Distribuierte Expertise im Bereich der Fachdidaktik: eine Analyse struktureller Rahmenbedingung an der Universität Wien Christiane Dalton-Puffer, Christina Gefaell, Susanne Hinterlehner, Stefan Krammer, Anja Lembens, Hannes Stanik1 1 Einleitung und Kontext Besonderes Merkmal der LehrerInnenbildung an den österreichischen Universitäten ist die Verbindung von Fachwissenschaft, Fachdidaktik, Bildungswissenschaft und schulpraktischer Ausbildung im Rahmen eines „integrierten Viersäulenmodells“ im Verlauf des gesamten Studiums. Der Fachdidaktik kommt in diesem Modell eine Brückenfunktion zu, greift sie doch in integrativer Weise fach- und bildungswissenschaftliche Fragestellungen auf und untersucht diese in Zusammenhang mit schulpraktischen Aufgaben. In ihrer Mittlerposition bleibt sie jedoch als eigenständige Säule mit ihren spezifischen Forschungs- und Lehraufgaben oft unsichtbar, sitzt gleichsam zwischen den (Lehr)Stühlen, wenn es darum geht, innerhalb der universitären Strukturen als wissenschaftliche Disziplin verankert zu werden. Institutionelle „Heimat“ wird den Fachdidaktiken an Österreichs Universitäten hauptsächlich an den fachwissenschaftlichen Instituten gewährt, wo ihnen allerdings oft eine marginale Rolle zugewiesen wird, was sich insbesondere in der fehlenden Zuerkennung akademischer Rechte und Ausstattung bemerkbar macht. Hinzu kommt, dass es in den wenigsten Fächern eine von gegenseitiger Anerkennung getragene inhaltliche und konzeptionelle Zusammenarbeit gibt. Aus diesem Grund zeigten die Fachdidaktiken in den letzten Jahren auch Autonomiebestrebungen: Denn mit einer eigenständigen institutionellen Verankerung würden sich auch der Status, die Personalressourcen und die Arbeitsbedingungen für fachdidaktische Forschung und Lehre verbessern. Eine Stärkung der Fachdidaktiken auf der Ebene des Organisations- und Entwicklungsplans würde in jedem Fall dazu beitragen, dass der Dialog zwischen Fachdidaktik, Fachwissenschaft und Bildungswissenschaft auf Augenhöhe geführt werden kann, was für die Zusammenarbeit von gleichberechtigten PartnerInnen unabdingbar ist. Der propagierte Emanzipationsprozess geht mit einer Standortbestimmung einher, der die Fachdidaktiken selbst auf den Prüfstand stellt. Vorliegende Studie nimmt in Zusammenhang damit die strukturellen Rahmenbedingungen der Fachdidaktiken an der Universität Wien in den Blick. Um der weitgehenden „Unsichtbarkeit“ der Fachdidaktiken zu begegnen, wurden Daten und Informationen gesammelt, die Rückschlüsse auf den Umfang fachdidaktischer Expertise innerhalb der unterschiedlichen Fächer zulassen. Im Zentrum der Analyse stehen dabei folgende Fragestellungen: Welchen Stellenwert hat die Fachdidaktik innerhalb der Studienfächer und der Universität? Welche Personengruppen sind in der Fachdidaktik tätig? Wodurch zeichnet sich deren fachdidaktische Kompetenz aus? In welchem Ausmaß sind sie mit Lehr- und Forschungsaufgaben betraut? Wie verhalten sich die Studierendenzahlen zur Anzahl fachdidaktischer Stellen? Wie ist die fachdidaktische Lehre strukturiert? In welchen Fächern gibt es vermehrt wissenschaftliche Abschlussarbeiten und Projekte mit fachdidaktischen Fragestellungen? 1 Wir danken Bernhard Standl für die Programmierung der Datenbank; Eva Tesar-Tergeslav und Elisabeth Oberleitner für ihre Inputs in der Planungs- und Datensammlungsphase. 14.05.2016 1 Vorrangiges Ziel der Studie ist es, Gemeinsamkeiten und spezifische Unterschiede der strukturellen Organisation der Fachdidaktiken in den einzelnen Fächern zu erfassen. Letztere hängen wohl mit den unterschiedlichen Wissenschaftskulturen der Fachwissenschaften (Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften) zusammen, welche die jeweiligen Fachdidaktiken beeinflussen und häufig prägen. Daraus ergibt sich als besondere Herausforderung die Frage, inwiefern bei der Standortbestimmung der Fachdidaktiken überhaupt von gemeinsamen Prämissen ausgegangen werden kann. 2 Forschungsdesign Die in diesem Beitrag dargestellte Analyse dient der Beantwortung vor allem jener Forschungsfragen der Forschungsplattform, die auf eine umfassende Erhebung der Fachdidaktik, eines in der Organisationsstruktur der Universität Wien ungenügend abgebildeten Bereichs, abzielen und so in erster Linie quantitative Grunddaten zur Fachdidaktik als einem „distribuierten Fachbereich“ liefern. Ziel des gegenwärtigen Beitrags ist es, einen Überblick über folgende Aspekte in den einzelnen Fächern zu geben: Studierendenzahlen Lehrveranstaltungen Personalstruktur Forschungsprojekte, Dissertationen und Diplomarbeiten Relevante Informationen und Dokumente zur Fachdidaktik sind in zahlreichen Organisationsund Subeinheiten der Universität zu finden. Es war daher Aufgabe dieses Projekts, schriftliche Dokumente aber auch Grafiken und Bilder, die im Zusammenhang mit der fachdidaktischen Forschung sowie der fachdidaktischen Ausbildung der Lehramtsstudierenden stehen, zu bündeln und dadurch einer übergreifenden Analyse zugänglich zu machen. Der dafür gewählte methodologische Rahmen hat seine Quellen einerseits in der Diskursanalyse von Institutionen und öffentlichen Bereichen (Wodak/Koller 2008)2, insbesondere aber im „linguistic landscaping“, einem rezenten soziolinguistischen Ansatz, der komplexe – vor allem urbane – Sprachräume in ihrer Vielfalt zu kartieren versucht und seinerseits von Ansätzen der Urbangeografie inspiriert ist.3 Für das hier unternommene „fachdidaktische Landscaping“ wurde als Forschungsinstrument ein Recherchekatalog erstellt, der folgende Kapitel umfasst: 1. Studienpläne und Prüfungsordnungen 2. Vorlesungsverzeichnis, Beschreibungen von Lehrveranstaltungen 3. Infos für und von Studierenden (Homepages, Folder, Broschüren, Poster, …) 4. Sonstiges (Beschilderung, Bilder) Der mit spezifischen Subfragen ausdifferenzierte, detaillierte Recherchekatalog wurde an allen 14 beteiligten Organisations- und Subeinheiten abgearbeitet und lieferte so in Form einer Meta-Dokumentenanalyse (vgl. Wolff 2008) eine fachdidaktik-spezifische Dokumentensammlung zu den 19 in der Forschungsplattform abgebildeten Fächern. Ebenfalls erhoben wurden numerische Daten zum Forschungsgegenstand, allerdings konnte das universitätsinterne Berichtssystem tatsächlich nur Zahlen für eine Frage liefern, nämlich die nach den Studierendenzahlen. Diese Tatsache allein stellt unseres Erachtens ein nicht unerhebliches Indiz dafür dar, wie diffus die institutionelle Situation der Fachdidaktiken an der Universität ist. Darüber hinausgehende, für die Beantwortung der Forschungsfragen nötige Fakten wurden vom Forschungsteam in Form zweier forschungsplattform-interner Datenbanken zusammengetragen. Die in der Folge dargestellten Ergebnisse beruhen somit auch auf drei Datenbanken, die Informationen zu folgenden Themen bündeln: 2 3 Vgl.auch Bortz/Döring 2005, 325-326. Vgl. z.B. Shohamy/Gurter 2009. 