Nassima S. Šarafutdinova Spezifika von Textsorten als Gegenstand des fachsprachlich orientierten Deutschunterrichts 1. Einleitung Für das Studium und oft für den künftigen Beruf der Ingenieur-Studenten sind verschiedene Textsorten, wie Lehrbuchtexte, wissenschaftliche Fachzeitschriften, Vorlesungsskripte und Vorlesungen von grosser Bedeutung. Diese Textsorten dienen zu verschiedenen Zwecken und unterscheiden sich von einander auch sprachlich. Während die drei ersten zur schriftlichen Form der Fachsprache gehören, stellen Vorlesungen eine Form der mündlichen Fachsprache dar, deren Spezifika sehr wenig erforscht und beschrieben sind. Als Hauptarbeit, die sich mit Fragen der mündlichen Form der Fachsprache beschäftigt, ist das im Jahre 1997 in der Bundesrepublik Deutschland herausgegebene Buch „Deutsch als Fremdsprache: Fachsprache im Ingenieurstudium“ vom Autorenkollektiv aus der TU-Berlin (Monteiro / Rieger / Skiba / Steinmüller 1997) zu nennen. Das Ziel dieses Beitrages ist es, die in der Ausbildung der Ingenieur-Studenten verwendeten Textsorten linguistisch zu analysieren. Als Untersuchungsmaterial dienten uns Texte für die deutsche Fachsprache der Flugzeugtechnik aus Lehrbüchern, Vorlesungsskript, Fachzeitschriften „FlugRevue“, „Flieger-Revue“, „Fliegermagazin“ (Ausgaben 2000-2005) und Audioaufnahmen von Vorlesungen zum Fach „Flugzeugentwurf“ (Technische Universität Berlin, November-Dezember 2001 (siehe Anhang). Die kontrastive linguistische Analyse verschiedener Fachtextsorten lässt ihre Übereinstimmungen und wesentliche Unterschiede deutlicher erkennen und die Unterrichtsformen differenzieren – getrennt nach Lernergruppen, die erstere Lernergruppe plant ihre Kenntnisse in Deutsch in Russland zu gebrauchen, die zweite lernt die Fremdsprache im Hinblick auf ein Studium in Deutschland (Scharafutdinowa 2004: 195). Die erstere Gruppe braucht mehr Praxis im Lesen der schriftlichen Fachtexte. Zu diesem Zweck werden für schriftliche spezielle Texte typische lexikalische Einheiten und grammatische Strukturen (Passiv, Infinitivkonstruktionen usw.) gründlich geübt. Anhand authentischer Texte werden die verschiedenen Lesestile erarbeitet und Lesetechniken eingeführt. In der Zielgruppe, in der man Deutsch im Hinblick auf einen Deutschlandaufenthalt lernt, werden neben den Fähigkeiten wie Lesen und Übersetzen auch den Hör- und Sprechfertigkeiten viel Aufmerksamkeit geschenkt. So behandelt man Alltagsthemen ausführlicher, man übt den Gebrauch elliptischer Konstruktionen und fachsprachlicher Lexik. Nassima S. Šarafutdinova 2 Da bei der Förderung der Lese-, Übersetzungs-, Hör- und Sprechfertigkeiten Spezifika der in der Deutschstunde verwendeten Textsorten zu berücksichtigen sind, haben wir die oben genannten Textsorten auf verschiedenen Ebenen des Sprachsystems (Lexik, Morphologie und Syntax) untersucht und miteinander verglichen. 2. Fachspezifische nominale Lexik Fachspezifische lexikalische Einheiten bilden in den von uns untersuchten Textsorten im Durchschnitt etwa 20% des lexikalischen Gesamtbestandes der Texte. Die Typologie der fachsprachlichen Lexik ist nicht nur für theoretische Fachsprachenforschungen von großer Bedeutung, sondern auch für den fachorientierten Fremdsprachenunterricht. Denn um die fachsprachliche Lexik erwerben zu können, muss man eine gute Vorstellung davon haben, welche lexikalischen Einheiten zum Fachwortschatz gehören, wie sie gebildet werden und welche Funktionen sie im Text ausüben. Diese Kenntnisse erleichtern den Studierenden die Arbeit am wissenschaftlich-technischen Text. Unter der speziellen fachsprachlichen Lexik verstehen wir die Gesamtheit lexikalischer Einheiten, die fachliche Kommunikation zwischen Fachleuten dieses Bereichs gewährleisten, nicht jedoch allgemeine, allgemeinwissenschaftliche und allgemeintechnische Wörter (vgl. Hoffmann 1998: 198). Innerhalb einer fachspezifischen Lexik unterscheiden wir zwischen den Fachtermini und dem nichtterminologischen Fachwotschatz, der in folgende lexikalische Einheiten unterteilt werden kann: Professionalismen, Nomenklaturelemente, Pragmonyme und Terminoide (Scharafutdinowa 1999: 12). Den Kern und den Hauptteil der fachsprachlichen Lexik bildet die Terminologie, die das System der Termini eines bestimmten Fachgebietes oder Fachwissens darstellt. 