RE_art110

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EUROPÄISCHES PARLAMENT
2009 - 2014
Plenarsitzungsdokument
8.12.2010
B7-0699/2010
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Rates und der Kommission
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung
zu der Zukunft der strategischen Partnerschaft zwischen der EU und Afrika im
Vorfeld des dritten Gipfeltreffens EU-Afrika
Gabriele Zimmer, Nikolaos Chountis, Marie-Christine Vergiat, Elie
Hoarau, Jacky Hénin, Jean-Luc Mélenchon
im Namen der GUE/NGL-Fraktion
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In Vielfalt geeint
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B7-0699/2010
Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Zukunft der strategischen
Partnerschaft zwischen der EU und Afrika im Vorfeld des dritten Afrika-EUGipfeltreffens
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die Gemeinsame Afrika-EU-Strategie („Gemeinsame Strategie“) und
den ersten Aktionsplan (2008-2010) zur Durchführung der strategischen Partnerschaft
zwischen Afrika und der EU, die von den Staats- und Regierungschefs der EU und
Afrikas auf ihrer Tagung am 8. und 9. Dezember 2007 in Lissabon angenommen wurden,
– unter Hinweis auf das am 23. Juni 2000 in Cotonou unterzeichnete
Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im
Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean (AKP) einerseits und der Europäischen
Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits, in der durch das am 25. Juni 2005 in
Luxemburg unterzeichnete Abkommen zur Änderung des Partnerschaftsabkommens
geänderten Fassung („Abkommen von Cotonou“),
– unter Hinweis auf den an die amtierenden Präsidentschaften der Afrikanischen Union
(AU) und der EU, die Europäische Kommission und die Kommission der Afrikanischen
Union gerichteten Vermerk des Ad-hoc-Ausschusses des Panafrikanischen Parlaments für
die Beziehungen zum Europäischen Parlament und der Ad-hoc-Delegation des
Europäischen Parlaments für die Beziehungen zum Panafrikanischen Parlament vom
16. Februar 2009 über die Rolle des Panafrikanischen Parlaments und des Europäischen
Parlaments bei der Durchführung und Überwachung der Gemeinsamen Strategie,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 24. März 2009 zum Thema „Ein Jahr nach
Lissabon: Fortschritte und Herausforderungen bei der Umsetzung der Partnerschaft
Afrika-EU“,
– unter Hinweis auf die gemeinsame Halbzeitbewertung der Gemeinsamen Strategie
zwischen der EU und Afrika,
– unter Hinweis auf den strategischen Plan der Afrikanischen Union (AU) 2009-2012,
– unter Hinweis auf den Bericht des Entwicklungsausschusses über die zweite Überprüfung
des AKP-EG-Partnerschaftsabkommens (2009/2165),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. Oktober 2007 zum Stand der Beziehungen
EU-Afrika,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. November 2005 zu einer
Entwicklungsstrategie für Afrika,
– unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 1905/2006 des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Schaffung eines Finanzierungsinstruments für die
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Entwicklungszusammenarbeit,
– gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Gemeinsame Strategie Afrika-EU ihre hochgesteckten Ziele nur
dann erreichen kann, wenn wesentliche Faktoren, die die Entwicklung Afrikas fördern
können, in angemessener Weise berücksichtigt werden,
B. in der Erwägung, dass Ernährungssicherheit die Grundlage jeder Entwicklung bildet und
dass dennoch mehr als ein Viertel aller Afrikaner unterernährt ist,
C. in der Erwägung, dass in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara Krankheiten
