Stefan Kratsch: Eine Zusammenstellung möglicher Ansprüche aneinander in Gesprächen zu schwierigen und kontroversen Themen Erläuterung Die im Folgenden genannten „Ansprüche“ und „Regeln, Verfahren“ wurden im Denk Wegezu-Luther-Team als Ergebnis der gemeinsamen Suche nach einer Übereinkunft zum Führen von Gesprächen mit schwierigem Gegenstand zusammen getragen. Den Hintergrund dieser Auseinandersetzung bildet die Erfahrung, dass beim leidenschaftlichen Besprechen schwieriger Themen die Beteiligten oft in einen polemischen, herabsetzenden oder überwältigenden Duktus verfallen. Geraten Gespräche in solche Situationen, tritt das gemeinsame Nachdenken über die Sache häufig in den Hintergrund. In den Vordergrund geraten Kämpfe um Deutungshoheit, Überwältigungswünsche oder Gerangel um die richtige Auslegung. In dieser „Schieflage“ wird das philosophische Gespräch erschwert oder verhindert, dessen Anliegen die gemeinsame Suche nach der Wahrheit in der Sache ist. Hervorzuheben sind zunächst zwei wichtige Unterscheidungen. Die erste ist die von Haltung und Methode. Die Wahl der Gesprächsform oder Methode des Gesprächs folgt meist der Haltung zum Gespräch. Beispiel: Wer sich entscheidet, ein Gespräch als Chance zur nutzen, um Dominanz herzustellen, wird kaum zu dem anderen zuhören und um ein Verständnis seiner Anliegen bemüht sein. Wozu auch, sein Gesprächsziel ist ja per se das der Überlegenheit. Wegen der Bedeutung der Gesprächshaltung macht es auch wenig Sinn, einfach „Gesprächsregeln“ aufzustellen. Eben weil oft in der Bedeutung verkannt, erscheint es zumeist wichtiger, zunächst darüber zu reden, welche Gesprächhaltung die Beteiligten für wünschenswert halten und stärken wollen. Haltung und Regel sind nun einander zugeordnet. Die Haltung wählt sich ihre Regeln. Die Regel stützt oder entfaltet die dazu passende Haltung. Eine zweite Unterscheidung ist die von „möglich“ und „nötig“. Es geht nicht darum, mit den Absprachen zum Gespräch so viele Schwierigkeiten wie möglich von vornherein präventiv auszuschalten, wie dies häufig beim „Aufstellen von Gesprächsregeln“ geschieht, sondern nur so viele Absprachen wie nötig zur Gesprächsführung zu treffen. Dabei spielen sicher Befürchtungen immer eine Rolle, andererseits leitet sich aber wiederum das Abwägen zwischen „möglich“ und „nötig“ aus der Haltung ab, die wir einzunehmen wünschen. Als Leitfaden wählen wir Augustinus´ Motto: Liebe und dann tue, was du willst. HALTUNG IM GESPRÄCH (Gesprächskultur) In welchem Geist wird hier gesprochen? „REGEL“/VERFAHREN IN GESPRÄCH Welche Regeln/Absprachen sollen hier gelten? Regel- Zustimmung: Bin ich bereit, das Gespräch im Rahmen der gefundenen Ansprachen führen zu wollen / gefundene Absprachen zu halten und zu stärken? Bewusstsein für Reihenfolge: Wann reden? Nacheinander reden. Durch Zeichen zu erkennen geben, dass man etwas zum gegenwärtigen Thema sagen will. Unterscheide Form und Güte einer Aussage. Die Arbeit an einer Übereinstimmung oder gründlichen Bearbeitung eines Teilthemas rangiert vor der Weiterarbeit am Gesamtthema. Wisse um Ansprüche an das Gespräch. Die Position des anderen bis zum Unerträglichen stärken. Zulassen und wollen, dass sich beim anderen etwas entwickelt. Ich spreche für mich. Eingelassenheit1 Behalte die Beobachterperspektive bei – auch dir selbst gegenüber. Zuhören: Ich höre auf mich und den anderen. Eine Haltung haben zur Frage von Herrschaft im Gespräch: Die Ordnung halten oder die Frage nach der Schutzpflicht gegenüber dem Thema dem Gespräch und dem/den Beteiligten. Sprechen in Augenhöhe. 1 Vgl. dazu G.B. Achenbach: „Eingelassenheit ist die Seele des Gesprächs“: www.denkwege-zuluther.de/link.asp?id=79 Erinnern. Die Haltung der Freiheit: Wir schaffen es, ohne Einsatz von Zwangsmitteln, aus der Erinnerung an eine einmal gegebene Zusage, im Gespräch und seiner von uns gefundenen Form zu bleiben. Achtsamkeit gegenüber einer Leitung, ihrer Rolle und der Art ihrer Einsetzung. Welche Haltung nehme ich gegenüber der Unsicherheit des „Denkens ohne Geländer“ (Arendt) als möglicher Weise des Gesprächs ein? Bedenke den Anspruch an das Gespräch: Worum soll es gehen? 1. Lösungen? 2. Ergebnisse? 3. Handlungsvorbereitung? 4. Wahrheitssuche? … Es gibt keine Denktabus – halte das aus! Ernsthaftigkeit. Ahnden. Wir brauchen Mittel des Zwanges, um uns in der Form des Gesprächs zu halten, die wir uns gegeben haben Ermahnen, Strafen, Entfernen - alle ahndenden Akte sind zu begründen! Aufgaben-, Rollen- und Kompetenzabsprachen Brauchen wir einen Gesprächsleiter oder Moderator? Soll es einen Verantwortlichen geben, der auf die Einhaltung der Absprachen achtet? Zeitregime. Jedes „zum Zweck“ geführte Gespräch braucht seine „Form“. Gehörtes unter bestimmten Bedingungen und nach Absprache vertraulich behandeln. Nicht alles, was ich für wahr halte, muss ich sagen, aber alles, was ich sage muss ich zur Wahrheit bringen wollen. Wo Du auf die Wahrheit triffst, ergib dich ihr! (Montaigne) Gespräch unter der „Prämisse der Vorläufigkeit“ oder Finden einer „Wahrheit auf Zeit“. Eloquenz: Bereitschaft zur Einübung in die Sprachfähigkeit als Anspruch und Haltung. Und: Bereitschaft zur Sache. Bereitschaft zu Auskunft und Begründung. Aussagen, die sich auf Autoritäten berufen, gelten nicht als Aussagen von Autoritäten und sind zu begründen. Begründungspflicht: eigene Aussagen sind zu begründen, gerade auch Resultate des Denkens und Miteinander-Redens Frage nach! Begründe!