Rahmenbedingungen des Deutschunterrichts an russischen technischen Hochschulen: Fachsprache des Flugzeugbaus Dr. Nassima Scharafutdinowa (Uljanovsk, Russland) „Die Aufgabe einer Technischen Universität kann es […] nicht nur sein, ihre Absolventen fachlich zu qualifizieren, sie muss es ihnen auch ermöglichen, diese fachliche Qualifikation international einzusetzen” (Ulrich Steinmüller 1998: 46). 1 Zur Situation des Fremdsprachenerwerbs an der Technischen Universität Uljanovsk Der Erwerb einer Fremdsprache ist einer der Bestandteile des Curriculums an russsischen Hochschulen, bzw. die erfolgreiche Ablegung der Prüfung in einer Fremdsprache ist eine der Voraussetzungen für den Hochschulabschluss. Ohne Note in der Fremdsprache bekommt man kein Diplom in Russland, und jeder Ingenieur-Student weiss, dass eine interessante und gut bezahlte Arbeitsstelle vom Fachmann ausgezeichnete Fremdsprachenkenntnisse fordert. Der an der Hochschule oder Universität immatrikulierte Student setzt in der Regel das Erlernen der Fremdsprache fort, die er schon in der Schule für die Dauer von 6-8 Jahren gelernt hat. An der Technischen Universität Uljanovsk, wie auch im ganzen Russland, ist Deutsch die bedeutendste Fremdsprache nach Englisch. Das erklärt sich sowohl aus guten politischen und ökonomischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation als auch der Kooperation unserer Universität mit einigen Hochschulen Deutschlands, z.B. mit der Technischen Hochschule Darmstadt. Die obligatorische Fremdsprachenausbildung der Ingenieur-Studenten an der Technischen Universität Uljanovsk dauert vier Semester (drei Stunden pro Woche) und verläuft in den ersten zwei Studienjahren. Ende des ersten, zweiten und dritten Semesters wird im Deutschen ein Testat abgelegt. Es sei erwähnt, dass an russischen Hochschulen alle vom Studenten abzulegenden Testate und Prüfungen für jedes Semester fest vorgeschrieben sind. Das Studium kann nicht fortgesetzt werden, falls der Student eines der Testate oder eine der Prüfungen nicht bestanden hat. Ende des zweiten Studienjahres, d.h. Ende des vierten Semesters, legen die Studenten aller technischen Fachrichtungen die Prüfung in einer Fremdsprache – in unserem Fall in der deutschen Sprache – ab, während derer ihre Hörversteh- und Sprechfertigkeiten zu Alltagsthemen sowie Lese- und Übersetzungsfertigkeiten anhand der Fachtexte geschätzt werden. Diese Fertigkeiten, insbesondere Lese- und Übersetzungsfertigkeiten, werden von der Mehrheit unserer Absolventen in ihrem Beruf gebraucht. Das Lesen und die Übersetzung der Dienst- und Gebrauchsanweisungen zu ausländischen Geräten, Lektüre der fremdsprachigen Fachzeitschriften zur Erweiterung eigener Fachkenntnisse gehören zum Beruf des Ingenieurs. Die Sprechfertigkeiten sind für den Ingenieur leider (wegen des Visums und der Reisekosten nach Deutschland) schwer anzuwenden, aber möglich. Deswegen werden im Deutschunterricht vor allem die Fertigkeiten entwickelt, die unsere Absolventen später gebrauchen können. Nach N.A. Kraschennikowa (2001: 143) haben 83% aller befragten Ingenieur-Studenten des 1. Studienjahres der Universität Uljanovsk vor, nach dem Hochschulabschluss ihre Fremdsprachenkenntnisse anzuwenden. Zu Beginn des Sprachstudiums wird das Sprachniveau durch einen Test ermittelt, der von den Dozenten des Lehrstuhls für Fremdsprachen unserer Universität zusammengestellt wird. Aufgrund der Testergebnisse stellt man fest, welche grammatische Phänomene dem Studenten schon von der Schule bekannt sind und was noch vermittelt und geübt werden muss. Die Grundkenntnisse in der deutschen Grammatik (Wortfolge in Aussage- und Fragesätzen, Gebrauch der Verben im Aktiv, Deklination der Substantive und Pronomen, Präpositionen usw.) sind im Durchschnitt befriedigend, aber Hörverständnis und mündliche Sprachkompetenz der Studenten sind in der Regel gering. Das Lesen bereitet den Kursteilnehmern auch Schwierigkeiten. Beim ersten unbekannten Wort als Hindernis bleiben sie stehen und versuchen, den Text Wort-für-Wort zu übersetzen. Viele von ihnen sind nicht gewöhnt, anhand von Überschriften, Illustrationen usw. Leseerwartungen aufzubauen. 