Du musst handeln, als ob du das Erste nicht

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Lebensweg und Identität
Im persönlichen Horoskop
Wer bin ich? Was kann ich? Wer bin ich in den Augen des Kosmos? Wer bin ich in den
Augen der anderen? Was macht mich einmalig? Wer will ich sein? Wer war ich schon in
Laufe meiner Biographie? Wem und welchen Gruppen fühle ich mich zugehörig? Habe ich
ein Gefühl für meine Identität? Wann spüre ich meine Identität? Ist eine Identität etwas
einmal Feststehendes oder verändert sie sich im Leben? Erkenne ich die Identität im
Horoskop und wie erkenne ich sie?
Gibt es verschiedene Identitäten, denen wir auf unserem Lebensweg begegnen können? Gibt
es so etwa wie Identität überhaupt, wenn – wie es heute der Fall ist - sich die Werte ständig
verändern und nicht allgemein verbindlich sind? Brauchen wir die Vorstellung von Identität
überhaupt? Wie entsteht Identität, wie verändert sie sich? Wie steht es mit Identitätskrisen?
Das sind Fragen, die ich mir in den letzten Monaten und Wochen immer wieder stellte.
Vorerst zur Definition: Der Brockhaus definiert die Identität als „die Erfahrung eines
Individuums, eine einzigartige, psychisch weitgehend stabile und von inneren oder
äußeren Veränderungen unabhängige Einheit zu sein. Das Bewusstsein der eigenen
Identität beinhaltet also, dass man sich als Individuum erlebt und darin eine andere
Person als die Anderen erkennt, und auch, dass man die Gegensätze und
Verschiedenheiten innerhalb der eigenen Person zu seiner Synthese bringt“.
Also wir sehen schon: Identität ist ein sehr weitläufiger Begriff. Und Identität ist nicht etwas
das einmal vorgegeben ist, wir kommen nicht mit einer Identität auf die Welt, sondern die
Identität ist etwas, das sich entwickeln muss, eine Art „Syntheseleistung“, die unser
Bewusstsein vollziehen oder erarbeiten muss. Eine Identität ist auf eine Art etwas
Gleichbleibendes aber auch doch wieder etwas, das sich ständig wandelt, das von einem
inneren Zentrum aus gesteuert wird, das auch in Zusammenhang mit unseren Erlebnissen und
Erfahrungen zu betrachten ist. Identität schafft eine Art „Einheit“, sie schafft Individualität
und doch auch wieder Zugehörigkeit.
Um astrologisch zu sprechen: Identität ist etwas, das im Horoskop auf vielfältige Art und
Weise angezeigt und ausgedrückt wird. Je länger ich über dieses Thema in Zusammenhang
mit Astrologie nachdachte, umso mehr kam mir der Gedanke, dass einerseits die
Beschäftigung mit Astrologie „identitätsstiftend“ ist, andererseits – und darauf möchte ich in
diesem Vortrag von unterschiedlichen Ansatzpunkten eingehen, das Horoskop ein
wunderbarer Schlüssel ist, Identitäten zu erkennen, die Entwicklung und ihren Verlauf durch
Progressionen, Transite und andere Techniken nach zu zeichnen. Oder in einem
ganzheitlichen und entwicklungsorientierten Sinn zu sprechen: Astrologie ermöglicht uns,
nicht nur unsere Identität zu definieren, sondern auch Wege aufzuzeigen, wie wir sie
entwickeln können. Und wie dies möglich ist, möchte ich Ihnen anhand einiger
Überlegungen in dieser Stunde näher bringen.
Gerade in einer Zeit, in der sich sehr viele Menschen durch Krisen und permanente
Veränderungen in ihrem Leben und ihrer Identität verunsichert sind, dadurch unter
Umständen ein schlechtes Selbstwertgefühl haben, vielleicht sogar in depressive Zustände
verfallen, Depressionen, Beziehungs- und Sinnkrisen erleben, scheint mir das Thema Identität
und Astrologie sehr wichtig zu sein. Ich will in diesem Vortrag hauptsächlich darauf
eingehen, wie wir die einzelnen Lebensphasen und Lebensübergänge konstruktiv nützen
können, um unseren Identitätsbildungsprozess weiter voran zu treiben und dadurch ein
sinnerfülltes Leben zu führen, ein Leben, das unseren Möglichkeiten, Potenzialen und
Anlagen entspricht.
Fragen wir uns einmal, wo und wie wir Identität erleben können. Als identitätsrelevante
Erfahrungen möchte ich diejenigen Erfahrungen und Erlebnisse bezeichnen, in denen wir die
eigenen Grenzen erleben oder sie vielleicht sogar überschreiten, also eine Auseinandersetzung
mit dem sogenannten Schicksal stattfindet. Dazu finden wir ganz klare astrologische
Entsprechungen, wie etwa wenn harte Transite mit transsaturnischen – ich sage in letzter Zeit
viel lieber transzendenten Planeten – stattfinden, vor allem auch harte Uranus-SaturnBerührungen stattfinden, wenn in der Direktion progressive Achsen in herausfordernden
Aspekten mit Saturn, Uranus, Neptun und/oder Pluto stehen, wenn progressive
Neumondkonstellationen stattfinden – darüber habe ich einem Vortrag bereits gesprochen –
oder ein Transit-Neumond auf wichtige Horoskopfaktoren, allen voran Sonne, Mond oder
Aszendent stattfindet. Und was ich ihnen veranschaulichen möchte - bei bestimmten
Lebensübergängen die Planetzyklen unseren Entwicklungsprozess vorantreiben.
Zurück zur Frage, wo und wir Identität persönlich erleben können. Vorerst können wir einmal
ganz einfach sagen, dass wir Identität durch und mit unserem Körper erleben. Das
Körpergefühl, das ja eng zusammen hängt mit der Stellung und Aspektierung des Mondes, ist
etwas das uns persönlich eigen ist. Wie fühlen wir uns in unserem Körper? Ist er ein Ort des
Wohlbefindens oder schafft er uns nur Schwierigkeiten? Ist er ein Ort der Freuden? Wir leben
heute in einer Zeit, in der die Körper- und Fitnesskultur Hochblüte hat. Dann wir der Körper
das zentrale Instrument, durch das versucht wird, Identität zu leben und auszudrücken. Aber
eine solche Einstellung kann zu Krankheiten oder zu ausgeprägten Identitäts- und
Selbstwertproblemen.
Eng verbunden mit dem Erleben des Körpers ist auch das Thema Sexualität. Sexualität, die
wir in Horoskop natürlich durch die Stellung und Aspektierung von Mond, Mars, Venus,
dem 5. und 8. Haus ablesen können, ist eine weitere Möglichkeit, wie wir Identität erleben
und ausdrücken können. Vor allem wenn die Venus ins Spiel kommt, wir durch das
Verliebtsein und das Leben dadurch eine ganz neue Intensität und Farbe bekommt, fühlen wir
uns nicht nur glücklich, sondern haben das Gefühl, eins mit uns selbst und dem anderen zu
sein. Aber auch Identitätsprobleme können durch sexuelle Probleme, wie etwa durch
abnormes sexuelles Verhalten oder Wünsche, die wir uns selbst nicht eingestehen wollen,
hervorgerufen werden. Ganz zu schweigen von Menschen, die Krisen haben, weil sie nicht
genau wissen, ob sie heterosexuell oder homosexuell oder beides sind.
Ein Gefühl der Identität beziehen wir nicht nur daraus, wie wir uns selbst sehen, sondern auch
daraus, wie wir von den anderen gesehen und eingeschätzt werden. In dieser Hinsicht ist
vor allem die Bedeutung des Deszendenten, seine Aspektierung und der Herr des 7.
Hauses hervorzuheben. Aber es wird auch gesagt, dass wir den anderen unseren
„Aszendenten“ im Verhalten und Aussehen präsentieren.
Identität entsteht dadurch, dass wir von anderen wertgeschätzt oder im negativen Sinn auch
kritisiert werden (Planeten im 8. Haus, Stellung von Herr des 8. Hauses, Aspektierung
der Häuserspitze). Unsere Identität wird natürlich auch von unseren Beziehungen und
Partnerschaften geschaffen und erlebt. So können uns Beziehungskrisen und Trennungen
vorübergehend fast „identitätslos“ machen, weil unsere Psyche nach einer Trennung oder
einem Verlust einer geliebten Person sich vielleicht schuldig, wertlos, verletzt fühlt und große
Selbstzweifel auftreten können.
