1.1. Das Wissen über das System „Erde“ und eine systemische Denkweise sollen in der Umweltbildung gefördert werden, damit die Wechselbeziehungen zwischen den Menschen,
der biotischen Gemeinschaft und den lebenserhaltenden Prozessen der Erde verstanden
werden, weil so die Ursachen und Lösungen für die großen Herausforderungen, denen
wir uns stellen müssen, gefunden werden können.
1.2. Durch Bildung sollen die Menschen angesichts der Veränderungen des Klimas und des
Ökosystems darauf vorbereitet werden, Umweltrisiken zu minimieren, mit ihnen zu leben
und sich ihnen anzupassen.
5
1.3. Die Neugestaltung der Bildung als sozialer Prozess soll zu einer Änderung des Lebensstils führen (und dies in Übereinstimmung mit dem Prinzip der Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch); zu einer Förderung des sozialen Zusammenhaltes und des Respekts
für kulturelle Vielfalt; zur Orientierung unterschiedlicher Organisationen an der Nachhaltigkeit; und zur Integration von Menschen aus allen sozialen Schichten in alle Phasen des
lebenslangen Lernprozesses.
1.4. Die Umweltbildung sollte so gestaltet sein, dass sie einen Transformationsprozess auslöst. Im Unterricht und beim Lernen sollen verschiedene Methoden angewendet werden,
damit man flexibel genug ist, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Lernenden aus
verschiedenen Gesellschaftsschichten, Kulturen und Nationen einzugehen. Diese Lehrund Lernmethoden müssen das ethische und kritische Denken sowie die Kreativität in
Denken und Lernen (wie sie für die Bereiche Kunst, Design und Kultur typisch sind) fördern und unterschiedliche Lernprozesse beinhalten. Lehrende und Lernende sollen das
lokale Umfeld und dessen Wissen kritisch und kreativ nutzen, um ihre Arbeit darauf aufzubauen.
1.5. Die Bildung so einsetzen, dass der Dialog zwischen den Lehrenden, der Bevölkerung und
den Führungskräften gefördert wird und die Menschen befähigt und ermutigt werden,
sich aktiv an der Zivilgesellschaft zu beteiligen. Es soll die Fähigkeit entwickelt werden,
sich mit den Machtstrukturen und den Auswirkungen der Macht in der Gesellschaft auseinanderzusetzen.
1.6. In den Schulen und anderen formalen Bildungsgängen sollen die Umweltbildung, die
BNE-Prinzipien und das transformative Lernen in alle Bereichen des Lehrplans und des
Schullebens integriert werden. Eine klare Linie für die Entwicklung der Lehrpläne des
formalen Bildungswesens soll angeboten werden, so dass im Laufe der Zeit Fortschritte
in der Umweltbildung erzielt werden können.
1.7. Der Einsatz von informellem Lernen soll die Beziehung zwischen dem Bildungswesen
und den Gemeinden fördern und stärken.
1.8. Den Menschen helfen, ihre Werte in Bezug auf offizielle Maßnahmen und ihr eigenes
Verhalten zu überdenken, und zwar durch obligatorische interdisziplinäre und/oder transdisziplinäre Lehrgänge für Nachhaltigkeit, die neue Methoden aus Forschung und Pädagogik anwenden. Diese Lehrgänge können (für formale und nicht formale Lernkontexte)
innerhalb eines Bildungsnetzwerkes entwickelt, gemeinsam genutzt und diskutiert werden.
1.9. Die Evaluierungsmaßnahmen für die Umweltbildung und die Methoden zur Erreichung
der Nachhaltigkeit sollen einen wertvollen Lernprozess für alle Beteiligten darstellen.
Durch eine lernorientierte Betrachtungsweise der Evaluierungsmaßnahmen kann die
Möglichkeit für kritisch reflektierendes Handeln und Veränderungen in Bildung und Gesellschaft geschaffen werden.
2. Veränderung bei der Führungsrolle und den Partnerschaften
2.1 Partnerschaften sollen auf einer gemeinsamen Vision und Gleichheitsprinzipien aufbauen
und zum Ziel haben, dem Allgemeinwohl und der Nachhaltigkeit zu dienen.
6
2.2 Unterschiede zwischen einzelnen Gruppen, Ministerien, Sektoren (besonders zwischen
dem öffentlichen Sektor und dem Privatsektor), Studentenorganisationen und Jugendbewegungen sowie anderen Beteiligten sollen durch neue Partnerschaften überbrückt werden. In
diesen Partnerschaften sollen Maßnahmen ausgearbeitet werden, mit denen nachhaltiges Handeln erreicht werden kann.
