Zur Verwendung des Biberschwanzes in der Heilig Geist

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Heilig.Geist.Vortrag.Zum.Biberschwanz.doc
Stand: 29. Okt. 2009
Zur Verwendung des Biberschwanzes in der Heilig Geist-Kirche –
Ein Dachziegel wird umfunktioniert
Der Biberschwanz ist ein Dachziegel. In Süddeutschland findet man ihn überall, vor
allem an älteren Gebäuden. Er wird nur zur Dachdeckung verwendet. Man findet ihn
allenfalls noch auf Mauerkronen, um auch hier den Regen abzuleiten.
Aber in unserer Hochdahler Heilig Geist-Kirche ist der Biberschwanz nicht auf dem
Dach verwendet worden, sondern genau im entgegengesetzten Bereich des Gebäudes:
Er dient hier als Bodenfliese. Außerdem begegnet er uns noch am Taufbecken, am
Altar und am Sakramentshaus. Ist dies nur Zufall, eine Laune, ein Gag des
Architekten? Oder soll das mehr bedeuten? - Ich meine: ja! Ich bin überzeugt, dies
soll dem Besucher dieser Kirche deutlich machen, dass in diesem Kirchenraum vieles
anders ist, als wir es draußen in der Welt des Alltags vorfinden. Was im Alltag der
materiellen Welt nie vorkommt, das finden wir hier. Das wird hier sichtbar und
erlebbar gemacht. Das können wir in diesem Innenraum mit unseren Sinnen und mit
unserem Verstand wahrnehmen. Der Besucher muss sich darauf einstellen, hier neue
Erfahrungen zu machen, in neue Dimensionen vorzudringen und schließlich neue
Erkenntnisse zu gewinnen.
Versuchen wir doch einmal, über dieses Phänomen der völlig andersartigen
Verwendung des Biberschwanzes weiter nachzudenken.
Das Auffällige ist: Der Architekt verwendet hier in Heilig Geist den Biberschwanz,
ohne diesen maschinell hergestellten Massenartikel auch nur im geringsten zu
verändern. Der Biberschwanz bleibt hier in Materie, Form und Farbe unverändert
erhalten. Aber der Architekt benutzt ihn hier zu anderen Zwecken, zum Beispiel als
Bodenfliese. Und damit erhält er hier eine grundlegend andere Bedeutung. Obwohl
seine materielle Substanz unverändert bleibt, nennen wir ihn jetzt nicht mehr
Dachziegel, sondern wegen seiner neuen Zweckbestimmung Bodenfliese.
Und es geht noch weiter: Wir können erkennen, dass der Architekt die einzelnen
Bodenfliesen zu einem strahlenförmigen Muster angeordnet hat. So werden die dort
vorkommenden Biberschwänze zum Bestandteil eines Dekors. In dieser Anordnung
wird der Biberschwanz somit zu Dekoration und Schmuck.
Und wenn wir uns noch eingehender mit diesem strahlenförmigen Muster
beschäftigen, werden wir erkennen, dass es nicht nur Dekoration ist, sondern darüber
hinaus auch noch eine symbolische Dimension in sich birgt. Auch daran hat der
Biberschwanz Anteil.
Kommt uns diese Phänomen nicht irgendwie bekannt vor? Erinnert es uns nicht an
etwas?
Ich darf zunächst einige Sätze aus meiner Einleitung wiederholen und darauf
hinweisen, dass der Architekt Gottfried Böhm eine ganz eigene Art hat, Architektur
zu entwerfen und zu gestalten. Vor allem Folgendes muss man dabei beachten:
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Böhm will mit seinen Kirchenbauten moderne Kunst schaffen. Er ist dabei
gleichzeitig bestrebt, die Inhalte der Bibel und die katholischen
Glaubenswahrheiten in seinen Kirchenbauten zum Ausdruck zu bringen. Seine
Kirchen sollen gebauter christlicher Glaube sein.