Identität schaffen wir auch durch unsere Arbeit und Leistungen, die wir im Leben
vollbringen. In einer Leistungsgesellschaft beziehen wir unsere Identität auch davon, wie
aktiv wir im Berufsleben sind, welches Ansehen wir durch unsere Position genießen, wie viel
Geld wir mit unserer Arbeit verdienen oder ob wir es geschafft haben, den erträumten Beruf
zu bekommen. Andererseits leitet sich bei vielen von uns – ich denke dabei etwa an
Jungfrauen, ein stark besetztes sechstes Haus u.s.f.- eine Identität davon ab, ob wir das Gefühl
haben gebraucht zu werden.
Identität wird für viele von uns auch durch unser Wertempfinden oder Werthaltungen
geschaffen. Wenn wir das Gefühl haben, echt zu leben, zuverlässig und achtsam zu sein, ein
Gefühl für den richtigen Umgang mit der Umwelt und den Mitmenschen haben, wenn wir
einen moralischen Kodex befolgen (ob dieser nun von den Eltern übernommen wurde oder
aufgrund eines intensiven Wertedialogs mit sich selbst und anderen geschaffen wurde), haben
wir meist ein Gefühl, dass wir identisch und mit uns selbst im Einklang sind. Da spreche ich
das neunte Haus an, die Stellung von Jupiter und seinen Aspekten an, in einem gewissen Sinn
auch wieder die Werteachse zwei – acht. Neben Jupiter können natürlich auch alle anderen
Planeten förderlich zur Identitätsstiftung sein. Ein gut gestellter Merkur kann uns das Gefühl
vermitteln, dass wir gebildet und kommunikationsfähig sind, ein gut gestellter Uranus fördert
unseren kreativen Selbstausdruck und unsere Originalität, der Neptun unsere Phantasien und
Träume, die in uns das Gefühl aufkommen lassen kann, dass wir mit einer höheren Welt in
Verbindung stehen.
Ein wichtiger Punkt ist, dass alles, was identitätsstiftend wirkt oder unser Identitätsgefühl
angreift, von Emotionen begleitet ist. Ich möchte sagen, dass wir uns selbst nur durch
Emotionen erfahren, dass heißt dass bei jeder Selbsterfahrung irgendwie immer den Mond im
Spiel ist. Identität ist für mich kein abstrakter Begriff, sondern etwas, dass dauernd im
Werden begriffen ist, dem wir uns zu gewissen Zeiten im Leben näher fühlen, zu anderen
Zeiten wieder sehr weit weg von uns ist. Allemal ist es jedoch erstrebenswert, sich mit unserer
Identität auseinander zu setzen, denn sie ist auch ein Indikator unseres Wohlbefindens oder
des sich Schlecht- und Minderwertig-Fühlens. Identität könnte man auch frei übersetzen mit:
Treue zu sich selbst und dies aus einer großen Selbsterkenntnis heraus.
Die klassische Theorie der Identität stammt von Erik H. Erikson, er hat den Begriff in die
psychologische und psychoanalytische Theorie eingebracht. Von ihm wird der
Identitätsprozess verstanden als die „Organisierung der Erfahrungen im individuellen
Ich“. Astrologisch ausgedrückt: unsere Sonne ist die Summe und das wahre Bild unseres
Ichs, in ihr kommt letztlich unser ganzes Wesen ganzheitlich zum Ausdruck. Wenn dieser
Prozess (der Individuation) gelingt, sollten wir in Anlehnung an Erikson fähig sein, auch mit
Brüchen und Krisen im individuellen Leben, umzugehen ohne krank zu werden.
Nach Erikson ist die Identitätsentwicklung eine psychosoziale Entwicklung, es findet eine
Wechselwirkung zwischen dem Individuum und der Gesellschaft statt, wobei das Thema
Urvertrauen und Urmisstrauen eine ganz große Rolle. Vertrauen versus Misstrauen bleibt für
uns alle ein Lebensthema, das sehen wir im Horoskop schon aus den ersten Aspekten, die der
Mond nach der Geburt macht, aber auch aus der Stellung und den Aspekten von Saturn (ein
schlecht entwickelter Saturn zeigt Misstrauen) und Jupiter (ein guter Jupiter steht für
Urvertrauen).
Noch ein Hinweis: Erik H. Erikson hat einen lesenswerten Aufsatz über „Identität und
Lebenszyklus“ geschrieben. 15.6.1902 in Frankfurt geb., 12. Mai 1994 in Harwich (USA
gest.)
Viele Astrologen gehen davon aus – und ich möchte mich dieser Betrachtungsweise
anschließen – dass sich eine vollständige Entwicklung eines Menschen über einen
Zeitraum von 84 Jahren erstreckt, das ist ein vollständiger Uranusumlauf oder entspricht
etwa drei Saturnrevolutionen. Wobei wir – und das ist hinsichtlich der Identitätsfindung in
einer ersten Phase (bis 28) vom Ererbten sprechen, die zweite von 28 bis 56 dem
individuellen Ausdruck des Menschen und von 56 bis der spirituell geistigen Entwicklung
entspricht.
In eine ähnliche Richtung zielt Abraham Maslow ab, der Begründer der humanistischen
Psychologie. Er hat als zentraler Bestandteil seiner Psychologie eine „Bedürfnispyramide“ der
menschlichen Entwicklung beschrieben. Danach werden wir in unserer Entwicklung zuerst
durch Bedürfnisse (Grund- oder Existenzbedürfnisse) motiviert, die sich auf das Überleben
beziehen: Nahrung, Schlaf, Sex und ein Dach über dem Kopf (erste Phase)
Dann tauchen Bedürfnisse auf, die für eine gesunde psychologische Verfassung und eine
stabile Persönlichkeit relevant sind: Sicherheit, Geborgenheit, Liebe, Achtung,
Selbstbewusstsein (zweite Phase) Sind diese befriedigt, kommen die sozialen Bedürfnisse ins
Spiel und danach die Bedürfnisse nach Anerkennung und Wertschätzung. Erst dann beginnen
die spirituellen Bedürfnisse aktiv mit ihren Impulsen zur Verwirklichung des eigenen
Potenzials zu arbeiten, die eigenen Talente und Fähigkeiten zum Ausdruck zu bringen, eine
Berufung oder Sinn gebende Lebensaufgabe zu erfüllen. Wir erleben diese Impulse, die ich in
jeder Hinsicht als identitätsstiftend bezeichnen würde, als Wunsch zu wachsen und als Suche
nach Selbstverwirklichung.
Anhand des 7-Jahreszyklus möchte ich Ihnen nun den Prozess der Entfaltung der Identität
skizzenhaft nachzeichnen, sodass sie einige Anregungen bekommen, wo sie gerade stehen
und mit was sie sich auseinander zusetzen haben.
O bis 7 Jahre:
In ihrem Buch „Das Drama des begabten Kindes“ sagt die Psychologin Alice Miller: „Ein
Neugeborenes ist auf Gedeih und Verderb auf seine Eltern angewiesen. Und da seine Existenz
davon abhängt, ihre Zuwendung zu bekommen, tut es auch alles, um sie nicht zu verlieren. Es
wird vom ersten Tag an all seine Möglichkeiten einsetzen, wie eine kleine Pflanze, die sich
nach der Sonne dreht, um zu überleben“.
Was ich damit sagen will: In unseren ersten Lebensjahren leben wir weitgehend in einer
mondhaften Welt. Bereits im ersten Lebensmonat bewegt sich der Mond einmal durch unser
Radix, während die Sonne, Merkur, Venus dafür ein Jahr brauchen. Da ist ein wichtiges Indiz,
dass unsere Gewohnheiten schon sehr früh geprägt werden. Oder noch ein Vergleich: bis
Saturn im 29. Jahr wieder auf die Radixposition zurückkehrt und damit einen bedeutenden
Reifungszyklus markiert, ist Mars vierzehnmal, Jupiter zweieinhalb mal und der Mond
dreihundertachtzig mal auf seine Radixposition zurückgekehrt, d.h. wir entfalten in dieser Zeit
fast 400 Lunare. In dieser Zeit spielt die Entwicklung des Körper und seiner Organe eine
wichtige Rolle und das Kind muss eine grundlegende Einstellung auf äußere Zwänge (Saturn)
finden. Dieser Entwicklungsprozess wird auch bestimmt von unserem genetischen und
familiäres Erbe wie auch durch die Umwelt-verhältnisse. Das heißt der Mond, Merkur und
natürlich auch Saturn als Setzer der Grenzen spielt da ein wichtige Rolle. Das Kind eignet
sich alles an, was es als unabhängiges Wesen braucht.
Bereits in den ersten sieben Jahren ist für ein Kind das Thema Disziplin (Saturn) Macht und
Kontrolle (Pluto) im Gegensatz zu Kreativität, Freiheit und Kindsein besonders wichtig zu
beantworten. Mit dem ersten Halbquadrat des Saturns (mit dreieinhalb Jahren) besitzt das
Kind bereits eine recht feste Persönlichkeit. In dieser Latenzzeit wird vom Kind ab dem 5.