14.05.2016 2 1. Studierendenzahlen 2. Forschungsdokumentation: Diplomarbeiten, Dissertationen, Projekte 3. Personaldokumentation: in der Fachdidaktik tätige Personen Die Datenerhebung wurde Anfang 2010 retrospektiv für die Jahre 2008–2009 durchgeführt. Seither eingetretene Entwicklungen werden, falls vorhanden, in der Diskussion der Ergebnisse berücksichtigt. Für die technisch simple Abfrage der Studierendenzahlen konnte jedoch ein längerer Zeitraum (2007–2010) berücksichtigt werden, sodass das zuletzt erfolgte äußerst dynamische Wachstum der Studierendenzahlen gut abgebildet werden kann. Wie bereits mehrfach angeklungen, stellt das System Universität kaum etablierte institutionelle Labels oder Kategorisierungen bereit, über die Fachdidaktik verlässlich zu erfassen wäre. Während also die Abfrage der Studierendenzahlen wegen der Existenz einer globalen Studienkennzahl „Lehramtsstudium“ sehr einfach war, ergaben sich bei der Erhebung anderer Datensorten Hürden. Eine genauere Darstellung der diesbezüglich gemachten Überlegungen und getroffenen Entscheidungen scheint angebracht und zwar nicht nur aus Gründen der methodischen Sauberkeit sondern auch im Sinne einer Erhellung systemimmanenter Gegebenheiten. Bereits bei der Erfassung der fachdidaktischen Lehrveranstaltungen ergab sich die erste Hürde: eine automatische Abfrage war unmöglich. Obwohl der Rahmenstudienplan des Lehramtsstudiums einheitlich 13 Semesterwochenstunden (SWS) für die Fachdidaktik vorsieht, obliegt es den einzelnen Fächern, wie sie die Lehrveranstaltungen ausgestalten (Lehrveranstaltungstypen, Lehrveranstaltungsgewichtung etc.) und in den Vorlesungsverzeichnissen darstellen. Zudem werden in manchen Fächern fachdidaktische Inhalte teilweise auch in Lehrveranstaltungen verfolgt, die nominell den fachwissenschaftlichen Teilen des Curriculums zuzuzählen sind; auch wenn dies keine weit verbreitete Praxis darstellt. Die relevanten Daten konnten daher nur durch ein qualitatives Verfahren gewonnen werden. Um fachdidaktische Lehrveranstaltungen zu erfassen, war eine individuelle Analyse des Lehrangebots pro Unterrichtsfach im Vorlesungsverzeichnis der Universität Wien für die Semester SS2008 bis WS2009/10 nötig. Da die ForscherInnen unmittelbare Kenntnis der jeweiligen Studienprogramme besaßen (die Erhebung wurde von den 14 ForschungsassistentInnen durchgeführt), war es möglich, alle Lehrveranstaltungen zu erfassen, die fachdidaktische Ziele und Inhalte umfassten. War bereits bei der Erfassung der fachdidaktischen Lehre Insiderwissen nötig, so war dieses bei der Erfassung des fachdidaktischen Personals in noch höherem Ausmaß gefordert. De facto bedarf es einiges an institutionellem Insiderwissen, um FachdidaktikerInnen innerhalb der Universität „sehen“ zu können, da sich diese hinter einer relativ großen Bandbreite institutioneller Labels und Organisationsformen verbergen. Anhand der zentralen inhaltlich-organisatorischen Schnittstelle der Universität, nämlich der Professur, kommt man nur bedingt weiter, denn die Zahl der Professuren für Fachdidaktik war zum Untersuchungszeitpunkt engt umgrenzt: Politische Bildung, Mathematik, Chemie, Physik und Biologie. Die drei letzteren entstanden im Rahmen der Einrichtung der AECCs Biologie, Chemie, Physik4, wobei es sich bei den AECCs um Kompetenzzentren mit nationalen Aufgaben handelt, die als Forschungsplattform neben der fakultären Organisationsebene agieren. Innerhalb der regulären Fakultätsstruktur gab es Ende 2009 daher lediglich zwei Professuren für Fachdidaktik. Allerdings wurden innerhalb der Fakultäten bzw. deren Subeinheiten seit 2005 mehrere Fachdidaktische Zentren ins Leben gerufen (Bewegung 4 Gegründet wurden die AECCs Biologie, Chemie und Physik im Jahr 2006 mittels einer Anschubfinanzierung durch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Die Professuren für die Didaktik der Chemie und die Didaktik der Physik wurden 2008 zunächst befristet auf zwei Jahre besetzt. Im Sommer 2010 wurden für beide Fächer unbefristete Professuren geschaffen. Die Professur für Didaktik der Biologie konnte zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht besetzt werden. Ebenfalls vakant ist die Professur für Politische Bildung. 14.05.2016 3 und Sport, Chemie, Deutsch, Englisch, Geografie, Geschichte, Informatik, Philosophie), die vorerst so etwas wie eine Alternative zur Einrichtung einer wesentlich kostspieligeren Professur zu sein schienen. An manchen Stellen besteht auch die Organisationsform der Abteilung (Mathematik), mindestens ebenso häufig gibt es jedoch auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt Fächer, wo Fachdidaktik de facto institutionell unsichtbar bleibt. Kurzum, um zu einer flächendeckenden Erfassung von FachdidaktikerInnen zu kommen, war es notwendig, die fachdidaktische Lehre als Hebel einzusetzen. Im Folgenden wurden daher als FachdidaktikerIn jene Lehrende definiert, welche in fachdidaktischen Lehrveranstaltungen involviert sind (die Erhebungskriterien fachdidaktischer Lehrveranstaltungen wurden oben beschrieben). Die hier zum Einsatz kommende Definition von FachdidaktikerIn ist daher nicht nur performativ gefasst (im Sinne von „doing being a subject didactician“) 5, sondern auch eine sehr niederschwellige: FachdidaktikerIn ist, wer in der fachdidaktischen Lehre tätig ist. Dies bedeutet, dass keineswegs alle der hier als FachdidaktikerInnen erfassten Personen ihre berufliche Identität tatsächlich in der Fachdidaktik begründet sehen würden. Wiederum stellt die hier getroffene pragmatische methodische Entscheidung einen Befund zur systemischen Verfasstheit der Fachdidaktiken dar: die einzige Ebene universitärer Tätigkeit, auf der die Fachdidaktiken flächendeckend vertreten sind und sichtbar werden, ist die Lehre, die in der Hierarchie der Institution definitiv „unten“ angesiedelt ist. 3 Studierendenzahlen Eine Darstellung der Studierendenzahlen ist für die gegenständlich Untersuchung von großer Bedeutung, da für die Universität der Bereich Lehre einerseits einen fundamentalen Ressourcenfaktor, andererseits aber auch einen nicht unbeträchtlichen Teil ihres „Unternehmenszwecks“ darstellt. Gerade zum Zeitpunkt der Endredaktion dieses Beitrags befindet sich die Universität Wien anhand des Falles „BA Internationale Entwicklung“ in einer intensiven Diskussion um die für einen Ausbildungsgang notwendigen Personalressourcen. Eine direkte Parallele zwischen dem aktuellen Anlass und der LehrerInnenbildung an der Universität ziehen zu wollen, wäre unangebracht, dennoch sollten die hier dargestellten Ergebnisse insbesondere im Hinblick auf die Fachdidaktiken zu denken geben. Um die Entwicklung der Studierendenzahlen der Lehramtsfächer besser abbilden zu können, wurde, wie oben erwähnt, der Beobachtungszeitraum der Studie (2008–2009) auf die Jahre von 2007–2010 erweitert. Für die Berechnung wurde die durchschnittliche Zahl aktiver Studierender pro Semester herangezogen. Gemäß der durchschnittlichen Studierendenzahl können die 14 Fächer in drei Fächergruppen gruppiert werden. 5 Vgl. Pickering 1995. 