häufiger sind und die Muttersterblichkeit höher ist und dass dort der Zugang zu Mitteln
der Familienplanung und zur Grundschulbildung schwieriger ist als in jeder anderen
Region der Erde,
D. in der Erwägung, dass Frauen, Kinder, Angehörige von Minderheiten, Menschen mit
Behinderungen und Angehörige anderer gefährdeter Gruppen von Unterentwicklung am
stärksten betroffen sind,
E. in der Erwägung, dass illegale Kapitalflucht und Steuerhinterziehung die Nationen Afrikas
Jahr für Jahr Milliarden Dollar an entgangenen Einnahmen kosten,
F. in der Erwägung, dass Afrikas langfristige Auslandsverschuldung (d.h. Kredite, die durch
öffentliche Behörden aufgenommen wurden oder für die öffentliche Behörden Garantien
ausgesprochen haben) seit 1980 stark angestiegen ist; in der Erwägung, dass die Afrika
durch internationale Organisationen, insbesondere IWF und Weltbank, und damit durch
seine mächtigsten Kreditgeber aufgezwungenen Handlungsprinzipien diesen Kontinent
und die ganze Welt unstrittig in eine Sackgasse führen und ein wichtiges Hindernis für die
Bestrebungen darstellen, die Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen zu
erreichen,
G. in der Erwägung, dass die Strategie zwar inzwischen ein institutionelles Gerüst erhalten
hat, dass aber greifbare Ergebnisse und ein zusätzlicher Nutzen immer noch auf sich
warten lassen und das politische Engagement auf beiden Seiten weiterhin gering ist,
H. in der Erwägung, dass Afrika in den internationalen Organisationen und multilateralen
Foren, die über viele die Zukunft des Kontinents betreffende Fragen entscheiden,
unterrepräsentiert ist,
I. in der Erwägung, dass sowohl das paneuropäische als auch das panafrikanische Parlament
jetzt über alle formalen Rechte im Rahmen der Strategie verfügen, dass aber die
parlamentarische Dimension noch nicht in der gesamten Strategie verankert ist,
J. in der Erwägung, dass die Strategie ohne eindeutige Regelungen in Bezug auf ihre
Finanzierung kaum ihr Potenzial wird vollständig ausschöpfen können,
1. fordert die EU auf, eine selbstbestimmte soziale und wirtschaftliche Entwicklung in
Afrika, die Bekämpfung von Hunger und Armut und den Schutz der Naturschätze ins
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Zentrum der Gemeinsamen Strategie Afrika-EU zu stellen und die Strategie so
auszurichten, dass sie die strukturellen Ursachen der Armut angesichts der jüngsten
Krisen, des Klimawandels, der steigenden Lebensmittel- und Ölpreise und der Finanzkrise
bekämpft;
2. fordert, zumindest den Schuldendienst der Länder des Südens sofort auszusetzen (und
dabei die Zinsen einzufrieren); fordert, diese Schulden zu überprüfen und den nicht
gerechtfertigten Teil – jenen Teil, der den Menschen in den betroffenen Ländern keinen
Nutzen gebracht hat – zu erlassen, ohne dabei die Summen, die im Rahmen der
öffentlichen Entwicklungshilfe bereits erlassen wurden, einzubeziehen und die Summe
der erlassenen Schulden auf diese Weise künstlich aufzublähen; hebt die Notwendigkeit
von Ausgleichszahlungen insbesondere für die ökologischen, wirtschaftlichen und
sozialen Schulden der westlichen Länder, vor allem der EU-Mitgliedstaaten, gegenüber
dem Süden hervor;
3. fordert alle Akteure auf, sicherzustellen, dass in der Strategie der Ernährungssicherheit
und Nahrungsmittelsouveränität in ganz Afrika ein höherer Rang eingeräumt wird; hebt
hervor, dass es notwendig ist, die Landwirtschaft in Afrika, insbesondere die Kleinbauern,
auf nachhaltige Weise zu stärken; unterstützt in diesem Sinne den Schutz wichtiger
gefährdeter Märkte in Afrika und das Programm zur Entwicklung der afrikanischen
Landwirtschaft (CAADP) sowie die Einstellung der EU-Exportsubventionen für
landwirtschaftliche Erzeugnisse;