Lebensjahr auch der Werksinn entwickelt und es erfährt eine erste bewusste Form der
Identität indem das Kind etwas schafft und für seine Leistungen und sein Verhalten entweder
gelobt oder getadelt wird. Auch die grundsätzlichen Wertvorstellungen (Venus) werden in
dieser Zeit bereits entwickelt, durch die Sonne lernt es seinen Willen wahrzunehmen und
auszudrücken, durch Merkur lernt es nicht nur zu reden sondern unter Umständen auch zu
lügen und zu stehlen oder durch Mars, wie es mit Zorn und Wut zu seinem Ziel kommen
möchte. Einen Abschluss findet diese Lebensphase durch das erste Saturnquadrat, das ein
Kind mit sieben Jahren erlebt.
In der folgenden Phase von 7 bis 14 Jahren entwickelt sich bis zur Saturnopposition bereits
eine eigenständige Persönlichkeit. Auf dem Weg zur sozialen und persönlichen Entwicklung
nimmt die Bedeutung des Saturns in diesen Jahren deutlich zu. Durch die Schule wird das Ich
erstmals deutlich eingeschränkt, es wird von ihm etwas verlangt, Regeln, Beschränkungen
und Erwartungen werden an das Kind herangetragen. Oder wir könnten auch sagen: Saturn
beginnt in dieser Zeit ein strenges Auge auf das Verhalten des Kindes zu werfen, was aber
notwendig ist, um ein bewusstes Ich und ein Ich-Gefühl zu entwickeln.
In dieser Zeit erprobt ein Kind auch seine persönliche Macht bei Eltern, in der Schule oder
seinen Freunden, es beginnt sich begleitet durch uranische Aspekte der Freiheitssinn und
hoffentlich auch die Kreativität des Kindes zu entwickeln. Mit 12 wird infolge der
Jupiterrevolution, es ist dies der erste markante abgeschlossene Zyklus’ eines „sozialen“
Planeten schon ein„Klassenbewusstsein“ geschaffen, d.h. die Kinder unterscheiden sich
hinsichtlich ihrer Fähigkeiten, ihrer Persönlichkeit, ihres Charakters immer mehr voneinander.
14 bis 21 Jahre:
In der nun einsetzenden Pubertät, die das Ende der Kindheit einläutet, dominiert nach Erikson
und anderen Psychologen die Thematik von Identität versus Identitätsverwirrung. Die
Beziehung zur Gesellschaft wird zentrales Entwicklungsthema. Der Triebschub der Pubertät
umfasst viele Bereiche, die erschlossen werden müssen, wie etwa die erstmals bewusst erlebte
Sexualität, das erstmalige Sich-Verlieben und auch das Abgelehnt-Werden, oder das
Aufspüren und Ausleben der eigenen Interessen.
Erikson meint, dass die ganze Kindheit hindurch Kristallisationen erprobt werden, welche
das Kind fühlen und glauben lassen, dass es annähernd weiss, wer es ist, um jedoch bald
darauf wieder zur Erkenntnis zu kommen, dass es gar nicht weiss, wer es ist, das heißt, dass in
diesem Alter frühere Identitäten immer wieder in Frage gestellt werden. Aber das dürfte
auch im späteren Leben nicht viel anders sein, denn es kann durchaus sein, dass wir in einem
bestimmten Lebensbereich oder in einer bestimmten Lebensphase eine gelungene Identität
geschaffen haben, so heißt dies noch lange nicht, dass diese Identität „dauerhaft“ ist und nicht
mehr verändert wird. In der Literatur wurde für dieses Phänomen in Anlehnung an die
Patchworkfamilie der Begriff „Patchworkidentität“ geschaffen, was so viel heißt, dass wir
einfach eine fließende Identität haben.
Zurück zur Pubertät: Mit der ersten Saturnopposition wird in unsere Psyche eine starke
Spannung aufgebaut, die dazu führen kann, dass wir uns mit Autoritäten anlegen, den Eltern
das Leben zur Hölle machen und denken, dass wir schon ausgesprochen reif wären. Ganz fehl
ist diese Annahme nicht, denn eine Opposition schafft erstmals eine Art objektives
Bewusstsein.
Eine Opposition zeigt immer an, dass eine Spannung zwischen uns und den anderen gibt,
dass innere Dissonanzen vorhanden sind und so kommt dem jungen Menschen, der bis jetzt
viel experimentieren und probieren durfte, um seine Möglichkeiten zu entdecken, erstmals die
Außenwelt mit voller Wucht entgegen. Andererseits erweitert sich nach dem ersten
jupiterhaften Reifeschub der Bezugs- und Aktionsrahmen kontinuierlich, wobei der
Heranwachsende dabei immer wieder an eigene und fremde Grenzen stößt.
Ich persönlich finde es für den Aufbau einer Identität besonders wichtig, dass die Familie jetzt
ein Wertesystem hat, an dem sich der junge Mensch orientieren kann. Denn in jeder Hinsicht
ist dies eine sensible Zeit für jeden Menschen, und es geschehen Demütigungen und
Peinlichkeiten, die einen jungen Mensch psychisch sehr verletzen können. Nicht selten
entstehen in dieser Zeit seelische Wunden, die im Leben schwer verheilen (oder später
wieder aufbrechen können). Vielleicht ist es auch das venusisch-marsische Paar in
Kombination mit dem Mond, das einem jungen Menschen in der erwachenden Sturm- und
Drangzeit sehr zu schaffen machen kann.
Ich denke, das eine erste wichtige Lebenszäsur dann mit etwa 18 Jahren mit der ersten
Wiederkehr der Mondknotenachse auf seine Radixposition stattfindet. Vielleicht spüren
wir zu dieser Zeit – die Mondknoten bringen uns ja mit unsere Schicksals- und
Bestimmungslinie in Berührung erstmals eine starke Ich-Identität und Selbstbewusstheit,
sodass langsam mehr Stabilität und Kontinuität in unser Wertesystem einziehen kann. Da nun
die Treue zu sich selbst, die sehr identitätsfördernd ist, besonders wichtig wird, wird der junge
Mensch bemüht sein, so authentisch wie möglich zu sein und auch den anderen möchte er
sein ganz persönliches Profil zeigen.
Nun hat der junge Mensch auch erstmals eine Art von Lebensgeschichte, die er erzählen kann,
er glaubt zu wissen, was er will und was er nicht will, die Verhaltensmuster sind auf eine Art
schon sehr gefestigt, er weiß jetzt in vielen Fällen genau, was er beruflich tun will, ob er
lieber Single ist oder bereits eine Beziehung möchte. Vielleicht haben wir dann nach dem
ersten abnehmenden Saturnquadrat, das mit etwa 21 stattfindet, bereits ein inneres Modell
davon geschaffen, wie unser Leben sein sollte, damit es wertvoll ist. Und ich denke sogar,
dass wir dieses Modell aus dem Horoskop ableiten können, auch wenn es im Laufe des
Lebens wahrscheinlich noch einige Male verändert werden wird.
21 bis 28
Mit 21 findet auch erstmals ein zunehmendes Uranusquadrat zur seiner Radixposition statt.
Nun geht es darum, sich einerseits von seiner Familie immer mehr abzunabeln (was oft mit
Pauken und Trompeten geschehen kann) und langsam auf beruflicher und sozialer Ebene
einen Durchbruch zu schaffen. Nun sollten die letzten Überreste der Jugend abgestreift
werden, vielleicht muss der junge Mensch bereits die Narben der Schule und der Zeit des
Heranreifens behandeln. Auf jeden Fall beginnt nun der Eintritt in die Welt der Erwachsenen.
Es kann eine stürmische und herausfordernde Zeit sein und ich denke, dass gerade das
erste Uranusquadrat ernsthafte Identitätskonflikte hervorrufen kann. In dieser Zeit findet
wahrscheinlich auch der Übergang von der übernommenen Identität zu erarbeiteten Identität
statt, sodass es nun darum geht, sich von den Wünschen, Vorstellungen, Urteilen von Eltern
und Autoritätspersonen immer mehr zu befreien.