14.05.2016 4 Abb. 1: Durchschnittliche Studierendenanzahl pro Semester (2007–2010) Die zahlenmäßig stärkste Gruppe umfasst die Fächer romanische Sprachen, Englisch, Geschichte, Deutsch. Sie wurden 2007–2010 von durchschnittlich 1400 bis 1500 Lehramtsstudierenden pro Semester inskribiert. An dieser Stelle sei jedoch angemerkt, dass die Studierendenanzahl der romanischen Sprachen Lehramtsstudierende von drei Fächern (Französisch, Spanisch und Italienisch) umschließt. Von diesen Fächern ist Französisch jenes, das von den meisten Studierenden belegt wird, während Italienisch die niedrigste Anzahl an Studierenden hat. Die niedrigsten Zahlen mit 30 bis 310 Studierenden finden sich in den Fächern Religion Evangelisch, Chemie, Religion Katholisch, Physik, Informatik und slawische Sprachen. Wie die romanischen Sprachen umfassen auch die slawischen Sprachen mehrere Lehramtsstudien: Russisch, Bosnisch/Kroatisch/Serbisch, Tschechisch und Slowenisch. Wie aus Abbildung 1 ersichtlich, ist Religion Evangelisch jenes Fach mit der geringsten Anzahl an Studierenden (30). Mit durschschnittlich 500 bis 700 Studierenden liegen die Fächer, Bewegung und Sport, Biologie, Mathematik und Geografie im mittleren Bereich. Prinzipiell ist in allen Fächern die Anzahl der Studierenden im Untersuchungszeitraum (WS2007–WS2010) deutlich gestiegen, nämlich um durchschnittlich 38%. In den Fächern Deutsch, Geschichte, Biologie und Geografie gab es mit einem Anstieg von über 50% den stärksten Zuwachs. Auch in den Fächern Englisch und Mathematik stieg die Studierendenzahl in dem betrachteten Zeitraum fast um die Hälfte an. Die Anzahl der Lehramtsstudierenden in den slawischen Sprachen, Bewegung und Sport, Physik, den romanischen Sprachen, Religion Evangelisch, Chemie, Informatik und Religion Katholisch stieg um 20 bis 31%. Den geringsten Zuwachs an Studierenden verzeichnet das Fach Religion Katholisch mit 14% (siehe Abbildung 2). 14.05.2016 5 Abb. 2: Anstieg der Studierendenzahlen WS2007 auf WS2010 in Prozent Wodurch ist dieser insgesamt starke Anstieg der Studierendenzahl begründet? Faktoren wie der akute LehrerInnenmangel an österreichischen Schulen und damit verbunden verbesserte Jobperspektiven sowie die Möglichkeit den Lehrerberuf je nach Fächerkombination in verschiedenen Ländern ausüben zu können, mögen hierbei eine Rolle spielen. 4 Lehrveranstaltungen Insgesamt wurde für den Untersuchungszeitraum 2008–2009 (vier Semester SS2008– WS2009/10) ein Lehrveranstaltungsdatensatz von 1.184 Lehrveranstaltungen der in der Studie vertretenen Lehramtsstudien erfasst. Die quantitativen Daten geben im Fächervergleich Aufschluss darüber, wie sich die einzelnen Fachdidaktiken über ihre Lehre positionieren. Die Ergebnisse machen Differenzen sichtbar, die durch die qualitative Analyse der Studienpläne und Lehrveranstaltungsbeschreibungen im Detail noch präzisiert werden können. Wie Abbildung 3 zeigt, variiert die Zahl der fachdidaktischen Lehrveranstaltungen zwischen den Fächern beträchtlich, obwohl in allen Lehramtsfächern besagte 13 SWS Fachdidaktik zu absolvieren sind. So entfallen ganze 22% des gesamten fachdidaktischen Lehrveranstaltungsangebots im Untersuchungszeitraum auf Bewegung und Sport. 14.05.2016 6 Abb. 3: Anteil des Lehrveranstaltungsangebotes der einzelnen Fächer am gesamten fachdidaktischen Lehrveranstaltungsangebot in Prozent (N=1.184) Die unterschiedlichen Anteile an der Gesamtheit der erfassten Lehrveranstaltungen ergeben sich zum einen durch die differierenden Studierendenzahlen, zum anderen durch die angebotenen Lehrveranstaltungstypen (Vorlesung oder Seminar etc.), die unterschiedlich große Lerngruppen ermöglichen. Zudem beeinflusst auch die Anzahl der SWS, die für die einzelnen Lehrveranstaltungen veranschlagt werden, das Ergebnis. Die auffallend große Anzahl an Lehrveranstaltungen im Fach Bewegung und Sport ergibt sich durch die fachdidaktischen Anteile, die in den Praxiseinheiten der unterschiedlichen Sportarten integriert sind. Die Spitzen in den Fächern Deutsch und Englisch liegen nicht nur an der großen Anzahl an Studierenden, sondern begründen sich auch darin, dass keine Vorlesungen im Bereich der Fachdidaktik vorgesehen sind. Auffallend viele Lehrveranstaltungen werden in Mathematik angeboten, vor allem wenn berücksichtigt wird, dass ein Großteil der Lehrveranstaltungen durch Vorlesungen abgedeckt wird. Das liegt daran, dass hier neben der mindestens 13 SWS fachdidaktischer Lehre zusätzliche Lehrveranstaltungen aus dem Bereich der Schulmathematik angeboten werden. Religion Evangelisch hat im Verhältnis zu den geringen Studierendenzahlen relativ viele Lehrveranstaltungen. Dort werden im Bereich der Fachdidaktik allerdings auch Lehrveranstaltungen aus der Religionspädagogik angeboten. Insgesamt ist festzustellen, dass sich die Anzahl der Lehrveranstaltungen keineswegs proportional zur Anzahl der Studierenden verhält (vgl. Abb. 1 und Abb. 3). Studien mit einer großen Anzahl an Studierenden bieten im Vergleich zu kleineren Studiengängen verhältnismäßig deutlich weniger fachdidaktische Lehrveranstaltungen an. Das wirkt sich direkt auf die Vielfalt des Angebots aus, auf die Größe der LernerInnengruppen in den einzelnen Lehrveranstaltungen wie auch auf das Betreuungsverhältnis zwischen Studierenden und Lehrenden. Die nächste Abbildung (4) liefert einen Überblick über die unterschiedlichen Lehrveranstaltungstypen, wie sie an der Universität Wien im Bereich der Fachdidaktik angeboten werden. Zu berücksichtigen ist dabei, dass durch die im Studienplan erfolgte Wahl eines bestimmten Lehrveranstaltungstypus auch gewisse Lehr- und Lernformen, die dort zum Einsatz kommen, favorisiert oder auch ausgeblendet werden. 14.05.2016 7 Abb. 4: Angebotene Lehrveranstaltungstypen in Prozent (N=1.184) (UE=Übung, SE=Seminar, VO=Vorlesung, VU=Vorlesung verbunden mit Übung, PS=Proseminar, AR=Arbeitsgemeinschaft, PR=Praktikum, KU=Kurs, GK=Grundkurs, PK=Projektkurs, KO=Konversatorium, PU=Praktische Übung, SA+SP= Schulpraktikum mit schriftlicher Abschlussarbeit An der Universität Wien werden im Bereich der Fachdidaktik zum Großteil die traditionellen universitären Lehrveranstaltungstypen wie Übungen, Seminare und Vorlesungen angeboten. Zudem gibt es auch eine beachtliche Menge an anderen Lehrveranstaltungstypen, die fachspezifische Unterrichtsformen berücksichtigen. In Bewegung und Sport gibt es z.B. aufgrund der Sportartenvielfalt Spezialisierungslehrveranstaltungen, in Chemie ein Praktikum für Schulversuche etc. Knapp ein Drittel der Lehrveranstaltungen wird durch Übungen abgedeckt. Bei diesem Veranstaltungstypus stehen die Vermittlung von Fertigkeiten und die Entwicklung von Kompetenzen im Vordergrund. Ein Fünftel der fachdidaktischen Lehrveranstaltungen wird in Form von Seminaren abgehalten. Wie sehr durch Seminare auch die Forschungsorientierung der Fachdidaktik betont wird, hängt von der jeweiligen Gestaltung der Lehrveranstaltung ab. Wesentlich ist festzuhalten, dass Lehrveranstaltungen, in denen wissenschaftliche Seminararbeiten entstehen, eine wichtige Voraussetzung für die Einübung in fachdidaktische Forschung bilden. Welchen Stellenwert Vorlesungen im Bereich der einzelnen Fachdidaktiken einnehmen, wird in folgender Abbildung (5) dargestellt: Abb. 5: Prozentualer Anteil von Vorlesungen an den fachdidaktischen Lehrveranstaltungen pro Fach (2008–2009) 14.05.2016 8 Etwa 10% der fachdidaktischen Lehre an der Universität Wien werden durch Vorlesungen abgedeckt. Dieser Lehrveranstaltungstypus findet sich insbesondere in den naturwissenschaftlichen Fächern. In einem Drittel der fachdidaktischen Lehrveranstaltungen in Chemie und Mathematik werden Inhalte frontal unterrichtet. Die Unterrichtsfächer Deutsch und Englisch setzen hingegen auf eine vorlesungsfreie Fachdidaktik. Diese Vorgehensweise lässt sich aber keineswegs aus der Fächerlogik erklären, denn in den Sprachfächern im Bereich der romanischen und slawischen Sprachen werden überdurchschnittlich oft Vorlesungen eingesetzt. Abbildung 5 verdeutlicht zudem, dass in Religion Evangelisch trotz einer Studierendengesamtzahl, die kaum die Größe einer Übungsgruppe überschreitet, vermehrt auch Vorlesungen einsetzt werden. Neben den Gegebenheiten und pragmatischen Erfordernissen, die aus den Studierendenzahlen erwachsen, spiegeln sich hier wohl auch unterschiedliche zugrundeliegende Konzepte und Theorien bezüglich der Entwicklung von Professionswissen. 