"Tierschutz ist ganzheitlich zu betrachten und unteilbar, weshalb gleiche Anforderungen auch für Importe der tierischen Produkte gelten müssen ", betonte DBV-Präsident Gerd Sonnleitner bei einer Pressekonferenz im Rahmen der Veranstaltung. Es könne nicht sein, dass die Ansprüche an die Nutztierhaltung in Deutschland immer höher geschraubt würden, während die Tierproduktion in anderen Ländern kaum reglementiert sei. Wer den Tierschutz voranbringen wolle, müsse die Haltungskriterien zumindest EU-weit einheitlich gestalten, unterstrich Sonnleitner. Auch im jüngsten Streit um die Haltungsverordnungen für Schweine und Legehennen habe sich der Berufsstand nicht für eine Aushebelung des Tierschutzes, sondern für mehr Eigenverantwortlichkeit der Tierhalter ausgesprochen. Eine Vorreiterrolle Deutschlands in Sachen Tierschutz strebt die Bundesregierung nach den Worten des Parlamentarischen Staatssekretärs vom Bundeslandwirtschaftsministerium, Matthias Berninger, an. Nur wer im eigenen Land mit gutem Beispiel voran gehe, könne die Tierschutzdiskussion innerhalb der Europäischen Union bestimmen, sagte Berninger in einem Grußwort. Ziel des Regierungshandelns sei es, hohe Tierschutzstandards in der gesamten EU zu installieren. Während hierzulande im Rinderbereich innovative und tierschutzgerechte Lösungen entwickelt worden seien, hätten Dänemark und die Niederlande die Bundesrepublik bei den Haltungsbedingungen für Schweine inzwischen weit abgehängt. Dies müsse mit der nationalen Umsetzung der EU-Schweinehaltungsrichtlinie korrigiert werden, so Berninger. Mehr Tierhaltung auf der grünen Wiese Die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" bezeichnete Berninger bei der DBV-Perspektivtagung als "Schlüssel zum Umbau der Tierhaltungssysteme". Die finanzielle Unterstützung aus diesem "Topf" gebe für viele Betriebe häufig erst den Ausschlag, in tiergerechte Systeme zu investieren, was sich letztlich aber auch betriebswirtschaftlich auszahle. Aber auch die Reform der EUAgrarpolitik biete Ansätze, um Investitionen in den Tierschutz künftig noch besser finanziell honorieren zu können. So könnten Mittel aus der nationalen Modulation demnächst direkt in tiergerechte Haltungsverfahren investiert werden. Wer in Zukunft gegen Tierschutzauflagen verstoße, müsse zudem um seine Direktzahlungen bangen, ergänzte der Staatssekretär. Dieser Sanktionsmechanismus sei für die allermeisten Landwirte kein Problem; allerdings werde dies den "schwarzen Schafen" der Branche zu denken geben. Zudem werde es durch die geänderte Grünlandförderung zu einer vermehrten Freilandhaltung von Nutztieren kommen, prophezeite Berninger. Die Entkopplung sei eine klare Weichenstellung für die "Tierhaltung auf der grünen Wiese". Sollten die Pflegeanforderungen im Rahmen der Cross-Compliance-Maßnahmen jedoch auf ein jährliches Mulchen reduziert werden, setze dies die Rinderhaltung auf dem Grünland unter Druck. Würden die Mindestanforderungen an die Bewirtschaftung der Flächen zu niedrig gesetzt, könnten die Direktzahlungen zudem langfristig kaum vor dem Zugriff der EUFinanzminister geschützt werden, gab der Staatssekretär zu bedenken. Danish Crown steht in den Startlöchern DBV-Präsident Sonnleitner appellierte an die Politik, bei der Nutztierhaltung endlich für die bei Investitionen notwendige Planungssicherheit zu sorgen. "Wenn für die Haltung von Legehennen und Schweinen nicht bald praktikable Entschlüsse gefasst werden, bauen Branchenriesen wie Danish Crown oder Smithfield in den neuen EU-Ländern riesige Produktionsanlagen und bedienen den deutschen Markt aus dem Ausland", sagte Sonnleitner voraus. Dies könne unter dem Gesichtspunkt des Tierschutzes auch in Deutschland niemand wollen. Daher müsse die EU-Schweinehaltungsrichtlinie "eins zu eins" in nationales Recht umgesetzt werden. Der Berufsstand stehe zur Nutzung neuester Haltungsmethoden. Allerdings dürften innovative Landwirte auch nicht durch das Abwarten der Politik ausgebremst werden. Hinzu komme der ruinöse Kampf im Lebensmitteleinzelhandel - vor allem der Discounter - der jeden Ansatz eines Tierschutzes über das EUNiveau hinaus im Keim ersticke. Auch außerhalb des gemeinsamen Binnenmarktes bleibe die Verankerung des Tierschutzes für den DBV oberstes Ziel, gerade vor dem Hintergrund der Agrarverhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO). "Aber leider liebt man in Deutschland im Hinblick auf den Tierschutz die großen, medial lauten Worte, die sich in Brüssel abschwächen und in Genf verstummen", kritisierte Sonnleitner. Mangelnde Akzeptanz Landwirtschaftliche Tierhaltung werde in Deutschland nach der Zielsetzung eines nachhaltigen Wirtschaftens ausgerichtet, erläuterte der DBV-Präsident. Jede Investition im Stall sei auch eine Innovation für den Tierschutz. Dies werde in der Öffentlichkeit aber vielfach verkannt. "Wer 365 Tage faktisch rund um die Uhr für seine Tiere lebt und arbeitet und dafür bestens ausgebildet ist, der ist tief getroffen und total verunsichert, wenn ihm öffentlich vorgeworfen wird, er würde Tierschutz nicht ernst nehmen oder gar dagegen verstoßen", gab Sonnleitner das momentane Stimmungsbild in der Landwirtschaft wieder. Einseitige nationale Alleingänge im Tierschutz würden die ökonomische Grundlage für eine Tierhaltung in Deutschland gefährden. So bedeute der Vorschlag der Bundesregierung eine Verschärfung der EU-Vorgaben und erhöhe die stallbedingten Kosten in der Schweinehaltung um bis zu 15 %. Eine solche Verteuerung der Investitions- und Produktionskosten sei gerade für mittlere und kleine Betriebe marktentscheidend, so der DBV-Präsident. Viele Betriebe könnten die erforderlichen Umrüstungen nicht mehr finanzieren, was zu einem beschleunigten Strukturwandel in den Tier haltenden Betrieben und Arbeitsplatzverlusten auch in den vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereichen führen werde. Gesunde Tiere sichern den Broterwerb Der Präsident des schleswig-holsteinischen Bauernverbandes, Otto Dietrich Steensen, erinnerte die Forumsteilnehmer daran, dass die Landwirte ihre Tiere nicht zum Zeitvertreib hielten, sondern um gesunde und hochwertige Nahrungsmittel zu produzieren und damit auch zum eigenen Broterwerb. Eine gute Haltung der Tiere fördere deren Leistung, und auf diese seien die Tierhalter auch angewiesen. "Von daher ist es für uns selbstverständlich, aus eigenem ökonomischen Interesse gute Haltungsbedingungen zu schaffen", betonte der Präsident. Aber man müsse eben auch erkennen, dass es ökonomische Zwänge nicht zuließen, jederzeit den neuesten technischen Standard zu verwirklichen. Nationale Alleingänge stellten die deutschen Landwirte vor eine völlig andere Kostenstruktur als die Wettbewerber auf dem europäischen Markt. "Wir haben in Deutschland keine Insellage", so Steensen. Vielmehr sei man darauf angewiesen, unter vergleichbaren Bedingungen wie die Landwirte in den anderen EU-Mitgliedsstaaten zu wirtschaften. Aber auch aus Tierschutzgründen sei nicht erkennbar, dass nationale Sonderwege von Nutzen seien. Im Ergebnis provozierten einseitig hohe Standards ein Abwandern der Erzeugung in andere Länder, die mit geringeren Auflagen produzierten, wodurch unter dem Strich keinem einzigen Tier geholfen sei. Aus Deutschland abgewanderte Produktionskapazitäten würden in Regionen verlagert, deren Produktionsbedingungen außerhalb des deutschen Einflusses lägen und schon gar nicht kontrolliert werden könnten, unterstrich Steensen. Dies könne - auch aus Verbrauchersicht - kein erstrebenswertes Ziel sein.