Die Rebellion der Jugend gegenüber dem vorherrschenden Zeitgeist ist sicher ein Ausdruck,
zu einer eigenen Identität vorzudringen, und wir sehen auch, dass viele junge Menschen sich
zu Gruppen zusammenschließen und ihre Zugehörigkeit betonen, und dadurch eine Art
Gruppenidentität erleben. Den Prozess, den der junge Mensch hier durchmacht, wird auch in
späteren Jahren immer wieder – zwar in veränderter Form – stattfinden. Dieser Prozess ist ein
weiterer Ausdruck dafür, dass es eine lebenslange Aufgabe ist, sich von der übernommenen
Identität zu befreien und an ihre Stelle eine selbst erarbeitete Identität zu setzen. Wir sehen in
einem Horoskop oft sehr starke familiäre Prägungen und ich sehe, dass sogar alte Menschen
unter diesem Erbe noch zu leiden haben. Das zeigt sich dadurch, dass es ihnen nicht geglückt
ist oder nur schwer möglich war, ein eigenes Leben zu leben, eine eigene Stimme zu finden
und eine Selbstbewusstheit zu erfahren, die Ausdruck eines bewussten Erkenntnisprozesses
ist. Mitte zwanzig findet auch die zweite Jupiterrückkehr statt und zeigt die Möglichkeiten
und den Wunsch auf, seinen Aktionsradius zu vergrößern, um seine Ideale zu verwirklichen
28 bis 35
Mit 28 bis 30 Jahren und der ersten Saturnrevolution sollten wir so weit sein, dass wir
akzeptieren, dass wir uns immer wieder verändern müssen, um der Mann oder die Frau zu
werden, der oder die man ist. Der Prozess der Identitätsbildung verlangt von uns, dass wir das
Gelernte und das Erfahrene immer wieder in Frage stellen, und uns zu prüfen, ob wir zu einer
eigenen Identität gekommen sind oder uns in fremden Identitäten oder Scheinidentitäten
verstecken.
Uranus und Saturn spielen bei diesem Prozess lebenslang eine besondere Rolle, während
Uranus unseren Blick meistens auf die Zukunft , auf die Eigenständigkeit und auf den Bruch
mit tiefverwurzelten Gewohnheiten lenkt, schaut Saturn zumindest mit einem Auge immer in
die Vergangenheit und lenkt unsere Aufmerksamkeit nach innen oder in Richtung
Verantwortung und Tradition, auf den elterlichen Identitätskodex.
Ein ganz wichtiges Datum in der Entwicklung der Identität bildet das 28. Lebensjahr. Nun
kommt der progressive Mond wieder auf seine Radixstellung zurück, wodurch die Themen
Mutter und Familie eine wichtige Rolle spielen. Bis sich mit etwa 29 Jahren der Phasenwinkel
von Sonne und Mond wiederholt findet in vielen Fällen eine Orientierungskrise in der
Entwicklung unserer Identität statt.
Wir können die Jahre zwischen 27 und 30 in der viele Zyklen zusammenfallen, als eine
Krisenzeit betrachten, und – da ich jetzt schon öfter von Krise gesprochen habe, auch einmal
das Wort mit den Worten Karl Kerenys übersetzen: Er sagt: „Krise ist eine genaue
Übersetzung des griechischen Wortes krisis. Es bedeutet Trennung, Teilung, Streit, Auslese,
dann aber auch Entscheidung und Urteil, das heißt, das Fällen eines Richterspruchs. Eine
Krise ist eine Situation, in der kein Wert mehr eine unzweifelhafte Gültigkeit hat, kein
Verhalten unantastbar richtig ist.“
Astrologie und Krisenbewältigung
Da Krisen zur Identitätsfindung notwendig sind und wir wahrscheinlich niemand kennen, der
nicht schon einmal durch eine Krise hindurchgegangen ist, möchte ich an dieser Stelle – bevor
wir die nächsten Jahre überblicken – einige Worte über Astrologie und Krisenbewältigung
sagen.
Wir wissen, dass wir als Astrologe oder Astrologin das Potenzial und die zeitliche
Einordnung der Krisen anhand von stattfindenden Progressionen und/oderTransiten erkennen
können. Ich brauche jetzt nicht zu sagen, dass die Astrologie damit ein äußerst wertvolles, ja
vielleicht wunderbares Instrument ist, das uns hilft, uns nicht nur auf bervorstehende Krisen
vorzubereiten, sondern auch hilft aufgrund der Kenntnis der Ursachen die richtige
Entscheidungen zur Krisenbewältigung zu treffen. Gerade als beratende Astrologen haben wir
tagtäglich mit Menschen zu tun, die sich auf irgend eine Art und Weiese in einer Krise
befinden, denn sonst würden sie ja nicht zu uns kommen.
Ich möchte aber hier eines ganz klar und deutlich sagen. Es darf bei einer Beratung nicht
darum gehen, die praktisch immer gestellte Frage: „Wann ist die Krise oder die schwierige
Zeit vorbei“ mit einem Datum zu beantworten. Wenn auch ein Erwähnung eines
voraussichtlichen Endes der Krise wie eine Beruhigungspille wirken kann, so dürfen wir
unserem Klienten nicht die Chance nehmen, sich in einer Krise zu entwickeln und selbst
Entscheidungen zu treffen.
Ein Astrologe darf und kann für einen anderen keine Entscheidungen treffen! Ich
möchte auch davon warnen, unsere Klienten in solchen Zeiten in Angst und Schrecken zu
versetzen, wenn wir sagen – da müssen sie aufpassen, da kommt ein ganz schwieriger Saturn
oder Plutoeinfluss. Denn ich denke, dass eine solche negative Herangehensweise an die
Krisenbewältigung potenzielle Wachstumsmöglichkeiten im Keim ersticken kann, denn
Ängste sind selten kreative Ratgeber! Vielmehr sollten wir uns unserer Aufgabe bewusst sein,
dass wir den Menschen helfen wollen, kreative Lösungsansätze zur Krisenbewältigung zu
finden.
Wir können ihnen helfen, Entscheidungen zu treffen. Und ich denke, dass dies in unserer
astrologischen Arbeit sehr notwendig ist. Denn ich stelle immer wieder fest, dass sich so viele
Leute wehren oder eine tiefsitzende Angst haben, Entscheidungen zu treffen. Sie hoffen
darauf, dass sich alles von selbst erledigt und sie möglichst unbeschädigt aus einer Krise
heraus kommen. Aber das Leben spielt selten auf diese Weise. Ich denke, dass jede nicht
gemachte Entscheidung, die notwendig gewesen wäre, eine Art Niederlage auf dem Weg zur
Entwicklung einer eigenen Identität ist. Wenn wir nur auf bessere Zeiten warten wollen und
nichts dafür tun wollen, können wir nicht erwarten, dass wir zu einer Persönlichkeit reifen.
Mars verlangt von uns immer wieder, dass wir ganz bewusst Entscheidungen treffen, lernen ja
und nein zu sagen, für dies oder jenes klar und deutlich einzutreten. Ich weiß, dass sich viele
unter uns – vor allem wenn sie sehr waagebetont oder harmoniesüchtig sind, sehr schwer tun,
dies anzuerkennen. Ich denke, dass nicht gemachte Entscheidungen den Fluss unserer
Lebensenergien sicher hemmen oder sie in falsche Kanäle leiten, wodurch ganz bestimmt
keine identitätsfördernden Entwicklungen entstehen. Im schlimmsten Fall kann es sogar – vor
allem wenn Uranus oder Pluto sich mit Mars auf eine Seite schlagen, zu richtigen
Lebensexplosionen kommen, wo kein Stein auf dem anderen bleibt und wir vor den Ruinen
einer Lebenssituation stehen, die wir gerne erhalten hätten.
Und ganz besonders können wir uns ärgern, wenn wir erkennen, dass nur unser falsches
Verhalten die Ursache für die Katastrophe war. Wäre es da nicht besser gewesen, sich
vorangegangenen kleinen Krisen mit Mut, Offenheit, Ehrlichkeit und Entscheidungskraft zu
stellen, umso mehr Krisen vor allem Gelegenheiten zum Wachstum sind. Ich will damit
natürlich nicht sagen, dass wir jede Krise selbst erschaffen, sondern es gibt auch Krisen, die
von außen an uns herangetragen werden, wie etwa Scheidung, Krankheiten oder Unfälle,
Arbeitslosigkeit oder Ereignisse, die sozusagen über Nacht unser Leben verändern.
Ich denke, dass die Grenze „selbstgemacht“ und „ich kann nichts dafür, das Schicksal hat dies
bestimmt“ fließend ist. Eher neigen wir dazu, die Fehler nicht bei uns selbst zu suchen,
sondern bei den anderen oder beim „bösen Schicksal“. Wir sollten uns auch bewusst sein,
dass Ereignisse ihre seelische„Ursache“ oder ihren „Ursprung“ auch in der
Familiengeschichte beziehungsweise unserem karmischen „Seelen- und Schicksalsspeicher“
haben, dem wir uns mit Astrologie natürlich auch nähern können.
