Theorien müssen diverse Qualitätskriterien erfüllen

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Differentielle Psychologie
Zusammenfassung: Asendorpf – Psychologie der Persönlichkeit (3.Aufl.)
Kapitel 1: Von der Alltagspsychologie zur Persönlichkeitspsychologie
1.1 Alltagspsychologie und Psychologie
Alltagspsychologie ist ein System kulturell tradierter Überzeugungen über menschliches Erleben
und Verhalten und dessen Ursachen.
Oft fällt es schwer, alltagpsychologische Standpunkte aufzugeben, da man sich für relativ
kompetent hält:  Skepsis gegenüber „Experten“ und deren Erkenntnissen
Oft überschneiden sich Begriffe, daher fällt es schwer Psychologie und Alltagspsychologie zu
differenzieren.
1.2 Die naive Dispositionstheorie
Analyse der deutschen Alltagpsychologie nach Laucken (1974)
Zwei Bestandteile:
naive Prozesstheorie und naive Dispositionstheorie
Disposition:
Eine Disposition ist ein Merkmal einer Person, das eine mittelfristige zeitliche Stabilität aufweist,
d.h. zumindest Wochen oder Monate überdauert. Eine Disposition disponiert die Person dazu, in
bestimmten Situationen ein best. Verhalten zu zeigen.
Wichtig ist die Abgrenzung zum „Verhalten“, da sich dieses stets ändert und im Gegensatz zu
Disp. direkt beobachtbar ist; Dispositionen müssen aus Verhaltensregelmäßigkeiten erschlossen
werden.
In der Alltagspsychologie werden Dispositionsbegriffe intuitiv zur Beschreibung von
Verhaltensregelmäßigkeiten und zur Erklärung/Vorhersage verwendet
naive Prozesstheorie:
Vorstellungen über ablaufende Prozesse d. Info-Verbarbeitung (z.B. Wahrnehmung)
Beispiel: Warum geht X ins Zimmer? – Weil er Zigaretten braucht.
Naive Prozesstheorie: Akte (z.B. Wahrnehmen)  Inhalte, an denen sich die Akte vollziehen
(z.B. Wahrnehmungsinhalte)
naive Dispositionstheorie:
Vorstellungen über Dispositionen (z.B. Interessen, Fähigkeiten)
Beispiel: Warum fiel sie durch – Weil sie prüfungsängstlich ist!
 diese Theorie und ihr Dispositionsbegriff sind zentral für das alltagspsychologische
Persönlichkeitskonzept
Dispositionen erklären Akte oder die Herkunft best. Inhalte (aktbestimmend vs. inhaltsliefernd)
aktbefähigend: z.B. Intelligenz vs. aktgestaltend: z.B. Umsicht
Aus Verhaltensregelmäßigkeiten wird auf zugrundeliegende aktbefähigende und aktgestaltende
Dispositionen geschlossen.
inhaltsliefernd: Wissensvorrat, Gefühlsdisp. (z.B. Ängstlichkeit), Neigungunsdisp. (z.B.
Interessen) und Normdispositionen (z.B. Ehrlichkeit, haben gesellschaftl. Charakter)
Die inhaltsliefernden lassen sich jeweils einem Prozesstyp d. naiven Prozesstheorie zuordnen:
Wissen  kognitive Prozesse
Neigungs- und Normdisp.  motivationale Prozesse; Gefühlsdisp.  Gefühlstheorie
Die Dispositionen sind untereinander verknüpft und bilden Hierarchien aus:
z.B. Tendenz zur „Besitzstandwahrung“ (Neigung) mit „Arbeit geschieht nur unter Druck“
(Wissensbestand) und Rigidität (aktbestimmend)  „erkonservativ“ (übergeordnet)
Die Dispositionshierarchie kommt durch Vererbung und Lernen zustande. (dumm bleibt dumm)
Die naive Prozesstheorie und die naive Dispositionstheorie können auch verknüpft werden:
Beispiel: Warum fiel sie durch? – Weil sie prüfungsängstlich ist und deshalb einen Blackout
hatte.
1.3 Die naive Persönlichkeitstheorie
Es gibt 2 Arten von Dispositionen:
universelle Dispositionen vs.
Persönlichkeitsdispositionen
universell: allgemeine Natur des Menschen (hat jeder)
Persönlichkeitsdisp.: nur einige verfügen darüber/ charakterisieren den Einzelnen (z.B.
niedrige Intelligenz)
Unter der Persönlichkeit eines Menschen wird in der Alltagspsychologie die Gesamtheit aller
seiner Eigenschaften (Dispositionen und Gestalteigenschaften (z.B. Größe)) verstanden, in
denen er sich von anderen Menschen unterscheidet.
Die alltagspsychologische Beschreibung der Persönlichkeitsstruktur besteht aus der gesamten
Eigenschaftshierarchie!
Die naive Persönlichkeitstheorie ist derjenige Teil der naiven Verhaltenstheorie, der sich auf
individuelle Besonderheiten bezieht.
Konzepte: Persönlichkeitsdispositionen, Gestalteigenschaften, Persönlichkeitseigenschaften
(überdauerndes Merkmal zur Unterscheidung; Disposition oder Gestalt), Gestalt und
Persönlichkeit (Gesamtheit der P.-Eigenschaften)
Persönlichkeitsdisp. üben Einfluss auf Verhalten durch situationsgebundenes Wirken auf
Prozesse  Besonderheiten sind immer Resultat von Persönlichkeit + Situation
Gestalteigenschaften: hauptsächlich Vererbung
Persönlichkeitsdisp.: Vererbung + Lernen
1.4 Bewertung der naiven Persönlichkeitstheorie
Psychologie (heute): weitgehend empirische Wissenschaft  Bezug auf Beobachtungsdaten
Psychologische Theorien: Systeme von Aussagen über menschliches Verhalten
Persönlichkeitstheorie: System von Aussagen über individuelle Besonderheiten des Menschen
Theorien müssen diverse Qualitätskriterien erfüllen
Explizitheit:
Begriffe und Aussagen sollen explizit dargelegt werden
 Wird in der naiven PT nicht erfüllt: schwammige Grundbegriffe/divergierende Verwendung
Empirische Verankerung:
Die Begriffe der Theorie sollen sich direkt oder indirekt auf Beobachtungsdaten beziehen (über
Operationalisierung) und es gibt einen „Bedeutungsüberschuss“ (z.B. stabile Mittelwerte in z.B.