2.1. Termini Die Linguisten sind sich einig darin, dass der Terminus ein mit dem wissenschaftlichen Begriff eng verbundenes Wort bzw. eine Wortverbindung darstellt. Folgende Hauptmerkmale der Termini halten wir für wichtig und unentbehrlich: 1) Korrelation mit dem Fachbegriff, 2) Systemhaftigkeit, d.h. Wechselbeziehung zu den anderen Termini des jeweiligen terminologischen Systems, 3) Bedürfnis nach der Definition (Scharafutdinowa 1999: 17). Diese Merkmale ermöglichen, Termini von allgemeinsprachlichen Wörtern und auch von anderen Klassen des speziellen Fachwortschatzes abzugrenzen. Merkmale, wie Eindeutigkeit und stilistische Neutralität, die oft als Hauptmerkmale des Terminus genannt werden, sind unserer Meinung nach nur seine erwünschten Merkmale, aber nicht seine unentbehrlichen. Termini können semantisch Spezifika von Textsorten 3 mehrdeutig sein sowohl im System als auch im Text (vgl. Baumann 2000: 29, Benes 1975: 57). Der erstere der folgenden Termini-Synonyme unterscheidet sich vom letzteren durch seine Konnotation, vgl.: Fahrwerksbein und Fahrgestell, Rumpfnase und Rumpfbug. Es gibt eine Reihe von Fachtermini, die bildlich in einem bestimmten Textzusammenhang wirken. Folgende Beispielsätze aus den Fachzeitschriften verdeutlichen das: „Der Airbus brach sich sein Fahrwerksbein und fiel auf die Nase“ (FliegerRevue 4/1990: 103). „So ist die Nase der 787 stumpfer ...“ (Flug-Revue 9/2005: 23). 2.2. Professionalismen Unter dem Professinalismus verstehen wir eine halboffizielle, nichtstandardisierte Benennung eines Fachbegriffes, die in der Berufssprache unter den Fachleuten eines Fachbereichs verwendet wird, z.B.: Ultraleichter anstelle des Terminus Ultraleichtflugzeug, Einmot anstelle des Terminus einmotoriges Flugzeug, Zweisitzer anstelle des Terminus zweisitziges Flugzeug, Zweistrahler anstelle des Terminus Zweistrahlflugzeug usw. (Scharafutdinowa 2001: 116). Als Ursachen für die Entstehung der Professionalismen sind Streben zur Kürzung, Suche nach der Ähnlichkeit, Vergleiche und emotionales Verhalten zum Geschehenen zu nennen. In der Praxis ist es sehr schwierig, Termini von den Professionalismen abzugrenzen, denn es fehlen Kriterien zur Bestimmung der „Halboffiziellität“ der letzteren. Professionalismen, sogenannte umgangsprachliche Abwandlungen der Termini, werden nicht nur in mündlicher Sprache, sondern auch in der schriftlichen Fachsprache verwendet. Sie sind in den Fachzeitschriften, in den Artikeln sowohl der Journalisten als auch der Fachleute, und auch in den Fachbüchern anzutreffen. Zumeist drücken Anführungszeichen aus, dass ein Fachwort in gewisser Hinsicht unoffiziel ist, z.B. „Schneeballeffekt“, „Gummitriebwerk“ (Skript 2000: B-1). Noch ein Beispiel dafür aus dem Zeitschriftenartikel: „Resultat der vielen aerodynamischen Feinheiten, vor allem aber der „Handschuhe“ an den Außenflügeln ...