2 Der allgemeine Deutschunterricht Im ersten Studienjahr wird der Vermittlung bzw. Wiederholung, Systematisierung und Festigung von grammatischen Strukturen, dem Wortschatz- und Fertigkeitstraining viel Aufmerksamkeit geschenkt. Im grammatischen Bereich werden der Artikelgebrauch, die Rektion der Verben, Zeitformen der Verben (insbesondere Perfekt, Imperfekt, Plusquamperfekt), Partizipien, Nebensätze, Infinitivkonstruktionen und Passiv geübt. Die von Studenten oft gemachten Interferenzfehler werden zielstrebig durch Bewusstmachung und gezielte Übung beseitigt. Interlinguale Interferenzfehler beim DaF-Erwerb von Lernern mit russischer Herkunftssprache sind sowohl in der Aussprache, Rechtschreibung, Lexik, Grammatik als auch in der Kommunikationskompetenz anzutreffen (vgl. dazu: Baur, Chlosta, Krekeler, Wenderott 1999). Die Weiterentwicklung des sprachlichen Könnens erfolgt themen-sowie textspezifisch. Im Bereich der Lexik und Kommunikationsverfahrens behandeln wir im 1. Studienjahr Themen aus dem Alltag, und zwar: „Familie, private Beziehungen”, „Ernährung, Einkauf, Kleidung”, „Tagesablauf”, „Gesundheit, beim Arzt, in der Apotheke”, „Wohnen”, „Post”, „Natur, Wetter, Jahreszeiten”, „Studium”, „Reisen und Verkehr”, „Freizeit”. Diese Themenwahl wird dadurch begründet, dass der Kursteilnehmer während seines Deutschlandaufenthaltes oder beim Kontakt mit Deutschen in Russland gerade diese Alltagssituationen erleben, bzw. gebrauchen wird. Obwohl die genannten Themen teilweise im Deutschunterricht an der Schule behandelt worden sind, werden sie mit vielen unterhaltsamen Übungen, Dialogen vertieft und im Hinblick auf die Abschlussprüfung oder auf Zertifikatsstoff erweitert sowie durch authentische Texte aus den Zeitungen und Zeitschriften ergänzt. Neben den in Russland herausgegebenen Lehrbüchern arbeitet man auch mit deutschen Lehrwerken: 1) Sprachkurs Deutsch 1-5. Neufassung. Unterrichtswerk für Erwachsene /Ulrich Häussermann, Georg Dietrich, Christiane C. Günther, Werner Jost, Diethelm Kaminski, Timm Tralau u a. – Frankfurt am Main: Verlag Moritz Diesterweg, Verlag Sauerländer. 1992-1997. 2) Themen neu 1-3. Kursbuch (aus drei Bänden). Lehrwerk für Deutsch als Fremdsprache / Hartmut Aufderstrasse, Heiko Bock, Jutta Müller, Helmut Müller u.a.– Ismaning: Max Hueber Verlag, www.Themen-neu.de. Im 2. Studienjahr werden in einigen Gruppen, in denen die Studenten an die Entwicklung der Sprechfertigkeiten interessiert sind und sich auf die„Zertifikatsprüfung” (ZDaF) oder auf den Deutschlandaufenthalt vorbereiten, allgemeinsprachliche und alltagskulturelle Themen, wie „Bank und Sparkasse”, „Zeitung, Fernsehen”, „Sport in unserem Leben”, „Deutsche Feiertage” vermittelt. Bei der Behandlung aller Themenkreise benutzt man Texte, die mit Dialogen, entsprechenden lexikalischen, phonetischen und grammatischen Übungen ergänzt werden sowie mit Audio- und Videokassetten „Alles Gute”, „Alltag in Deutschland”, die von Inter Nationes Bonn zusammengestellt worden sind. Gegenstände aus Deutschland, wie Souvenirs, Ansichtskarten, Briefmarken, Tickets, Stadt- und Fahrpläne, Konzert- und Theaterprogramme, kurz gesagt Materialien über die „fremde” Lebenswelt, dienen zur Motivierung des Fremdsprachenerwerbs (zur Rolle sog. „fremder” Lebenswelten bei der Unterrichtsplanung vgl. Hess 1993: 79). Ein interkultureller Vergleich des Alltags in Deutschland und in Russland, die Vermittlung von landeskundlichen und interkulturellen Aspekten, sowie der kommunikative Umgang mit den Themen gehören unter anderem zu den Lernzielen (Lese-, Übersetzungs-, Hörverstehund Sprechfertigkeiten). 3 Fachsprachlich orientierter Deutschunterricht Der Studienprozess an russsischen Hochschulen und Universitäten verläuft in Studentengruppen (22-24 Teilnehmer), die mit der Berücksichtigung der Fachrichtung und des Studienjahres der Studenten gebildet werden. Studenten einer jeweiligen Fachgruppe besuchen also gemeinsam Pflichtvorlesungen, Seminare und praktische Übungen vom ersten bis zum letzten Studienjahr. Für den Sprachunterricht wird die Studiengruppe in zwei Gruppen unterteilt (z.B. für Deutsch und Englisch). Die fachlich spezialisierte Lernergruppe (höchstens 15 Teilnehmer) ermöglicht es, den Fremdsprachenunterricht fachbezogen zu gestalten, insbesondere im zweiten Studienjahr, weil im ersten Studienjahr die 17-18 jährigen Studenten noch über keine Fachkenntnisse verfügen. Sie nehmen das Studium in der Regel gleich nach dem Schulabschluss auf. Im Deutschunterricht werden fachlich orientierte Lehrbücher, z.B. „Deutsch für Studenten der Fachrichtungen Luftfahrt” / E.N. Dubnowa-Kolwarskaja, R.I.Kotowa. – Moskau: Vysschaja schkola, 1991 verwendet. Die Lehrbücher werden nach dem Programm der deutschen Sprache für technische Fachrichtungen der Hochschulen von den Dozenten, die das Lehrwerk in der Praxis approbiert haben, zusammengestellt und veröffentlicht. Die Lehrbücher haben das Hauptziel, dem Ingenieur-Studenten beizubringen, fachsprachliche Texte zu lesen und zu verstehen, bzw. zu übersetzen, weil diese Fertigkeiten für die Ingenieure am wichtigsten sind. Alle grammatischen und lexikalischen Vor- und Nachübungen zum Fachtext dienen vor allem zur Entwicklung der Lese- und Übersetzungsfertigkeiten. Wie schon erwähnt wurde, hängt die Förderung dieser Fertigkeiten vom Bedingungsfeld der Lerner ab. Es wird den Studenten die schriftliche Fachsprache beigebracht, denn die Absolventen haben später meistens mit der schriftlichen Fachsprache zu tun. Die Fachtextarbeit beginnt man anhand der