2.3 Wir empfehlen neue Initiativen und Organisationen zu fördern und auf die Bildung von
Synergien hinzuarbeiten, z.B. durch den Einsatz bereits bestehender Partnerschaften.
2.4. In Bildung und Forschung soll durch internationale und regionale Austauschprogramme
und Zusammenarbeit im Rahmen von Partnerschaften auf Lösungsansätze für grenzüberschreitende Umweltprobleme, auf eine effizientere Umweltbildung und effizientere BNEMethoden auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene hingearbeitet werden.
2.5. Führung muss auf Transparenz und auf neuartigem Handeln basieren.
2.6. Die Medien und andere Kommunikationsmittel sowie die Bildungsorganisationen sollen
darin unterstützt werden, Nachhaltigkeit in ihr Handeln miteinzubeziehen und so mit gutem
Beispiel voranzugehen.
2.7. Neue Strategien sollen entwickelt und umgesetzt werden, die es den Entscheidungsträgern im Interesse des Gemeinwohls und der Nachhaltigkeit ermöglichen, sachkundige und
transparente Entscheidungen auf der Grundlage von Tatsachen zu treffen.
2.8. Interessierte Länder aus verschiedenen Regionen sollen ermutigt werden, mit der UNESCO, der UNEP oder anderen UN- Organisationen zusammenzuarbeiten, damit sie die Führungsrolle übernehmen können, die für den Wissens- und Erfahrungsaustausch und die Bestimmung geeigneter Wege zur Zusammenarbeit notwendig ist. Dazu gehört auch die Entwicklung von nationalen Maßnahmenpaketen, Pilotprogrammen und Demonstrationsprojekten.
3. Umdenken in Bezug auf Umweltfragen
3.1. Umweltbildung zur Grunde liegen soll das Wissen um die Wechselbeziehungen zwischen
Umwelt, Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft sowie das Verständnis für die Art und die Ursachen von Gefahren und Problemen, die sich auf sozio-ökologische Beziehungen, Systeme und
Strukturen auf lokaler, nationaler und globaler Ebene auswirken.
3.2. Die Vielschichtigkeit der Umweltprobleme soll erkannt werden. Sie müssen quer durch
alle Disziplinen und Sektoren als Priorität in den Mittelpunkt gestellt werden.
3.3 Man soll die Bildung dazu nutzen, eine demokratische Teilnahme an der Globalen Regierungsführung (Earth Governance) zu ermöglichen. Das soll dadurch geschehen, dass das Verständnis für die Beziehung zwischen ethischen Prinzipien (z.B. denjenigen, die in der ErdCharta umrissen sind), gesetzlichen Maßnahmen, multilateralen Abkommen und nationalen
Maßnahmenpaketen in allen Bereichen der nachhaltigen Entwicklung geweckt wird.
3.4 Bildungsprozesse sollen als wesentlicher Bestandteil des Umweltmanagements und der
nachhaltigen Entwicklungsstrategien in allen Bereichen und Organisationen, die sich mit
Umweltwandel und nachhaltiger Entwicklung beschäftigen, integriert werden.
7
3.5 Wir empfehlen die Dokumentation positiver Beispiele aus verschiedenen Gemeinden und
Bildungseinrichtungen sowie Berichte über Naturschutz, Innovation und Transformation als
Wissensallmende, damit sie zur breiteren Anwendung und/oder als Vorbild dienen können,
um das Wissen über und den Umgang mit Umweltfragen und -risiken zu erweitern.
4. Die Veränderung unserer Auffassung und unseres Umgangs mit der Beziehung zwischen Umwelt und Entwicklung
4.1 Das Denken und die Bildungsmethoden, die sich mit der Umwelt beschäftigen, sollen,
ergänzend zu dem aktuellen Fokus auf Effizienz, auf Genügsamkeit und Sensibilität ausgerichtet werden.
4.2 Eine Philosophie der Rücksicht (auf sich selbst, auf seine Mitmenschen, auf zukünftige
Generationen und auf die ganze Welt), des Friedens, der Wahrheit, Gerechtigkeit, Toleranz
und der Güte zwischen den Menschen, den Nationen und den Generationen, soll entsprechend
der Werte, die schon in der Erd-Charta festgehalten sind, in die Umweltbildung und Bildung
für Nachhaltige Entwicklung (BNE) integriert werden. Auch die Notwendigkeit des kritischen
ethischen Reflektierens soll in der Bildung anerkannt werden.