“ (Fliegermagazin 8/2001: 17). Dagegen haben oft verwendete Professionalismen in schriftlichen Texten keine Anführungszeichen, z.B. Aufklärer (Aufklärungsflugzeug), Zweimot (zweimotoriges Flugzeug), Prop (Propeller), Inselflieger (Inselflugzeug), Tanker (Tankflugzeug) usw. Es ist nachgewiesen, dass die „Halboffiziellen“ mit der Zeit in „Offizielle“, „Standardisierte“ übergehen können. Anders gesagt, dem Professionalismus kann der Status des Terminus zuerkannt werden, z.B. Kurzvarianten von Termini wie Deltaflügler (Flugzeug mit Deltaflügel), Jäger (Jagdflugzeug), Bomber (Bombenflugzeug), sind schon in Fachwörterbüchern eingetragen und sind in allen Textsorten der Fachkommunikation (in den Fachbüchern, Zeitschriften usw.) zu finden. Nassima S. Šarafutdinova 4 2.3. Nomenklaturbenennungen Nomenklaturbenennungen sind durch den Verlust des Verhältnisses „WortBegriff“ gekennzeichnet. Im Unterschied zu den Termini, die allgemeine wissenschaftliche Begriffe bezeichnen, benennen die Nomenklaturelemente nur einzelne Begriffe oder bestimmte in Serie hergestellte Objekte eines wissenschaftlichen / technischen Fachbereiches. Anders gesagt, der Unterschied zwischen dem Terminus und dem Nomenklaturelement liegt darin, dass das Nomenklaturelement einen bestimmten Gegenstand (Artefakt) etikettiert, während der Terminus den Begriff widerspiegelt. In der Fachsprache des Flugzeugbaus sieht die Nomenklaturbezeichnung wie ein Symbolwort aus, z.B. Tu–204, Su–25, Fokker 50, An 225, Boeing 737-900. In der Regel besteht sie aus einem Buchstabenteil und einem Ziffernteil, wobei letzterer die Funktion eines Attributs übernimmt und Differenzierungsmerkmale des Gegenstandes bezeichnet (z.B. Fokker 50: Basisvariante mit PW 125BTriebwerken; Fokker 60: um 1,62m verlängerte Version der Fokker 50 für militärische Transportaufgaben). Im Buchstabenteil wird oft die Abbreviatur (Initialwort) verwendet, um in einer kurzen Form die ganze Bedeutung zu repräsentieren, z.B.: An-225 (An: Antonow), A 321 (A: Airbus). Auffällig ist, dass in deutschen Texten im Unterschied zu den russischen vor der Nomenklatur der Name der Herstellerfirma oder des Konstrukteurbüros angeführt wird: Aerostar JAK-52 TW, Beriev Be-200, Bombardier BRJ-X, Junkers Ju 52, Mikojan Gurewitsch Mig-21 MF. Der Name der Firma fehlt vor der Nomenklatur, falls er im Satz oder im Text schon genannt worden oder den Lesern bekannt ist. Das folgende Zitat stammt aus einem der von uns untersuchten Lehrbüchern und soll illustrieren, wie Nomenklaturbenennungen in einem wissenschaftlichen Fachtext angewendet werden: „Viele der einmotorigen Flugzeuge gehören zur Gruppe der Tiefdecker (z.B. Piper PA 28, Socata TB 10, Ruschmeyer R 90-230 RG) und Schulterdecker (z.B. Cessna 152, Cessna 172, Piper PA 18)“ (Mies 1996:14). Genauso wie der Terminus kann die Nomenklaturbezeichnung im Text ihre architektonische Struktur verändern. Dabei wird einer der Teile der Nomenklaturbenennung (Buchstaben- oder Ziffernteil) weggelassen. Der gebliebene Teil wird substantiviert und dekliniert wie ein Substantiv, z.B.: „Boeing startet die 737-900ER-Modell ...“. „Die maximale Startmasse der 737-900ER steigt gegenüber einer regulären 737-900 von 79 auf bis zu 85 Tonnen, ...“. „Die erste 737-900ER soll in der ersten Jahreshälfte 2007 an Lion Spezifika von Textsorten 5 Air ausgeliefert werden“ (Flug-Revue 9/2005: 33). Die abgekürzten Nomenklaturelemente stehen in diesen Beispielen für ´die Boeing 737-900ER´. Das Hauptprinzip bei der Nomenklaturbildung ist Eindeutigkeit, d.h. jede Gegenstandskategorie soll nur eine Nomenklaturbezeichnung haben. 2.4. Pragmonyme Als Pragmonyme bezeichnen wir Eigennamen, die Herstellerfirmen ihren Erzeugnissen zu kommerziellen Werbezwecken geben, z.B. Raptor – Pragmonym für ein amerikanisches Jagdflugzeug, Neptune – Pragmonym für ein amerikanisches Löschflugzeug. Pragmonyme sind durch Expressivität und Bildlichkeit gekennzeichnet. Sie haben die Aufgabe, die Vorteile und die besten Eigenschaften des technischen Erzeugnisses wiederzugeben und die Aufmerksamkeit der Kunden zu erwecken. Außerdem werden sie in der Fachkommunikation von den Fachleuten verwendet, um bestimmte Marken der technischen Erzeugnisse von ähnlichen zu unterscheiden. Pragmonyme, die Flugzeuge heute haben, lassen sich in