bezüglich ihrer Ausrichtung niederspezialisierten Texte, die weniger Termini und fachspezifische lexikalische Einheiten enthalten. Mit jedem Unterricht, bzw. Text, wächst die Frequenz von fachspezifischen Sprachmitteln. Die fachsprachliche Lexik wird anhand der Lehrbuchtexte vermittelt. Ende des 3. Semesters werden auch deutsche Fachzeitschriftenartikel gelesen. Dabei können lange Texte gekürzt, jedoch nicht sprachlich vereinfacht werden. Informationsreiche und beruflich interessante Texte sind nicht nur für das Lesen, sondern auch für die Entwicklung der Sprechfähigkeiten gut geeignet. Der Student äussert sich gern zum beruflich interessanten Problem, versucht zu beweisen, warum er mit dem in diesem Text dargelegten Stoff einverstanden, bzw. nicht einverstanden ist, bringt Beispiele aus verschiedenen Quellen. Texte mit Beschreibung neuer oder unkonventioneller Modelle und Technologien, die den Interessen der Techniker entgegenkommen und ihre Neugier wecken; sowie aktuelle Texte, die echte Problemstellungen enthalten, sind für die Diskussion besonders gut geeignet. Zur Kommunikation anregende Aufgaben, unterschiedliche realitätsnahe Sprechanlässe werden vom Dozenten vorbereitet und im Unterricht eingesetzt. Laut dem Studienplan haben unsere Studenten der technischen Wissenschaften nur drei Stunden Deutschunterricht pro Woche. Falls der Student für die Sprache Interesse hat, kann er seine Kenntnisse der deutschen Sprache und Kultur an den von deutschen Studenten angebotenen Kursen weiter vervollkommnen, wo der Deutschlerner seine Sprechfertigkeiten verbessern kann. Die Kursteilnehmer unterhalten sich mit ihrem deutschen Altersgenossen über alles, was sie interessiert, sowie machen lexikalische Übungen zu Alltagsthemen. Seit kurzem können unsere Studenten Fremdsprachenunterricht nicht nur drei Stunden pro Woche (wie im Curriculum vorgesehen), sondern doppelt soviel, d.h. 6 Stunden pro Woche, besuchen. Das hängt vom Wunsch der Lernergruppe und finanziellen Möglichkeiten der Kursteinehmer ab, weil die zusätzlichen Stunden nicht gebührenfrei sind. In diesen Gruppen werden alle Alltagsthemen ausführlicher behandelt und Fähigkeiten wie Hörverstehen und Sprechen intensiver geübt, der Umgang mit authentischen Hör- und Lesetexten geschult. So wird man nicht nur der schriftlichen, sondern auch der gesprochenen Fachsprache viel Aufmerksamkeit geschenkt, denn der erweiterte Deutschunterricht wird in der Regel von den Studenten besucht, die in Deutschland ein Berufspraktikum absolvieren, das Studium aufnehmen oder arbeiten möchten. In Deutschland müssen sie als Student oder Praktikant sowohl an der mündlichen als auch an der schriftlichen Fachkommunikation teilnehmen können. Bei der Vermittlung der gesprochenen Fachsprache werden vor allem von den deutschen Professoren gehaltene und auf Video aufgenommene Vorlesungen verwendet. Die Vorlesungen werden sowohl in Deutschland als auch in Russland aufgezeichnet. Sie werden im Deutschunterricht eingesetzt, um bei den Studenten Fertigkeiten Hörverstehen und Sprechen zu entwickeln sowie die Lernenden mit der realen Vorlesungssituation an den deutschen Universitäten vertraut zu machen. Die Kursteilnehmer beantworten Fragen zur Vorlesung und äussern sich dazu, ob sie den Stoff gut verstanden haben, welche Schwierigkeiten sie beim Hörverstehen gehabt haben usw. Während Inhalte und Ziele der Deutschkurse im großen und ganzen von den Teilnehmern und vom Lehrstuhl bestimmt und festgelegt werden, hängt die Auswahl der Methoden und Medien bei der Sprachausbildung völlig von Dozenten ab. Heute gibt es eine große Auswahl von Medien für den Fremdsprachenunterricht , z.B. Sprach-, Musik- und Geräusch-, Bild-, Verbundmedien (vgl. Gienow 1998: 126). Moderne Tonband- und Videokassettenprogramme, multimediale Formen auf PC und Datennetzen tragen der Effektivität des fachorientierten Deutschunterrichts bei, wenn der Dozent sie für Lernzwecke gut benutzen kann. Das Lesen der neuesten deutschen Fachtexte im Internet macht den Gebrauch der Zielsprache authentisch. Die Studenten bekommen einen leichten und schnellen Zugang zu Informationen und sehen, wie sie ihre Fremdsprachenkenntnisse für die fachliche Qualifikation verwenden können. Zwei- und mehrsprachige elektronische Wörterbücher erleichtern Übersetzung der Texte, denn die Suchmöglichkeiten auf der CD Rom Version sind meist schnell greifbar und unmittelbar in Textdateien kopierbar. Fortgeschrittene Versionen haben auch eine Tonspur und bieten die korrekte Aussprache der Wörter an. Sehr effektiv sind im Deutschunterricht auch Sprachlernprogramme wie „Grammatiktrainer” und grafikunterstützte Dialoge. Die EMail und der Chat als Lehr- und Lernmittel fördern unter anderem die Fähigkeit des Schreibens, der im gewöhnlichen Fremdsprachenunterricht wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird (vgl.Wolf 1998:250). Damit die Studenten ihren Zielen entsprechende Fremdsprachenkenntnisse erwerben können, müssen die Deutschlehrer am Aufbau von Strategien für das Lesen, Übersetzen und die Entwicklung mündlicher Kompetenz viel arbeiten. 