Noch ein Wort zu Direktionen und Transiten. Ich stelle in meiner täglichen Arbeit immer
wieder fest, dass sich Direktionen auf einen inneren und subjektiven Prozess beziehen, also
auf eine Art und Weise ein Boden mit Stimmungsbarometer für die Entfaltung unseres Lebens
oder unserer Persönlichkeit bilden, dass sie Rhythmen unserer persönlichen
Entwicklungsmöglichkeiten anzeigten, um letztlich zu der im Horoskop archetypisch
angelegten persönlichen Identität vorzustoßen.
Aus den Direktionen können wir sicher auch den Prozess der Selbstentfaltung und
Selbstverwirklichung ablesen, können wir die Schwierigkeiten und Hürden erkennen, die
diese Tätigkeit zu keinem leichten Unterfangen machen. Aber nach unserer Geburt spielt sich
in unserem Horoskop im Laufe eines Lebens auch ein wahres Feuerwerk von Transiten ab
und ich denke, dass sich Transite auf den Druck beziehen, der uns von außen begegnet.
Transit bedeutet nämlich hindurchgehen, hindurchführen oder etwas passieren (im
zweideutigen Sinne) durch den Tierkreis. Durch Transite können wir die ständigen
Veränderungen, die in unsrem Leben passieren erkennen und deuten, wir wissen, dass
Jupitertransite expandierend wirken, Saturntransite hemmende oder blockierend,
Uranustransite inspirierend, Neptuntransite verklärend oder Plutotransite kontrollierend
wirken.
Viele von uns glauben immer noch, dass wir uns Transiten nicht entziehen können, doch ich
bin nicht ganz dieser Meinung. Ein Transit ist ein astronomisches Ereignis am Himmel das
mit unserem Geburtshoroskop in irgendeiner Resonanz steht. Doch es ist ein komplexes, sich
ständig veränderndes Schema, das mit unserem Horoskop in Beziehung steht und ich denke,
dass wir nichts isoliert betrachten können und aus einem Transit allein noch keine Wahrheit
verkünden können.
Abschließend möchte ich zu Transiten sagen, dass sie uns darauf aufmerksam machen, dass
wir keine von allem losgelösten Individuen sind, sondern in einem permanenten Dialog mit
dem Universum stehen, einem Dialog, der uns immer wieder neue Chancen zur Entwicklung
bietet und einen Aufruf darstellt, zu seiner Identität vorzustoßen und nicht daran zu glauben,
dass wir Gefangene unserer Transite und Progressionen sind.
Ich habe auch die Theorie gehört, dass extrovertierte Astrologen eher Transite und
introvertierte eher Progressionen bevorzugen. Ich kann diesbezüglich keinen
Bestätigungsnachweis liefern, möchte aber doch sagen, dass wir einen ganzheitlichen Ansatz
verfolgen und deshalb beides verwenden sollten.
Kehren wir nach dieser kurzen Exkursion über Transite und Progressionen zurück auf unseren
Lebensweg. Ab 28 Jahren beginnt ein neuer wichtiger Lebenszyklus, der bis etwa bis zum 60
Lebensjahr andauert. Ich unterteile diese Phase wieder in vier Etappen zu je sieben Jahren.
Zurück zum Alter zwischen 28 und 35:
In diesem Alter haben wir das Uranustrigon, die Rückkehr des progressiven Mondes auf die
Radixposition und die Umkehrung der Mondknoten und der Saturn kehrt auf seine
Radixposition zurück. Jetzt müssen durch die Saturnwiederkehr die inneren Werte überprüft
werden, Der Saturn hat bis jetzt alle Stationen im Horoskop einmal passiert, alle Aspekte
einmal gebildet, jedes Haus und jedes Zeichen durchlaufen. Jetzt wirft einem die
Saturnrevolution auf einem selbst zurück, ab jetzt muss man endgültig für sich selbst sorgen,
wenn eine große Diskrepanz besteht, zwischen dem was die Familie und die Gesellschaft als
Wertsystem geliefert hat und unseren eigenen Ansichten, kann dies eine tiefe
Lebenserschütterung bringen. Eine Saturnrevolution kann Ungewissheit und Verstörtheit mit
sich bringen. Selbst Eltern zu sein ist in dieser Phase ein sehr wichtiges Thema,
Der Zeitraum zwischen 27 und 30 ist einer der wichtigsten in unserem Leben, ähnlich dem
zwischen 56 und 60. Jetzt ist man nicht mehr länger das Ergebnis des familiären und
kulturellen Erbes, jetzt bekommt man die Möglichkeit, die eigene Individualität zum
Ausdruck zu bringen und seine Identität erstmals richtig wahrzunehmen. Es ist der potenzielle
Anfang eines kreativen individuellen Lebens. Durch Saturn kann man sich bewusst als Teil
eines größeren Ganzen sehen. Vor dem 28. Geburtstag blüht die seelische und genetische
Vergangenheit auf. Wir müssen die Beziehung zur Vergangenheit umwandeln, und dann
entscheiden, wie sie als Hilfsmittel zu betrachten ist. Nach dieser Krisenzeit und dem Ende
der ersten Saturnrevolution sollten wir mit 30 wissen, welchen Lebensweg wir einschlagen
wollen, denn die nächsten 30 Jahre werden davon bestimmt, welche Entscheidungen wir in
dieser Zeit getroffen haben und davon, ob wir bis 30 für diesen Lebensplan das richtige
Rüstzeug geschaffen haben. Wir können auch sagen, dass wir uns mit 30 aus dem Erbe
unserer Eltern befreit haben sollten, um nun einen individuellen Weg antreten zu können, und
wir dann um nach der zweiten Saturnrevolution unsere geistig-spirituellen Potenziale zur
Entfaltung bringen können.
35 bis 42
Den Höhepunkt der physischen und persönlichen Fähigkeiten erleben wir in der Regel
zwischen dem 35. und 42. Lebensjahr. Vielleicht könnten wir diesen Lebensabschnitt mit dem
von Dane Rudhyar geprägten Begriff „Plateauphase“ bezeichnen, denn danach beginnen die
Lebensenergien ständig abzunehmen. In dieser Zeit finden entscheidende Zyklen und Aspekte
von Planeten statt. Mit 35 Jahren findet das zweite Mal ein zunehmendes Saturnquadrat statt,
(vergleichbar mit dem Aspekt der im Alter von 7 Jahren stattfand), sodass wir in dieser Zeit
in unserer Freiheits- und Individualitätsbestrebungen von Saturn wieder diszipliniert werden.
Mit 36 kommt Jupiter bereits ein drittes Mal auf seine Radixposition zurück, wodurch wir
vielleicht verstärkt nach dem Sinn unseres Lebens suchen, den Sinn unserer Arbeit
hinterfragen oder das Gefühl haben, dass wir noch weiter wachsen möchten.
Ähnlich wie mit 19 stehen mit 38 Jahren die Mondknoten das zweite Mal in Konjunktion
zur Radixposition, wodurch eine Neubewertung der Zielsetzung unseres Lebens stattfinden
kann oder es könnte sich zu dieser Zeit auch das entfalten, was mit 19 begonnen hat. Etwa
plastisch darf ich daran erinnern, dass in den Mondknoten die Geschichte unserer Seele
enthalten ist und dadurch solche Zeiten eine fast magische Qualität haben können. So könnte
uns die innere Stimme dazu auffordern, unseren Lebensweg zu korrigieren um zu unserer
wahren Bestimmung vorzudringen, oder im Zusammenhang mit unserem Thema einen Weg
aufzeigen, wie wir unserer wahren Identität näherkommen.
42 bis 49 Jahre
Eine sehr wichtige Lebensphase erleben wir auch zwischen 42 und 49 Jahre, die durch
wichtige Uranus-, Saturn- und Plutotransite gekennzeichnet wird. In dieser Zeit können
gravierende Identitätskrisen stattfinden, da wir uns einerseits an das Bestehende anpassen
wollen, andererseits aber dazu aufgefordert werden, einen neuen Anfang zu machen. Die
Uranusopposition, die die Mitte des Lebens markiert, geht meist einher mit inneren
Konflikten, denn nun stellt sich die Frage, wozu unsere das in Mühen und mit Problemen
erkämpfte Identitätsgefühl eigentlich gut sein soll. Sind wir wirklich derjenige oder diejenige,
für die wir uns so lange gehalten haben. Oder sind wir vielleicht ganz anders und spielen nur
eine Rolle, die die anderen für uns geschaffen haben.