folgende Gruppen unterteilen: Namen von Tieren, oft Vögeln, die sich durch besondere Eigenschaften auszeichnen, z.B.: V-22 Osprey – amerikanisches Kampfflugzeug, das senkrecht starten und landen kann (´Osprey´ engl. <reißender Wasservogel, der senkrecht abfliegen und landen kann>); C-37 Berkut – russisches Kampfflugzeug (´Berkut´ russ. <unauffälliger, schneller, schwarzer Vogel>). Namen berühmter Helden und starker Märchen- oder Sagenfiguren, z.B.: An22 Antey – russisches Großflugzeug (´Antey´ – Name des bekannten griechischen Helden); An-124 Rußlan – russisches Schwerlasttransportflugzeug (´Rußlan´ – Name eines Märchenriesen). Namen, die positive Assoziationen hervorrufen: An-225 Mrija – sechsstrahliger Großtransporter (´Mrija´ ukr. <Traum>); An-14 Ptschjolka – russisches kleines Mehrzweckflugzeug (´Ptschjolka´ russ. <Biene>); A-50 Maintay – amerikanisches Frühwarnflugzeug (´Maintay´ amer. <Schutz>. Pragmonyme werden nicht nur den Flugzeugen, sondern auch einzelnen Flugzeugteilen und Geräten gegeben, z.B.: „Aufbau des russischen Bordfunkmessgerätes Sokol (Falke)“ (Flug-Revue 7/2000:27). „Tigre“-Radar an den Irak geliefert“ (Flug-Revue 6/2000: 26). „... in Israel wird für die chinesischen Streitkräfte das Elta- „Phalcon“-Radar in dieses Flugzeug integriert“ (Flug-Revue 6/2000:26). Pragmonyme sind in der Fachsprache leicht zu erkennen. Sie können auch den Terminus oder die Nomenklaturbezeichnung im Text vertreten, z.B.: Die Nassima S. Šarafutdinova 6 „Taube“ schwebt ein: de Heviland DH 1004 Dove, geflogen von Klaus Pressler (Flieger-Revue 9/2005: 17). 2.5. Terminoide Der Terminoid ist eine nicht ausreichend stabile fachsprachliche lexikalische Einheit, die keine feste Form und eindeutige Definition hat, z.B. Lufttaxi. Dieses liegt daran, dass seine Bedeutung und Wortbildungsstruktur schwanken. Als Terminoide können sowohl individuelle terminologische Bildungen als auch lexikalische Einheiten, die im Fachtext noch ohne präzisen terminologischen Inhalt verwendet werden, auftreten. Das nachstehende Beispiel möge dies veranschaulichen: „ ... zweier zusätzlicher Notausgänge hinter den Flügeln, so genannter „Typ-2-Türen“ (Flug-Revue 9/2005: 33). In diesem Beispiel geht es um die Besonderheiten in der Konstruktion der Boeing 737900ER. Die meisten der Terminoide stellen Beschreibungen dar. Dafür einige Beispiele aus dem Vorlesungsskript: „Abschließend soll noch eine Konfigurationsvariante aufgezeigt werden, welche zwei Transportröhren mit Hilfe des Tragwerks verbindet und damit als eine Alternative für sehr große Rümpfe von Flugzeugen mit extrem großer Kapazität geeignet scheint“ (Skript 2000: C-41). „ ... der schief fliegende Flügel in einer Nurflügelausprägung“ (Skript 2000: C-41). Die Benennungen von neuen Details können den Charakter von Terminoiden haben. Die nachstehenden Beispiele sind dem Schema des Flugzeuges F-11F entnommen: Anlenkstange zum Drehen der Lastträger, Leuchtstreifen als Hilfe beim Formationsflug, hinterer aufblasbarer Schwimmer für die Rettungskapsel (Flug Revue 10/2005: 46). Terminoide in der Beschreibungsform werden später abgekürzt oder durch eine andere lexikalische Einheit wie Wort oder Wortverbindung ersetzt. Die Ergebnisse unserer Forschungen zeigen, dass funf Arten der fachspezifischen Lexik nicht im gleichen Maße in den von uns untersuchten Textsorten vorkommen. In den Fachzeitschriften, Vorlesungen und im Vorlesungsskript sind alle Typen des Fachwortschatzes anzutreffen. In Lehrbuchtexten fehlen Professionalismen und Terminoide, Pragmonyme werden seltener verwendet als in anderen Fachtextsorten. Jedoch soll vermerkt werden, dass Professionalismen, Pragmonyme und Terminoide in den Fachzeitschriften und Vorlesungen häufiger verwendet werden als im Skript. Termini sind in allen Fachtextsorten die meist verwendeten