4 Fachsprache des Flugzeugbaus Ulrich Steinmüller, der sich mit den didaktischen Fragen der Sprachvermittlung für Studenten der Natur- und Technikwissenschaften beschäftigt, betont, dass „Sprache, die in naturwissenschaftlich-technischen Zusammenhängen verwendet werden soll, ein anderes Erscheinungsbild hat als eine literarisch oder bestenfalls umgangssprachlich orientierte Sprachform” (Steinmüller 1998: 45). Dies fordert die spezifische Organisation des Fremdsprachenunterrichts, in dem fachsprachliche Lexik und für die wissenschaftlichtechnischen Texte typische grammatische Strukturen vermittelt und fachbezogene Konzepte für den Fremdsprachenunterricht entwickelt werden sollen. Mit diesen Fragen beschäftigte ich mich während eines dreimonatigen Forschungsaufenthaltes an der Technischen Universität Berlin im Fachbereich Fachdidaktik Deutsch (Leiter Prof. Dr. Ulrich Steinmüller). Meine Aufgabe war es, die Fachsprache der Technik am Beispiel der Fachsprache des Flugzeugbaus, einer der rasch sich entwickelnden technischen Wissenschaften, zu untersuchen, um diese Forschungsergebnisse bei der Gestaltung des fachorientierten Deutschunterrichts zu verwenden. Für das Studium und oft für den künftigen Beruf des Ingenieur-Studenten sind unseres Erachtens Textsorten, wie Lehrbüchertexte, wissenschaftliche Fachzeitschriftenartikel, Vorlesungsskripte und Vorlesungen von großer Bedeutung. Während die drei ersten zur schriftlichen Form der Fachsprache gehören, stellen Vorlesungen die mündliche Fachsprache dar, deren Spezifika sehr wenig erforscht und beschrieben ist (vgl. Steinmetz 1993: 226; Steinmüller 1995: 144; Monteiro, Rieger, Skiba, Steinmüller 1997: 5). Bei der Förderung der Lese-, Übersetzungs-, Hör- und Sprechfertigkeiten, bzw. bei der Gestaltung des Deutschunterrichts, sind Spezifika der in der Deutschstunde verwendeten Textsorten zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck haben wir die oben genannten Textsorten auf verschiedenen Ebenen des Sprachsystems (Lexik, Morphologie und Syntax) untersucht und miteinander verglichen (vgl. Anhang:Untersuchungskorpus). 4.1 Fachspezifische nominale Lexik Innerhalb einer speziellen fachsprachlichen Lexik unterscheiden wir zwischen den Fachtermini und dem nichtterminologischen Fachwortschatz, der in folgende lexikalische Einheiten unterteilt werden kann: Professionalismen, Nomenklaturelemente, Pragmonyme und Terminoide (Scharafutdinowa 1999: 12). Unter dem Professionalismus verstehen wir eine halboffizielle, nichtstandardisierte Benennung eines Fachbegriffes, die in der Berufssprache unter den Fachleuten eines Fachbereichs verwendet wird. Als Ursachen für die Entstehung der Professionalismen sind Streben zur Kürzung, Suche nach der Ähnlichkeit, Vergleiche und emotionales Verhalten zum Geschehenen zu nennen, z.B. Frachter, „Schneeballeffekt”, Einmot, Zweisitzer. Nomenklaturelemente (Nomenklaturbenennungen, Nomenklaturbezeichnungen) benennen, im Unterschied zu den Termini, die allgemeine wissenschaftliche / technische Begriffe bezeichnen, nur einzelne Begriffe oder bestimmte in Serie hergestellte Objekte eines wissenschaftlichen / technischen Fachbereiches, z.B. Fokker 50, Piper PA 28, An 225, Boeing 737-900. Anders gesagt, der Unterschied zwischen dem Terminus und dem Nomenklaturelement liegt darin, dass das Nomenklatuelement einen bestimmten Gegenstand (Artefakt) etikettiert, während der Terminus den Begriff widerspiegelt. Als Pragmonyme bezeichnen wir Eigennamen, die Herstellerfirmen ihren Produkten zu kommerziellen Werbezwecken geben, z.B. Raptor – amerikanisches Jagdflugzeug, Neptune – amerikanisches Löschflugzeug, Scorpion – russisches Kampfflugzeug. Der Terminoid ist eine nicht ausreichend stabile fachsprachliche lexikalische Einheit, die Funktion des Terminus erfüllt, aber keine feste Form und eindeutige Definition hat. Diese liegt daran, dass seine Bedeutung und Wortbildungsstruktur schwanken. Als Terminoide können individuelle terminologische Bildungen als auch lexikalische Einheiten ohne präzisen terminologischen Inhalt verwendet werden, z.B. Lufttaxi; die tropfenförmige Rumpfform mit sich veränderndem Querschnitt. Die Ergebnisse unserer Forschungen zeigen, dass alle Klassen des speziellen Fachwortschatzes in den von uns untersuchten Textsorten, und zwar in Lehrbüchern, Fachzeitschriften, Vorlesungen und im Skript vertreten sind. Die meist verwendeten fachsprachlichen lexikalischen Einheiten sind Termini. Nach der Häufigkeit des Vorkommens sind Nomenklaturelemente an der zweiten Stelle. Professionalismen, Pragmonyme und Terminoide kommen in Fachtexten seltener vor als Termini und Nomenklaturbenennungen. Jedoch soll bemerkt werden, dass Professionalismen, Pragmonyme und Terminoide in den Fachzeitschriften und Vorlesungen häufiger verwendet werden als in den Lehrbüchern und im Skript. Fachspezifische lexikalische Einheiten (Termini, Nomenklaturbenennungen, Professionalismen, Pragmonyme und Terminoide) bilden in den von uns untersuchten Textsorten im Durchschnitt etwa 20% des lexikalischen Gesamtbestandes der Texte. Deswegen muss im Deutschunterricht auch der Vermittlung allgemeinsprachlicher und allgemeinwissenschaftlicher Lexik genug Aufmerksamkeit geschenkt werden. 