5 Personalstruktur Gemäß dem im Methodenteil dargestellten Kriterium, dass als FachdidaktikerIn jene klassifiziert werden, welche eine fachdidaktische Lehrveranstaltung leiten, wurden im Untersuchungszeitraum im Personaldatensatz 375 Personen unterschiedlicher Fachrichtungen als FachdidaktikerInnen erfasst. Die folgenden beiden Abbildungen beschreiben die Gliederung des Personals der untersuchten Fächer. Die erste Abbildung (9) zeigt den Anteil des erfassten fachdidaktischen Personals pro Fach im Bezug auf das Gesamtpersonal der Fachdidaktiken an der Universität. In der zweiten wird die Verteilung des Personals nach Geschlecht dargestellt. Abb. 6: Anteil der Fächer am fachdidaktischen Personal in Prozent (N=375) Der Vergleich des Personalstands der unterschiedlichen Fächer zeigt, dass Geschichte (22%) und Bewegung und Sport (13%) deutlich mehr fachdidaktisches Personal aufweisen als andere Fächer. Der höhere Personalanteil in den beiden Fächern ist nicht über höhere Studierendenzahlen zu erklären. Hintergrund des Personalbedarfs ist einerseits der spezifische Aufbau des Studiums, andererseits die gewählte Struktur der Lehrveranstaltungen. Im Fach 14.05.2016 9 Geschichte werden z.B. fachdidaktische Lehrveranstaltungen zumeist von zwei bis drei LeiterInnen betreut, je eine/r aus Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Schulpraxis. Im Fach Bewegung und Sport enthalten sehr viele Praxis-Lehrveranstaltungen sportdidaktische Anteile, wodurch sich die hohe Personaldichte erklärt. Die geschlechtsspezifische Gliederung des Personals zeigt, dass es beim fachdidaktischen Personal insgesamt einen leichten Überhang der männlichen Mitarbeiter gibt (56%). Abb. 7: Verteilung des Personals nach Geschlecht in Prozent Zwischen den Fächern zeigen sich hinsichtlich des Geschlechts des Personals starke Differenzen. Insbesondere in den Sprachfächern (Deutsch, Englisch, romanische Sprachen, slawische Sprachen) sind im Vergleich zum Durchschnitt auffällig mehr Frauen vertreten. Im Gegensatz dazu weisen die naturwissenschaftlichen Fächer – insbesondere Chemie – einen deutlich unterdurchschnittlichen Frauenanteil auf. 5.1 Qualifikationen Die Personalstruktur der Fächer wurde auch hinsichtlich der durch die MitarbeiterInnen erworbenen Qualifikationen untersucht, was ein engeres und damit präziseres Kriterium darstellt, will man die Etablierung der Fachdidaktiken innerhalb der Institute feststellen. Die Qualifikation des fachdidaktischen Personals wird einerseits über die erbrachten Qualifikationsarbeiten (Diplomarbeit – Doktorat – Habilitation) erfasst, andererseits über die Frage, ob die jeweils letzte Qualifikationsarbeit zu fachdidaktischen Fragestellungen verfasst wurde. Fast die Hälfte des fachdidaktischen Personals sind Lehrende ohne Doktorrat – in der Folge kurz „Praedocs“ genannt (44%). Nur rund ein Viertel (24%) der in der Fachdidaktik Tätigen haben ein Doktorat, 32% sind habilitiert (die hohe Anzahl der Habilitierten erklärt sich aus der Einbeziehung von habilitierten FachwissenschaftlerInnen in die fachdidaktische Lehre). 14.05.2016 10 Abb. 8: Personal nach der Qualifikation in Prozent pro Fach Betrachtet man die erworbenen Qualifikationen des Personals nach Geschlecht, zeigt sich, dass der Frauenanteil mit zunehmender Höhe der Qualifikationen immer geringer wird. Während bei Praedocs Frauen die Mehrheit des fachdidaktischen Personals bilden (59%) überwiegt beim habilitierten Personal der Anteil der Männer (80%) deutlich, was den universitätsweiten Verhältnissen entspricht6. Abb. 9: Qualifikation des Personals nach Geschlecht in Prozent Nur wenige der Qualifikationsarbeiten des Personals (17%) behandeln eine fachdidaktische Fragestellung. Das Verhältnis fachdidaktischer zu fachwissenschaftlichen Qualifikationsarbeiten unterscheidet sich zudem von Fach zu Fach erheblich. Während beispielsweise die überwiegende Zahl der Arbeiten der MathematikdidaktikerInnen eine fachdidaktische Themenstellung behandelt (64%), sind in den Sprachfächern gar keine oder nur wenige fachdidaktische Arbeiten zu finden. 6 Vgl. Abteilung Frauenförderung und Gleichstellung der Universität Wien. 2011. „Gender im Fokus: Frauen und Männer an der Universität Wien“. http://personalwesen.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/pers_frauen/gender_im_fokus_WEB_01.pdf 14.05.2016 11 Abb. 10: Prozentualer Anteil des Personals mit fachdidaktischen Qualifizierungsarbeit pro Fach Grob lassen sich über den Anteil fachdidaktischer Qualifikationsarbeiten drei Fächergruppen bilden. Während in Mathematik, Informatik, Religion Evangelisch, Bewegung und Sport und Physik ein höherer Anteil fachdidaktischer Arbeiten festzustellen ist, ist der Anteil bei Geografie, romanische Sprachen, Englisch, Chemie und Geschichte unterdurchschnittlich. Die dritte Gruppe (Deutsch, slawische Sprachen, Biologie und Religion Katholisch) ist besonders auffällig, da beim erfassten Personal keine fachdidaktischen Qualifikationsarbeiten aufscheinen. 5.2 Beschäftigungsverhältnis und –ausmaß Die FachdidaktikerInnen wurden auch hinsichtlich ihres Beschäftigungsverhältnisses und ausmaßes untersucht. Es wurde dabei zwischen FachdidaktikerInnen unterschieden, die (1) vollbeschäftigt an der Universität lehren und forschen, die (2) an der Universität vollbeschäftigt sind, jedoch nur in der Lehre eingesetzt werden, die (3) von anderen Institutionen dienstzugeteilt sind – mitverwendete LehrerInnen oder andere Teilzeitbeschäftigte (TZ), die parallel an Schulen unterrichten – und die (4) im Rahmen von Lehraufträgen mit einzelnen Lehrveranstaltungen betraut werden. Die Analyse der Beschäftigungsverhältnisse zeigt, dass mehr als die Hälfte des fachdidaktischen Personals über Lehraufträge beschäftigt ist. Personen, die voll an der Universität oder über Mitverwendung bzw. Teilzeit angestellt werden, spielen eine untergeordnete Rolle. Der Anteil der nur in der Lehre tätigen Vollangestellten bleibt mit 2% relativ unbedeutend. Nur in den Sprachfächern (Englisch, romanische Sprachen, slawische Sprachen) sowie im Fach Bewegung und Sport gibt es Vollanstellungen, die auf die Lehre beschränkt sind, sodass hier die Forschung marginalisiert wird. Die Fächer Mathematik, Englisch und Biologie weisen einen höheren Anteil bei voll an der Universität Beschäftigten auf. Auffallend gering (unter 20%) ist der Anteil der voll an der Universität Beschäftigten in den Fächern Deutsch, Bewegung und Sport, Slawistik und Religion Evangelisch. 