4. stellt fest, dass eine beträchtliche Anzahl von Einzelpersonen, ganzen sozialen Gruppen
und kulturellen Minderheiten keinen Zugang oder keinen Zugang mehr zu bestimmten
Ressourcen haben, da diese von Unternehmen oder privaten Einrichtungen, die sich die
Unterstützung der politischen Behörden der betreffenden Staaten sichern können,
vereinnahmt werden; hebt hervor, dass dies durch die Vertreibung von Landwirten einen
Mangel an Lebensmitteln, ein Ansteigen der Lebensmittelpreise und einen
eingeschränkten Zugang zu Gütern des Grundbedarfs wie etwa Wasser nach sich zieht;
fordert daher die Europäische Union und die Mitgliedstaaten dazu auf, die erforderlichen
Maßnahmen zu ergreifen, um der Vereinnahmung von Ressourcen, insbesondere von
Land, durch europäische Unternehmen ein Ende zu setzen und in internationalen und
regionalen Foren und Konferenzen (WTO, UNCTAD, IMF, OECD usw.) Vorschläge
einzubringen, die globalen öffentlichen Güter anzuerkennen und dies in einer eigenen
UN-Konvention festzuschreiben;
5. ist der Ansicht, dass die Strategie in Zukunft stärker auf die Verbesserung der
grundlegenden sozialen Dienstleistungen in Afrika ausgerichtet sein muss; ruft die EU
auf, mindestens 20% ihrer Hilfe in die Grundversorgung in den Bereichen Gesundheit und
Bildung zu leiten, und fordert die afrikanischen Regierungen auf, einen Mindestanteil von
15% ihrer nationalen Haushalte in die Gesundheitsversorgung zuzuweisen;
6. fordert die führenden Politiker in Afrika und der EU auf, die Strategie als Instrument zur
Förderung des innerafrikanischen Handels zu nutzen und hierfür auch verbesserte
Unterstützungspakete für die regionalen Wirtschaftsgemeinschaften und zur Verbesserung
der Infrastruktur in ganz Afrika heranzuziehen; geht davon aus, dass die EU ihre
Verpflichtungen im Rahmen der Handelshilfen aufrechterhalten wird; hebt hervor, dass
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bei allen Aspekten der Handelsbeziehungen zwischen Afrika und der EU die geringere
Wirtschafts- und Verhandlungsmacht der afrikanischen Partner berücksichtigt werden
muss;
7. fordert, den Weg der Deregulierung und Privatisierung in der Zusammenarbeit mit den
afrikanischen Partnerländern zu verlassen, insbesondere was die Privatisierung der
öffentlichen Dienste, von Naturschätzen, Saatgut, Pflanzen und Wasser betrifft; fordert
zudem die Aufgabe von Patentschutzregelungen, die die Möglichkeiten politischer
Maßnahmen zum Schutz der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Partnerländer
einschränken könnten;
8. kritisiert die bisher in Kraft getretenen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA);
fordert, ein neues Mandat auf der Grundlage des Allgemeinwohls der Völker Afrikas und
Europas zu formulieren, damit auf Solidarität begründete WPA ausgehandelt und
Verfahren zum Schutz lokaler und regionaler Märkte im Interesse der Erzeuger und aller
afrikanischen Bürger eingerichtet werden können; fordert, dass das neue Mandat weder
Erpressung mit Hilfe der öffentlichen Entwicklungshilfe noch Ausübung von Zeitdruck
oder wirtschaftlichem Druck zulassen darf, und fordert, die Gleichstellung der AKPLänder in ihrer Eigenschaft als souveräne Staaten zu respektieren;
9. fordert, die regionale Integration in Afrika zu fördern und spricht sich dafür aus, WPA
nicht mit Einzelstaaten oder Mitgliedern regionaler Gruppen abzuschließen;
10. fordert, dass allen afrikanischen Ländern ihre bestehenden Zugangsrechte zum
europäischen Markt gewährleistet werden, unabhängig davon, ob ein WPA abgeschlossen
wurde;
11. fordert die führenden Politiker in Afrika und in der EU auf, dafür zu sorgen, dass über die