4.2 Modus Unsere Untersuchungen haben den hohen Anteil des Indikativs in Fachtexten gezeigt. Die auffallende Dominanz des Indikativs lässt sich leicht erklären: In den technischen Texten werden dem Rezipienten in der Regel bestimmte real existierende Geräte und Vorgänge vorgestellt, bzw. beschrieben. Was den Imperativ betrifft, ist er in den von uns untersuchten Zeitschriftenartikeln nicht vorhanden. In den Lehrbüchern und im Skript ist er nur in der Form Siehe Bild 3, Siehe Abbildung 3, Siehe Tabelle 3 anzutreffen. Einige Buchautoren verzichten auf diese Form und benutzen statt des Imperativs die Form (Bild 3), wie in unserem Lehrbuchtext 2 (vgl. Anhang, Text L.2). In den Vorlesungen ist der Imperativ zu hören, wenn sich der Dozent an die Studenten wendet, wie z.B.: Schauen Sie mal! Denken Sie nach! Stellen Sie sich vor! Gehen wir weiter! Im letzteren Beispiel geht es um den Handlungsplan, den der Lektor und die Studenten gemeinsam auszuführen haben. Der Konjunktiv kommt etwas öfter vor als der Imperativ, aber in den von uns untersuchten Lehrbüchern ist er nicht vorhanden. In den Zeitschriften, im Skript und in Vorlesungen wird Konjunktiv (insbesondere Imperfekt Konjunktiv) verwendet, wenn es sich um unkonventionelle oder noch nicht im Dienst stehende, sondern nur als Entwurf existierende Flugzeugmodelle und Flugzeuggeräte handelt, wie z.B. im Zeitschriftenartikel „Turbofans für den Riesen” (vgl. Anhang, Text Z.7), in dem es um den Wettbewerb für den Antrieb des Airbus A380 geht. Das folgende Beispiel ist diesem Artikel entnommen: „Damit könnten alle Versionen des europäischen Superjumbos mit dem britischen Produkt unter den Flügeln in Betrieb gehen”(vgl. Anhang, Text Z.7, S.50). Die nächsten Beispiele entstammen dem untersuchten Vorlesungsskript, und zwar dem Kapitel „Unkonventionelle Konfigurationen”: Es ist offensichtlich, dass vorteilhaft für die Transportleistung und damit auch für die Wirtschaftlichkeit eines Flugzeugs wäre, wenn man sowohl auf den Rumpf als Einzelkomponente als auch auf Leitwerke verzichten könnte . …Die Struktur hätte im Flug lediglich für den Ausgleich zwischen den örtlichen aerodynamischen und Massenkräften, den Torsionsmomenten aus dem Nickmoment sowie den Landebelastungen am Boden zu sorgen, was zu außerordentlichen Gewichtseinsparungen führen könnte (vgl. Anhang, Text S.3, S. C38). Die statistische Verteilung der Modi (in %) zeigt die Tabelle 1. Tabelle 1: Textsorten Indikativ Imperativ Zeitschriften: Konjunktiv Text Z.1 90,42 – 9,58 Text Z.2 96,43 – 3,57 Text Z.3 82,68 – 17,32 Text Z.4 95,29 – 4,71 Text Z.5 97,44 – 2,56 Text Z.6 100 – – Text Z.7 90,44 – 9,56 Text Z.8 100 – – Durchschnitt 94,09 – 5,91 Lehrbücher: Text L.1 97,59 2,41 – Text L.2 100 – – Durchschnitt 98,79 1,21 – Skript: Text S.1 96,2 3,8 – Text S.2 98,1 – 1,9 Text S.3 92,4 0,9 6,7 Durchschnitt 95,56 1,57 2,87 Vorlesungen: Text V.1 95,62 1,06 3,32 Text V.2 95,94 0,84 3,22 Text V.3 96,32 0,57 3,11 Text V.4 95,5 0,32 4,18 Text V.5 95,57 0,17 4,26 Durchschnitt 95,79 0,59 3,62 4.3 Tempus und Genus der Verben Wenn man die Häufigkeit der Verwendung von Tempus- und Genusformen der Verben gleichzeitig betrachtet, wird es deutlich, dass das Präsens Aktiv in der Fachkommunikation am häufigsten vorkommt. „Die große Häufigkeit der Präsensformen ergibt sich nicht etwa daraus, dass alles Wissenschaftliche und Technische als „gegenwärtig” betrachtet wird, sondern aus dem Streben nach Abstraktion und Verallgemeinerung” (Hoffmann 1985: 105). Wie aus der Tabelle 2 zu ersehen ist, wird das Imperfekt Aktiv in den Fachzeitschriftenartikeln häufiger verwendet als in anderen Textsorten. Am wenigsten ist das Imperfekt Aktiv in Vorlesungen vertreten, statdessen hört man das Perfekt Aktiv in den Vorlesungen häufiger als in anderen Textsorten, weil in der gesprochenen Sprache Perfekt bevorzugt wird. Das Futurum Aktiv ist in den Fachtexten selten und nur dann anzutreffen, wenn die Rede von Zukunftsmodellen ist, wie z.B. im folgenden Satz: „Der Sonic Cruiser wird wohl niemals ein „Touristenbomber” werden,…” ( vgl. Anhang, Text Z.3, S.24). In den Lehrbüchern konnten wir keine Beispiele für das Futurum Aktiv finden. Im Durchschnitt findet sich das Präsens