Die sogenannte Midlife-Crisis ist von vielen Fragen begleitet, von Fragen, auf die es nicht
immer schnell eine Antwort gibt. Aber auf eine Art findet ab 40 eine Art Neuorientierung
statt, eine Krise die zwischen Seele und Persönlichkeit (zwischen unseren lunaren und solaren
Anteilen) ausgetragen wird. Uranus, der Lichtbringer, kann uns in dieser Zeit zu einem
wunderbaren Gefühl der Befreiung verhelfen, doch wir sollten nicht in den Fehler verfallen,
dass wir jetzt ganz außergewöhnliche Menschen wären, die über dem Leben und dem
Schicksal stehen.
Anders gesagt: die Identität, die wir uns bis zu diesem Zeitpunkt geschaffen haben, kann uns
dazu verhelfen, in dieser schwierigen Zeit die Orientierung und das Maß nicht zu verlieren.
Da ja auch Saturn mit 42 zum zweiten Mal in Opposition zu seiner Radixposition steht und
Pluto unter Umständen das erste zunehmende Quadrat zu seiner Radixposition bildet, sind wir
aufgefordert den tieferen Sinn unserer inneren Widersprüchlichkeiten zu erkennen, oder um
mit Viktor Frankl zu sprechen: „Wenn wir nicht länger in der Lage sind, eine Situation zu
verändern, sind wir gefordert, uns selbst zu ändern“. Vielleicht erleben wir in dieser Zeit
sogar ein existenzielles Vakuum mit einem zunehmenden Gefühl der Sinnlosigkeit.
Leo Tolstoj schrieb über die existenzielle Krise, die in dieser Lebensphase ausbrechen kann.
„Etwas sehr Seltsames begann mir zuzustoßen. Ich erlebe Augenblicke von Bestürzung und
Lebensstillstand, als ob ich nicht wisse, was ich tun und wie ich leben sollte, und ich fühle
mich verloren und wurde mutlos. Diese Augenblicke der Bestürzung stellten sich immer
häufiger ein – Sie drückten sich immer durch die Fragen aus: Wozu? Wohin führt das? Zuerst
erschien es mir so, als seien dies unsinnige und unwichtige Fragen. Ich dachte, wenn ich je
den Wunsch haben sollte, mich um die Lösung zu kümmern, werde mich das nicht viel Mühe
kosten. Nur gerade im Augenblick hatte ich dazu keine Zeit, aber wenn ich wollte, würde ich
in der Lage sein, die Antwort zu finden. Die Fragen begannen sich jedoch häufig zu
wiederholen und immer dringender nach einer Antwort zu verlangen .... Sie wirkten so dumm,
so einfach und kindisch; doch kaum berührte ich sie und versuchte sie zu lösen, da kam ich
sofort zu der Erkenntnis, dass sie erstens nicht kindisch und dumm, sondern die wichtigsten
und tiefsten Lebensfragen waren, und ich sie zweitens, sosehr ich es auch versuchte, nicht
lösen konnte.“
Und weiter: „Ich fühlte, dass das, worauf ich gestanden hatte, zusammengebrochen war, und
ich hatte keinen Boden mehr unter den Füßen. Das, wofür ich gelebt hatte, existierte nicht
mehr, und es war nichts davon übrig. Es gab kein Leben, denn es gab keine Wünsche, deren
Erfüllung ich als vernünftig ansehen konnte. Wenn ich irgendetwas begehrte, wusste ich
schon im Voraus, ob ich mein Begehren nun stillte oder nicht, es würde nichts dabei
herauskommen.“
Ich denke, dass solche Übergangsphasen für viele Menschen besonders schwer zu ertragen
sind, vor allem für Menschen, in deren Horoskopen die transsaturnischen Planeten eine
bedeutende Funktion haben. Wenn Uranus und Pluto „aktiv“ sind und dazu erleben wir mit 42
auch erstmals ein Neptunquadrat, das durch einen wachsenden Fluss überbewusster oder
transpersonaler Energie angezeigt wird.
Roberto Assiagioli, der Begründer der Psychosynthese, meint, dass in dieser Zeit durch das
Zusammentreffen individueller und transpersonaler Energie eine Existenzkrise ausgelöst wird.
Er glaubt, dass die Energie des Höheren Selbst in solchen Fällen zunimmt und dann eine
Anziehungskraft auf das Persönliche Selbst oder das Ich ausübt, das heißt dass in diesem Fall
auch Jupiter ins Spiel kommt, der uns langsam zu einem neuen Lebenssinn führt und von den
Begrenzungen einer sehr materiell eingestellten Lebensweise befreit und zu einer
ganzheitlichen Lebensorientierung führt.
Dieses Werk könnte Jupiter mit seiner vierten Wiederkehr mit 48 vollbracht haben. Tolstoj
erlebte diese Neuorientierung, als er einen seiner Spaziergänge durch den Wald machte und
hielt fest: „Wenn uns die Wahrnehmung für das fehlt, was größer ist, als wir selbst, erfahren
wir die Verzweiflung. Dann spüren wir eine umfassende Bewunderung für den Reichtum und
die Tiefe des Lebens und erkennen unseren eigenen Platz darin“. Oder vielleicht könnten wir
die Dissonanz die wir an dieser Schwelle erleben mit einfachen Worten so charakterisieren:
„wir wissen, wie wir sein könnten, während wir gleichzeitig immer wieder erleben, wie wir
sind“
Wir sehen also, dass die Identitätsfindung mit starken inneren Konflikten begleitet sein
kann, dass auf diesem Weg Konflikte zwischen persönlichen Interessen und verantwortlichem
Handeln entstehen können, dass die Neustrukturierung des persönlichen Ichs mit seelischen
Krämpfen begleitet sein kann, dass es zur Identitätsfindung notwendig ist, sich von Illusionen
und falschen Träumen und Sehnsüchten zu befreien. Ich denke, dass die wichtigste
Herausforderung dieser 7-Jahresperiode darin besteht, die wahre Bedeutung und den wahren
Wert des eigenen Lebens und vor allem den Wert der zwischenmenschlichen Beziehung zu
erkennen. Denn Oppositionen bedeuten sich auf das andere zu beziehen. Dazu ist es mit der
Uranusopposition vielleicht notwendig, alte Verhaltensmuster zu durchbrechen und bequeme
Verhaltensmuster abzulegen. Viele haben unter diesen Aspekten das Gefühl „einer letzten
Chance“, einer letzten Liebe und haben dabei Angst, dass sie bei dieser Kurskorrektur
scheitern könnten.
Doch wenn ein Mensch im fünften Lebensjahrzehnt eine Persönlichkeit mit einer eigenen
Identität geworden ist, den Ruf seiner Seele gehört hat und ihm gefolgt ist, kann in dieser
turbulenten Zeit eine tiefgreifende positive Veränderung der Lebensrichtung und ein weiterer
Schritt zur Ausbildung einer integren Identität stattfinden. Und nicht zu vergessen, dass mit
47 die Umkehrung der Mondknotenachse stattfindet, wodurch wir mit der Quelle unseres
Seins stark verbunden sein können.
49 bis 56 Jahre
In diesem Alter in dem langsam der biologische Imperativ ans auffordert, uns mit dem
Wesentlichen des Lebens zu beschäftigen, kann sich die Frage nach der Identität wieder sehr
stark vor unser Seelen- und Gedankenlandschaft ausbreiten. Einerseits werden wir ab 50
langsam frei von Abhängigkeiten, die Kinder werden selbständiger und unabhängiger, die
Frau gewinnt nach den Wechseljahren eine in der Seele spürbare Freiheit von lunaren Zyklen
und Gefühlen und durch mehr Testosteron im Hormonhaushalt mehr Willenskraft und
Unabhängigkeit gewinnen, während die Männer durch den Wechsel im Hormonhaushalt
zusehends gefühlsbetonter werden können. Kein Wunder, dass dadurch auch Beziehungen
zwischen Mann und Frau eine Neubewertung erfahren können. Aber nichts desto trotz sollten
wir in der Lage sein, sich selbst als organisches Ganzes zu sehen, als eine integrale Einheit
und nicht als Ausdehnung oder Projektion anderer.
C.G.Jung sagt: „Der alternde Mensch sollte wissen, dass sein Leben nicht ansteigt und sich
erweitert, sondern dass ein unerbittlicher innerer Prozess die Verengung des Lebens
erzwingt. Für den jungen Menschen ist es beinahe eine Sünder oder wenigsten eine Gefahr,
zuviel mit sich selbst beschäftig zu sein, für den alternden Menschen ist es eine Pflicht und
eine Notwendigkeit, seinem Selbst ernsthafte Beachtung zu schenken“.
Melanie Reinhart, die über Chiron ein sehr lesenswertes Buch geschrieben hat, meint zu
dieser Phase: „Zur Zeit der Chiron-Rückkehr nehmen wir, falls wir dies nicht schon getan
haben, die Auseinandersetzung mit dem Tod und dem Ende unseres körperlichen Lebens auf
der Erde auf. Wir haben nun die Hälfte unseres Lebens hinter uns .Die Chiron-Rückkehr stellt
folgende Frage: Was will ich mit dem letzten Teil meines Lebens tun?
