Gerätturnen - Methodik Helfen und Sichern im Gerätturnen Bewegungslernen im Gerätturnen kann über Vormachen und Nachmachen funktionieren, einen wesentlichen Anteil für die richtige Technikvermittlung ist jedoch in der Bewegungsführung, der Hilfeleistung zu sehen. Helfen bedeutet, Kraft ersetzen. „Die Intensität der Bewegungshilfe muss sich am Lern- und Könnensstand der Schülerin orientieren. Dabei gilt, die Hilfestellung so zu dosieren, dass der Bewegungserfolg gesichert wird.“ (Knirsch/ Minnich 1997, 85) Aktive Bewegungshilfe, auch wenn sie zielführend ist, läuft jedoch nicht immer ganz ohne Blessuren ab: Der beidhändige Klammergriff am Oberarm hat schon manchen blauen Fleck provoziert, jedoch viele Nasenlandungen verhindern helfen. Der Grund für eine nicht ganz verletzungsfreie Hilfeleistung, für Blessuren oder Quetschungen, ist in der Abstimmung zwischen der Steuerung und Umsetzung der Bewegungsaufgabe, sowohl durch den/die Turner/in selber als auch die Antizipation der Lösung der Bewegungsaufgabe der Turner/in durch den/die TrainerIn zu sehen. Je erfahrener beide in ihrem Metier sind, d.h. je gespannter (Körperspannung) und konzentrierter der/die Turner/in ist (unvorhersehbare Reaktionen, bzw. störende Zusatzbewegungen treten kaum noch auf) und je versierter (Automatisierung der optimalen Helfergriffe) der/die Trainer/in ist, desto effektiver ist die Hilfeleistung, da sie stets optimal und nicht maximal erfolgt. Wenn Kinder frühzeitig an Hilfeleistungen gewöhnt werden, dann werden sie sowohl technisch als auch sozial schneller lernen. Normalerweise hilft ein Erwachsener den Kindern. Jedoch gibt es auch einen anderen Ansatz: Über selber zu gebende Hilfeleistung – nach dem Prinzip „Vom Miteinander zum Helfenkönnen“ (Ilona Gerling, 1997) - werden Bewegungen auch unter bio-mechanischen Aspekten von den Heranwachsenden besser begriffen (im wahrsten Sinne des Wortes), die Kinder erfahren, was Körperkontrolle ist und welche positive Wirkung diese haben kann, sie gehen aufeinander zu und lernen verantwortungsbewusst zu handeln. „Das Helfen und Sichern begleitet die Kinder im Turnen auf allen Stufen des Lernprozesses, vom Neulernen einer Fertigkeit über das weitere Üben bis hin zu Anwendungsformen. Geben sich die Kinder dabei untereinander Hilfe, wird das Kinderturnen für die Heranwachsenden zusätzlich durch unendlich viele und neue Erfahrungen bereichert. Deshalb ist das Geben von partnerschaftlicher Hilfe als gleichwertiger Erfahrungs- und Lernbereich neben dem turnerischen Bewegen anzusehen und sollte ständiger Bestandteil des Kinderturnens sein.“ (Gerling 1997, 19; Hervorhebungen entsprechen dem Original) Die Kinder lernen welche Art von Helfergriffen benutzt werden und wo „zugepackt“ werden soll. Sie erfahren die Funktion der Hilfe, d.h. wieso gerade jetzt bei dieser Aktion Unterstützung in dieser Richtung sinnvoll ist und was diese bewirkt), auch die zeitliche Dimension von Hilfestellung wird ihnen bewusst (warum ruht die Hand schon auf der Schulter, bevor die Bewegung überhaupt eingeleitet wurde?), wie viel Kraft nötig ist und wo die günstigste Position (Standort) für die Helferin/ den Helfer ist, wie beweglich die Hilfegeber sein müssen und dass die Helfer nicht unbedingt den besten Blick auf die Gesamtbewegung haben (somit Fehler/Korrektur erschwert ist). Voraussetzungen für eine mögliche Hilfeleistung unter Gleichaltrigen sind über vorbereitende Übungen zu schaffen, die das Umgehen mit Gewichten und die richtige eigene Körperposition bei der Hilfeleistung Schritt für Schritt in – für den Übenden wie den Helfenden – gefahrlosen Situationen schulen. Häufig ist ein Körper gegen die Schwerkraft zu heben, das bedeutet, „bei der Gruppenbildung zum gegenseitigen Helfen muss ... die konstitutionelle Zusammensetzung der Kinder bezüglich Körpergröße und Gewicht“, aber auch Kenntnis der Bewegungsaufgabe „überprüft und gegebenenfalls vom Lehrenden korrigiert werden“ und die Kinder, die helfen wollen, brauchen schlichtweg ebenfalls Kraft in Armen, Schultergürtel, Rumpf- und Beinmuskulatur. Bewegungen schnell zu erfassen (Reaktions- und Aktionsfähigkeit), ist eine weitere Voraussetzung, die die Kinder erst erlernen sollten. Erneut hängt diese Fähigkeit von der Kenntnis der Bewegungsaufgabe, der Idealausführung und möglichen Fehlerbildern ab. Eine zu späte Reaktion ist wenig zielführend, da die Bewegung bereits ausgeführt wurde, ein zu zeitiges Eingreifen kann eine klare Behinderung in der Bewegungsausführung bedeuten. Der richtige Zeitpunkt für eine Hilfeleistung ist jedoch gerade bei unterschiedlichen körperlichen Merkmalen schwierig einzuschätzen und bedarf viel koordinativer Erfahrung. Bei Elementen, die mögliche Risiken in sich bergen, ist stets – unabhängig vom jeweiligen Könnensstand der „Kinder-Helfer“ – der verantwortliche Lehrende der Helfer. Ein sich in der gesellschaftlichen Wahrnehmung verstärkender Aspekt bei der Hilfeleistung im Gerätturnen ist das „Anfassen“. Die Hilfeleistung durch den Lehrer/Übungsleiter wird zunehmend aufgrund der unvermeidlichen, ja sogar erforderlichen Körpernähe öffentlich sanktioniert. Dabei gibt es ganz klare Grundregeln, die beim Griffansatz (Klammer-, Stütz-, Dreh-, Sandwichgriff), beim HelferInnenverhalten und beim Standort berücksichtigt werden sollten und damit Diskussionen nahezu ausblenden: stets schwerpunktnah (rumpfnah) halten, so dass die unerwünschte Gelenkbeweglichkeit ausgeschaltet ist (niemals direkt auf dem Ellbogen oder am Knie halten oder mit einer Hand am Oberarm und der anderen am Unterarm) stets an höchster Gefahrenstelle halten (z.B. Rotation um feste Drehachse: Griff am Reck durch Handgelenkssicherung erleichtern) niemals mit gestreckten Armen halten (Bruchgefahr des Helferarms) den Kopf möglichst „aus der Bahn“ wenden (wer mit seinen Zähnen aus der Halle gehen möchte, versteht diesen Tipp gewiss...) - aber: die Sicherheit der Turnenden hat absolut Vorrang ! stets so lange helfen, bis der Aktive eine ruhige Endposition erreicht hat (weder weiteres Fallen noch Drehen möglich) Wie mit diesem facettenreichen Problem der Hilfeleistung im Gerätturnen, das schon längst nicht mehr nur der Sportart zugeordnet werden kann, sondern auch über Medien“hilfe“ bis in deutsche Gerichtssäle Öffentlichkeit anzieht, auch außer-sportlich umgegangen werden kann, damit aus dem „fass mich nicht an“ ein „... aber Du hältst!“ wird, wird hier erarbeitet.