1 B erichte Banken im Wandel von Professor Dr. Hans E

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Berichte
Banken im Wandel
von Professor Dr. Hans E. Büschgen
Das Umfeld des Bankgeschäfts und damit das Bankgeschäft selbst werden derzeit in
einer Weise beschrieben, die auf gravierende Änderungen hinweist, die sich auf Basisprinzipien der Tätigkeit und des Selbstverständnisses der Banken beziehen. In
meinem Vortrag möchte ich Ihnen die gravierendsten dieser Veränderungen vorstellen, denen sich Banken heute gegenüber sehen. Ich will dabei einzelne Aspekte
exemplarisch konkretisieren. Dies bedingt eine gewisse Subjektivität bei der Auswahl von Aspekten.
Hierbei will ich zunächst einführend auch auf den derzeit hochaktuellen und vielen
anderen Aspekten übergeordneten Problemkreis der Europäischen Wirtschafts- und
Währungsunion eingehen, die in Westeuropa im Werden ist, aber auch polnische
Banken betrifft.
Die konkrete Betrachtung meiner Thematik „Banken im Wandel“ soll dann in zwei
Hauptteilen erfolgen:
(1)
Banken und neue Technologien, vor allem „electronic banking“;
(2)
Banken im globalen Markt.
Zu konstatieren ist, daß Interdependenzen zwischen technologischen und marktseitigen Veränderungen bestehen.
Wenn im folgenden die kommende Vollendung der Europäischen Wirtschafts- und
Währungsunion behandelt wird, so geschieht dies im einleitenden Teil deshalb, weil
sich die Realisierung der EWWU als gravierende Umfeldveränderung für Banken —
auch für polnische Banken — in vielfältiger Weise auswirken wird.
Die EWWU ist eine von außen vorgebene Strukturveränderung für die Banken; sie
wirkt sich aus
•
im Betriebs- und im Geschäftsbereich,
2
•
punktuell, d.h. im Zeitpunkt des Übergangs von den bisherigen nationalen
Währungen auf die neue gemeinsame Währung „Euro“, und dauerhaft, d.h.
strategisch, sowie
•
unmittelbar im Bankgeschäft — z.B. im „Zahlungsverkehr“ — und mittelbar
aus den allgemeinen wirtschaftlichen Implikationen der EWWU.
Ich möchte nun allgemein den Auswirkungen der EWWU für Banken nachgehen und
dabei ihre Auswirkungen für polnische Banken verdeutlichen.
Obwohl viele Länder Europas aktuell Schwierigkeiten haben, die in den „Konvergenzkriterien“ vereinbarten Eintrittsbedingungen zu erfüllen, erscheint der „pünktliche“ EWWU-Beginn doch einigermaßen sicher. Kann damit die Frage nach dem
„Ob“ der EWWU als hinreichend beantwortet angesehen werden, so gilt dies für die
Frage „Wer?“ noch nicht. Im Gegenteil wird die Auswahl der Teilnehmerländer zu
einer der gravierendsten und für das Gesamtprojekt der Währungsunion möglicherweise auch kritischsten Entscheidungen werden.
Verläßt man diese letztlich nur politisch lösbare Fragestellung und wendet man sich
der Frage nach dem „wie“ zu, bewegt man sich wieder mehr im konkret wirtschaftlichen Bereich. Im Abkommen von Madrid der Europäischen Regierungschefs wurden
die wesentlichen Schritte für die Ablösung der bisherigen nationalen Währungen
durch die neue europäische Währung „Euro“ vereinbart. Ich will sie hier nicht im
Detail wiedergeben, sondern nur daraufhinweisen, daß, ausgehend vom Beschluß
über die Teilnehmerländer im Frühjahr 1998, zum 1. Januar 1999 die Wechselkurse
der „ins“ — also der EWWU-Teilnehmerländer — unwiderruflich fixiert werden. Ab
1999 wird dann auch die neue Währung „Euro“ eingeführt, zunächst im bargeldlosen
Zahlungsverkehr und parallel zu den „alten“ nationalen Währungen, ab 1. Januar
2002 auch als Bargeld. Zum 1. Juli 2002 wird dann die Realisierung der Währungsunion abgeschlossen sein; der Euro ist alleiniges Zahlungsmittel im größten Teil
Westeuropas.
Während sich in der Phase A zunächst nichts ändert, kommt es in der Phase B zunächst beim Buchgeld, dann in der Phase C auch beim Bargeld zur Parallelität
zweier Währungen — bisherigen nationalen Währung, also z.B. DMark, und Euro —
, die dann allerdings in einem festen Austauschverhältnis zueinander stehen.
Während die Parallelität beim Bargeld von kurzer Dauer ist, erstreckt sich die Phase
B über drei Jahre. Der Kunde einer Bank hat hierbei die Wahl, sein Konto in alter
Währung oder in Euro führen zu lassen und Zahlungsverkehrsaufträge in alter Währung oder in Euro zu denominieren. Die Banken selbst präferieren eine möglichst
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schnelle Umstellung, weil das Interbanken-clearing und das Zentralbank-clearing
schon ab Anfang 1999 für Großbeträge in Euro stattfinden wird.
Die Umstellung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs auf „Euro“ in der Phase B wird
Banken, die in Ländern angesiedelt sind, die nicht der Währungsunion angehören,
— also etwa polnischen Banken — die Teilnahme am Bankgeschäft im EuroWährungsraum und vor allem die Teilnahme am Zahlungsverkehr erleichtern. Sie
müssen nicht mehr in einer Vielzahl von Währungen abrechnen. Geht man davon
aus, daß Westeuropa für Polen als Handelspartner immer weiter an Bedeutung gewinnt, so kann dies eine erhebliche Erleichterung bedeuten.
Die Frage nach dem „Warum“ erschließt den Bereich bankbetriebswirtschaftlicher
Konsequenzen der EWWU. Oft wird die EWWU in der aktuellen Diskussion auch mit
übergeordneten Argumenten wie Sicherung von Frieden und Freiheit begründet.
Konkreter zu bewerten sind die allgemein-ökonomischen Implikationen der EWWU,
die in einer Verbesserung der Allokation von Gütern und Produktionsfaktoren beziehungsweise Kapital gesehen werden.
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Der Euro — Stabilität vorausgesetzt — als Transaktions-, Anlage- und Reservewährung schließt zum US-Dollar und zum Japanischen Yen auf. Zudem
wird angenommen, daß die Wechselkursstabilität des Euro zu Dollar und Yen
größer ist als bei den bisherigen Währungen. Für Banken, die im EuroWährungsraum tätig sind, bieten sich vergrößerte Geschäftsmöglichkeiten.
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Die erhöhte Transparenz auf den Güter-, Dienstleistungs- und Kapitalmärkten
erhöht den Wettbewerb auf diesen Märkten mit entsprechenden positiven
Auswirkungen. Dies gilt auch für die Finanzdienstleistungsmärkte.
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Die Substitution nationaler durch eine gemeinsame Währung geht mit dem
Wegfall der Notwendigkeit zum Währungsumtausch einher. Damit entfallen
die Kosten für den Tauschvorgang zwischen den europäischen Währungen.
Für die westeuropäischen Banken fällt jedoch ein Teil ihres Devisengeschäfts
fort — ein Effekt, den sie durch erweiterte Geschäftsmöglichkeiten im Devisenhandel mit Dollar und Yen egalisieren zu können meinen. Geht man davon aus, daß polnische Banken bisher kaum die westeuropäischen Währungen gegeneinander handeln, werden sie vom Wegfall des entsprechenden
Devisenhandels nicht betroffen.
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Neben den Umtauschkosten entfallen auch die Kosten zur Absicherung des
Wechselkursrisikos, etwa durch Devisentermingeschäfte. Auch dieser Aspekt
erleichtert polnischen Banken das Fremdwährungs-Management.
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Hierbei ist zunächst auf den großen Aufwand hinzuweisen, der für westeuropäische
Banken aus der Umstellung und der zeitweiligen Währungsparallelität resultiert. Als
zweiter Nachteil für diese Banken ist der Wegfall eines Teils des Sorten- und Devisenhandels zu konstatieren, ferner die tendenzielle Verschärfung des Bankenwettbewerbs im Euro-Währungsraum. Die beiden ersten Aspekte sind für polnische
Banken — wie ich ausgeführt habe — von geringerer Bedeutung. Die Verschärfung
des Bankenwettbewerbes in Westeuropa kann für sie dann zum Problem werden,
wenn sie dort intensiver Bankgeschäfte betreiben wollen. Dies wird notwendig werden, wenn sich Polen der Europäischen Union politisch und vor allem wirtschaftlich
weiter annähert. Polnische Banken müssen bis dahin international noch wettbewerbsfähiger sein.
Während sich Chancen für Banken aus der Währungsunion generell dann einstellen, wenn diese ihre angestrebten gesamtwirtschaftlichen Wirkungen entfaltet, so
liegen auch für Banken Risiken darin, daß sich diese Wirkungen nicht oder nicht im
erwarteten Ausmaß entfalten. Trotz der politischen Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank können fehlende haushaltspolitische Disziplin in einigen Ländern, beschäftigungspolitischer Handlungsbedarf und Interessendivergenzen zwischen den Regierungen ein Umfeld schaffen, in dem sich die EZB faktisch politischen Überlegungen öffnet und andere Ziele als die Geldwertstabilität höher bewertet. Dieses Verhalten würde zu einer „Risikoprämie“ für den Euro in Form eines
höheren Zinsniveaus führen — mit entsprechenden Wirkungen etwa für das Investitionsklima in Europa. Hierdurch würden auch die Banken in ihren Geschäftsmöglichkeiten betroffen.
Als ein wesentlicher Faktor für den Strukturwandel im finanziellen Sektor der Volkswirtschaften haben die modernen Technologien neue Plattformen für ein verändertes Bankgeschäft geschaffen. Das Zusammenwachsen nationaler Geld- und Kapitalmärkte zu einem internationalen Finanzmarkt mit globalem Wettbewerb basiert
auf der neu geschaffenen Informations- und Kommunikationsinfrastruktur.
Diese Entwicklung impliziert für die Banken Chance und Risiko zugleich. Einerseits
erweitert sich ihr Aktionsspielraum durch die mögliche Erschließung neuer Märkte;
andererseits intensiviert sich der Wettbewerb in ihrem traditionellen Geschäft, dem
sich zunehmend neue Konkurrenten nähern. Die Innovationsgeschwindigkeit im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien nimmt stetig zu und wird
das — wesentlich auf Informationen basierende — Bankgeschäft nachhaltig verändern.