Vorgangspassiv auf dem 2. Platz nach dem Präsens Aktiv. Aber es sei darauf hingewiesen, dass Passiv in schriftlichen Fachtexten häufiger vorkommt als in der mündlichen Form der Fachsprache. Während der Anteil der Verben im Präsens Vorgangspassiv in den Lehrbüchern 21,92% ist, beträgt diese Form in Vorlesungen nur 6,58%. Obwohl das Präsens Zustandspassiv in Fachtexten am dritthäufigsten auftritt, ist dieser Anteil sehr gering (im Durchschnitt 5,838%). Im Unterschied zum Imperfekt Vorgangspassiv, das in allen von uns untersuchten Textsorten anzutreffen ist, kommt das Imperfekt Zustandspassiv nur in Zeitschriftenartikeln vor, aber auch dort nur sehr selten (siehe Tabelle 2). Tabelle 2: Tempora und Genera der Verben im Durchschnitt (in %) Zeitschriften Bücher Skript Vorlesungen Durchschnitt Präsens Aktiv 63,21 67,095 69,2 71,97 67,87 Imperfekt Aktiv 8,095 0,24 4,23 1,59 3,54 Perfekt Aktiv 3,83 1,67 – 6,14 2,91 Plusquamperfekt 0,52 – – 0,39 0,23 Futurum Aktiv 2,08 – 0,4 3,07 1,39 Präsens Passiv 8,04 21,92 13,5 6,58 12,51 Imperfekt Passiv 2,89 0,94 0,63 0,2 1,19 Perfekt Passiv – 0,97 – 0,68 0,41 Plusquamperfekt P. – – – – – Futurum Passiv – – – 0,03 0,007 Präs. Zust. Passiv 5,05 6,14 7,17 5,00 5,84 Imperfekt Z.P. 0,34 – – – 0,09 Perfekt Z.P. – – – – – Plusquamperfekt Z.P. – – – – – Futurum Z.P. – – – 0,14 0,03 Präsens Konjunktiv 0,84 – 0,3 0,06 0,3 Imperfekt K. 4,74 – 2,27 3,51 2,63 Perfekt K. 0,34 – 0,3 – 0,16 Plusq. K. – – – 0,06 0,13 Futurum K. – – – – – Imperativ – 1,21 1,56 0,59 0,84 In dem von uns untersuchten Fachtextkorpus wird das Passiv viel seltener (im Durchschnitt 20,08%) verwendet als das Aktiv. Ein ähnliches Ergebnis findet sich auch in Baumanns Untersuchung zur Grammatik in Fachtexten (Baumann 2001: 89). In den Vorlesungen ist der Häufigkeitswert der Verben in der Passivform noch geringer (12,63%). 4.4 Satzarten Unsere Analysen verschiedener Fachtextsorten bestätigen, dass bei den Satzarten der Aussagesatz dominiert (siehe auch Fluck 2000: 97). In den von uns untersuchten Textsorten sind Fragesätze nur im Vorlesungsmaterial und in einigen Zeitschriftenartikeln (Text Z.3, Text Z.7) zu finden. Die in den Zeitschriftenartikeln verwendeten Fragesätze haben in der Regel rhetorischen Charakter und dienen zur Themaformulierung, wie in den folgenden Beispielen: Wie weit ist der Entwurf fortgeschritten? Was wird aus der 747? Wie reagiert Airbus? (Text Z.3, S.26). In der Vorlesung benuzt der Dozent rhetorische Fragen, um die Aufmerksamkeit der Studenten zu erhöhen oder die Studenten auf das Problem aufmerksam zu machen. Rhetorische Fragen, wie Was machen wir in diesem Fall? Wie reagiere ich darauf? aktivieren das Auditorium, obwohl von ihm keine Antwort erwartet wird. Jedoch zwei oder drei Fragen stellt der Dozent direkt dem Auditorium, um die Kenntnisse seiner Studenten zu überprüfen und ihre Denkfertigkeiten zu entwickeln, wie z.B. Wie soll das geschehen? Welches Flugzeug würden Sie kaufen? Ein paar Fragen stellen die Studenten dem Dozenten, um einige Details zu präzisieren. Anforderungssätze haben in den Fachtexten einen geringen Anteil. In den von uns untersuchten Textsorten werden sie nur in den Vorlesungen verwendet, im Durchschnitt drei Sätze pro Vorlesung, z.B. Stop! Ja, richtig! Viele Köche verderben den Brei! Schauen Sie mal! So können wir in unseren Analysen der schriftlichen Fachtexte folgende relativen Häufigkeiten der Satzarten nachweisen: Tabelle 3: Angaben zu den Satzarten (in %) Textsorten Aussagesatz Fragesatz Anforderungssatz Zeitschriften 99,55 0,45 – Lehrbücher 100 – – Skript 100 – – 4.5 Satzbau Wenn wir den Satzbau der geschriebenen Fachtexte untersuchen, stellen wir fest, dass einfache Sätze eine dominierende Stelle einnehmen (Tabelle 4; vgl. auch Möslein 1981: 307; Hoffmann 1992: 98). Dieser Anteil ist in den Lehrbüchern im Durchschnitt am grössten (68,15%). In einigen Zeitschriftenartikeln ist der Häufigkeitswert der einfachen Sätze noch höher, wie z.B. im Text Z.8 (82,7%). Das Satzgefüge tritt in unserem Textkorpus (im Durchschnitt) seltener auf als der einfache Satz, aber viel häufiger als die Satzverbindung. Die Mehrheit der Satzgefüge hat nur einen Nebensatz. An Hand der Vorkommenshäufigkeit können wir schlussfolgern, dass in der Fachkommunikation einfache Satzkonstruktionen (einfache Sätze und Satzgefüge mit einem Nebensatz) bevorzugt werden. Die Angaben zum Satzaufbau (in %) sind aus der Tabelle 4 zu ersehen. Tabelle 4: Textsorten Einfachsatz Satzverbindung Satzgefüge mit 1 NS mit 2… NS Zeitschriften: Text Z.1 39,5 13,9 39,5 6,9 Text Z.2 37,5 – 50,0 12,5 Text Z.3 47 7,8 33,3 11,7 Text Z.4 32,1 17,8 33,9 16,0 Text Z.5 58,3 18,7 12,5 10,4 Text Z.6 75,4 7,0 17,5 – Text Z.7 75,0 3,3 20,0 1,6 Text Z.8 82,7 6,8 10,3 – Durchschnitt 55,94 9,41 27,13 7,39 Lehrbücher: Text L.1 55,7 5,7 30,7 7,6 Text L.2 80,6 4,4 13,5 1,5 Durchschnitt 