4.3 Die Umwelt ist als wesentlicher Faktor für Entwicklungsentscheidungen zu betrachten
und nicht als sachfremd. Lehrende sollten mit Entscheidungsträgern und anderen Beteiligten
zusammenarbeiten, damit bei Entwicklungsentscheidungen die gesamten ökologischen und
sozialen Kosten zur Gänze mit einberechnet werden, so dass alle lernen können, wie man
frühere Fehler in der Entwicklung vermeiden kann.
4.4 Die Umweltbildung soll außerdem dazu dienen, dass mehr Raum für die kritische Auseinandersetzung mit den gegenwärtigen (nicht nachhaltigen) Entwicklungsmodellen geschaffen
wird, vor allem unter den Armen, den Ausgegrenzten und den Schutzlosen, aber auch unter
jenen, die die Entwicklungskonzepte ausarbeiten und planen.
4.5 Die Menschen sollen in die Lage versetzt werden, ihre Lebensgrundlage auf gerechte und
nachhaltige Weise zu sichern. Das Wissen, die Fähigkeiten und Talente, die zur Teilnahme an
einer Reihe von Strategien zur Existenzsicherung (inklusive unselbstständige und selbstständige Arbeit, Unternehmertum und neue Formen der Arbeit) notwendig sind, sollen erhalten
bleiben. Neue, nachhaltigere Lebensunterhaltsstrategien sind in allen Teilen der Welt nötig,
sowohl unter den Reichen als auch unter den Armen.
4.6 Die Umwelt soll in der Entwicklungsagenda verankert werden, auf gleicher Ebene mit
sozialen und wirtschaftlichen Belangen, und es sollen ausreichende Mittel für die Bildung und
die Lernprozesse, die für diese Verankerung nötig sind, bereitgestellt werden.
4.7 Die Kluft zwischen Umwelt und Entwicklung soll durch effektive Nutzung von Informationen und Forschungsergebnissen, kollektiven Planungsprozessen (z.B. Strategien der Szenario-Technik) und durch systemisches und kritisches Denken überbrückt werden.
5. Veränderungen im Umgang mit Wissen und in der Kommunikation
5.1. Auf Nachhaltigkeit hin ausgerichtetes systemisches, kritisches und kreatives Denken sowie ein holistischer Umgang mit Wissen sollen adaptiert und angewendet werden, um BNE in
Schulen, Gemeinden und Gesellschaften zu erleichtern.
8
5.2. Sowohl traditionelles als auch indigenes Wissen können zum Umdenken und zur Erreichung von Nachhaltigkeit beitragen und sollen daher geschätzt werden. Eine Vielzahl von
Wissenssystemen soll im Bildungsprozess als legitim akzeptiert werden, da viele Lösungen in
den Wissenssystemen verankert sein könnten, die in indigenen und traditionellen Gesellschaften praktiziert wurden und werden.
5.3. Bildungsprozesse, die auf Erforschung, Verhandlung, Entscheidungsfindung und dem
Bewältigen von Risiken und Herausforderungen basieren, sollen gefestigt und ausgebaut werden, da sie die Grundlage für eine kritische Masse des Wissens von Einzelnen und Gemeinschaften und für Bewältigungsstrategien darstellen.
5.4. Auseinandersetzungen, Unstimmigkeiten und unterschiedliche Standpunkte bei Lernprozessen sollen als legitime Grundlage für die Wissensbildung und das Lernen betrachtet werden. Bereits bestehende Netzwerke sollen genützt werden, um eine Vielzahl von Quellen und
Gesichtspunkten zu verbinden und einander gegenüber zu stellen.
5.5. Für BürgerInnen und Lernende soll ein dynamischer Raum geschaffen werden, der ihnen
die Möglichkeit bietet, Visionen, Lernmethoden und –material zu teilen. Dies soll durch die
Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien und anderen Kommunikationsweisen sowie durch den Gebrauch von Portalen und anderen dezentralisierten Kommunikationsstrategien (z.B. Radio) geschehen. Damit soll die gemeinsame Kontrolle und Evaluierung des Zustands der Erde, sowie der Zustand der Steuerungsprozesse im menschlichen
und nicht-menschlichen Bereich erleichtert und eine sich selbst überprüfende und demokratische Wissensallmende zur Verfügung gestellt werden. Anstrengungen zur Nutzung des Wissens von nicht digital vernetzten Gemeinschaften sollen unternommen werden, damit die Inklusivität bei der Schaffung einer solchen Wissensallmende garantiert ist.