Der technische Fortschritt tritt aus dem Schatten als nur unterstützende Funktion für
neuere Entwicklungen im Finanzsektor heraus und wird in jüngster Zeit zum bestim-
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menden Faktor einer veränderten Wettbewerbssituation für die Banken. Ihre Kernkompetenzen beim Einsatz von Informationstechnologien nutzend treten neue Wettbewerber aus dem „technischen Sektor“ auf, die — als non-banks und near-banks —
sich neue Marktanteile am lukrativen Bankgeschäft versprechen. Die Kompetenz
weltweit operierender Hardware- und Software-Unternehmen auf technischem Gebiet ist hinlänglich bekannt und zwingt die Banken, neben ihrem bankspezifischen
know-how technologischen Sachverstand zu gewinnen, wollen sie im veränderten
Wettbewerb weiterhin reüssieren.
Durch das „electronic banking“ — als Erfolgspotential in einer veränderten Wettbewerbssituation — wird die Bank von morgen anders funktionieren als die von heute.
So hat die steigende Nachfrage nach modernen Bank-leistungen in Verbindung mit
dem wachsenden Bankenwettbewerb in Polen bereits zu einem leistungsfähigen
elektronischen Clearing-System („Elixir“) im Zahlungsverkehr zwischen Banken wie
auch zu zahlreichen Electronic-banking-Angeboten im Privat- und Firmenkundengeschäft geführt. Heute ist es in Verbindung mit angebotenen Software-Paketen möglich, elektronisch Zahlungsaufträge zu erteilen wie auch Kontoauszugsinformationen
per Datenfernübertragung zu erhalten. Über Cash-management-Module können
Zahlungsströme gepoolt und Konten zusammengefaßt werden — eine wichtige Voraussetzung für ein professionelles Liquiditätsmanagement der Firmenkunden.
Gleichzeitig entsteht für die Bargeldversorgung ein zunehmend dichteres Netz an
„Bankomaten“ als Basis für die Verbreitung von Zahlungskarten — insbesondere
Kreditkarten — im Privatkundengeschäft. Dabei befinden sich die polnischen Banken in der historisch einmaligen Situation, die neuen technischen Möglichkeiten des
electronic banking ad hoc — ohne sunk costs in bezug auf bestehende technische
Anlagen — anbieten zu können.
Wesentlich langsamer vollzog sich dagegen die Umstellung auf die neuen technischen Möglichkeiten bei westeuropäischen Banken: Die 80er Jahre waren vorwiegend geprägt durch kostensenkende Rationalisierung und Automatisierung der innerbetrieblichen Arbeitsabläufe in den Banken; in den 90er Jahren erfaßt der technische Fortschritt nachhaltig die Schnittstelle, die unmittelbare Beziehung Kunde Bank. Diese Entwicklung läßt sich weiter in die Zukunft denken bis zu veränderten
Bankstrukturen hin zu einem neuen Typus „Bank“.
Die steigende Relevanz neuer Technologien für Banken soll an drei Merkmalen zunehmender Komplexität konkretisiert werden:
• Merkmal „Innovative elektronische Zahlungssysteme“
• Merkmal „Innovative elektronische Vertriebssysteme“
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• Merkmal „Innovative Bankstrukturen“
Für einen inhaltlichen Konsens über „Innovationen im elektronischen Zahlungsverkehr“ empfiehlt sich, die Entstehung der sog. elektronischen Geldbörse im Internet
und auf der Chipkarte an wesentlichen Entwicklungsstufen im Zahlungsverkehr aufzuzeigen.
Durch die Auswahl bestimmter Merkmale des Geldes: „Bargeld- und Buchgeld als
Transaktionsform“, „elektronisches und papiergebundenes Trägermedium“ sowie
„Banken und non-banks plus near-banks als Zahlungsintermediäre“ — wird die Entwicklung in drei Stufen systematisiert.
Eine erste Differenzierung in Bar- und Buchgeld eignet sich als Reflex der ersten
Entwicklungsdimension des hier betrachteten Geld-Zahlungsverkehrs.
Im historischen Rückblick über die Entwicklung der Geldmenge in Deutschland ist
die Bedeutungszunahme des Buchgeldes zu Lasten des Bargeldes evident. Diese
quantitativ rückläufige Relevanz des Barzahlungsverkehrs in Deutschland ist repräsentativ auch für andere Länder. Die Gewichtsverschiebung im Zahlungsverkehr
wurde insbesondere begründet durch das Angebotsverhalten der Bankwirtschaft.
Ausgehend von der Einführung bargeldloser Gehaltszahlungen und der Führung von
Gehaltskonten wurde auch der Mengenkundschaft die Teilnahme am halbbaren und
unbaren Zahlungsverkehr ermöglicht. Der Absatz von Zahlungsverkehrsleistungen,
dessen Basis das Girokonto ist, wurde und wird als Schlüssel für den Absatz weiterer Bankleistungen gesehen (Stichwort „cross-selling“). Diese Strategie hatte zur
Folge, daß heute 95% der Haushalte in Deutschland ein Girokonto haben, somit hohe Marktdurchdringung erreicht wurde. Bei der vermögenden Privatkundschaft sowie
der Firmenkundschaft ist zudem ein Trend zu mehreren Kontoverbindungen zu verzeichnen. Folgerichtig avancierten die bargeldlosen Zahlungstransaktionen zur
Hauptform des Zahlungsverkehrs mit auch heute noch stetig wachsenden Volumina.
So wurde der Zahlungsverkehr zur Kostenreduzierung Gegenstand permanenter
Rationalisierungsbemühungen. Konsequenz dessen war zum einen die Forcierung
der unbaren Zahlungsabwicklung mittels der Entwicklung neuer Zahlungssysteme
seitens der Banken und zum anderen — in der zweiten Entwicklungsdimension des
Zahlungsverkehrs — die sukzessive Substitution der papiergebundenen Medien
durch elektronische Zahlungsübertragungsmedien und -verfahren. Diese Entwicklungen wurden aber andererseits zugleich zur Plattform für den Markteintritt technisch spezialisierter non-banks und near-banks, womit den Banken neue Konkurrenz und damit neuer Kostendruck für ihre elektronischen Zahlungsverkehrsleistungen erwuchs. Dies bezeichnet das zweite wesentliche Entwicklungsstadium.
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Die traditionellen — nicht-elektronischen — Zahlungssysteme werden seit Beginn
der fünfziger Jahre im Rahmen der Rationalisierungsbemühungen der Banken zusammen mit dem Engagement der Deutschen Bundesbank mittels zahlreicher Konventionen substituiert durch elektronische Verfahren. Einen vorläufigen Abschluß
bildet seit dem 1. Juni 1997 die vollständigen Substitution des beleggebundenen
Überweisungsverkehrs durch direkten Austausch von Datensätzen zwischen Banken.
Wurde die Ausrichtung auf eine durchgehend elektronische Verarbeitung der Zahlungsverkehrsdaten virulent durch nationale Automatisierungsbemühungen und internationale Integrationserfordernisse im Hinblick auf die Europäische Währungsunion, so gewinnt die aktuelle Entwicklung innovativer elektronischer Systeme
marktliche Eigendynamik von neuer Qualität. Software-Unternehmen und Kreditkartenorganisationen dienen den Banken in einem für sie als Basis für den Vertrieb von
Finanzdienstleistungen strategisch bedeutenden Geschäftsfeld einen innovativen
Entwicklungsprozeß an: Als Intermediär beim Zahlungsvorgang zwischen Zahlungspflichtigen und Zahlungsempfänger treten neben den Banken non-banks und nearbanks auf, innovative Zahlungssysteme offerierend.
Hinsichtlich der Bedeutung von Wandlungen des Umfeldes für die Entstehung innovativer elektronischer Zahlungssysteme nur einige Tendenzen. Im technischen Bereich die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien und die hieraus resultierenden Anwendungsmöglichkeiten für den elektronischen Zahlungsverkehr:
zum einen der Fortschritt in der Chip-Technologie, die im Unterschied zur Magnetstreifen-Technik wegen ihrer Speicherfähigkeit ein weitaus größeres Anwendungspotential erschließt; des weiteren der Preisverfall der Hardware-Systeme, wodurch
das weltweite Kommunikationsmedium Internet einem sehr viel breiteren Anwenderkreis geöffnet wurde und weiter wird.
Bei den Veränderungen der ökonomischen Umfeldbedingungen ist abzustellen auf
die neuen wirtschaftlichen Handlungsmöglichkeiten für den Zahlungsverkehr in Gestalt des Mikrochip bzw. der software in globalen Computernetzwerken wie dem Internet. Sowohl Chipkarte als auch Zahlungsmöglichkeiten via Internet implizieren eine Internationalisierung des von ihnen substituierten traditionellen Zahlungsverkehrs, da nationale Grenzen durch die technischen Möglichkeiten an Bedeutung
verlieren.
Die Veränderung technischer und ökonomischer Umfeldbedingungen geht einher mit
der Diskussion um die Anpassung rechtlicher Rahmenbedingungen, denn die innovativen Zahlungsformen werfen eine Fülle neuer Rechtsfragen auf. So beraten derzeit die EU-Notenbanken vor allem zu Haftungs- und Sicherheitsfragen, aber auch
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zur Beschränkung des Emittentenkreises von elektronischem Geld. Konkret haben
die Zentralbanker sich schon darauf verständigt, den Kreis der Emittenten auf Banken zu beschränken.
Gewandelte Umfeldbedingungen verändern die Zahlungsgewohnheiten bei den
Marktparteien auf Basis neu geweckter Bedürfnisstrukturen: Zentral ist die Teilnahme am sog. „Elektronischen Marktgeschehen“ im Internet und auf der Chipkarte, die
beide über nationale Grenzen hinweg zum Einsatz kommen. Nachfrager bedürfen
zudem national wie international der Flexibilität beim handling der neuen Zahlungsmittelformen, wohingegen die Anbieter die Kostenreduzierung des — als defizitär
angesehenen — Zahlungsverkehrs anstreben. Und als drittes wesentliches Bedürfnis der Teilnehmer am elektronischen Zahlungsverkehr die Transaktionssicherheit:
sichere Abwicklung der Zahlungen und standing des Emittenten der neuen Zahlungsmittel.