68,15 5,05 22,1 4,55 Skript: Text S.1 40,0 7,5 32,5 20,0 Text S.2 34,6 7,6 34,6 23,0 Text S.3 23,0 5,7 59,6 11,5 Durchschnitt 32,53 6,93 42,23 18,17 Unter den Nebensätzen finden sich die Relativsätze auf dem ersten Platz, denn in den technischen Fachtexten werden in der Regel Artefakte und Prozesse beschrieben, wie folgende Beispiele zeigen: Das Flugzeug wird in drei Konstruktionshauptgruppen, die sich wieder in Konstruktionsgruppen gliedern, eingesetzt (Text L.2, S.86). Objektsätze kommen auch häufig vor, insbesondere in den Vorlesungen. So, in den Vorlesungen 4 und 5 (Text V.4 und Text V.5) sind Objektsätze häufiger anzutreffen als Relativsätze. Die Zahl der Objektsätze in den Lehrveranstaltungen wächst auch wegen der Sätze, wie „Ich habe Ihnen gesagt, dass …”, „ Eben haben wir gesehen, dass …”. Nach der Untersuchung der Fachsprache im Ingenieurstudium sind M. Monteiro, S. Rieger, R. Skiba und U. Steinmüller (1997: 95) zur Schlussfolgerung gekommen, dass in den Lehrveranstaltungen Objektsätze die am häufigsten verwendeten Nebensätze sind. Final- und Konditionalsätze kommen auch oft vor. Es sei erwähnt, dass unter den Finalsätzen Infinitivkonstruktionen (IK) mit um ... zu häufiger vorkommen als damit-Sätze. Hier bringen wir ein Beispiel für den Gebrauch der Infinitivkonsruktion: Im Unterschied zu den anderen Trent-Modellen dreht die Welle des Hochdruck-Moduls in der Gegenrichtung der anderen beiden Wellen, um die Effizienz der Mitteldruckturbinen-Leitschaufeln zu erhöhen (Text Z.7, S.50). In unseren Fachtextanalysen ermitteln wir folgende Häufigkeitswerte (in %) für die einzelnen Nebensatztypen: Tabelle 5: Nebensatztypen Zeitschriften Lehrbücher Skript Vorlesungen Relativsatz 44,48 22,53 33,36 32,83 Objektsatz 14,96 11,85 14,27 29,59 Konditionalsatz 5,73 7,25 5,73 18,61 Finalsatz (IK) 12,15 35,05 6,33 5,11 Finalsatz (damit) 1,48 – – 1,00 Weiterführender S. 4,86 6,0 16,46 1,47 Subjektsatz 2,44 – 5,63 2,92 Kausalsatz 0,95 13,25 10,93 2,35 Temporalsatz 2,68 – – 1,75 Lokalsatz – 2,0 – 0,94 Komparativsatz 2,43 – 5,1 0,86 Konzessivsatz 3,56 – – 0,42 Konsekutivsatz – – 1,5 0,82 Proportionalsatz – 2,0 – 0,82 Adversativsatz 2,98 – – – 4.6 Spezifika der mündlichen Fachsprache Unsere Forschungsergebnisse lassen uns zu der Schlussfolgerung kommen, dass die gesprochene Fachsprache – in unserem Fall Vorlesungssprache – sich von der schriftlichen Fachsprache (z.B. von Lehrbuchtexten, Fachzeitschriftenartikeln und Skript) wesentlich unterscheidet. Im Unterschied zu den anderen Textsorten kommen in den Vorlesungen oft Personalpronomen, wie ich, wir, Sie, sowie Possessivpronomen sein, ihr, mein, unser vor. Dies sollen folgende Beispiele aus den Vorlesungen demonstrieren: „Wenn Sie ein modernes Flugzeug bauen wollen, …”. „Wie gehe ich vor?” Textbildende Wörter wie also, so, gut, ja, natürlich, die für schriftliche Fachtexte nicht üblich sind, sind in den Vorlesungen beliebt. Die genannten sprachlichen Mittel helfen dem Dozenten, die Vorlesung lebhaft zu halten, wie z.B. „Ja, richtig!” Außerdem bringen sie „eine subjektiv-emotionale Stellungnahme des Fachtextproduzenten zum Kommunikationsgegenstand zum Ausdruck” (Baumann 2001: 85). Der Anteil der Objekt- und Konditionalsätze ist in den Vorlesungen höher als in anderen Textsorten, denn in der Lehrveranstaltung wird das Kommunikationsverfahren „Erklären” bevorzugt. Bei der Darlegung des Stoffes hat der Dozent die Absicht, alle möglichen Varianten zu zeigen, bzw. zu beschreiben, wie z.B.: „Wenn man größere Flugzeuge betrachtet, sieht man…”. Im Unterschied zu den anderen Textsorten werden in den Vorlesungen auch Anforderungssätze verwendet. Es gibt auch Unterschiede im Passivgebrauch. Das Passiv kommt fast zweimal weniger vor als in schriftlichen Fachtextsorten. Sprachökonomie wird in Vorlesungen vor allem durch verkürzte und unvollständige Sätze realisiert. 5 Schlusswort Das in diesem Beitrag beschriebene Bedingungsfeld an russischen Technischen Hochschulen (Kapitel 1-3) wird meines Erachtens auch Kollegen aus anderen Ländern interessant sein, insbesondere den Sprachdozenten, die an Technischen Universitäten die Ausländer (z.B. Studenten aus Russland) in Deutsch unterrichten. Die Information, was für eine Sprachausbildung der ausländische (in diesem Fall der russische) Ingenieur-Student in seiner Heimat gemacht hat, ist für die Lehrkraft jedenfalls nützlich. Die Ergebnisse der im Kapitel 4 dargelegten linguistischen Analyse der Fachsprache des Flugzeugbaus können bei der Gestaltung des fachorientierten DaF-Unterrichts sowohl an russischen als auch an deutschen technischen Hochschulen berücksichtigt werden. Kontrastive Analyse verschiedener Fachtextsorten lässt ihre Übereinstimmungen und wesentliche Unterschiede deutlicher erkennen. Dies führt zu einer starken Binnendifferenzierung der Unterrichtsformen – getrennt