fachsprachlichen lexikalischen Einheiten. Spezifika von Textsorten 7 3. Allgemeinsprachliche Lexik in Fachtexten Im Deutschunterricht muss auch der Vermittlung allgemeinsprachlicher und allgemeinwissenschaftlicher Lexik genug Aufmerksamkeit geschenkt werden, denn sie bildet in Fachtexten etwa 80% des lexikalischen Gesamtbestandes. In den von uns untersuchten schriftlichen Texten wird die allgemeinsprachliche Lexik ohne große Unterschiede verwendet. Im Unterschied zu den schriftlichen Textsorten kommen in den Vorlesungen Personalpronomen, wie ich, wir, Sie, sowie Possessivpronomen sein, ihr, mein, unser vor. Dies sollen folgende Beispiele aus den Vorlesungen demonstrieren: „Wenn Sie ein modernes Flugzeug bauen wollen...“. „Wie gehe ich vor?“ „Was machen wir in diesem Fall?“ Da die Vorlesung die mündliche Form der Fachsprache ist, enthält sie für die mündliche Sprache typische Redewendungen und Ausdrücke. In den Vorlesungen sind textbildende Wörter wie also, so, gut, ja, natürlich, die für schriftliche Fachtexte nicht üblich sind, beliebt. Die genannten sprachlichen Mittel helfen dem Dozenten, die Vorlesung lebhaft zu halten, auf die Repliken der Studenten zu reagieren, wie z.B. „Ja, richtig!“ Außerdem bringen sie „eine subjektiv-emotionale Stellungnahme des Fachtextproduzenten zum Kommunikationsgegenstand zum Ausdruck“ (Baumann 2001: 85). 4. Satzarten Unsere Untersuchungen verschiedener Fachtextsorten bestätigen, dass bei den Satzarten der Aussagesatz dominiert (siehe auch Fluck 2000: 97). Die Fragesätze sind nur im Vorlesungsmaterial und in einigen Zeitschriftenartikeln zu finden. Die in den Artikeln der Zeitschriften verwendeten Fragesätze haben in der Regel rhetorischen Charakter und dienen als Titel zur Themaformulierung wie in den folgenden Beispielen: Wie weit ist der Entwurf fortgeschritten? Was wird aus der 747? Wie reagiert Airbus? In der Vorlesung benutzt der Dozent rhetorische Fragen, um die Aufmerksamkeit der Studenten zu erhöhen oder die Studenten auf das Problem aufmerksam zu machen. Rhetorische Fragen ( Was machen wir in diesem Fall? Wie reagiere ich darauf?) aktivieren die Studenten, obwohl von ihnen keine Antwort erwartet wird. Jedoch zwei oder drei Fragen stellt der Dozent direkt dem Auditorium, um die Kenntnisse seiner Studenten zu überprüfen und ihre Denkfertigkeiten zu entwickeln, wie z.B. Wie soll das geschehen? Welches Flugzeug würden Sie kaufen? Ein paar Fragen stellen die Studenten dem Dozenten, um bestimmte Details zu präzisieren. Aufforderungssätze haben in den Fachtexten einen geringen Anteil. In den von uns untersuchten Textsorten werden sie nur in den Vorlesungen verwendet, im Nassima S. Šarafutdinova 8 Durchschnitt drei Sätze pro Vorlesung, z.B. Stop! Schauen Sie mal! Vergleichen Sie die Tragflächen dieser Flugzeuge! 5. Satzbau Wenn wir den Satzbau der schriftlichen Fachtexte untersuchen, stellen wir fest, dass einfache Sätze eine dominierende Stelle einnehmen (vgl. Möslein 1981: 307, Hoffmann 1992: 98). Dieser Anteil ist in den Lehrbüchern am grössten (im Durchschnitt 68,15%). In den Fachzeischriftenartikeln ist der einfache Satz auch beliebt (55,94%), etwas weniger wird er im Skript verwendet (32,53%). Das Satzgefüge tritt in unserem Textkorpus seltener auf als der einfache Satz; aber viel häufiger als die Satzverbindung. Die Mehrheit der Satzgefüge hat nur einen Nebensatz. Man kann schlussfolgern, dass in der Fachkommunikation einfache Satzkonstruktionen bevorzugt werden. Unter den Nebensätzen finden sich die Relativsätze auf dem ersten Platz (in den Zeitschriften – 44,48%, in den Vorlesungen – 32,83%, im Skript – 33,36%, in den Lehrbüchern – 22,53%), denn in technischen Fachtexten werden in der Regel Artefakte und Prozesse beschrieben, wie das folgende Beispiel aus dem Lehrbuch zeigt: Das Flugzeug wird in drei