Zur Befriedigung dieser gewandelten Bedürfnisstrukturen lassen sich ver-einfachend
zwei grundsätzlich neue Systemtypen ausmachen: Zahlungsverkehr auf Basis eines
materiellen Trägermediums, einer Wertkarte, als kartengestützte Zahlungssysteme,
sowie software-basierter Zahlungsverkehr — losgelöst von diesem Trägermedium —
als Zahlungssysteme in Computernetzen.
Am Markt kartengestützten Zahlungsverkehrs verdient Beachtung die „prepaid card“:
eine vorausbezahlte, von einem Bankkonto unabhängige Wertkarte. Während die
einfunktionale Wertkarte als Telefonkarte längst zum Karten-Portfolio der Nachfrager gehört, kann die multifunktionale, d.h. zur universellen Nutzung bei mehreren
Akzeptanzstellen einsetzbare Wertkarte, bekannt als „elektronische Geldbörse“, den
Innovationen zugeordnet werden.
Die Wertkarte erschließt den Zahlungszeitpunkt vor Erhalt der gekauften Ware oder
Dienstleistung. Während die Kontobelastung bei Bezahlung mit Debitkarte — als eurocheque-Karte von großer Bedeutung — (nahezu) zeitgleich im Electronic-cashVerfahren mit dem Erhalt der gekauften Leistung erfolgt, wird die Zahlung mit der
Wertkarte bei einem Warenkäufer budgetwirksam schon vor dem Erhalt der Gegenleistung. Digitale Geldeinheiten werden zu Lasten des Girokontos bzw. Bargelds
elektronisch ex ante als Kaufkraft auf der Chipkarte gespeichert.
Neben verschiedenen, sich derzeit in Testphasen befindlichen multifunktionalen
Wertkartensystemen plant „VISA International“ die elektronische Geldbörse auf ihren Kreditkarten. Durch Kombination der „Wertkarte“ mit den Zahlungsinstrumenten
„Kreditkarte“ und „ec-Karte“ runden diese das Kartenzahlungsspektrum ab von der
reinen Zahlungsfunktion bis zur Kreditfunktion.
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Der Markterfolg der verschiedenen in Feldversuchen getesteten oder an einigen nationalen Märkten eingeführten wertkartenbasierten Zahlungssysteme bestimmt sich
dabei nicht allein aus der Konkurrenz der Wertkarten-Systeme untereinander, sondern auch in Konkurrenz zu bereits etablierten Zahlungssystemen.
In den letzten Jahren wurde vor allem in Europa eine Vielzahl Feldversuche mit
elektronischen Geldbörsen auf dem Trägermedium Chipkarte durchgeführt, die sich
in ihren Anwendungsmöglichkeiten unterscheiden. Gleichwohl bestätigen alle den
Trend zum elektronischen Buchgeldtransfer auch unter Einschaltung von non-banks
und near-banks als Zahlungsintermediären.
Während die ersten Bankleistungsangebote im kommerziell genutzten Internet einseitig auf passiven Informationskonsum ausgerichtet waren, erlaubte in einer zweiten Stufe der Auftrag zum Wertpapierkauf oder -verkauf bereits erste Transaktionen
zwischen Kunde und Bank in einem geschlossenen System, ohne damit allerdings
das Potential des elektronischen Mediums auch nur annähernd auszuschöpfen. In
der dritten Evolutionsstufe des Internet ist daher der Schritt zu vollziehen zum offenen Zahlungssystem, das gegenseitiges Bezahlen von Leistungen beliebig vieler
Marktteilnehmer erlaubt. Das Spektrum der Lösungsansätze von ca. 30 Zahlungssystemen weltweit basiert auf Netzwerk- und Chipkarten-Technologien, die initiiert
wurden von Banken, Kreditkartenorganisationen als near-banks und Anbietern von
Informations- und Kommunikationstechnologien als non-banks.
Die Kombination des etablierten Zahlungssystems „Kreditkarte“ mit dem „Internet“
generiert die „elektronische Geldbörse online“, die ungesicherte — offene — Kreditkartenzahlungen oder verschlüsselte Kreditkarten-Datentransfers zuläßt.
Die offene Übermittlung der Kreditkartendaten zu Zahlungszwecken im Internet impliziert einerseits die Chance, bereits implementierte und weltweit anerkannte technische Infrastrukturen zur Abwicklung der Transaktionen zu nutzen (Kreditkartenprocessing); sie birgt andererseits Risiken:
• das Vertragsabschlußrisiko für Händler und Kunden, da keine rechtsverbindliche
Unterschrift geleistet wird;
• das Datenschutzrisiko in bezug auf die Kreditkartendaten einschließlich der Identität des Kunden;
• das Erfüllungsrisiko des Kunden, für seine Vorauskasse die Gegenleistung vom
Warenhändler zu erhalten.
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Durch Einsatz von Verschlüsselungstechniken wie der sog. „elektronischen Unterschrift“ versucht man, diese Risiken einzuschränken.
Allgemeingültige Sicherheitsstandards für das Internet sind aktuell nicht vorhanden,
lediglich ein Katalog von Anforderungen an die Transaktionssicherheit. Für einzelne
Transaktionsformen kristallisieren sich aber bestimmte Standards heraus.
Neben der Verwendung verschlüsselter oder auch unverschlüsselter Kreditkartenzahlungen gewinnen Bedeutung Zahlungs-Server, die mit virtuellem Geld operieren
— einem nur in Computernetzwerken existierenden software-basierten Zahlungsmittel. Es ermöglicht die Bezahlung im Internet durch Übertragung vorausbezahlter
Werteinheiten, die in digitaler Form auf den PC des Kunden geladen und zur Bezahlung für kommerzielle Internetleistungen gespeichert werden. Der wesentliche
Unterschied zu den kreditkartenbasierten Zahlungssystemen besteht in der Nutzung
virtueller — mit realem Geld, z.B. mit D-Mark zu erwerbender — Geldeinheiten.
Die Definition elektronischen Geldes der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich
verdeutlicht nochmals dessen Charakteristika: Demnach sind dem elektronischen
Geld gespeicherte bzw. vorausbezahlte Werteinheiten auf elektronischen Medien,
die sich im Besitz von Konsumenten befinden, dann zu subsumieren, wenn sich der
elektronisch gespeicherte Wert beim Einsatz der Zahlungsmedien zum Kauf von
Waren oder Dienstleistungen um den Gegenwert reduziert. Hierzu werden gezählt
vorausbezahlte Karten — die „elektronische Geldbörse“ also — und SoftwareProdukte in der Anwendung von Computernetzwerken wie dem Internet — also sog.
„digitales Geld“.
Um Gefahren durch die Entwicklung elektronischen Geldes zu begegnen, haben die
EU-Zentralbanken empfohlen, den Kreis der Emittenten von prepaid cards auf Banken und in Ausnahmefällen auf solche Unternehmen zu begrenzen, die nur einheimische Zahlungssysteme betreiben, besonderen Sicherheitsvorschriften unterliegen
— insbesondere Bonitätsvorschriften und Liquiditätsvorschriften — und von derjenigen Aufsichtsbehörde kontrolliert werden, die auch die Banken beaufsichtigt.
Diese Implikationen ergeben sich analog für in Computernetzen wie dem Internet
emittiertes Netzgeld.
Auf anderem Gebiet nimmt die europäische Ordnungspolitik dagegen bereits konkrete Formen an. So entwickelt das Europäische Währungsinstitut (EWI) in Zusammenarbeit mit den nationalen Zentralbanken das Zahlungsverkehrssystem TARGET
für den Großbetrags-Zahlungsverkehr zwischen Banken in der Europäischen Union.
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Als Zahlungsverkehrssystem für Großbeträge in der Europäischen Union soll
TARGET durch Verknüpfung der Clearing-Systeme nationaler Zentralbanken entstehen. Seine vernetzte Infrastruktur wird die für eine einheitliche Geldpolitik auf Basis des Euro notwendige schnelle Verrechnung der resultierenden Geldbeträge zwischen den nationalen Zentralbanken unter Einbeziehung der Europäischen Zentralbank gewährleisten.
TARGET ist dezentral als „correspondent central banking modell“ organisiert: Durch
Verknüpfung der nationalen Clearing-Systeme werden Großbetragszahlungen in Euro bei unmittelbarer Belastung des Zentralbankkontos der Auftraggeberbank in Land
A garantiert taggleich und unwiderruflich dem Zentralbankkonto der Empfängerbank
im Land B gutgeschrieben. Die Zahlungen müssen in Euro und aus Guthaben bei
der Zentralbank erfolgen. Die Banken der EWU erhalten jedoch für Abrechnungszwecke eine Intraday-Kreditlinie der Europäischen Zentralbank, die täglich bei Geschäftsschluß wieder ausgeglichen sein muß. Unter optimalen Bedingungen soll die
Abwicklungszeit nicht mehr als wenige Sekunden — maximal 30 Minuten — beanspruchen. Dies wird möglich durch bilaterale Kontoverbindungen der beteiligten
Notenbanken und eine homogene technische Infrastruktur. So wird für jede nationale Zentralbank eine Schnittstelle implementiert zwischen ihrem Clearing-System
(„REAL-TIME-GROSS-SETTLEMENT-System“=„RTGS-System“) und den Systemen der
anderen Zentralbanken („interlinking“).
Die Durchdringung des Bankgeschäfts mit technischen Neuerungen im Zahlungsverkehr schafft die Voraussetzung für weitergehende Innovationen im electronic
banking. Nach der Automatisierung der innerbetrieblichen Arbeitsabläufe und der
Zahlungssysteme an der Kunde-Bank-Schnittstelle wird der Vertrieb komplexerer
Bankleistungen aus dem Anlage- und Finanzierungsbereich über elektronische Medien angestrebt.
So zeigt der Vertriebsbereich der Banken technikinduzierte innovative Entwicklungen, die den Weg zu neuen Bankstrukturen implizieren. Die zunehmend elektronische Abwicklung der Bankgeschäfte verringert die Dominanz der Filialbank zugunsten neuer Bankorganisationen.
Ähnlich wie bei den innovativen elektronischen Zahlungssystemen wird auch die Ursache der Entstehung neuer Vertriebsformen deutlich im Zusammenhang veränderter Umfeldbedingungen und Bedürfnisstrukturen.
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Es ist naheliegend, daß die genannten wesentlichen Umfeldveränderungen für die
Entstehung innovativer elektronischer Zahlungssysteme auch Bedeutung haben für
die innovativen Vertriebssysteme.
Im technischen Bereich sind sechs Entwicklungstendenzen für den elektronischen
Vertrieb von Bankleistungen maßgeblich:
(1)
Die Leistungsfähigkeit der Datenübertragungsmedien und der Datenspeicherungsmedien nimmt weiter sehr stark zu.