nach Lerngruppen, die (a) in Russland ihre fachsprachlichen Kenntnisse zu gebrauchen planen oder (b) im Hinblick auf ein Studium in Deutschland die Fremdsprache lernen. Die erstere Gruppe braucht mehr Praxis im Lesen der schriftlichen Fachtexte. Zu diesem Zweck werden für schriftliche spezielle Texte typische lexikalische Einheiten wie Termini und Nomenklaturbenennungen sowie oft vorkommende grammatische Strukturen wie Aussagesätze, Einfachsätze, Verben im Präsens Aktiv und Präsens Passiv, Satzgefüge mit Relativ-, Objekt-, Konditional- und Finalsätzen gründlich geübt. Anhand authentischer Texte werden die verschiedenen Lesestile erarbeitet und Lesetechniken eingeführt, bzw. gefestigt. In der Zielgruppe, in der man Deutsch im Hinblick auf einen Deutschlandaufenthalt lernt, werden neben den Fähigkeiten wie Lesen und Übersetzung auch den Hör-und Sprechfertigkeiten viel Aufmerksamkeit geschenkt. So behandelt man Alltagsthemen ausführlicher, man übt den Gebrauch elliptischer Konstruktionen und Professionalismen, die in der mündlicher Fachsprache ziemlich oft anzutreffen sind. Unsere linguistischen Untersuchungen lassen uns schlussfolgern, dass in Lehrbuchtexten Satzkonstruktionen einfacher sind als in den Zeitschriftenartikeln und anderen schriftlichen Textsorten. Deswegen ist es sinnvoll, das Fachtsprachenerlernen anhand der Lehrbuchtexte zu beginnen. Die Auswahl von Medien im Fremdsprachenunterricht hängt auch im wesentlichen von der Spezifik der Lerngruppe ab. Audiovisuelle Programme wie Videoaufzeichnungen sind für die Lerner, die sich auf ein Studium im Ausland vorbereiten, von ganz besonderem Interesse. Die rasche Entwicklung der Technikwissenschaften erfolgt in enger Zusammenarbeit der Fachleute und Gelehrten aus verschiedenen Staaten. Komplizierte Projekte haben in der Regel internationalen Charakter. Dies betrifft sowohl die Wissenschaft als auch die Produktion, z.B. weltbekannte Airbus-Flugzeuge werden im Rahmen des Airbus-Konsortiums nach dem Prinzip der europäischen Kooperation gebaut. Die Vorbereitung der Ingenieur-Studenten zur internationalen Zusammenarbeit muss eine der wichtigsten Aufgaben der Technischen Universität sein(vgl. Eingangszitat von Steinmüller). Enge Kontakte der Universitäten zu den Industrieunternehmen auf der ganzen Welt, aktive Partnerbeziehungen mit in- und ausländischen Universitäten und Hochschulen sowie reger Austausch mit Hochschullehrern und Studenten tragen teilweise zur Realisierung dieser Aufgabe bei. Jedoch braucht man gute Fremdsprachenkenntnisse, um sich mit ausländischen Kollegen problemlos zu kommunizieren sowie sein Wissen und Können zwischenstaatlich anwenden zu können. Ob Studierende ihren Zielen entsprechende Fremdsprachenkenntnisse erworben haben, hängt unter anderem von der Qualität des Fachsprachenunterrichts ab. Daher ist es die Aufgabe des TU-Sprachdozenten, die Sprachlehre zum gewünschten Lernerfolg zu leiten und den Absolventen zu ermöglichen, ihre „fachliche Qualifikation international einzusetzen” (Steinmüller 1998: 46). Danksagung Ich möchte hier die Gelegenheit nutzen, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst und Herrn Prof. Dr. Steinmüller von der Technischen Universität Berlin für ihre Einladungen und freundliche Unterstützung zu danken, die mir ermöglicht haben, in Deutschland zu forschen. Ich bedanke mich bei Herrn Prof. Dr. Steinmüller auch für seine wertvollen Anregungen und die Mithilfe bei der Durchführung meiner Untersuchungen. Anhang: Korpus der untersuchten Fachtexte Text Z.1: Boeings neue Drohnen. In: Flug Revue 5/2001, S.62-64. Text Z.2: Suchoi Su-25 mit neuer Avionik. In: Flug Revue 9/2001, S.62. Text Z.3: Flucht nach vorn im Sonic Cruiser. In: Flug Revue 6/2001, S.24-26. Text Z.4: Druck für Ruder und Räder. In: Flug Revue 5/2001, S.80-83. Text Z.5: Testflug mit dem Riesenbaby. In: Flug Revue 3/2001, S.24-27. Text Z.6: Für jedes Flugzeug ein passendes Triebwerk. In: Fliegerrevue Special 10/2001, S.3233. Text Z.7: Turbofans für den Riesen. In: Flug Revue 7/2001, S.50-51. Text Z.8: CFM bleibt Nummer eins. In: Flug Revue 5/2001, S.84. Text L.1: Adam, Peter. Fertigungsverfahren von Turboflugzeugtriebwerken. – Basel, Boston, Berlin 1998, S.91-105. Text L.2: Götsch, Ernst. Luftfahrzeugtechnik. – Stuttgart. 2000, S. 86-117. Text S.1: Flügelanordnung. In: Thorbeck, Jürgen. Flugzeugentwurf (Skript). - TU Berlin, 2000, S.C-20 - C.23. Text S.2: Fahrwerksanordnung. In: Thorbeck, Jürgen. Flugzeugentwurf (Skript). – TU Berlin, 2000, S. C-23 - C-25. Text S.3: Unkonventionelle Konfigurationen. In: Thorbeck, J. Flugzeugentwurf (Skript). – TU Berlin, 2000, S. C-38 – C-41. Text V.1- Text V.5: Vorlesungen 1, 2, 3, 4, 5 zum Fach "Flugzeugentwurf". - TU Berlin, November-Dezember 2001. 10 Stunden. Bibliographie Baumann, Klaus-Dieter. 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