Das ist auch eine Frage, die ganz bestimmt an das Wesen unserer Identität rührt. Wir sollten
nun die Verpflichtung fühlen, Dinge zu tun und zu fördern, die die eigene Individualität
unterstreichen oder für unser spirituelles Leben förderlich sind. Es könnte uns auch bewusst
werden – das stelle ich in Beratungen immer wieder fest – dass wir die Auseinandersetzung
mit unseren persönlichen Wunden oder den blinden Flecken in der Psyche bis jetzt
immer hinausgeschoben haben. Doch um eine neue Sprosse auf der Leiter unserer
seelischen Entwicklung zu besteigen, ist diese Auseinandersetzung dringend notwendig. Denn
jeder Neuanfang, der durch die Rückkehr eines umlaufenden Planeten auf seine Radixposition
symbolisiert wird, verlangt, dass wir die Lektion des vorangegangenen Zyklus verstanden
haben.
Ich möchte Ihnen den Übergang, den wir mit 50 erleben, mit einer kleinen Anekdote, die für
mich ganz gut passt, verdeutlichen:
Ein Schüler fragt den Meister:
Was soll ich tun, um Selbstverwirklichung zu erreichen?“
„Wenn du Selbstverwirklichung erreichen willst, musst du zwei Dinge wissen. Erstens, dass
alle Bemühungen, sie zu erreichen, vergeblich sind.
Und zweitens?
Du musst handeln, als ob du das Erste nicht wüsstest“
Diese Erkenntnis könnte mit dem zweiten abnehmenden Saturnquadrat entstanden sein. Denn
es geht nun auch darum, die Bedeutung des bisherigen Lebens zu bewerten, tiefverwurzelte
Glaubenssätze – die Verhaltenspsychologen würden sagen – das Lebensscript – sollte wieder
einmal einer Prüfung unterzogen werden und wenn notwendig – nun endgültig abgelegt
werden. Dieses Alter markiert ganz bestimmt einen neuen wesentlichen Meilenstein in der
Suche nach unserer Identität.
Wir erkennen dabei vielleicht, dass wir Identität als eine Folge von Veränderungen
erfahren und sollten uns die Frage stellen:
Welchen Sinn geben wir diesen Veränderungen,
welchen Sinn haben die Transite und Progressionen für unser Leben?
Welchen Sinn hat jedes einzelne Solar?
Mit solchen Fragen auch sinnvolle Antworten auf die Rückkehr des zweiten des zweiten
progressiven Mondes auf die Radixposition finden können. Denn der Mond enthält eine
Menge an Informationen darüber, wer wir tief in unserer Seele sind, er liefert uns Antworten
auf unsere emotionalen Ursprünge und Konditionierungen. Und ein Reifeprozess verlangt,
dass wir diese Informationen suchen und Ihnen für unser Leben und für unsere Beziehungen
und unserem Lebensauftrag eine Bedeutung geben. Unterstützt wird dieser Prozess durch die
Trigone von Uranus-Uranus und Neptun-Neptun, die in diesen Jahren stattfinden.
Als Ergebnis dieses Prozesses sollte eine Identität geschaffen worden sein, die sich durch ein
größeres Gefühl von Vertrauen für sein eigenes Leben ausdrückt. Verena Kast fasst diese
Station des Identitätsgefühls vielleicht am treffendsten zusammen, wenn sie sagt: „Gefragt ist
der Mensch nicht ohne Mitte und ohne Kohärenz, sondern der Mensch der an seiner
Identität arbeitet und trotz vielfältiger Rollen, vielfältiger sich ändernder Ansprüche, trotz
eines rasch sich verändernden Beziehungsnetzes immer wieder ein Gefühl der Identität
herstellen und dieses auch kommunizieren kann“.
Dane Rudhyar sagt über die Mitte des Lebens: „Nachdem die Mitte des Lebens überschritten
ist, begegnet der Mensch fortwährend der eigenen Vergangenheit. Seine Handlungen, die aus
dieser Begegnung resultieren, bestimmen ihrerseits entweder sein zukünftiges Leben (wenn
er an die Wiedergeburt glaubt) oder seinen Zustand nach dem Tode (wenn er an die
persönliche Unsterblichkeit glaubt)“
56 bis 63
Bei den Griechen wurde das Alter ab 60 als das „philosophische Alter“ bezeichnet, dass
heisst, dass wir im Sinne der Suche nach Identität und des Erlebens von Identität die
individuelle Zielsetzung im Leben mit den Bedürfnissen der Gemeinschaft in Einklang
bringen sollten. In dieser Siebenjahresphase zwischen 56 bis 63 Jahre finden ganz markante
„Identitätsstationen“ statt. Erstens vollendet Saturn mit etwa 59 den zweiten Umlauf durch
unser Radix, zweitens wiederholt sich der Sonne-Mond-Aspekt des Radix in der Progression,
drittens beginnt der vierte Mondknotenzyklus und der sechste Reise von Jupiter durch unser
Radix.
Oft wird davon gesprochen, dass wir in dieser Zeit eine Art „Schwelle“ überschreiten, dass
wir uns von den Oberflächlichkeiten des Lebens langsam verabschieden, dass wir nicht mehr
so stark auf Anerkennung aus sind, wie dies in früheren Jahren der Fall war. Aber wir merken
oft auch – vielleicht die Feuer- und Luftzeichen ganz besonders - dass wir uns noch einmal an
das „junge Leben“, das in unserer Gesellschaft so hoch gehalten wird, klammern. Dann
schreiben wir uns in einen „Fitnesskurs für Junggebliebene“ ein und versuchen den
körperlichen Verfallsprozess mit allen Mitteln aufzuhalten. Es wäre jedoch sinnvoller, sich
nun mit dem zu beschäftigen, was wir im Leben noch nicht getan und vielleicht immer nur
hinausgeschoben haben. Die zweite Wiederkehr der Sonne-Mond-Phase des Radix und der
Beginn der dritten Mondknotenreise durch das Radix sind wahrscheinlich ein klarer Aufruf,
sich ein letztes Mal intensiv mit dem „Geburtsversprechen“ des Radix auseinander zu setzen.
63 bis 70
Zwischen 63 und 70 erreicht Uranus das abnehmende Quadrat zu seiner Radixposition bis er
dann mit 84 wieder auf seine Radixstellung zurückkehrt und Saturn bewegt sich wie im Alter
von Geburt bis sieben und 28 bis 35 auf das zunehmende Quadrat hin.
Das abnehmende Quadrat des Uranus Viertel definiert einen bedeutenden Prozess, den wir
durch „Loslassen“ charakterisieren können. Es findet nämlich ein starker Bruch mit dem statt,
womit wir uns identifiziert haben: mit unserer beruflichen Position, mit unserem Stellenwert
in der Gesellschaft, d.h. wir werden gerade in einer Gesellschaft, die das Altern nicht ehrt,
immer mehr auf uns selbst „zurückgeworfen“. Wem es bis zu diesem Alter nicht geglückt ist,
seine Identität zu finden, könnte in diesen Jahren mit Gefühlen der Einsamkeit und
Sinnlosigkeit konfrontiert werden. Andererseits könnte dieser Loslösungsprozess gerade für
Menschen, die kreativ und schöpferisch sind, neue Perspektiven eröffnen, eine Art „dritter
Frühling“ erleben lassen.
Viele großartige Werke wurden von Künstlern erst nach dem 60. Lebensjahr geschaffen. Die
Freiheit des Alters ermöglicht uns einen neuen Zugang zum Leben, wobei man sich über das
Alter immer weniger Gedanken macht. Man ist jetzt zwar ein alter Mensch, und wir können
dem Alter mit Reife, Würde und Weisheit begegnen oder aufgrund unserer Enttäuschungen
seelisch verhärten und immer verschlossener werden. Das zunehmende Saturnquadrat zeigt
auch die Herausforderung, die darin besteht, sich neue Aufgaben zu stellen.
70 und 77
Zwischen 70 und 77 findet die sechste Jupiterwiederkehr (72) und die vierte
Mondknotenrückkehr auf die Radixposition statt sowie die dritte Saturnopposition. Solche
Phasen zeigen immer eine Art einen Neubeginn, Jupiter erweckt vielleicht einen neuen
Abenteuergeist, wir denken nur an die vielen Senioren, die heute unterwegs sind und die
Saturnopposition könnte unterstreichen, dass uns das Alter doch von einigen Aspekten des
Lebensprozesses abgrenzt.