14.05.2016 12 Der Anteil des Personals, das über Mitverwendung oder Teilzeit angestellt ist, ist in den Fächern slawische Sprachen und Mathematik sowie in Biologie und Physik im Vergleich zum Durchschnitt auffallend hoch. Abb. 11: Beschäftigungsverhältnis des Personals pro Fach in Prozent Bezogen auf die Beschäftigungsverhältnisse zeigen sich deutliche Diskrepanzen zwischen den Geschlechtern. Voll an der Universität beschäftigt sind überwiegend Männer (70%). Dies dürfte in Zusammenhang mit den Qualifikationen des Personals stehen, da Männer häufiger habilitiert sind und an der Universität vorwiegend Habilitierte eine Vollanstellung erhalten. Voll an der Universität aber nur in der Lehre beschäftigtes Personal, welches sich fast ausschließlich in Sprachfächern findet, ist zu 78% weiblich. Auch Teilzeitbeschäftigte bzw. Mitverwendete sind zum größeren Anteil Frauen (68%). Die quantitativ größte Gruppe, die des Personals mit Lehrauftrag, weist einen leichten Überhang an weiblichen Personen auf (53%). Abb. 12: Beschäftigungsverhältnis des Personals nach Geschlecht in Prozent 5.3 Tätigkeitsfelder der FachdidaktikerInnen Da – wie bereits ausgeführt – der Typus „vollbeschäftigte/r HochschullehrerIn mit fachdidaktischer Forschung und Lehre“ die absolute Minderheit darstellt, wird im Folgenden 14.05.2016 13 untersucht, in welchen Tätigkeitsfeldern das Personal in den Fachdidaktiken hauptsächlich arbeitet. Im Vorfeld der Datenerfassung wurden fünf Tätigkeitsfelder definiert: Fachdidaktik, Fachwissenschaft, Schule, externe ExpertInnen und Bildungswissenschaft. Bei der Erfassung waren Mehrfachnennungen möglich, da viele Personen in mehreren Bereichen tätig sind. Die Übersicht zeigt deutlich, dass das Personal in den Fachdidaktiken selten ausschließlich im fachdidaktischen Bereich an der Universität arbeitet und dass ein großer Teil des Personals auch außeruniversitär beruflich tätig ist. Bei nur etwas mehr als der Hälfte der Erfassten (52%) wurde Fachdidaktik überhaupt als wichtiges Tätigkeitsfeld eingestuft. Der hohe Anteil (44%) an fachwissenschaftlicher Tätigkeit zeigt, dass beim universitätsinternen Personal in den Fachdidaktiken eine starke Überschneidung mit den fachwissenschaftlichen Bereichen gegeben ist. Darüber könnte sich auch der eher geringe Anteil von fachdidaktischen Qualifikationsarbeiten erklären. 36% des Personals hat eines seiner Tätigkeitsfelder auch an Schulen. Die Felder externe ExpertInnen (v.a. an Pädagogischen Hochschulen und Volkshochschulen) und Bildungswissenschaft bilden kleinere Personengruppen. Abb. 13: Tätigkeitsfelder des in der fachdidaktischen Lehre tätigen Personals in Prozent Beim habilitierten Personal bilden die FachwissenschaftlerInnen und BildungswissenschaftlerInnen die größten Gruppen, während LehrerInnen und externe ExpertInnen in dieser Kategorie kaum vertreten sind (siehe Abb 17). Dieser Umstand ist auch damit zu erklären, dass nahezu alle Habilitierten voll an der Universität beschäftigt sind. Bei Postdocs überwiegen externe ExpertInnen. Unter den Praedocs finden sich die LehrerInnen des Sekundarschulbereichs in der Mehrheit. 14.05.2016 14 Abb. 14: Qualifikation des Personals in Prozent bezogen auf die jeweiligen Tätigkeitsfelder Werden die Tätigkeitsfelder in Beziehung zum Beschäftigungsausmaß gesetzt, können folgende Ergebnisse sichtbar gemacht werden. Im Feld Fachwissenschaft überwiegt mit 62% die Gruppe der voll an der Universität Beschäftigten. Auch im Tätigkeitsfeld Bildungswissenschaft ist diese Gruppe überdurchschnittlich repräsentiert, es überwiegt hier jedoch trotzdem die Personalgruppe mit Lehraufträgen. Dies ist ein Indiz dafür, dass die interfakultäre Zusammenarbeit unter dem Stammpersonal der Bildungswissenschaften und Fachdidaktiken zurzeit wenig ausgeprägt ist. Innerhalb des Tätigkeitsfeldes Fachdidaktik sind Personen mit Lehraufträgen die größte Gruppe. Abb. 15: Art der Beschäftigungsverhältnisse in Prozent bezogen auf die jeweiligen Tätigkeitsfelder 5.4 Lehrveranstaltungen nach LehrveranstaltungsleiterInnen Der folgende Abschnitt verknüpft die Einsichten aus der Untersuchung der Lehrveranstaltungen mit jener der Personalstruktur. Insbesondere in dieser Verschränkung 14.05.2016 15 werden einerseits die Unterschiede zwischen einzelnen Fachdidaktiken deutlich, andererseits treten auch eklatante Strukturmängel hervor, die unmittelbare Auswirkungen auf die Möglichkeiten für eine flächendeckend forschungsgeleitete Lehre haben. Folgende Abbildung (16) differenziert Lehrveranstaltungen im Bezug auf das Beschäftigungsverhältnis ihrer LeiterInnen (Für eine Definition der Klassifikation siehe 5.2). Abb. 16: Beschäftigungsverhältnisse von LehrveranstaltungsleiterInnen in Prozent bezogen auf fachdidaktische Lehrveranstaltungen pro Fach Ein Drittel der fachdidaktischen Lehrveranstaltungen an der Universität Wien wird von Lehrenden gehalten, die an der Universität vollbeschäftigt und dort neben der Lehre auch forschend tätig sind. Die Situation in den einzelnen Fächern gestaltet sich dabei recht unterschiedlich. In Biologie und Chemie wird die fachdidaktische Lehre überwiegend von Personen getragen, die ausschließlich an der Universität beschäftigt sind. Hingegen werden die fachdidaktischen Lehrveranstaltungen in Deutsch und in den romanischen Sprachen fast ausschließlich durch externe Lehraufträge abgedeckt. Ähnlich gestaltet sich die Situation in den Fächern Bewegung und Sport, Englisch, slawische Sprachen und Religion Katholisch. Auffallend ist, dass gerade in den Fächern mit einer großen Anzahl an Studierenden im Bereich der Fachdidaktik der größte Teil der Lehre über Lehraufträge abgedeckt wird. Vor allem die Fächer der kulturwissenschaftlich-philologischen Fakultät sind davon besonders betroffen. Die nächste Abbildung (17) differenziert die Lehrveranstaltungen nach der wissenschaftlichen Qualifikation der Lehrenden. Unterschieden wird zwischen LehrveranstaltungsleiterInnen, die (1) kein bzw. (2) ein Doktorat haben und die (3) habilitiert sind. Die Zahlen geben allerdings keinen Aufschluss darüber, ob die Qualifikationen auch im Bereich der jeweiligen Fachdidaktik gewonnen wurden. Dazu wurde jedoch bereits in Abschnitt 5.1 berichtet. 