Konstruktionshauptgruppen, die sich wieder in Konstruktonsgruppen gliedern, eingesetzt. (Goetsch 2000: 86). Objektsätze kommen auch häufig vor, insbesondere in den Vorlesungen (29,59%). In den Fachzeitschriften (14,96%) und im Skript (14,27%) werden sie fast gleichermaßen verwendet, etwas kleiner ist der Häufigkeitswert der Objektsätze in den untersuchten Lehrbüchern (11,85%). Der Anteil der Objektund Konditionalsätze ist in den Vorlesungen höher als in anderen Textsorten, denn in der Lehrveranstaltung wird das Kommunikationsverfahren „Erklären“ bevorzugt. Bei der Darlegung des Stoffes hat der Dozent die Absicht, alle möglichen Varianten zu zeigen, wie z.B. „Wenn man grössere Flugzeuge betrachtet, sieht man...“. Die Zahl der Objektsätze in den Vorlesungen wächst auch wegen der Sätze des Typs: „Ich habe Ihnen gesagt, dass ...“ „Eben haben wir gesehen, dass ...“ Final- und Konditionalsätze kommen auch oft vor. Es sei erwähnt, dass unter den Finalsätzen Infinitivkonstruktionen mit um ... zu häufiger vorkommen als damit-Sätze. In den Lehrbüchern ist diese Zahl am grössten (35,05%). Hier folgt ein Beispiel für den Gebrauch der Infinitivkonsruktion im Fachzeischriftenartikel: „Im Unterschied zu den anderen Trent-Modellen dreht die Welle des Hochdruck-Moduls in der Gegenrichtung der anderen beiden Wellen, um die Effizienz der Mitteldruckturbinen-Leitschaufeln zu erhöhen“ (Flug Revue 7/2001: 50). Spezifika von Textsorten 9 In den von uns analysierten Textsorten gibt es grosse Unterschiede im Gebrauch der Kausalsätze. Während sie in den Zeitschriftenartikeln und Vorlesungen selten anzutreffen sind, kommen sie in den Lehrbüchern und im Skript relativ oft vor. Der Anteil der Kausalsätze beträgt in den Lehrbüchern 13,25% aller Nebensätze, in den Zeitschriftenartikeln 0,95%, im Skript 10,93%, in den Vorlesungen 2,35%, in den Zeitschriftenartikeln 0,95%. 6. Modus Unsere Untersuchungen haben den hohen Anteil des Indikativs in allen Fachtextsorten gezeigt (in Zeitschriften – 94,09%, in Lehrbüchern – 98,79%, im Skript – 95,56%, in Vorlesungen – 95,79%). Die auffallende Dominanz des Indikativs lässt sich erklären: In den technischen Texten werden dem Rezipienten in der Regel bestimmte real existierende Geräte und Vorgänge beschrieben. Was den Imperativ betrifft, ist er in den von uns untersuchten Fachzeitschriften nicht vorhanden. In den Lehrbuchtexten und im im Skript ist er nur in der Form Siehe Bild 3, Siehe Abbildung 3, Siehe Tabelle 3 anzutreffen. Einige Buchautoren verzichten auf diese Form und benutzen statt des Imperativs die Form (Bild 3). In den Vorlesungen ist der Imperativ zu hören, wenn sich der Dozent an die Studenten wendet, wie z.B.: Schauen Sie mal! Denken Sie nach! Stellen Sie sich vor! Gehen wir weiter! Im letzteren Beispiel geht es um den Handlungsplan, den der Lektor und die Studenten gemeinsam auszuführen haben. Der Konjunktiv ist in den von uns untesuchten Lehbüchern nicht vorhanden. In den Zeitschriften, im Skript und in Vorlesungen wird Konjunktiv (insbesondere Konjunktiv Imperfekt) verwendet, wenn es sich um unkonventionelle oder noch nicht im Dienst stehende, nur als Entwurf existierende Flugzeugmodelle und Flugzeuggeräte handelt, wie z.B. im folgenden Satz aus dem Zeitschriftenartikel „Turbofans für den Riesen“, in dem es um den Wettbewerb für den Antrieb des Airbus A 380 geht: „Damit könnten alle Versionen des europäischen Superjumbos mit dem britischen Produkt unter den Flügeln in Betrieb gehen“ (Flug Revue 7/2001: 50). Die nächsten Beispiele entstammen dem untersuchten Vorlesungsskript, und zwar dem Kapitel „Unkonventionelle Konfigurationen“: „Es ist offensichtlich, dass es vorteilhaft für die Transportleistung und damit auch für die Wirtschaftlichkeit eines Flugzeugs wäre, wenn mann sowohl auf den Rumpf als Einzelkomponente als