(2)
Der darauf basierende Informationsfluß ermöglicht die Interaktion zwischen
Kunde und Bank ohne Zeitverzögerung — real-time.
(3)
Die Vernetzung von Kunde und Bank kann über den Firmenkundenbereich
hinaus auch für Privatkunden realisiert werden.
(4)
Die Schnittstelle Kunde - Bank wird technikgetrieben verändert, wodurch der
Kunde den Kontakt zur Bank unabhängig von einer Filiale — und damit unabhängiger von Raum und Zeit — initiieren kann.
(5)
Leistungsfähige Kommunikationsnetze sind verfügbar: wie national mit TOnline und global mit dem Internet, die durch spezialisierte Online-Dienste ergänzt werden.
(6)
Hinsichtlich der Kosten, die aus den technischen Trends resultieren, gilt: Bei
hardware und software ist einerseits ein Preisverfall festzustellen. Andererseits
verlangen neue technikbasierte Vertriebsmedien eine hohe Anfangsinvestition
mit kontinuierlichen Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen, deren return on investment zudem unsicher ist und unter Umständen in weiter Ferne liegt.
Diese Trends implizieren für die Banken neue Wettbewerber aus dem Nichtbankenbereich, die know-how in den an Bedeutung gewinnenden Bereichen des electronic
banking aufweisen. Aus Sicht der Banken werden als bedeutendste potentielle Konkurrenten Anbieter aus dem Nichtbanken-Bereich angesehen, die sich in non-banks
und near-banks differenzieren:
Den near-banks — vor allem Kartenanbieter, Versicherungen und Investmentgesellschaften — wird im Hinblick auf den Eintritt in den elektronischen Bankenmarkt der
strategische Vorteil zugesprochen, bereits über einen hohen Bekanntheitsgrad mit
entsprechender Reputation am Markt zu verfügen. Im Gegensatz zu den near-banks
haben non-banks weniger Erfahrungen im Finanzdienstleistungsbereich, können
aber vielfach Nutzen ziehen aus ihrem hohen Bekanntheitsgrad und ihrem umfang-
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reichen Kundenstamm. Non-banks und near-banks haben den Vorteil, ihr Bankleistungsangebot mit dem Vertrieb ihrer eigenen Produkte über Online-Medien im
electronic banking zu kombinieren und als attraktives Leistungsbündel zu vermarkten. Neben nationalen non-banks und near-banks treten auch internationale Anbieter über elektronische Vertriebswege in den Bankenmarkt ein.
Neben dem Wandel auf der Anbieterseite werden auch auf der Nachfragerseite gravierende Veränderungen in der Fähigkeit und der Akzeptanz konstatiert, neue Medien bei Bankgeschäften einzusetzen. Durch den Markteintritt neuer Kundengenerationen, die mit neuen Technologien aufgewachsen sind und selbstverständlicher mit
diesen umgehen, und den gestiegenen Bedienungskomfort moderner SoftwareSysteme steigt der potentielle Kreis der Nutzer elektronischer Vertriebsformen.
Die zunehmende Durchdringung der Vertriebswege der Banken mit technischen
Medien hat weitreichende Auswirkungen auf das Verhältnis Kunde - Bank: so den
Verlust des persönlichen Kundenkontakts, die zunehmende Austauschbarkeit der
Bankleistungen, eine Verringerung der Kundenloyalität bzw. der Institutstreue gegenüber der Bank. Ursache für die erhöhte Austauschbarkeit ist die auf einem elektronischen Bankenmarkt gesteigerte Transparenz und damit bessere Vergleichbarkeit der Angebote der verschiedenen Wettbewerber. Mit der Verringerung der Kontakthäufigkeit zwischen Bankmitarbeitern und Kunden geht ein wichtiges Kundenbindungsinstrument verloren. Der Bankwechsel durch den Kunden wird leichter vollziehbar.
Das rechtliche Fundament für die Etablierung neuer Vertriebssysteme hat seine
endgültige Form noch nicht gefunden. Im wesentlichen ergeben sich drei juristische
Problemfelder aus der Nutzung neuer Medien für die Abwicklung und den Vertrieb
von Bankgeschäften:
Neben der Problematik beim Abschluß gültiger Rechtsgeschäfte im Vertrieb von
Bankleistungen über elektronische Medien entstehen rechtliche Fragen in bezug auf
die Haftung bei Fehlfunktionen oder Mißbrauch der verwendeten Kommunikationssysteme. Auch der Datenschutz bedarf einer gesetzlichen Regulierung, um mißbräuchlicher Verwendung mittels elektronischer Datenverarbeitung vorzubeugen.
Diese Veränderungen im technischen, ökonomischen und rechtlichen Umfeld führen
bei den Marktparteien zu neu geweckten bzw. neu realisierbaren Bedürfnisstrukturen:
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An erster Stelle zu nennen ist auf der Nachfragerseite die erhöhte Flexibilität, unabhängig von Zeit und Raum Bankgeschäfte über elektronische Medien zu betreiben,
und das weltweit. Die Teilnahme am sog. „Elektroni-schen Marktgeschehen“ in globalen Kommunikationsnetzen ist auch bei bei den innovativen Vertriebsformen der
Banken zentral. Für die anbietenden Banken steht zum einen im Vordergrund ein
Kostensenkungsmotiv im Zuge der Standardisierung der Bankleistungen im Privatkundengeschäft und zum anderen der Kundenbindungseffekt durch den Einsatz
elektronischer Standards, der die konstatierte abnehmende Kundenloyalität kompensieren soll.
Maßgeblich für die Marktakzeptanz innovativer Vertriebssysteme ist für Anbieter wie
auch für Nachfrager das Sicherheitsbedürfnis nach adäquater Transaktionssicherheit beim Vertrieb der Bankleistungen.
Analog zu den elektronischen Zahlungssystemen induzieren geänderte institutionelle Umfeldbedingungen und gewandelte Bedürfnisstrukturen Marktverschiebungen
im Vertriebsbereich der Banken hin zu innovativen elektronischen Systemen.
Vereinfacht seien drei grundsätzlich neue Systemtypen genannt: Mit zunehmender
Komplexität reicht das Spektrum vom online banking über das direct banking bis
zum virtual banking.
Die Termini online banking und direct banking haben extensiv Einzug gehalten in die
Begriffswelt des modernen banking. Online banking, definiert als elektronischer
Vertrieb von Bankleistungen über Online-Medien, kann als nicht-stationäres Vertriebssystem dem direct banking subsumiert werden.
Während bis vor kurzem T-Online das dominierende Medium für den Vertrieb von
Bankleistungen war, wird mittlerweile das Internet von den meisten Banken favorisiert. Geringere Bedeutung messen die Institute derzeit den anderen Medien bei.
Als Gründe für das Online-Engagement der Banken werden primär angeführt Serviceverbesserungen für den Kunden. Neben diesem Kundenbindungsmotiv sind
Imagepflege und Kostenersparnis wesentliche Beweggründe.
Über 1200 deutsche Banken bieten ihren Kunden die Möglichkeit, standardisierte
Bankgeschäfte über T-Online abzuwickeln. Neben dem Einsatz von T-Online durch
„klassische“ Filialbanken nutzen insbesondere auch Direktbanken — als Banken
ohne Filialnetz, die ausschließlich Bankleistungen über elektonische Medien vertreiben — die Potentiale dieses innovativen Vertriebsweges. Da diese keine bzw. nur
eine geringe Anzahl von Filialen unterhalten, realisieren sie Kostenvorteile, die sie
in die Lage versetzen, Marktanteile durch attraktive Konditionen zu erlangen. Sie
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wenden sich in erster Linie an gut informierte Kunden, die keine persönliche Beratungsleistung fordern und große Transaktionsvolumina zu günstigen Konditionen
abwickeln wollen.
Die technische Ausgestaltung der verschiedenen Online-Angebote für Bankprodukte
ist weitgehend einheitlich. Größere Unterschiede bestehen bei den angebotenen
Bankprodukten selbst. Über 72% der Banken bieten nur wenige einfache Bankleistungen an. Über ein umfangreicheres Angebot verfügen derzeit nur gut 23% der
Banken. Insgesamt ist der Anteil der Online-banking-Nutzer mit durchschnittlich 6%
der Bankkunden noch relativ gering.
Gleichwohl kann in diesem Rahmen der elektronische Vertrieb von Bankleistungen
über T-Online in Deutschland als relativ etabliert gelten. Weitaus stärkere Züge einer Innovation trägt dagegen das seit Anfang 1995 zunehmende Bedeutung erlangende Internet mit dem „World Wide Web“ (WWW) als maßgeblichem Dienst, der
jedem die einfache Nutzung des Internet ermöglicht.
Heute sind in Deutschland über 300 Finanzdienstleister im Internet mit einem
WWW-Angebot vertreten. Die größte Gruppe stellen die Sparkassen, gefolgt von
den genossenschaftlichen Banken. Neben den Banken sind vor allem Bausparkassen, Kreditkartenanbieter und Investmentgesellschaften auf dem WWW vertreten.
Bis auf wenige Ausnahmen beschränken sich die Angebote im WWW zur Zeit noch
auf Informations- und Kommunikationsleistungen, die gleichwohl mehr sind als reine
Werbemaßnahmen. Fast alle Banken bieten die Möglichkeit zur Interaktion via email sowie ausführliche Leistungsbeschreibungen. Darüber hinaus kann der Kunde
Informationsdienste in Anspruch nehmen. Zudem erfolgt dies gebührenfrei oder zu
geringen Kosten und zu einem Zeitpunkt, den der Kunde bestimmt.
Die Gründe dafür, daß bisher nur wenige Anbieter den nächsten Schritt im InternetAngebot gehen und neben Informationsmöglichkeiten auch Transaktionsleistungen
anbieten, beruht primär auf dem Bedürfnis nach Transaktionssicherheit.
Bei allen Sicherheitssystemen ist eine Kosten-Nutzen-Abwägung für den konkreten
Einzelfall notwendig: Kein System bietet absolute Sicherheit. Leistungsfähige und
sichere elektronische Zahlungssysteme sind eine der wesentlichsten Voraussetzungen für wirtschaftliches Agieren auf Online-Medien.