Böhm vermeidet aber die herkömmlichen Formen und Bildsprachen der
christlichen Kunst. Vielmehr versucht er, auf intuitivem Wege individuelle neue
Ausdrucksformen zu erzeugen.
Der Betrachter muss sich daher dem Werk Böhms zunächst wie einem modernen
Kunstwerk nähern und es wie ein modernes Kunstwerk befragen.
Den tieferen Sinngehalt nimmt der Betrachter aber nur dann wahr, wenn er sich
die Inhalte der Bibel und die katholischen Glaubenswahrheiten vor Augen hält.
Dies ist der Schlüssel, mit dem sich die religiöse Botschaft der Böhm'schen
Bauwerke erschließen lässt.
Es ist daher ratsam, die Bibel aufzuschlagen. Und da fällt mir sofort Paulus ein,
sowohl die Person als auch seine Briefe.
Ist das Umfunktionieren des Biberschwanzes nicht dasselbe, was mit Paulus bei
Damaskus geschehen ist? Das Damaskus-Erlebnis hat dem Leben des Paulus eine
neue Zweckbestimmung gegeben. Hatte er vorher die Christen gehasst und
unerbittlich verfolgt, so wurde er jetzt zu einem glühenden Verfechter der Lehre
Christi und zu einem großen Missionar und Theologen. Auch sein Name änderte sich:
Aus Saulus wurde Paulus. Genau so wie beim Biberschwanz, der hier in dieser
Kirche nicht mehr Dachziegel, sondern Bodenfliese genannt wird.
Der Körper des Paulus ist derselbe geblieben, seine Arme, seine Beine, sein Kopf und
so weiter. Aber seine Persönlichkeit ist eine völlig andere geworden. Der Glaube an
Jesus Christus und seine Heilslehre hat dies bewirkt.
Und dieses Umfunktionieren, das Ausrichten des ganzen Lebens an einer neuen
Perspektive und an einer neuen Zweckbestimmung, das Einordnen in ein neues
Koordinatensystem, eine neue Ordnung und Werteordnung, ist das nicht dasselbe,
was jedem Menschen bei der Bekehrung zu Jesus Christus und seiner Lehre
widerfährt? Und ist das nicht dasselbe, was die Taufe bei jedem von uns getauften
Christen bewirkt hat und bewirken soll?
Ich glaube: Alle diese Gedanken stecken hinter der Idee, hier in dieser Kirche den
Biberschwanz wie eine Bodenfliese zu verlegen oder wie einen Ziegelstein am
Taufbecken, am Altar und am Sakramentshaus zu vermauern.
Somit haben wir uns klar gemacht, dass die andersartige Verwendung des
Biberschwanzes auf eine völlig neue Lebensperspektive hinweist und auf elementare
Veränderungen im menschlichen Leben. Diese Veränderungen ereigneten sich nicht
nur in der Vergangenheit, zum Beispiel wenn zu Lebzeiten des Paulus ein Heide sich
zum Christentum bekehrte. Diese Veränderungen ereignen sich in gleicher Weise
auch heutzutage. Wenn zum Beispiel ein Atheist des 20. oder 21. Jahrhunderts den
Weg zum Christentum findet.
Aber schauen wir uns doch jetzt einmal diese Veränderungen etwas näher an! Was
passiert da im Einzelnen?
Viele kluge Menschen haben sich mit diesem Thema befasst; nicht nur Theologen,
sondern auch Philosophen, Psychologen und Schriftsteller. Im allgemeinen kann man
drei elementare Veränderungen unterscheiden. Auf diese soll jetzt etwas näher
eingegangen werden:
Das erste, was sich bei der Bekehrung zum Christentum ändert, ist:
Es entsteht eine Ich-Du-Beziehung, eine „religio“.
Der Atheist glaubt, die Welt bestehe nur aus Materie. Dies sei die Urkraft, aus der
alles entstanden sei und aus der sich alles entwickele, und es gebe keinen Gott.
Folglich ist der atheistische Mensch ganz auf sich allein gestellt und muss selbst seine
Weltdeutung und seine Maßstäbe finden.