auch auf Leitwerke verzichten könnte“ „Die Struktur hätte im Flug lediglich für den Ausgleich zwischen den örtlichen aerodynamischen und Massenkräften, Torsionsmomenten aus dem Nickmoment sowie den Landebelastungen am Boden zu sorgen, was zu ausserordentlichen Gewichtseinsparungen führen könnte“ (Skript 2000: C-38). Nassima S. Šarafutdinova 10 7. Tempus und Genus der Verben Wenn man die Häufigkeit der Verwendung von Tempus-und Genusformen der Verben gleichzeitig betrachtet, wird deutlich, dass das Präsens Aktiv in der Fachkommunikation am häufigsten vorkommt (in den Zeitschriften – 63,21%, in den Lehrbüchern – 67,1%, im Skript – 69,2%, in den Vorlesungen – 71,97%). Das Imperfekt Aktiv wird in den Fachzeitschriftenartikeln häufiger (und zwar 8,1%) verwendet als in anderen Textsorten. Am wenigsten (1,59%) ist das Imperfekt Aktiv in Vorlesungen vertreten, stattdessen hört man das Perfekt Aktiv in den Vorlesungen häufiger (6,14%) als in anderen Textsorten (in Zeitschriften – 3,83%, in den Lehrbüchern – 1,67%, im Skript – 0% ), weil in der gesprochenen Sprache Perfekt bevorzugt wird. Das Futur ist in den Fachtexten selten und nur dann anzutreffen, wenn die Rede von Zukunftmodellen ist, wie z.B. im folgenden Satz: „Der Sonic Cruiser wird wohl niemals ein „Touristenbomber“ werden“ (Flug Revue 6/2001: 24). In den Lehrbüchern konnten wir keine Beispiele für das Futur Aktiv finden. Im Durchschnitt findet sich das Präsens Vorgangspassiv auf dem 2. Platz nach dem Präsens Aktiv. Aber es sei darauf hingewiesen, dass Passiv in schriftlichen Fachtexten fast zweimal häufiger vorkommt als in der mündlichen Form der Fachsprache (Vorlesung). Während der Anteil der Verben im Präsens Vorgangspassiv in den Lehrbüchern 21,92% ist, beträgt diese Form in Vorlesungen nur 6,58% aller Verben. Das heisst, es gibt Unterschiede im Passivgebrauch in verschiedenen Textsorten. In dem von uns untersuchten Fachtextkorpus wird das Passiv viel seltener (im Durchschnitt 20,08% des Gesamtbestandes der Verben) verwendet als das Aktiv. 8. Unterrichtsmaterialien Im fachsprachlich orientierten Deutschunterricht an der Technischen Universität Uljanowsk verwenden wir: 1) fachlich orientierte Lehrbücher, z.B. Dubnowa-Kolwarskaja E.N., Kotowa R.I. (1991): Deutsch für Studenten der Fachrichtung Luftfahrt. Moskau; 2) Texte aus den in Deutschland herausgegebenen Lehrbüchern im Fach Flugzeugbau, wie Götsch, Ernst (2000): Luftfahrzeugtechnik. Stuttgart; Adam, Peter (1998): Fertigungsverfahren von Turboflugzeugtriebwerken. Basel / Berlin; 3) Fachzeitschriften: „Flug Revue“, „Fliegerrevue“, „Rotor“; „Fliegermagazin“ 4) Vorlesungsskript von Thorbeck, Jürgen (2000): Flugzeugentwurf. Berlin: Technische Universität. 5) Audioaufnahmen der Vorlesungen von Thorbeck, Jürgen (2001): Flugzeugentwurf. Berlin: Technische Universität. Spezifika von Textsorten 11 Die Fachtextarbeit beginnt man anhand der bezüglich der Ausrichtung der Studenten niederspezialisierten Texte. Mit jedem Unterricht wächst die Frequenz von fachsprachlichen Sprachmitteln. Lange Texte können gekürzt, jedoch nicht sprachlich vereinfacht werden. Auch das Lesen der neuesten deutschen Fachtexte im Internet macht den Gebrauch der Zielsprache authentisch. Die Studenten bekommen einen leichten und schnellen Zugang zu Informationen und sehen, wie sie ihre Fremdsprachenkenntnisse für die fachliche Qualifikation verwenden können. Zwei-und mehrsprachige elektronische Wörterbücher erleichtern Übersetzung der Texte, denn die Suchmöglichkeiten auf der CD-ROM-Version sind meist schnell greifbar und unmittelbar in Textdaten kopierbar. Informationsreiche und beruflich interessante Texte sind nicht nur für das Lesen und Übersetzen, sondern auch für die Entwicklung der Sprechfähigkeiten gut geeignet. Der Student äussert sich gern zum beruflich interessanten Problem. 