Entsprechend gestaltet sich das Spektrum der über Online-Medien angebotenen
Bankleistungen. Neben der reinen Informationsleistung eignen sich standardisierbare — wenig erklärungsbedürftige — Bankdienstleistungen wie beim Zahlungsverkehr, bei der Abwicklung von Wertpapiergeschäften sowie beim Depotgeschäft und
16
Spargeschäft für die innovativen elektronischen Vertriebssysteme im Rahmen des
online banking. Als Motivation der Banken, diese online-tauglichen Leistungen mittels neuer Medien elektronisch anzubieten, wird angeführt, Bankgeschäfte, die bisher nur geringe Gewinne bzw. sogar Verluste generierten, rentabler betreiben zu
können. Gleichwohl geht damit ein bedeutender Nachteil einher: Die über das Netz
angebotenen standardisierten Leistungen erhalten den Charakter von normierten
Massengütern und setzt sie einem verstärkten Wettbewerbsdruck aus, der durch die
gesteigerte (Preis-) Transparenz auf einem elektronischen Markt forciert wird.
Dieses Phänomen beschränkt sich aber nicht allein auf das über innovative elektronische Medien — wie dem Internet und T-Online — betriebene online banking.
Vielmehr ist es auch Kennzeichen des zusätzlich „klassi-sche“ Medien einsetzenden
direct banking.
Direct banking — als nicht-stationärer, nicht filialgebundener Vertrieb von Bankleistungen — erweitert den Pool der Zugangsmedien um das Telefon, das Fax und den
Briefverkehr und greift damit auf eine bestehende Infrastruktur zurück, deren Abwicklungssicherheit und breite Akzeptanz nicht in Frage steht.
Direct banking — auch Direktvertrieb genannt — ist eine Vertriebsform, bei der Akquisition und Leistungsabgabe nicht wie im stationären Filialbetrieb über Personen
kommuniziert werden, sondern der Vertrieb erfolgt zentralisiert über innovative elektronische, z.T. auch papiergebundene Medien, unabhängig von örtlichen und zeitlichen Restriktionen, somit „rund um die Uhr“.
Antriebe des Wandlungsprozesses in der Vertriebsstruktur der Banken — mit dem
Einzug des direct banking — resultieren aus Erfordernissen der Effizienzsteigerung
im Vertriebsbereich, d.h. Kostensenkung bei Konstanz oder Erhöhung der akquisitorischen Potentials auf einem zunehmend wettbewerblichen Markt. Möglich — aber
auch notwendig — wird dies aus veränderten Anforderungen, die die Kunden an den
Vertrieb der Bank stellen. Veränderte Präferenzen hinsichtlich der Leistungsgestaltung, der Banknähe, der jederzeitigen Verfügbarkeit der Leistungen, der erforderlichen Beratung, der Abwicklungsqualität sowie der Preishöhe erfordern, innovative
Vertriebswege für bestimmte Kundensegmente zu implementieren.
Im Vertriebssystem der Universalbanken ist direct banking nur eine von mehreren
alternativen Vertriebsformen. Vielfältige Varianten der Akquisition und Leistungserbringung existieren nebeneinander. Die ausgeprägte Dominanz, wie sie bisher noch
der stationäre Vertrieb hat, wird es zukünftig nicht mehr geben. Andererseits wird es
aber auch noch lange Zeit stationären Vertrieb geben, wenngleich in veränderter
Form.
17
In der — wohl noch — Erprobungsphase befindet sich gegenwärtig auch die Ausgliederung direkter Vertriebsformen, des direct banking, auf selbständige Banken,
die Direktbanken. Die Ausschließlichkeit des direkten Vertriebswegs in diesem
Bankkonzept schränkt die Zahl der Möglichkeiten des Bankzugangs für den Kunden
ein, mit der Folge, daß die potentielle Klientel auf maximal 20% der Bankkundschaft
geschätzt wird. Direktbanken sind, von wenigen Ausnahmen abgesehen, erst junge
Bankgründungen. Ihr bisheriger Markterfolg wird kontrovers diskutiert.
Für Direktbanken, die ausschließlich von zentralen Betriebsstätten via elektronischer, z.T. aber auch noch papiergebundener Medien die Geschäftsbeziehung unterhalten, weisen die absatzpolitischen Optionen spezielle Ausprägungen auf.
Die Kommunikation mit dem Kunden per elektronischer Medien zwingt die Direktbanken, ihre Ansprache auf solche Kunden zu beschränken, die über die notwendige Technik verfügen — wie Telefon oder besser PC mit Kommunikations-hardware
und -software — und diese Form der Geschäftsabwicklung als komfortabel empfinden. Derzeit sollen diesen Kriterien in Deutschland etwa acht Millionen Menschen
entsprechen. Geht man hiervon aus, wird die zunehmende Akzeptanz neuer Techniken ein kontinuierliches Wachstum des Kundenpotentials der Direktbanken nach
sich ziehen. Wichtig für eine erfolgreiche Akquisition ist die Bereitschaft der Zielgruppe, ihre bestehende Bankverbindung oder Teile derselben zugunsten der Geschäftsbeziehung mit einer Direktbank aufzugeben. Um Interessenten von den Vorteilen einer Direktbank zu überzeugen, müssen die Leistung und der Preis von einer
umfassenden Kommunikation unterstützt werden.
Preispolitisch ist zu entscheiden, ob der Wettbewerb über niedrige Preise geführt
werden soll, oder ob durch eine vom Kunden wahrnehmbare Differenzierung des
Angebots ein „Mehrwertversprechen“ eingegangen wird, das in der Preisgestaltung
entsprechende Berücksichtigung findet.
Eine wesentliche Gestaltungsentscheidung bei einer Direktbank ist die Festlegung
des Produktionsprogramms oder Leistungsprogramms: Vor allem, ob eine Direktbank die Abwicklung sämtlicher Bankgeschäfte anbietet und damit die Position der
Hauptbankverbindung oder Erstbankverbindung des Kunden anstrebt oder über ein
spezialisiertes Leistungsprogramm die Erstbankverbindung lediglich ergänzen will.
Die neuen Technologien ermöglichen darüber hinaus weitgehende Veränderungen
innerhalb der Organisation der Leistungserstellung und gestatten den Aufbau von
Strukturen, die die gleiche Koordinationsfunktion erfüllen können wie die klassischen marktwirtschaftlichen Koordinationsmechanismen — Markt, Hierarchie und
Kooperation — , ohne jedoch an die entsprechende physische Struktur gebunden zu
18
sein. In Anlehnung an die virtuelle Speichertechnik in der Informatik wird in diesem
Zusammenhang von „virtuellen Strukturen“ gesprochen.
Bezieht man mithin neben den innovativen Vertriebsstrukturen einer Direktbank
auch den technikinduzierten Wandel bei der Bankleistungserstellung mit ein, lassen
sich Entwicklungstendenzen skizzieren hin zu vollkommen neuen Bankstrukturen auf
Basis moderner Informations- und Kommunikationstechnologien.
• Virtuelle Märkte sind wie die klassischen Märkte ökonomische Orte des Tausches, an denen Angebot und Nachfrage sich treffen und sich die Preisbildung
vollzieht. Die Besonderheit eines virtuellen Markts besteht darin, daß sich Angebot und Nachfrage ortsungebunden auf einem elektronischen Medium gegenüberstehen. Durch den Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien besitzt die Koordinationsform „virtueller Markt“ Eigenschaften, die sie
dem Konstrukt des vollkommenen Marktes der volkswirtschaftlichen Theorie mit
seinen Effizienzwirkungen stärker annähert, als dies bei den meisten konventionellen Märkten der Fall ist.
• Virtuelle Unternehmen beschreiben — als zweite innovative Koordinationsform —
die flexible Kooperation zwischen unabhängigen Unternehmen unter Einsatz moderner Informations- und Kommunikations-technologien, bei der auf den Aufbau
von verbundenenen Institutionen — wie Gemeinschaftsunternehmen — verzichtet
wird.
• Virtuelle Banken entstehen durch Koordination der Leistungserstellung über elektronische Medien. Dadurch wird die Bankleistung nicht mehr durch eine einzelne
Bank erstellt, sondern durch Zusammenführung mehrerer spezialisierter Anbieter
von Bankleistungen mit Hilfe moderner Kommunikationsnetze.
Technologie stellt mithin die Schlüssel für die Beherrschung des zukünftigen Finanzdienstleistungsmarktes zur Verfügung. Die im folgenden Chart zusammengefaßten Entwicklungstrends implizieren als Chancen und Risiken strategische Herausforderungen für die traditionellen Banken:
• Die Transparenz des Angebots am Finanzdienstleistungsmarkt steigt: Intelligente
software ermöglicht in Zukunft auch komplexere Vergleiche zwischen anspruchsvolleren Finanzkonstrukten, als dies gegenwärtig z.B. Ratenkredite im Privatkundengeschäft und einfache Devisentermingeschäfte im Firmenkundengeschäft
darstellen.
• Die Verbreitung neuer Technologien nimmt zu: Prognosen sprechen von 200 Mio.
Internet-Nutzern weltweit im Jahr 1998.
19
• Die abnehmende Kundenbindung mündet — in technischer Hinsicht — in einen
einfachen Mausklick zur Auswahl der Bankverbindung für eine spezifische Transaktion („Mausklick-banking“), nachdem die automatisierte Informationssuche ein
adäquates Angebot ermittelt hat. Das „Picken der Rosinen aus dem Kuchen“
standardisierter Bankleistungen wird einfacher.
• Die Kosten des Markteintritts sinken: Banken lassen sich über elektronische
Märkte zu niedrigen Kosten weitaus schneller aufbauen als in traditioneller Form.
Geographische Distanzen zwischen Anbieter und Kunde verlieren an Bedeutung,
und nationale Grenzen werden nicht mehr wahrgenommen.
• Durch die wachsende Zahl der Konkurrenten aus dem Inland und dem Ausland
sinkt tendenziell die Wahrnehmbarkeit des einzelnen Anbieters für seine Zielgruppe. Elektronische Medien wie Online-Dienste oder Internet erfordern ein aktives Marketing im Sinne einer zu schaffenden umfassenden Präsenz in den von
der Zielgruppe genutzten Kommunikationsnetzen.
• Die Verfügbarkeit der Bankleistungen steigt: Elektronische Netze können Bankleistungen an jedem Ort, zu jeder Zeit — auf Abruf des Kunden — verfügbar machen. Die Verfügbarkeit steigt nicht nur für einfache Dienstleistungen wie Kontoführung durch Privatkunden, sondern auch für innovative Finanzinstrumente im
Firmenkundenbereich.