77 bis 84
77 bis 84 findet das dritte Saturnquadrat zum Radixsaturn (80), die dritte sekundäre
Mondwiederkehr (82) und als Höhepunkt die Uranuswiederkehr statt. Dies ist ein Aspekt des
Abhebens und wir sollten an einen Ort der vollständigen Individuation oder Identität mit uns
selbst angekommen sein.
Ich habe ihnen nun ein wenig schematisch aufgezeigt, in welcher Form Identitätsbildung bei
uns stattfinden kann. Da jedes Horoskop beziehungsweise jedes Leben einmalig ist, ist zur
Klärung der Identitätsbildung natürlich die Berücksichtigung zahlreiche anderer Faktoren
wichtig. Die Astrologie ist wie wir wissen ein Studium der Wechselbeziehungen von vielen
unterschiedlichen Faktoren, die wir als Astrologe in stimmige Bilder und Aussagen fassen
müssen.
Wenn wir über einen persönlichen Identitätsfindungsprozess sprechen, müssen wir ausgehend von unserem Radix – auch wichtigen Transiten und Progressionen besondere
Aufmerksamkeit schenken. Eine ganz besondere Rolle spielt dabei immer der Aszendent oder
das erste Haus, denn darin liegt unsere Fähigkeit, die Essenz unserer Identität zu definieren
und Mittel und Wege ihres Ausdrucks zu finden. Da der Aszendent der individuellste Punkt
des Horoskops ist, beginnt – das sollten wir bei der Deutung der Transite immer
berücksichtigen – der individuelle Zyklus eines Planeten, wenn er den Aszendenten überquert.
Mit dem Lauf eines Planeten über den Aszendenten wird er sozusagen für uns persönlich
geboren und seine Qualitäten werden sich dann allmählich auf individualisierte Art und Weise
in unserer Lebensbestimmung bemerkbar machen. Zuerst geht natürlich meist der Mond über
den Aszendenten, dann Merkur, Venus, Sonne oder Mars, irgendwann während der ersten 28
Lebensjahre werden bis Saturn alle Planeten den Aszendenten überquert haben, bei den
transsaturnischen kann es sein, dass Neptun und Pluto niemals diesen Punkt erreichen und es
bei Uranus – je nach seiner Stellung im Horoskop - sehr lange dauern kann.
Vielleicht ist es ganz interessant zu verfolgen, wie sich die Reise eines Planeten durch unser
Radix abspielt. Der Aszendent – er entspricht der Wintersonnwende – findet in den ersten
drei Häusern die Entwicklung und das Wachstum auf einer sehr subjektiven Ebene statt. Es
entstehen neue Kräfte, neue Fähigkeiten und neuer „Schicksalszyklus“ beginnt.
Beim Übergang über den IC (Frühlingsviertel) kehrt sich das Subjektive langsam nach
außen sodass der Wirkungsweise des Planeten den neuen Bedürfnissen der Persönlichkeit
angepasst werden. Hier findet die Entfaltung des Potenzials statt.
Bei dem Übergang über den Deszendent kann der Planet, dessen Funktion wir nun
beherrschen sollten, bewusst zur Förderung unserer äußeren Bestimmung eingesetzt
werden. Entfaltung der Fähigkeiten! Und schließlich findet beim
Übergang über den MC eine Zeit der Ernte statt, bei der die Funktion des Planeten
öffentlich bewertet wird. Hier werden wir mit dem Ergebnis vergangener Handlungen
konfrontiert und säen die Körner für einen neuen Zyklus, der beim Aszendenten geboren
wird. (Sommersonnwende, Entfaltung von Einfluss).
Selbstverständlich sollten wir bei Transiten den Übergängen von Jupiter, Saturn und den
transsaturnischen Planeten über Sonne und Mond sowie die Hauptaspekte, die diese Planeten
zu den Lichtern bilden, beim Thema „Identitätsfindung“ in Betracht ziehen. Diese Zeiten
markieren ja wichtige Entwicklungsstationen unserer Persönlichkeit, die von wichtigen
Ereignissen und Erlebnissen begleitet sein können.
Ähnlich sollten wir bei Progressionen verfahren, hier zeigt sich vor allem dass der Übergang
und die Aspektbildung des progressiven Aszendenten zu und über die genannten Planeten
eine sehr wichtige Rolle spielen.
Auch der Neumond vor der Geburt sowie die progressiven Neumondstationen, über die ich
schon einmal hier gesprochen habe, eine wichtige Rolle spielen. Vor allem wenn wir einen
progressiven Neumond erleben – das ist in der Regel zwei bis drei, in seltenen Fällen vier Mal
der Fall, größere Identitätskrisen auftreten können mit einem anschließenden Prozess nach
einer vertieften Identitätssuche.
Abschließend möchte ich betonen, dass wir heute als Astrologen zunehmend mehr gefordert
werden, Menschen bei der Suche nach ihrer Identität behilflich zu sein. Wir werden von
Menschen aufgesucht, nicht nur weil sie Probleme im Leben haben, sondern das Bedürfnis
haben, einen bedeutungsvollen Platz in der Gesellschaft zu gewinnen, indem sie ihre
einmaligen Talente erkennen und zum Ausdruck bringen können – und dies vor dem
Hintergrund einer authentischen Lebensweise, die nur stattfinden kann, wenn wir eine
Identität gefunden haben.
Oder anders ausgedrückt: „Wenn sie nicht das tun, was sie liebend gerne täten oder nicht
lieben, was sie tun, fehlt ihnen die Kraft, ihren Lebensplan zu verwirklichen“ oder mit
einem Hauch von Neptun gesagt: „Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum!
Astrologie ist ein großartiges Instrument, wie wir diese Traum in anderen erwecken können.
Astrologische Entsprechungen des Lebensweges
7 Jahre
9 Jahre
12 Jahre
14 Jahre
19 Jahre
21 Jahre
24 Jahre
28 Jahre
29 Jahre
30 Jahre
36 Jahre
38 Jahre
42 Jahre
44 Jahre
47 Jahre
48 Jahre
51 Jahre
55 Jahre
56 Jahre
59 Jahre
63 Jahre
65 Jahre
66 Jahre
72 Jahre
75 Jahre
80 Jahre
82-83 Jahre
84 Jahre
zunehmendes Saturnquadrat
Mondknotenachse Umkehr
erste Jupiterrückkehr
Saturn-Opposition zur Radixstellung
Beginn zweiter Mondknotenzyklus
abnehmendes Saturnquadrat
erstes Uranusquadrat
zweite Jupiter-Rückkehr
Uranus im Trigon
zweite Mondknotenumkehr
erste Rückkehr des progressiven Mondes zur Radixstellung
1. Saturnrückkehr
Sonne-Mond-Phase des Radix wiederholt sich in der Progression
zweites zunehmendes Saturnquadrat
dritte Jupiterrückkehr
Beginn dritter Mondknotenzyklus
Uranus in Opp zu Radixposition,
Neptun zunehmendes Quadrat
u.U. Pluto zunehmendes Quadrat
zweite Saturn-Opposition zu Radixposition
dritte Umkehrung Mondknotenachse
vierte Jupiterrückkehr
zweites abnehmendes Saturnquadrat
zweite progressive Rückkehr des Mondes zur Radixstellung
Uranus im Trigon zu Radixposition
Beginn des vierten Mondknotenzyklus
zweite Saturn, fünfte Jupiter-Rückkehr,
So-Mo-Aspekt des Radix wiederholt sich zum zweiten Mal
abnehmendes Uranus-Quadrat
Umkehrung der Mondknotenachse
drittes zunehmendes Saturn-Quadrat
sechste Jupiter-Rückkehr
Beginn fünfter Mondknotenzyklus,
dritte Saturnopposition
drittes abnehmendes Saturnquadrat
dritte Rückkehr des progressiven Mondes
Uranus-Rückkehr
siebte Jupiter-Rückkehr
Umkehrung der Mondknotenachse
Literaturempfehlungen:
Alexander Ruperti, Kosmische Zyklen, Planetarische Muster des Wachstums, Chiron Verlag
2005
Erin Sullivan, Astrologie der zweiten Lebenshälfte, Die Chance bei sich selbst anzukommen,
Chiron Verlag 2007
Erin Sullivan, Saturn im Transit, Prüfung für Körper, Seele und Geist, Knaur 1992
Wayne Dyer „Mit Absicht“ – Den eigenen Lebensplan erkennen und verwirklichen,
Goldmann Arkana 2005
Verena Kast, Trotz allem Ich, Gefühle des Selbstwerts und die Erfahrung von Identität Herder
5641, Freiburg 2008
John Kotre, Lebenslauf und Lebenskunst, Über den Umgang mit der eigenen Biographie, Carl
Hanser Verlag 1999
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