Völlig anders ist das beim Christen:
Er glaubt, dass der transzendente, ewige, allmächtige und liebende Gott ihn
erschaffen hat und ihm nach seinem Tode das ewige Leben anbietet. So entsteht ein
Verhältnis des Ich zum Du Gottes, eine Bindung, eine Religio, aus der heraus der
Christ die Welt deutet und aus der er alle Maßstäbe für die Gestaltung seines Lebens
entnimmt. Der Christ lebt in dem Bewusstsein und aus dem Gefühl heraus, mit dem
Unendlichen in Kontakt zu sein. Er versteht und fühlt, dass er schon in diesem Leben
an das Grenzenlose angeschlossen ist. Dadurch ändern sich Wünsche und Einstellung
und das Verständnis von dem, was wesentlich ist. (Und wer das nicht hat, dessen
Leben ist vertan.)
Das zweite, was sich bei der Bekehrung zum Christentum ändert,
ist die Perspektive des ewigen Lebens.
Für den Atheisten ist der Tod das Tor zum Nichts. Für den Christen dagegen ist der
Tod das Tor zum Himmel, der Übergang zu einer neuen und ewigen Existenz bei Gott
in Glück und Frieden.
Die Perspektive des ewigen Lebens verändert radikal die weltlichen Maßstäbe, und
sie nimmt den weltlichen Gütern ihre überragende Bedeutung. Gleichzeitig erfüllt die
Perspektive des ewigen Lebens den Christen mit Optimismus und Freude. Die Zeit ist
nicht mehr der grausame, fressgierige Zerstörer, der nur Tod und Verwesung bringt
und den Einzelnen am Ende seines Lebens in das Nichts stößt. Die Zeit ist jetzt
vielmehr der Pulsschlag der wunderbaren Schöpfung Gottes. Zwar kommt auch für
jeden Christen eines Tages der Zeitpunkt seines Todes. Aber das ist nicht das Aus.
Sondern der Übergang in eine neue und ewige Existenz.
Das dritte, was sich bei der Bekehrung zum Christentum ändert, ist:
Der gläubige Christ fühlt sich der mystischen Gemeinschaft aller Christen
zugehörig.
Paulus drückt das so aus: „Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in
einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie; und alle
wurden wir mit dem einen Geist getränkt. “ (1. Kor 12, 13) Und Johannes zitiert
Jesus wie folgt: „Bleibt in mir. Dann bleibe ich in euch. ... Ich bin der Weinstock, ihr
seid die Reben.“ (Joh 15, 4 und 5) Der Christ ist somit Teil des Reiches Gottes auf
Erden. Dessen äußere Form ist die Kirche und die Pfarrgemeinde.
Jesus sagt weiter: „Bleibt in meiner Liebe. Liebet einander, so wie ich euch geliebt
habe.“ (Joh. 15, 9 und 12) Und durch diese christliche Liebe wird die Welt radikal
verändert. Alles wird anders. Genau so, wie der Dachziegel zur Bodenfliese wird und
zu den unzähligen Kreuzzeichen am Taufbrunnen, am Altar und am Sakramentshaus.
Daher stimmt es schon, was Paulus im Römerbrief sagt:
„Durch die Taufe stirbt der alte Mensch, um als neuer Mensch in Christus
aufzuerstehen.“ (Röm 6, 1-11)
Und es stimmt, dass der Glaube an Jesus Christus die Welt verändert.
Der Dachziegel Biberschwanz ist es, der auf all das verweist, wenn er so wie hier wie
eine Bodenfliese verlegt oder wie ein Ziegelstein vermauert wird.
Hans-Josef Rosenbach
für die Aktion 50 PLUS AKTIV
Der vorstehende Text war die Grundlage eines Kurzvortrages am Sonntag, dem 27.
September 2009 in der Heilig Geist-Kirche. Anlass war das Gedenken an die
Grundsteinlegung vor 40 Jahren.
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