Strategie in Afrika ein umfassenderer Zugang zu Mikrokrediten für kleine Unternehmen
und zu geregelten und transparenten Finanzdiensten sichergestellt wird;
12. ist der Auffassung, dass im Rahmen der Strategie größere Synergieeffekte mit dem
African Peer Review Mechanism und der Neuen Partnerschaft für die Entwicklung
Afrikas (NEPAD) erzielt und Methoden entwickelt werden sollten, damit diese Initiativen
wirkungsvoller werden;
13. begrüßt die Charta der AU für Demokratie, Wahlen und Regierungsführung;
14. fordert eine gemeinsame Strategie von AU und EU, um durch Einführung einer
nachhaltigen Entwicklungspolitik gegen die strukturellen Ursachen der Armut
vorzugehen, damit die Grundbedürfnisse der afrikanischen Bevölkerung gedeckt und
Arbeitslosigkeit sowie soziale und wirtschaftliche Ungerechtigkeiten bekämpft werden
können;
15. fordert die EU auf, eine Rohstoffpolitik zu erarbeiten, die die Souveränität und die
Interessen der afrikanischen Staaten berücksichtigt; fordert eine Politik, die jeglichen
militärischen Konflikt zur Sicherung des Zugangs zu und der Kontrolle über
Rohstoffquellen zurückweist;
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16. ermahnt die führenden Politiker in Afrika und in der EU, die Strategie gemeinsam
anzuwenden, um für die Bekämpfung der illegalen Kapitalflucht und der
Steuerhinterziehung einzutreten, lückenlose Transparenz und ein nach Ländern
aufgeschlüsseltes Berichtssystem zu fördern und den internationalen Druck auf alle
Staaten, deren Rechtsordnung möglicherweise Steuervermeidung oder -hinterziehung in
Entwicklungsländern zulassen könnte, zu steigern, damit nachhaltige Quellen der
Entwicklungsfinanzierung mit dem langfristigen Ziel, die Abhängigkeit von ausländischer
Hilfe zu beenden, gesichert werden;
17. erwartet, dass die Strategie in Zukunft Initiativen hervorbringt, die ausdrücklich zugunsten
der am meisten gefährdeten und benachteiligten Gruppen – insbesondere Frauen, Kinder,
Angehörige von Minderheiten und Menschen mit Behinderungen – ausgerichtet sind;
erwartet in Zukunft eigene Programme zur Einbeziehung der Gleichstellung der
Geschlechter, Bekämpfung sexualisierter Gewalt und Unterbindung der
Genitalverstümmelung bei Frauen sowie aller Formen der Gefährdung von Menschen;
18. betont, dass die Strategie eine klar definierte Finanzierungsstrategie mit angemessenen
Mitteln sowie eine Haushaltslinie in jedem nationalen Haushalt der Länder Afrikas und
der EU benötigt; fordert dazu auf, dieses Ziel bei den bevorstehenden Überprüfungen des
EU-Haushalts und des Europäischen Entwicklungsfonds zu berücksichtigen, und zwar
auch im Falle einer Eingliederung des EEF in den Haushalt der Europäischen Union;
19. betont, dass die Parlamente neben der Zivilgesellschaft zum institutionellen Gefüge der
Strategie gehören, und erinnert seine institutionellen Partner daran, dass diese
parlamentarische Dimension im Beschlussfassungsprozess und bei der Umsetzung
uneingeschränkt berücksichtigt werden soll;
20. fordert die AU auf, das Panafrikanische Parlament stärker an sämtlichen Tätigkeiten der
AU zu beteiligen, damit es seine Kontrollfunktion wirksam ausüben kann; sieht
beträchtliche Vorteile in einem Ausbau des politischen Dialogs zwischen dem PAP und
dem EP;
21. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den
Regierungen und den Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Wirtschafts- und
Sozialausschuss der EU, dem Rat für Wirtschaft, Soziales und Kultur der AU, der
Kommission der Afrikanischen Union, dem Exekutivrat der Afrikanischen Union, dem
Panafrikanischen Parlament, dem AKP-Ministerrat sowie der Paritätischen
Parlamentarischen Versammlung AKP-EU zu übermitteln.
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