14.05.2016 16 Abb. 17: Unterschiedliche Qualifikationen der LehrveranstaltungsleiterInnen in Prozent bezogen auf fachdidaktische Lehrveranstaltungen pro Fach Jene Fächer, in denen die fachdidaktische Lehre zum Großteil durch externe Lehraufträge abgedeckt wird, sind es auch, in denen der Anteil der Praedocs am größten ist. Bei der Betrauung mit der fachdidaktischen Lehre scheint dort weniger die wissenschaftliche Qualifikation, als die schulpraktische Erfahrung der LehrveranstaltungsleiterInnen entscheidend zu sein. In diesen Fächern fehlt es oft an Personen, die sich weiter qualifiziert haben. Insbesondere mangelt es an Habilitierten, die die Studierenden bei fachdidaktischen Diplomarbeiten und Dissertationen betreuen könnten. In den Fächern Englisch und Deutsch sind die habilitierten LehrveranstaltungsleiterInnen sogar ausschließlich GastprofessorInnen, die nur für ein oder zwei Semester an der Universität beschäftigt werden. Eine Betreuungskontinuität ist dadurch nicht gegeben. Die naturwissenschaftlichen Fächer hingegen weisen einen hohen Anteil an Lehrenden auf, die auch habilitiert sind; in der Regel ist es über die Hälfte der Lehrenden. Habilitierte mit fachdidaktischer Venia bilden jedoch eine Minderheit. Diese Ergebnisse signalisieren einen dringlichen Handlungsbedarf in der Personalentwicklung der Universität Wien im Bereich der Fachdidaktiken, insbesondere in den Sprachfächern. Die nächste Abbildung (18) zeigt, ob die LehrveranstaltungsleiterInnen ihre wissenschaftliche Sozialisation im Bereich der Fachdidaktik erworben haben, d.h. ob sie ihre eigenen Diplomarbeiten, Dissertationen bzw. Habilitationsschriften zu einer fachdidaktischen Fragestellung verfasst haben: 14.05.2016 17 Abb. 18: Prozentualer Anteil der Lehrveranstaltungen, die von LeiterInnen mit fachdidaktischer Qualifikation angeboten werden Nur knapp ein Viertel der fachdidaktischen Lehrveranstaltungen wird von Lehrpersonen mit fachdidaktischer Qualifikationsarbeit gehalten. Die Lehrenden haben zumeist ihre Qualifikationsschriften zu fachwissenschaftlichen Fragestellungen verfasst. Das zeigt die nach wie vor bestehende Dominanz der Fachwissenschaften über die Fachdidaktiken im akademischen Feld. In den Fächern Deutsch, slawische Sprachen, Biologie und Religion Katholisch gibt es keine Lehrenden mit fachdidaktischer wissenschaftlicher Qualifikationsarbeit, in den Fächern Geschichte, Englisch und Chemie nur vereinzelt. Eine Ausnahme bilden die Fächer Mathematik, Religion Evangelisch und Informatik, wo mehr als zwei Drittel der Lehrenden eine fachdidaktische Qualifizierungsarbeit verfasst haben. Wenn die Lehrenden, die das Prüfungsfach vertreten, über keine höhere akademische Qualifikation in der Fachdidaktik verfügen, dann lässt sich vermuten, dass es in diesen Fächern auch an akademischer Profilierung der Fachdidaktik fehlt. Aufgrund dieser Situation können die Fachdidaktiken in den meisten Fächern kaum Qualifizierungsmöglichkeiten für den eigenen Nachwuchs bieten. 6 Forschung: Diplomarbeiten, Dissertationen, Projekte Der folgende Abschnitt soll die strukturellen Bedingungen der Fachdidaktiken an der Universität Wien im Bereich der Forschung über die unmittelbare Personalsituation hinaus näher durchleuchten. Im Speziellen fragten wir nach der Zahl der Qualifikationsarbeiten (Diplomarbeiten, Dissertationen) und Drittmittelprojekte im Bereich der Fachdidaktik sowie nach möglichen Zusammenhängen zwischen diesen Bereichen. In den Jahren 2008 und 2009 wurde an jeder der 14 in der Forschungsplattform vertretenen Fachdidaktiken zumindest eine fachdidaktische Diplomarbeit verfasst. Wie aus Abbildung 19 zu erkennen ist, sind Mathematik (35), Bewegung und Sport (28) und romanische Sprachen (27) jene Fächer, in denen die höchste Anzahl an fachdidaktischen Diplomarbeiten verfasst wurde. Im gleichen Zeitraum verfassten Studierende an den Instituten für Religion Evangelisch und slawische Sprachen jeweils zwei fachdidaktische Abschlussarbeiten. 14.05.2016 18 Abb. 19: Anzahl der Fadidaktik-Diplomarbeiten pro Fach Die Annahme, dass in den Fächern mit den meisten fachdidaktischen Diplomarbeiten auch die meisten Dissertationen mit fachdidaktischem Schwerpunkt geschrieben wurden, lässt sich nicht bestätigen. Zwar ist Mathematik auch das Fach mit den meisten fachdidaktischen Dissertationen (3), in Bewegung und Sport hingegen wurde im Beobachtungszeitraum keine Dissertation abgeschlossen. Auch in den Fächern Biologie, Chemie, Englisch, Geografie, slawische Sprachen und romanische Sprachen wurde in den Jahren 2008–2009 keine fachdidaktische Dissertation abgeschlossen. In Informatik, Deutsch, Physik, Religion Evangelisch und Religion Katholisch wurde jeweils eine fachdidaktische Dissertation geschrieben. An dieser Stelle ist anzumerken, dass es uns im Rahmen dieser Untersuchung nicht möglich war, festzustellen, wie viele fachdidaktische Dissertationen an jedem der 14 Institute aktuell (2012) in Arbeit sind. Im Rahmen von Befragungen der Mitglieder des Teilprojekts Dokumentenanalyse konnte allerdings festgestellt werden, dass an den Instituten für Englisch und romanische Sprachen jeweils acht, am AECC Chemie fünf und am Institut für Geografie drei Dissertationen in Arbeit sind, welche sich mit fachdidaktischen Fragestellungen auseinandersetzen. Somit ist in den eben genannten Fächern ein deutlicher Anstieg an fachdidaktischen Dissertationen zu bemerken, sie waren jedoch im Untersuchungszeitraum noch in Arbeit. Ein positiver Zusammenhang zwischen der Anzahl an fachdidaktischen Abschlussarbeiten und der Häufigkeit fachdidaktischer Projekte konnte nicht eindeutig festgestellt werden, auch wenn beide Indikatoren am Vorhandensein von einschlägig qualifizierten ForscherInnen hängen. So wurden die meisten fachdidaktischen Projekte am Institut für Physik (11) bearbeitet, gefolgt von den Instituten für Biologie (10) und Deutsch (8). Diese Institute liegen jedoch bei der Anzahl an fachdidaktischen Abschlussarbeiten eher im Mittelfeld. An den Instituten für romanische Sprachen, Religion Katholisch und slawische Sprachen wurde im Beobachtungszeitraum außer der Forschungsplattform Fachdidaktik kein drittmittelgefördertes fachdidaktisches Projekt bearbeitet, zumindest in den romanischen Sprachen ist jedoch die Anzahl an fachdidaktischen Diplomarbeiten beachtlich. Die restlichen Institute liegen mit je 4 bis 6 fachdidaktischen Drittmittelprojekten im Beobachtungszeitraum im Mittelfeld. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Art der Drittmittelförderung. Insgesamt wurden in den Jahren 2008–2009 an den 14 der Forschungsplattform Fachdidaktik angehörenden Sub/Organisationseinheiten 62 drittmittelgeförderte fachdidaktische Projekte durchgeführt. Wie aus der folgenden Grafik ersichtlich, wurden 20 Projekte (entspricht 32,26% aller Projekte) von der Universität Wien einschließlich der betreffenden Fakultäten finanziert. 16 Projekte (entspricht 25,8% aller Projekte) wurden vom BMUKK 14.05.2016 19 (Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur) gefördert. 