5.6. Die argumentativen Fähigkeiten (inklusive Gesprächsführung) sollen ausgebaut werden,
um Verhandlungen auf allen Ebenen (lokal, regional, national, global) zu verbessern und kritische und positive Wege hin zu Veränderungen aufzuzeigen. Möglichkeiten zur Entwicklung
von argumentativen Fähigkeiten sollen erkannt und entwickelt werden, um den Zielen der
Nachhaltigkeit näher zu kommen.
6. Lernorte und die Art der Teilnahme am Lernprozess verändern:
6.1 Die vorhandenen Bildungsstrukturen sollen überprüft und verändert werden, um eine
effiziente Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen.
6.2 Es sollen neue Möglichkeiten für das nachhaltige Handeln durch umfassende Kommunikation zwischen den verschiedenen Beteiligten – darunter PädagogInnen, Medien, Gemeinden, Männer, Frauen und Jugendliche etc. – geschaffen und gefördert werden.
6.3 Es sollen Bildungsanstrengungen unternommen werden, damit unterschiedliche
Gruppen mobilisiert werden, an der Planung auf unterschiedlichen Ebenen teilzunehmen. Dies dient dazu, die Kontrolle über die Ressourcen zurück zu gewinnen, damit
die Grundbedürfnisse gedeckt werden können und die Nachhaltigkeit des ökologischen Systems gesichert werden kann.
9
6.4 Möglichkeiten zum Lernen sollen durch die Teilnahme an Communities of Practice
(COP) und Netzwerken, die auf bestehende und neue Methoden der Nachhaltigkeit
ausgerichtet sind, gestärkt und erweitert werden.
6.5 Beurteilungs- und Evaluierungskomponenten sollen sorgfältig ausgearbeitet und abgestimmt werden, da diese miteinander verbunden sind. Alle Beteiligten sollen an diesem Prozess teilnehmen, damit die Kriterien und Vorgänge transparent und umfassend
sind und auf Veränderungen abzielen.
6.6 Forschungsansätze, die zur Emanzipation, Partizipation und Transformation beitragen, sollen in nationale, internationale und institutionelle Forschungsagenden integriert werden.
6.7 Die Rolle der Lehrerfortbildung soll betont werden und dient als Mittel zur Orientierung der Lehrenden am nachhaltigen Handeln und an der Lösung von Problemen, die
die reale Welt betreffen.
6.8 Es soll auf das soziökologische und kulturelle Umfeld als Lernort zurückgegriffen
werden und entsprechende Vermittlungspraktiken sollen das Lernen an diesen Orten
unterstützen.
6.9 Durch Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung soll direkt zum praktischen Handeln und zu Veränderungen beigetragen werden.
Diese Empfehlungen wurden von den Delegierten der 4. Internationalen Konferenz zur Umweltbildung am 28.November 2007 im Zentrum für Umweltbildung, Ahmedabad, Indien,
verabschiedet.
Zitat:
Übersetzt am Institut für Translationswissenschaft der Universität Innsbruck im Rahmen der
Lehrveranstaltungen Translatorische Basiskompetenz II, Gruppe a (TeilnehmerInnen: Ablasser Sandra Maria, Caltabiano Vincenza, Delac Christina, Graf Thomas, Happ Monika, Häusle
Sandra Inge, Holzer Gaby, Holzmann Andreas, Knittl Ramona, Körber Franziska Katharine,
Kruckenhauser Nicola Maria, Lemme Marina, Mair Natalie Sabine, Marte Verena, Meusburger Angelika, Pur Tobias, Schwarz Johanna, Seyr Marlene, Sosa Adriana Cristina, Steger Sarah Elisabeth, Tangl Heidi, Wurzer Silvia, Zharkova Olga)
und Gruppe b (TeilnehmerInnen: Altinger Edeltraud, Ambach Evelyn, Bardelli Laura, Bösch
Fabian Werner Josef, Doppelhofer Sabrina Elisabeth, Furch Melanie, Hörtnagl Lisa, Schieder
Carina, Schroeder Anne, Strigl Stefanie) unter der Leitung von Frau Mag. Susanne Costa.
10
Herunterladen