• Dem steht ein wachsender Beratungsbedarf des Kunden gegenüber. So bedürfen
Entscheidungen im nicht-standardisierten Finanzdienstleistungsbereich in verstärktem Maße der Expertise des Kundenberaters einer Bank.
• Die Bedeutung der Filialen traditioneller Prägung nimmt ab durch Spezialisierung
der Filialen und Verringerung ihrer Gesamtzahl im Zuge der neu aufkommenden
Bankstrukturen.
Gleichwohl wird der Filiale — nach Einschätzung der Banken — auch in Zukunft im
Bankenmarkt noch eine große Bedeutung zukommen. Dennoch ist der Trend zur
Verringerung der stationären Präsenz der Banken evident. Im Zusammenhang mit
dem wachsenden Beratungsbedarf bei komplexeren Bankleistungen ist eine Entwicklung denkbar hin zu einer Koexistenz traditioneller und neuer Bankstrukturen:
Während einfache — weniger erklärungsbedürftige Bankleistungen zu niedrigen Kosten von der virtuellen Bank angeboten werden, können komplexe — beratungsintensive — Bankleistungen über die Filiale in sog. „Kompetenzzentren“ vertrieben
werden, die know-how für bestimmte Bankleistungen an einem Ort konzentrieren.
20
Wenn im folgenden die Veränderungen, die Entwicklungslinien und Strukturen der
Bankwirtschaft vor dem Hintergrund der Globalisierung der Märkte dargelegt werden
sollen, ist vorauszuschicken, daß eine Auswahl der Aspekte vorgenommen werden
muß.
Wenn man sich den Auswirkungen der Globalisierung für Banken annähert, muß
man sich zunächst über das betrachtete Phänomen klar werden, d.h., man muß Felder, Ursachen und Wirkungen der Globalisierung betrachten. Dann wird offensichtlich, daß es sich um eine Herausforderung für die Banken handelt, die eine entsprechende strategische Ausrichtung erfordert.
Die Herausforderungen aus dem sich wandelnden Umfeld, wie sie bereits im bisherigen Vortrag unter einer technischen Perspektive beschrieben wurden, stellen sich
für Banken häufig nicht mehr oder nicht mehr nur in nationalen Märkten. Vielmehr ist
zu konstatieren, daß sich in vielen Geschäftsbereichen für die Banken der relevante,
d.h. für den Bankerfolg wichtige Bezugsrahmen auf die Volkswirtschaften der gesamten Welt ausgedehnt hat, ein Vorgang, der als „Globalisierung“ bezeichnet wird.
Resultat ist der „Welt(finanz)markt“ — bezogen auf Banken verbunden mit weltweiter
„Präsenz“, die auf institutioneller Ebene häufig — jedoch nicht zwangsläufig — mit
einem weltumspannenden Stützpunktnetz gleichzusetzen ist.
Mit dieser Charakterisierung des Begriffs „Globalisierung“ sollte auch deutlich werden, daß sie nicht nur „große“ Banken betrifft, sondern auch „kleinere“ Banken,
wenn diese sich in ihren angestammten, vormals separierten Märkten nun internationalen Wettbewerbern gegenüber sehen. Ursachen bzw. Einflußfaktoren der Globalisierung resultieren
•
zum einen — wie schon beschrieben — aus den eklatanten Fortschritten in
der Kommunikations- und Informationstechnologie, die conditio sine qua non
globaler Finanzmarktaktivitäten sind. Gerade in diesem Bereich sind — wie
schon deutlich wurde — weiterhin erhebliche Innovationen zu erwarten.
•
Zum zweiten sind Umfeldveränderungen in der rechtlichen und geschäftlichen
Sphäre der Banken selbst anzuführen: Deregulierungen der Geldmärkte, Kapitalmärkte und Devisenmärkte sowie Harmonisierungen des Aufsichtsrechts
für Banken und andere Finanzdienstleistungsanbieter, international geprägte
Nachfrage bei Privat- und vor allem Firmenkunden sind Einflußfaktoren der
Globalisierung. Solche bankbezogenen Umfeldveränderungen haben im Zusammenspiel mit den technologischen Entwicklungen erst ermöglicht, daß
sich ein von güterwirtschaftlichen Transaktionen losgelöster, sehr bedeutender Teil des Finanzmarktes etablieren konnte.
21
•
Trotzdem hat zum dritten auch die zunehmende weltwirtschaftliche Arbeitsteilung im güterwirtschaftlichen Bereich, die zu einer engen Verzahnung der
Volkswirtschaften führt, erhebliche Bedeutung.
Auch Zentral- und Osteuropa, voran Polen, bewegt sich rasch auf eine vollständige
Integration in die Weltwirtschaft zu. Bei dem schnellen und tiefgreifenden Umstrukturierungsprozeß in der Wirtschaftsstruktur der Reformstaaten Zentral- und Osteuropas hatte zunächst der heimatliche Markt für die Unternehmen und Banken Vorrang;
hinzu kamen die umgebenden Volkswirtschaften. Es bestehen aber keine Zweifel,
daß die Reformstaaten Zentral- und Osteuropas mittlerweile Elemente der Weltwirtschaft geworden sind.
Damit ist die Globalisierung eine der wichtigen Entwicklungen, denen sich die Banken dieser Länder gegenüber sehen. Ihre Firmenkunden werden selbst international
aktiv und müssen auf internationalen Wettbewerb reagieren. Allein schon durch die
Anbindung an die Europäische Union, gegebenfalls durch die Einbindung in die Europäische Währungsunion, werden sich polnische Unternehmen in einem veränderten, erweiterten Markt wiederfinden. Sie werden ihre Beschaffungs-, Produktionsund Absatzentscheidungen unter globalen Gesichtspunkten treffen. Sie werden
hierbei von ihren Banken eine internationalen Maßstäben entsprechende Leistungsfähigkeit und Struktur fordern. Anbieter, die sich hierbei — vor allem in den
komplexeren Bereichen des Bankgeschäfts — behaupten wollen, müssen
•
global Zahlungsverkehrsleistungen anbieten bis hin zum cash management
auch in Fremdwährungen,
•
einen effizienten Zugang zum Devisenhandel haben, um Zahlungstransaktionen abwickeln und Hedging-Instrumente anbieten zu können,
•
einen effizienten Zugang zum internationalen Kapitalmarkt haben, um sich
dort an Emissionskonsortien zu beteiligen oder sich zu refinanzieren,
•
am internationalen Kreditmarkt teilnehmen, um ihren Kunden Großkredite anbieten zu können und
•
Beratungsleistungen anbieten können für die Internationalisierung der Unternehmen im allgemeinen, für den Zugang zu bestimmten ausländischen
Märkten und für das internationale Finanzmanagement des Unternehmens im
besonderen.
Vor diesem Hintergrund haben Banken Managemententscheidungen zu treffen, die
den zunehmenden globalen Bezug des heutigen banking berücksichtigen. Aus-
22
gangspunkt ist hier bei die Strategie der Bank. Strategien lassen sich grob unterscheiden in defensive oder offensive, nationale oder internationale Ansätze. Determinante der Strategie ist die Größe beziehungsweise das Potential an Ressourcen
der Bank, ihre bestehende Struktur usw. Kern der strategischen Entscheidungen einer Bank im globalen Markt ist die Frage, ob und wie die Bank international zu positionieren“ ist. Diese Positionierung wird beschrieben durch die drei — von einander
abhängigen — Dimensionen Region beziehungsweise Standort, Kundengruppe und
Leistungsprogramm.
Der Bedingungsrahmen für die Globalisierung hat sich im Zeitablauf verändert. Ein
wesentliches Datum für die Internationalisierung der westeuropäischen Banken war
der Entschluß der Staaten der „Europäischen Gemeinschaft“ — heute: „Europäische
Union“ — zur Realisierung eines „Europäischen Binnenmarktes“ bis Ende 1992. Im
Vorfeld stellte sich für viele Banken besonders dringlich die Frage der Internationalisierung, schließt der Binnenmarkt doch einen einheitlichen Finanzdienstleistungsmarkt ein. Wichtige Stichworte aus Bankensicht waren das „Heimatlandprinzip“ in
Verbindung mit der „Niederlassungsfreiheit“ und der „Vertriebsfreiheit“. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, bei Zulassung und Beaufsichtigung in einem EG-Land EGweit Bankleistungen anzubieten beziehungsweise Niederlassungen zu gründen.
Diese Freiheiten werden auch gelten für polnische Banken in Westeuropa und für
westeuropäische Banken in Polen, wenn Polen Mitglied der Europäischen Union
wird.
Der nächste Anstoß für Internationalisierung von europäischen Banken — sowohl
aus Westeuropa als auch aus Zentral- und Osteuropa — wird von der Realisierung
der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion ausgehen. Ich habe hierüber
schon gesprochen, möchte jetzt aber nochmals kurz die strategischen Implikationen
der EWWU ansprechen.
In globaler Betrachtung wird mit Realisierung der EWWU ein größerer, der Währung
nach einheitlicher Finanzmarkt entstehen von vermutlich höherer Bedeutung als die
Summe der nationalen Finanzmärkte. Erhofft wird eine erhebliche Sogwirkung dieses „Euro“-Finanzmarktes auch für Finanztransaktionen aus Drittländern. Wesentliche Bedingung hierfür ist die „Härte“ des Euro. Ein harter Euro könnte im globalen
Finanzmarkt in Rivalität zu Dollar oder auch Yen große marktliche Bedeutung als
Transaktionswährung für Waren- und Dienstleistungsgeschäfte, für Finanzanlagen
und Geldaufnahmen, als Vehikelwährung am Devisenmarkt und als Leitwährung und
Währungsreserve erreichen, größer als sie die jetzigen Einzelwährungen in der
Summe innehaben. Ein schwacher Euro könnten demgegenüber außerhalb des Fi-
23
nanzplatzes Europa geringere Bedeutung als Reservewährung oder Transaktionswährung haben als gegenwärtig etwa die Deutsche Mark.
Eine zweite Wettbewerbsebene für Finanzmärkte und Finanzdienstleistungsanbieter
ergibt sich innerhalb des Euro-Währungsraum. In dem so geschaffenen größeren
Währungsgebiet in Europa werden sich neue marktliche Strukturen und ein verändertes marktliches Beziehungsgefüge zwischen Anbietern und Nachfragern von Finanzdienstleistungen ergeben. Auf diese neuen Strukturen werden sich auch polnische Banken einstellen müssen, wenn sich Polen weiter zur Europäischen Union
öffnet
Ein Euro-Finanzmarkt könnte neue strategische Optionen eröffnen für das Ziel, auf
dem größeren Markt nicht nur die bisherige Position zu halten, sondern auf Basis
der veränderten Marktbedingungen zu expandieren und an einer starken Marktstellung des Euro auf allen Sektoren des Finanzmarktes zu partizipieren. Generell wird
es aber den jeweiligen Banken in einer Vielzahl von Geschäftsfeldern gelingen, die
Marktposition, die sie im Markt für Instrumente ihrer „alten“ Währung innehaben,
auch entsprechend im Euro-denominierten Geschäft zu besetzen.