9. Schlusswort Unsere Untersuchungen lassen uns schlussfolgern, dass in Lehrbuchtexten Satzkonstruktionen einfacher sind als in den Zeitschriftenartikeln und anderen schriftlichen Textsorten. Deswegen ist es sinnvoll, das Fachsprachenlernen anhand der Lehrbuchtexte zu beginnen. Die Ergebnisse der dargelegten linguistischen Analyse der Fachsprache des Flugzeugbaus anhand verschiedener Textsorten können bei der Gestaltung des fachorientierten Deutschunterrichts auch an anderen technischen Hochschulen berücksichtigt werden. 10. Literatur Baumann, Klaus-Dieter (2000): Normen in der Fachkommunikation. In: Fremdsprachen und Hochschule, 59, 2000; 9-34. Benes, Eduard (1975): Fachtext, Fachstil und Fachsprache. In: Klute, Wilfried (Hrsg.) (1975): Fachsprache und Gemeinsprache. Frankfurt a. M. 50-59. Fluck, Hans-Rüdiger (2000): Fachsprachen: Zur Funktion, Verwendung und Beschreibung eines wichtigen Kommunikationsmittels in unserer Gesellschaft. In: Eichhoff-Cyrus, Karin / Hoberg, Rudolf (Hrsg.) (2000): Die deutsche Sprache zur Jahrtausendwende. Bd. 1. Mannheim / Leipzig / Wien / Zürich. 89-106. Hoffmann, Lothar (1992): Vergleiche in der Fachsprachenforschung. In: Baumann, Klaus-Dieter / Kalverkämper, Hartwig (Hrsg.) (1992): Kontrastive Fachsprachenforschung. (Forum für Fachsprachenforschung; Bd. 20). Tübingen. .95-107. Nassima S. Šarafutdinova 12 Hoffmann, Lothar (1998): Fachsprachen als Subsprachen. In: Hoffmann, Lothar / Kalverkämper, Hartwig / Wiegand, Herbert Ernst (Hrsg.) (1998): Fachsprachen – Languages for spezial Purposes. Ein internationales Handbuch zur Fachsprachenforschung und Terminologiewissenschaft. Halbband 1. Berlin / New York. 193-199. Monteiro, Maria / Rieger, Simone / Skiba, Romuald / Steinmueller, Ulrich (Hrsg.) (1997): Deutsch als Fremdsprache: Fachsprache im Ingenieurstudium. Frankfurt (Main). Möslein, Kurt (1981): Einige Entwicklungstendenzen in der Syntax der wissenschaftlich-technischen Literatur seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. In: Hahn, Walter von (Hrsg.) (1981): Fachsprachen. Darmstadt. 276-319. Scharafutdinowa, Nassima S. (1999): Formirovanije otraslevoj terminologii na baze logiko-semantičeskoj kategorii substancialnosti (na materiale samoljetostroitelnych terminov nemeckogo i russkogo jazykov). (Dissertation). Uljanovsk. Scharafutdinowa, Nassima (2001): Entwicklungstendenzen in der Lexik der deutschen Fachsprache des Flugzeugbaus, in: Zielsprache Deutsch, 32 (34), 2001; 115-125. Scharafutdinowa, Nassima (2004): Rahmenbedingungen des Deutschunterrichts an russischen technischen Hochschulen: Fachsprache des Flugzeugbaus. In: Hess, Hans Werner (Hrsg.) (2004): Didaktische Reflexionen. „Berliner Didaktik“ und Deutsch als Fremdsprache heute. (Fluck, Hans- Rüdiger (Hrsg.) (2004): Arbeiten zur Angewandten Linguistik, Bd. 3). Tübingen. 193-207. 11. Anhang: Korpus der untersuchten Fachtexte Adam, Peter (1998): Fertigungsverfahren von Turboflugzeugtriebwerken. Basel / Boston /Berlin. Götsch, Ernst (2000): Luftfahrzeugtechnik. Stuttgart. Mies, Jürgen (1996): Flugtechnik. Stuttgart. Thorbeck, Jürgen (2000): Flugzeugentwurf (Vorlesungsskript). Berlin: TUBerlin. Thorbeck, Jürgen (2001): Audioaufnahmen von Vorlesungen zum Fach „Flugzeugentwurf“ (TU-Berlin, November – Dezember 2001). Flieger-Revue: international. Magazin für Luft und Raumfahrt. Berlin: FlugVerlag, 1990, 2000-2005. Fliegermagazin. Hamburg: Jahr-Top-Sozial Verlag, 2000-2005. Flug-Revue: Das Luft- und Raumfahrt-Magazin. Stuttgart: Motor-Presse. 20002005. Spezifika von Textsorten Автор: Шарафутдинова Насима Саетовна, Кандидат филологических наук, доцент Место работы: Ульяновский государственный технический университет гуманитарный факультет, цикл «Прикладная лингвистика» кафедры «Иностранные языки». Электронный адрес: [email protected] 13