12 Projekte (19,4%) wurden von der EU unterstützt. Sechs Projekte (9,7%) wurden von sonstigen Institutionen wie beispielsweise Elternvereinen, Partneruniversitäten (z.B.: Ludwig- Maximilians-Universität München) u. Ä. finanziell gefördert. Fünf Projekte (8,1%) wurden vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (BMWF) gesponsert. Drei Projekte (4,8%) wurden von den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) unterstützt. Abb. 20: Anzahl der finanzierten Projekte nach geldgebenden Institutionen Untersucht wurde auch ein möglicher Zusammenhang zwischen der Zahl an fachdidaktischen Projekten und Arbeiten mit der Zahl an habilitiertem Personal, wobei keine eindeutige Beziehung festgestellt werden konnte. Für das Fach Biologie ist – in absoluten Zahlen – neben der zweithöchsten Anzahl an habilitiertem Personal (11) auch die zweithöchste Zahl fachdidaktischer Projekte (10) zu finden. Die meisten fachdidaktischen Projekte (11) wurden am Institut für Physik initiiert, das auch die drittmeisten Habilitierten vorzuweisen hat. Anders stellt sich der Zusammenhang jedoch an den Instituten für Geschichte bzw. Deutsch und Mathematik dar. So gibt es an der Geschichte zwar die meisten habilitierten Fachdidaktiklehrenden (28), allerdings wurden hier weder die meisten fachdidaktischen Abschlussarbeiten verfasst, noch ist die Anzahl an Forschungsprojekten besonders hoch. Am Institut für Mathematik wiederum wurde im Beobachtungszeitraum die höchste Zahl an fachdidaktischen Abschlussarbeiten (38) abgeschlossen, obwohl es nur sechs Habilitierte gibt. Interessant ist, dass am Institut für Germanistik, wo es keine einzige habilitierte Lehrperson im Bereich der Fachdidaktik für Deutsch als Muttersprache gibt, sieben Studierende ihre Diplomarbeit und ein(e) Studierende/r eine Dissertation im Bereich der Fachdidaktik abgeschlossen haben. Im Fach Deutsch findet sich die dritthöchste Anzahl an fachdidaktischen Forschungsprojekten. Durch Nachfrage bei den Projektgruppenmitgliedern sowie in den Abschlussarbeiten-Datenbanken konnte herausgefunden werden, dass sowohl im Fach Deutsch als auch im Fach Mathematik Postdocs durch die Studienprogrammleitungen mit der Betreuung von fachdidaktischen Diplomarbeiten betraut werden. Anders wäre die hohe Anzahl an fachdidaktischen Abschlussarbeiten und Projekten trotz einer derart niedrigen Anzahl an habilitierten Lehrpersonen nicht erklärbar. In einigen Fächern konnte ein Zusammenhang zwischen dem prozentualen Anteil der fachdidaktischen Qualifikationsarbeiten des Personals und der Anzahl an fachdidaktischen studentischen Abschlussarbeiten festgestellt werden. Im Fach Mathematik hat nicht nur die überwiegende Anzahl der LehrveranstaltungsleiterInnen (64%7) eine Qualifikationsarbeit im Bereich der Fachdidaktik verfasst, hier wurde auch die höchste Anzahl an Diplomarbeiten (35) und Dissertationen (3) abgeschlossen. Ein teilweise spiegelbildliches Ergebnis zeigt sich 7 Vgl. Abb. 8, S.11. 14.05.2016 20 jedoch für die romanischen Sprachen und Englisch: in Bezug auf fachdidaktische Qualifikationsarbeiten des Personals befinden sich beide Institute (je 10%) unter dem Durchschnitt (17%), allerdings wurde im Beobachtungszeitraum die dritt- (27) bzw. vierthöchste (21) Anzahl an fachdidaktikspezifischen Diplomarbeiten abgeschlossen. 7 Zusammenfassung und Ausblick Die vorliegende Analyse der strukturellen Rahmenbedingungen der Fachdidaktik an der Universität Wien stellt wichtige Basisinformationen zur Verfügung, um Stärken und Defizite im Kontext der Fachdidaktik zu identifizieren. Damit möchten die AutorInnen Impulse für eine evidenzbasierte Weiterentwicklung und Umstrukturierung der Fachdidaktik wie auch der Lehramtsausbildung an der Universität Wien setzen. Für den Untersuchungszeitraum 2008–2009 wurden 19 von 26 Lehramtsfächern untersucht und 375 Lehrende im Bereich Fachdidaktik erfasst. Diese Personenanzahl entspricht der Größenordnung einer Fakultät wie z.B. jener der Chemie. Das Personal der einzelnen Fachdidaktiken unterscheidet sich jedoch erheblich hinsichtlich der Zahl, des Qualifikationsniveaus und des vertraglichen Status. Auffallend ist in diesem Zusammenhang, dass die Anzahl des fachdidaktischen Personals eines Studiengangs nicht automatisch mit dessen Studierendenzahl korreliert. Daher kann die personelle Ausstattung der Fachdidaktik nach Studiengang nicht ausschließlich durch quantitative Notwendigkeiten erklärt werden. Die Ursachen hierfür liegen in den verschiedenen Schwerpunktsetzungen der einzelnen Studienpläne und in der unterschiedlich konstruierten Verschränkung der Fachwissenschaften mit der Fachdidaktik, aber auch in der unterschiedlichen Entschlossenheit verschiedener Fakultäten, die LehrerInnenbildung hinreichend ernst zu nehmen, um sie auch mit strukturell signifikanten Ressourcen auszustatten. Durchgehend zeigt sich, dass für universitäre Fachbereiche übliche Personalstrukturen (bestehend aus Professuren, Habilitierten, Postdocs, Praedocs, externe Lehre) in den einzelnen Fachdidaktiken kaum verwirklicht sind. Es fehlt vor allem an Vollbeschäftigten und an Personal mit fachdidaktikspezifischer Qualifizierung (Doktorat, Habilitation). Die Mehrzahl fachdidaktischer Lehrveranstaltungen wird von Personen mit Lehraufträgen oder mitverwendeten LehrerInnen geleitet (durchschnittlich 60% der Lehrveranstaltungen; in Extremfällen über 90%: Germanistik, Romanische Sprachen). In dieser Gruppe überwiegen Personen, die ihren beruflichen Schwerpunkt außerhalb des universitären Rahmens haben. Das akademische Qualifikationsniveau der in der Fachdidaktik Tätigen liegt großteils im Bereich des Magisteriums. Die in den Fachdidaktiken tätigen FachwissenschafterInnen weisen gegenüber dem restlichen Personal zwar ein höheres akademisches Qualifikationsniveau auf, ihre Forschungsleistungen sind aber nur bei wenigen im Bereich der Fachdidaktik angesiedelt. Dadurch kommt es zu einer Verfälschung der Statistik, scheinen doch diese FachwissenschafterInnen als universitär vollbeschäftige FachdidaktikerInnen auf, ohne dass ihre Stellen der Fachdidaktik gewidmet wären. Daraus lässt sich ableiten, dass fix angestelltes akademisch hochqualifiziertes Personal bei den fachdidaktischen Teilen des Studiums stark unterrepräsentiert ist. Eine Qualifikationsarbeit im Bereich der Fachdidaktik (und nicht der Fachwissenschaft) stellt vor allem unter den Habilitierten eine Ausnahme dar. Die Anzahl der Professuren ist im Verhältnis zur Größe des gesamten Fachbereichs der Fachdidaktiken äußerst bescheiden. Einschränkend wirkt zudem, dass ein Teil dieser wenigen Professuren Querschnittsmaterien (Politische Bildung, Sprachlehrlernforschung, Religionspädagogik) abdecken, die nicht unmittelbar und nur an eine spezifische Fachdidaktik gebunden sind. Aufgrund des Fehlens fachdidaktischer Professuren bleibt auch die Anzahl von fachdidaktischen Qualifikationsarbeiten der Studierenden relativ niedrig. So wurden im 14.05.2016 21 Untersuchungszeitraum lediglich acht Dissertationen im Bereich Fachdidaktik abgeschlossen. Die Dominanz des Personals fachwissenschaftlichen Ursprungs wird durch diese Rahmenbedingungen fortgeschrieben. Vergleicht man die Personalstruktur der beteiligten Fachrichtungen, so ergibt sich ein Zusammenhang mit der Anzahl fachdidaktischer Qualifikationsarbeiten. Somit ist davon auszugehen, dass eine Erhöhung des Personals mit fachdidaktischer Qualifikation auch eine Erhöhung des Outputs der fachdidaktischen Forschung bedeuten würde. Durch das Fehlen an fachdidaktische Professuren ist auch eine gezielte Nachwuchsförderung kaum möglich. Die dokumentierte enorme Heterogenität in der personellen Ausstattung der Fachdidaktiken (zahlenmäßig, das Qualifikationsniveau und die vertragliche Position der Lehrenden betreffend) zeigt die Notwendigkeit einer systematischen und zielorientierten Neustrukturierung zur Stärkung der Fachdidaktiken. Diese Neustrukturierung muss sich an den Zielen einer exzellenten LehrerInnenbildung und nicht zuletzt an den jeweiligen Studierendenzahlen in den einzelnen Fächern orientieren. Eine exzellente LehrerInnenbildung zeichnet sich insbesondere durch eine verschränkte Struktur aus, in der Inhalte und Methoden der verschiedenen Bezugswissenschaften in nachvollziehbar aufeinander aufbauenden und sich ergänzenden Lehrveranstaltungen angeboten werden. Voraussetzung für das Funktionieren eines solchen Curriculums sind eingespielte Teams von qualifizierten Lehrenden, die in enger Absprache über einen längeren Zeitraum gemeinsam für die Ausgestaltung der Lehre verantwortlich sind. Daher ist es bedenklich, dass in vielen Fächern ein Großteil der Lehrveranstaltungen von Lehrbeauftragten getragen wird. Weiters sollte es zu denken geben, dass es derzeit nur sehr wenige Professuren für Fachdidaktik gibt und fast die Hälfte der fachdidaktischen Lehrveranstaltungen von FachwissenschaftlerInnen gehalten wird. Eine Folge dieser ungünstigen Konstellation ist die relativ geringe Anzahl an fachdidaktischen Qualifikationsarbeiten, die betreut und abgeschlossen werden kann. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Trotz der zum Teil angespannten Personallage gelang es in elf Fächern insgesamt 62 drittmittelfinanzierte Forschungsprojekte zu etablieren. Um in Zukunft vermehrt evidenzbasierte Maßnahmen im Kontext des Lehrens und Lernens auf allen Ebenen des Bildungssystems setzten zu können, ist es notwendig, verstärkt in die fachdidaktische Forschung in Österreich zu investieren. In diesem Zusammenhang sind alle Forschungsförderinstitutionen aufgerufen, Programme für fachdidaktische Forschungs- und Entwicklungsförderung auszuschreiben, um das gegenüber anderen Nationen bestehende deutliche Defizit an Forschung im Bildungsbereich kontinuierlich abzubauen. Damit würden der Fachdidaktik in Österreich die notwendigen Rahmenbedingungen gegeben, um sich auch hier als forschende Disziplin zu etablieren und zu profilieren. Eine starke Fachdidaktik kommt sowohl der LehrerInnenaus- und -weiterbildung zugute als auch mittelfristig dem Bildungsstand der Bevölkerung. Es ist damit zu rechnen, dass bis 2025 die Hälfte der derzeit 120.000 LehrerInnen in Österreich in Pension gehen wird. In vielen Regionen Österreichs fehlen schon jetzt qualifizierte LehrerInnen insbesondere in den Fächern Chemie, Physik, Mathematik, Deutsch und Englisch. Erfreulicherweise nahm im Analysezeitraum der Jahre 2007–2010 die Anzahl der Lehramtsstudierenden an der Universität Wien durchschnittlich um 38% zu, mit jedoch erheblichen Unterschieden zwischen den einzelnen Fächern. Dennoch wird es mit den derzeitigen Absolventenzahlen kaum möglich sein, die entstehende Lücke zu schließen. Es ist dringend notwendig, das Lehramtsstudium inhaltlich und methodisch deutlich attraktiver zu gestalten, um damit hochmotivierte und vor allem geeignete Studierende gewinnen zu können. Zu leisten ist diese Qualitätssteigerung nur durch qualifizierte Forschende und Lehrende in angemessener Anzahl, evidenzbasiert konstruierte Curricula, angemessene räumliche und materielle Ausstattungen sowie Förderprogramme für die Qualifizierung von NachwuchswissenschaftlerInnen. 14.05.2016 22 8. Literatur Bortz, Jürgen; Döring, Nicola. 2005. Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Sozialwissenschaftler. Heidelberg: Springer. Grossmann, Wilfried; Vorderwinkler, Katharina. 2011. „Fachdidaktik an der Universität Wien: Ergebnisse einer Delphi Studie“, Vortrag bei: öfeb Tagung 2011, Salzburg. 27.-28.01.2011. Hinterlehner, Susanne; Zankl, Pamela; Dalton-Puffer, Christiane. 2012. Die Forschungsplattform Theory and Practice of Subject Didactics der Universität Wien. In: Barbara Hinger (Hsg.) Sprachen Lehren – Kompetenzen überprüfen. Tagungsband der ÖGSD Tagung 2011. Wien: Praesens. Pickering, Andrew. 1995. The mangle of practice: Time, agency and science. Chicago: University of Chicago Press. Shohamy, Elana; Gurter, Durk (Hsg.). 2009. Linguistic landscape: Expanding the scenery. New York: Routledge. Wodak, Ruth; Koller, Veronika (Hsg.). 2008. Handbook of communication in the public sphere. Berlin: Mouton de Gruyter. Wolff, Stephan. 2008. Dokumenten- und Aktenanalyse. In: Uwe Flick u. a. (Hsg.) Qualitative Forschung: Ein Handbuch. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 502-513. 9. Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Durchschnittliche Studierendenanzahl pro Semester (2007–2010) .............................. 5 Abb. 2: Veränderung der Studierendenzahlen WS2007 auf WS2010 in Prozent ..................... 6 Abb. 3: Anteil des Lehrveranstaltungsangebotes der einzelnen Fächer am gesamten fachdidaktischen Lehrveranstaltungsangebot in Prozent (N=1.184) ......................................... 7 Abb. 4: Angebotene Lehrveranstaltungstypen in Prozent (N=1.184) ....................................... 8 Abb. 5: Prozentualer Anteil von Vorlesungen an den fachdidaktischen Lehrveranstaltungen pro Fach (2008–2009) ................................................................................................................ 8 Abb. 6: Beschäftigungsverhältnisse von LehrveranstaltungsleiterInnen in Prozent bezogen auf fachdidaktische Lehrveranstaltungen pro Fach ........................................................................ 16 Abb. 7: Unterschiedliche Qualifikationen der LehrveranstaltungsleiterInnen in Prozent bezogen auf fachdidaktische Lehrveranstaltungen pro Fach ................................................... 17 Abb. 8: Prozentualer Anteil der Lehrveranstaltungen, die von LeiterInnen mit fachdidaktischer Qualifikation angeboten werden ................................................................... 18 Abb. 9: Anteil der Fächer am fachdidaktischen Personal in Prozent (N=375) ......................... 9 Abb. 10: Verteilung des Personals nach Geschlecht in Prozent .............................................. 10 Abb. 11: Personal nach der Qualifikation in Prozent pro Fach ............................................... 11 Abb. 12: Qualifikation des Personals nach Geschlecht in Prozent .......................................... 11 Abb. 13: Prozentualer Anteil des Personals mit fachdidaktischen Qualifizierungsarbeit pro Fach .......................................................................................................................................... 12 Abb. 14: Beschäftigungsverhältnis des Personals pro Fach in Prozent ................................... 13 Abb. 15: Beschäftigungsverhältnis des Personals nach Geschlecht in Prozent ...................... 13 Abb. 16: Tätigkeitsfelder des in der fachdidaktischen Lehre tätigen Personals in Prozent .... 14 Abb. 17: Qualifikation des Personals in Prozent bezogen auf die jeweiligen Tätigkeitsfelder .................................................................................................................................................. 15 Abb. 18: Art der Beschäftigungsverhältnisse in Prozent bezogen auf die jeweiligen Tätigkeitsfelder......................................................................................................................... 15 Abb. 19: Anzahl der Diplomarbeiten pro Fach ....................................................................... 19 Abb. 20: Anzahl der finanzierten Projekte nach geldgebenden Institutionen ......................... 20 14.05.2016 23