Es verbleiben allerdings wichtige ertragsstarke Marktfelder auf denen sich der Wettbewerb unter den europäischen Banken deutlich verstärken wird. Ein solches
Marktfeld ist das investment banking, das über europa hinaus globalen Charakter
aufweist.
Die Abgrenzung des investment banking gegen das commercial banking resultiert in
erster Linie aus der historischen Abgrenzung von kontinental-europäischen Universalbanken zum tradierten Typus angelsächsischer Banken. Bei diesen wird das
Einlagen- und Kreditgeschäft von commercial banks wahrgenommen und mit dem
von investment banks getätigten Wertpapiergeschäft nicht verbunden. Als Universalbanken werden demgemäß solche Banken bezeichnet, die sowohl das commercial banking als auch das investment banking betreiben.
Investment banking ist also auf allgemeiner Ebene mit dem Wertpapiergeschäft
gleichzusetzen. Betrachtet man dieses Geschäftsfeld genauer, lassen sich vier
Gruppen von Investment-banking-Leistungen abgrenzen:
(1)
Primärmarkttransaktionen,
(2)
Sekundärmarkttransaktionen,
(3)
Asset management und
24
(4)
(Finanz-) Beratungsleistungen.
Lassen Sie mich einige Anmerkungen zu den Schwerpunkten des investment banking machen. Auch an dieser Stelle kann ich nur einige Aspekte auswählen. Ich will
damit verdeutlichen, welche Leistungen und Finanzinstrumente hier weltweit derzeit
im Mittelpunkt stehen, und damit skizzieren, welche Anforderungen eine international im investment banking tätige Bank erfüllen muß.
Das Wachstum des investment banking wird getragen durch drei wesentliche Entwicklungen. Neben der Globalisierung sind dies die Trends zur Verbriefung und zur
Futurisierung.
•
Trend zur Verbriefung: Das Bedürfnis nach Flexibilität und Individualität auf
der Nachfragerseite im Zusammenwirkung mit einem Rating-Gefälle zwischen
Kapitalnachfragern und Banken führte und führt zur Substitution traditioneller
Buchkredite durch die Emission handelbarer Wertpapiere — zur Verbriefung
von Forderungen, zur „securitization“.
•
Trend zur Futurisierung: Das aufgrund global zunehmender Volatilität gestiegene Risikoempfinden bewirkt ein wachsendes Bedürfnis für Absicherungsfazilitäten hinsichtlich der typischen Marktpreisrisiken aus Zins- und Wechselkursschwankungen.
Wesentliche Leistungsarten im investment banking sind von daher:
(1)
Die Strukturierung und Durchführung moderner und innovativer Finanzierungstransaktionen über die Wertpapiermärkte.
•
Im Bereich der Eigenkapitalfinanzierung haben hierbei derzeit die Globalisierung des Aktienhandels sowie going publics besondere Bedeutung. Hinzuweisen ist hierbei auf die Vielzahl von Privatisierungen in
Westeuropa wie in den Reformstaaten Zentral- und Osteuropas, bei
denen die spezielle Expertise von investment banks nachgefragt wird.
•
Im Bereich der Fremdkapitalfinanzierung über die Wertpapiermärkte
wird die „securization“ wirksam. Sie führt zu insgesamt steigenden Volumina. Innerhalb dieses Geschäftsfelds läßt sich feststellen, daß die
Finanzierungsfazilitäten zunehmend individuell ausgestaltet werden
und dabei häufig in einzelne Komponenten aufgespaltet werden, die
eine differenzierte Verteilung von Risiken und Kapitalbereitstellung ermöglichen. Ferner werden Finanzierungstitel zunehmend flexibilisiert,
um sie an die Bedürfnisse eines Marktpartners oder beide Seiten an-
25
passen zu können. Besondere Aufmerksamkeit verdienen darüber hinaus commercial paper facilities und medium term notes facilities.
(2)
Das Angebot von Finanzderivaten — forwards, futures, Optionen, swaps und
so weiter — für Kunden und die Teilnahme am Derivate-Handel auf eigene
Rechnung.
In Bezug auf die Futurisierung wurde oben schon vom erhöhten Absicherungsbedarf der Marktteilnehmer gesprochen. Fragt man über dieses Absicherungsmotiv hinaus differenzierter nach den Ursachen für den Bedeutungsgewinn von Derivaten, so zeigt sich zunächst, daß die Globalisierung
der Finanzmärkte die Preisvolatilitäten — also vor allem die Schwankungsintensität von Zinsen und Wechselkursen — erhöht hat. Dies führte nicht nur
zum — gerade erwähnten — zunehmenden Absicherungsbedarf bei allen
Marktteilnehmern, sondern schuf auch die Möglichkeit, spekulativ an Preisbewegungen zu partizipieren. Hierbei spielt der große Hebeleffekt bei Derivaten zwischen Mitteleinsatz und Ergebnis ein bedeutende Rolle. Er ermöglicht auch die weitgehende Arbitrierung zwischen den Marktsegmenten, wodurch die Volumina schnell steigen.
International im investment banking tätige Banken müssen das derivative Geschäft „around the globe, around the clock betreiben, um einerseits ihren
Kunden die gewünschten Absicherungsgeschäfte zu ermöglichen und andererseits aus dem trading auf eigene Rechnung Gewinne erzielen zu können.
Wesentlicher Erfolgsfaktor im Derivate-Handel ist das Risikomanagment der
Bank. Es ist notwendig,
ð
um die Existenz der Bank zu sichern, also die Übernahme existenzgefährdender Risiken auszuschließen,
ð
um bankenaufsichtsrechtliche Anforderungen zu erfüllen sowie
ð
als wesentlicher Erfolgsfaktor im globalen Wettbewerb. Wenn man davon ausgeht, daß Banken nur solche Trading-Positionen eingehen, die
sie in ihrem Risikomanagement erfassen können, so erlaubt ein differenzierteres und effizienteres Risikomanagement offensichtlich ein
„Mehr“ an Geschäften, ohne notwendig das Risiko zu erhöhen.
Wenn man betrachtet, wie sich die internationalen Konkurrenten im investment banking positionieren, fällt auf, daß die Rangliste der weltweit führenden investment
26
banks bisher von US-amerikanischen Häusern angeführt wird; deutsche Banken finden sich z.B. nicht unter den „top ten“.
Allerdings darf die Fokussierung neuer, globaler Dimensionen des Bankgeschäfts
nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Vielzahl kleinerer Banken weiterhin national
orientiert ist. Bei ihnen stehen defensiv-strategische Überlegungen im Vordergrund,
die darauf abzielen, wie im Heimatland auf den sich tendenziell verstärkenden Wettbewerb von außen reagiert werden kann.
Betrachtet man dagegen offensiv-strategische Strategieansätze, die mit der Ausdehnung der eigenen Geschäftstätigkeit über Staatsgrenzen hinweg verbunden
sind, so ist im Rahmen der Internationalisierung die Beantwortung folgender Fragestellungen erforderlich:
(1)
die Positionierung in Bezug auf die geographische Dimension, in Bezug auf
Kundengruppen und in Bezug auf das Leistungsprogramm sowie
(2)
die Wahl der institutionellen Internationalisierungsformen, wie z.B. Angebote
von Bankstellen des Herkunftslandes aus, Distribution durch Bankstellen —
Repräsentanzen beziehungsweise Filialen — oder Tochtergesellschaften im
Ausland oder grenzenüberschreitende Kooperation.
Als Strategien für die Geschäftstätigkeit in der gesamten Welt oder in bestimmten
Weltteilen lassen sich dann vereinfacht abgrenzen:
(1)
„Globale Megabanken“ als Universalbanken mit Aktivitäten im wholesale und
retail banking außerhalb der heimischen Grenzen; Ziel ist die weitgehend flächendeckende (Filial-) Bank rund um den Globus. Die Positionierung als Megabank ist eher eine Vision, weil derzeit keine Bank ein homogenes Filialnetz
über die gesamte Welt betreibt noch ein solches zum Ziel hat. Selbst innerhalb Europas existiert keine Megabank.
(2)
„Global players“ als Banken, die in ihrem Heimatland oder ihrem heimatlichen
Weltteil universelles Bankgeschäft betreiben, darüber hinaus in den wichtigsten Ländern der Erde über Filialen oder Tochtergesellschaften ausgewählte
Bankdienstleistungen des wholesale banking anbieten. Dieser Banktypus
entspricht dem Status quo der größten westeuropäischen Banken. Geschäftspolitischer Schwerpunkt im internationalen Geschäft ist bei solchen
global players das investment banking sowie das Großkreditgeschäft und der
Zahlungsverkehr.
27
(3)
Als dritte Alternative sind Banken denkbar, die zwar auch an den wichtigsten
Finanzplätzen der Welt vertreten sind, dort aber eher ihr heimatliches Geschäft arrondieren. Diese Banken können und wollen nicht mit den global führenden Banken konkurrieren. Sie verfügen typischerweise über nur wenige
weltweite Standorte, die vornehmlich dem Devisen- und dem Eigenhandel
sowie dem Zahlungsverkehr dienen. Dieser von den global players nur graduell abgrenzbare Typ läßt sich am ehesten als „internationale Bank“ bezeichnen. Er beschreibt den Status vieler mittelgroßer und größerer Banken
in Europa.
(4)
„Nischenbanken“ sind zum einen internationale Spezialinstitute, die durch
Bankstellen oder Tochtergesellschaften oder über Kooperationen mit ausländischen Anbietern Spezialfinanzdienstleistungen in nennenswertem Maße im
Ausland anbieten. Zum anderen sind Nischenbanken solche Banken mit einem universelleren Leistungsangebot, die sich international auf einige — z.B.
benachbarte — Länder beziehungsweise Finanzplätze beschränken.
Die Wahl einer dieser strategischen Alternativen wird bestimmt durch das Selbstverständnis der Bank, durch die Struktur ihrer Kunden sowie in sehr weitem Maße
durch ihre Ressourcen.
Im Zusammenhang mit der Entscheidung über die internationale Strategie der Bank
stellt sich die Frage nach der Umsetzung. Alternativen sind hier die Konzernstrategie — die „Going-it-alone-Strategie“ — durch Gründung von Filialen und Tochtergesellschaften und den Erwerb von Tochtergesellschaften einerseits und die Kooperationsstrategie andererseits. Auf diese Alternativen möchte ich nun kurz eingehen.
Wurde schon festgestellt, daß globale beziehungsweise internationale Strategien
sehr weitgehend auf das investment banking bezogen werden, so hat dies international seinen Grund darin, daß weltweit das investment banking als Folge der „securitization“ — also der Ersetzung von Krediten durch Kapitalmarktfinanzierungen —
und der Expansion der Derivate bewertet wird als vornehmlicher Wachstumsmarkt
im Bankenbereich. Für kontinentaleuropäische Universalbanken wurde oder wird
hier ein Defizit angenommen, resultierend aus der langjährigen Präferenz für buchmäßige Kreditfinanzierung der Wirtschaft statt Finanzierung über den Kapitalmarkt.
Dieses Modell der „Finanzintermediation“ über Banken ist weltweit auf dem Rückzug
oder von vornherein wenig bedeutend. Es erscheint von daher nicht tauglich als
spezifischer Vorteil von traditionellen Universalbanken am globalen Markt. Solche
Banken haben damit im globalen Wettbewerb Schwachstellen genau in dem Bereich, in dem dieser Wettbewerb besonders ausgeprägt ist und in dem die wesentlichen künftigen Ertragspotentiale gesehen werden.
28
Insofern ist es plausibel, daß kontinental-europäische Universalbanken, vornehmlich
aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz, in den letzten
Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen haben, ihre Defizite im investment
banking abzubauen. Es werden ganze Investmentbanken gekauft mit ihrer Marktstellung, ihrem gut ausgebildeten Personal mit hoher Expertise, ihrem Produkt- und
Markt-Know-how.
Geeignete Akquisitionsobjekte zu finden war bislang überwiegend in London möglich, wo eine Reihe unabhängiger investment banks bestand, die häufig Anlehnung
an größere Unternehmen suchten, um im Wettbewerb bestehen zu können.
Mit dem Erwerb von Tochtergesellschaften wurde die „Going-it-Alone-Strategie“
skizziert. Als Alternative hierzu ist die Kooperation mit anderen Banken anzusehen.
Gerade für Banken aus den Reformländern Mittel- und Osteuropas wird sich hier die
Frage nach der internationalen strategischen Positionierung in einem anderen Umfeld stellen als bei westlichen Großbanken. Aufgrund der noch beschränkten Ressourcen und zwar dynamischer, aber doch dicht besetzter internationaler Märkte
könnte hier ein kooperatives Vorgehen besonders naheliegen.
In neueren Kooperationsvereinbarungen werden Kooperationen nicht mehr als Defensivmaßnahmen zur Abwehr von Wettbewerbern, sondern als Maßnahme einer
offensiven, intensiven und globalen Positionierung verstanden und häufig als „strategische Allianzen“ bezeichnet. Es wird hierbei die Zusammenarbeit von wenigen —
z.B. von zwei oder drei — Banken verabredet. Die Kooperation ist insofern eng ausgelegt, als die Abstimmung des Stützpunktnetzes und seine Integration in ein gemeinsames Standortsystem im Vordergrund steht. Zu konstatieren ist, daß hierbei
regionale, kundengruppenbezogene oder leistungsspezifische Abreden getroffen
und Einschränkungen formuliert werden können.
Mit der Betrachtung der Kooperation als strategischer Möglichkeit stellt sich die Frage nach ihren Vorteilen und Nachteilen im Vergleich zur „Going-it-alone-Strategie“.
Die Vorzüge der „Going-it-alone-Strategie“ in sind Einheitlichkeit und Schnelligkeit
von marktpolitischen Entscheidungen, strategische Handlungsfreiheit und Vereinnahmung des gesamten Erfolgsbeitrags des betriebenen Geschäfts. Als Vorteile kooperativen Vorgehens werden zumeist eine geringere Ressourcenbindung, eine
schnellere Umsetzung von Internationalisierungsstrategien sowie die leichtere Reversibilität genannt. Sinnvoll erscheinen strategische Allianzen demnach vor dem
Hintergrund der Gültigkeit einer oder mehrerer der folgenden Prämissen:
(1)
Durch strategische Allianzen können die Kooperateure höhere individuelle
Erfolge erzielen als mit der Going-it-alone-Strategie.
29
(2)
Durch strategische Allianzen können die strategischen und geschäftspolitischen Risiken der Internationalisierung beherrscht bzw. reduziert werden.
(3)
Nur durch strategische Allianzen können die Aufgabenstellungen im internationalen Finanzdienstleistungsmarkt erfüllt werden, die die Leistungsfähigkeit
einzelner Banken übersteigen im Hinblick auf die Leistungserstellung, im Hinblick auf die Informationsgewinnung und Informationsverarbeitung und im
Hinblick auf die Kundenansprache.
Die Bewertung der strategischen Allianz als strategische Alternative für Internationalisierungsbestrebungen von Banken muß im Einzelfall vor dem Hintergrund der spezifischen Bedingungen und der spezifischen Ziele der beteiligten Banken erfolgen.
Es lassen sich jedoch einige generelle Aspekte aufzeigen und gegenüber dem
„going-it alone“ bewerten.
(1)
Ein Vorteil der Kooperationslösung liegt in der geringeren Kapitalbindung.
(2)
Ein geeigneter Kooperationspartner mag leichter zu finden sein als ein preiswürdiges, qualitativ für den Kauf geeignetes Unternehmen.
(3)
Eine strategische Allianz kann auf bestimmte Bereiche, insbesondere wettbewerbsrelevante Bereiche, bechränkt werden. Es ist aber zu beachten, daß bei
stark eingeengtem Kooperationsfeld der strategische Nutzen gering ist. Bei
umfassenden strategischen Allianzen ergeben aber sich starke Abhängigkeiten zwischen den kooperierenden Banken.
(4)
Nur auf den ersten Blick sind die Koordinationskosten bei der Kooperation geringer. Im Verlauf der Kooperation entstehen bei Allianzen Koordinationskosten zwar nur für den Kooperationsbereich, bei umfassenden strategischen
Allianzen sind die Kosten für das laufende Kooperationsmanagement aber
erheblich. Ausschlaggebend ist: Eine übergeordnete Entscheidungsinstanz
fehlt. Dies bedingt die Notwendigkeit zur ständigen Abstimmung zwischen den
Kooperationspartnern.
(5)
Das Wachstum der Unternehmensgröße führt bei der Konzernstrategie zu
dem Problem, daß die Kapazität des Management begrenzt ist. Durch strategische Allianzen könnte diese Kapazität erweitert werden. Durch Beschränkung der Zusammenarbeit auf bestimmte Bereiche sowie durch Verbindung
des Know-how könnte die Überforderung des Management bei Wachstumsprozessen vermindert werden.
(6)
Risiken der strategischen Allianz liegen in der bewußten Aufgabe von Wettbewerbsvorsprüngen durch Übertragung von produktbezogenem und markt-
30
bezogenem Wissen auf den Partner. Es besteht Gefahr, daß der Partner nach
Ausnutzen oder Übernahme des Know-how die Kooperation auflöst.
(7)
Es ist nicht zwangsläufig leichter, strategische Allianzen rückgängig zu machen als die Konzernbildung, weil bei umfassender Kooperation in strategischen Allianzen auch Abhängigkeiten entstehen, die die Kooperationspartner
dauerhaft aneinander binden. Das Problem der Reversibilität wird dann bedeutsam, wenn die anfängliche Interessenharmonie der Kooperationspartner
im Lauf der Entwicklung der strategischen Allianz abnimmt oder in eine Konfliktsituation umschlägt.
(8)
Das wesentliche Bewertungskriterium zur Beurteilung der Kooperationslösung
liegt in der Einschränkung der Entscheidungsautonomie der kooperierenden
Bankunternehmensleitung. Verlangt ist die Konsensfindung selbständiger, auf
eigene Interessen ausgerichteter Entscheidungsinstanzen, und das bedeutet
Zeitbedarf und Reibungsverluste.
Lassen Sie mich zusammenfassen: Die häufig angeführten Vorteile von Kooperationen stellen sich nicht zwangsläufig ein. Sie scheinen bei strategischen Allianzen von
Banken im internationalen Bereich nur bei einer starken Einengung des Kooperationsbereiches wirksam zu werden. Der wettbewerbsstrategische Akzent strategischer
Allianzen verkümmert hierbei aber schnell zur im wesentlichen technischen Zusammenarbeit. Insgesamt erscheinen Kooperationen von Banken an internationalen Finanzmärkten in loser Form, auf eng begrenztem Bereichen wenig problematisch,
aber damit auch wettbewerbsstrategisch wenig sinnvoll. Umfassende Kooperationen
mit wettbewerbsstrategischer Zielsetzung erfordern die Aufgabe von Souveränität
und beachtlichen Koordinationsaufwand, sie führen zu Abhängigkeiten und Kosten
bei einer Auflösung der Kooperation. Es liegt deshalb nahe, solche Kooperationen
als Vorstufe zur Fusion anzusehen. Überspitzt: Es stellt sich die Frage, warum nicht
gleich die Fusion der Banken erfolgt, wenn denn überhaupt Unternehmensverbindungen zwischen annähernd gleichgewichtigen Banken als Lösung für die strategischen Herausforderungen des internationalen Finanzmarkts angesehen werden
sollen.
Das Thema meines Vortrages „Banken im Wandel“ ist äußerst vielschichtig. Ich
konnte Ihnen nur einige Aspekte vorstellen. Aber auch diese verkürzte Darstellung
ist mit Unsicherheit darüber behaftet, ob sich das Bankgeschäft künftig so darstellen
wird, wie ich es hier zu skizzieren versucht habe. Es lassen sich zwar grobe Entwicklungslinien in technologischer und marktbezogener Hinsicht erkennen. Dies
sollte aber nicht darüber hinweg täuschen, sondern verdeutlichen, daß sich die Veränderungen, denen sich Bankmanager weltweit gegenüber sehen, immer schneller
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vollziehen. Im Umgang mit Veränderungen, also in der Voraussicht und in der unternehmerischen Flexibilität liegt m.E. deshalb der Schlüssel zum künftigen Erfolg im
Bankgeschäft.
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