Prüfungsangst lassen Schluss auf Disposition Prüfungsängstlichkeit zu.
Empirische Verankerung bedeutet also operationale Definition plus Bedeutungsüberschuss.
 Wird in der naiven PT nicht erfüllt: Es findet zwar Beobachtung statt, allerdings
unsystematisch und nicht in ausreichender Menge
Widerspruchsfreiheit:
nPT ist voller Widersprüche:
Dies rührt her von der mangelnden Explizitheit und der fehlenden empirischen Verankerung.
 Es lassen sich widersprüchliche Aussagen ableiten: „Gleich und gleich gesellt sich gern“ vs.
„Gegensätze ziehen sich an“
„Vorteil“: Alles kann mit ihr erklärt werden
Prüfbarkeit:
Theorien sollten empirisch prüfbar sein, bzw. bestätigt oder widerlegt werden können.
nPT: Aufgrund der fehlenden Explizitheit und empirischen Verankerung, sowie der
Widersprüchlichkeit lässt sich hier jede beliebige Aussage (Befund + Gegenteil) ableiten und
kann nicht empirisch geprüft werden.
„Schwäche“: Es werden nur wertlose Vorhersagen produziert und nichts wird wirklich erklärt.
Vollständigkeit:
Theorien sollen alle bekannten Phänomene eines best. Anwendungsbereiches erklären.
nPT: „Stärke“, denn fast alle beobachtbaren Besonderheiten werden erklärt.
Sparsamkeit:
Eine Theorie soll mit möglichst wenigen Grundbegriffen auskommen
nPT: Jede Persönlichkeitseigenschaft ist ein Grundbegriff – es gibt über 5000
personenbeschreibende Adjektive – dies ist nicht besonders sparsam
Produktivität:
Eine Theorie soll neue Fragestellungen erzeigen und dadurch die Forschung vorantreiben
nPT: Wegen der vielen Grundbegriffe gäbe es sehr viele Möglichkeiten für Untersuchungen –
dies wäre hier aber schon zu viel, was wiederum hinderlich ist.  wenig produktiv
Anwendbarkeit:
Die Theorie soll sich anwenden lassen.
nPT: Dies ist hier beinahe ideal gegeben. Für jede Situationen gibt es mehrere Alternativen,
welche schnell angewendet werden können.
Dies gibt Orientirerung und Sicherheit; auch wenn die Lösung nicht immer die beste ist.
Fazit: Die naive Persönlichkeitstheorie ist praktisch für die Erklärung und Vorhersage von
Verhalten im Alltag, aber unbrauchbar als psychologische Theorie.
Dennoch ist die nPT wichtig für die Psychologie:
1. (Fast) alle Menschen haben sie im Kopf und benutzen sie  Ansatzpunkt um Menschen
zu verstehen
2. Sie ist ein Ansatzpunkt für die persönlichkeitspsychologische Theoriebildung (mit besser
Operationalisierung etc.)
3. Um sie nicht ständig mit der Psychologie zu vermischen ist es wichtig beide zu
konzeptualisieren
1.5 Definition der Persönlichkeitspsychologie
a) Persönlichkeitspsychologie ist die empirische Wissenschaft von den
überdauernden, nichtpathologischen verhaltensrelevanten individuellen
Besonderheiten von Menschen innerhalb einer bestimmten Population.
b) Persönlichkeitspsychologie beschäftigt sich mit Normalvarianten der
Persönlichkeit einschließlich verhaltensrelevanter genetischer und neuronaler
individueller Besonderheiten. (mehr als nur „Gestalt“)
c) Die Aussagen der Persönlichkeitspsychologie sind zunächst immer
populationsspezifisch; eine Übertragung auf andere Populationen erfordert
kulturvergleichende Studien
Prüfungsfragen zu diesem Kapitel:
1.2
Die naive Dispositionstheorie
1.
1.3
S. 3
Was wird in der Persönlichkeitspsychologie unter einer Disposition verstanden?
(R)
überdauerndes Merkmal einer Person
beeinflusst ihr Verhalten
wird aus Verhalten erschlossen, sind nicht direkt beobachtbar
Bewertung der naiven Persönlichkeitstheorie
2.
3.
-
S. 6/2
In welchen Punkten unterscheiden sich wissenschaftliche
Persönlichkeitstheorien von naiven Persönlichkeitstheorien. Nennen Sie
mindestens 4! (R)
Explizitheit
Empirische Verankerung (Begriffe der Theorie sollten sich direkt oder indirekt auf
Beobachtungsdaten beziehen)
Widerspruchsfreiheit (die aus der Theorie ableitbaren Aussagen sollten sich nicht
widersprechen)
Prüfbarkeit (Aussagen sollten sich empirisch prüfen lassen)
Vollständigkeit (Aussagen der Theorie sollten die bekannten Phänomene erklären
können)
Sparsamkeit (mögl. wenig Grundbegriffe)
Produktivität (neue Fragestellungen erzeugen)
Anwendbarkeit (praktisch)
S. 10
Beschreiben Sie das Arbeitsgebiet der Persönlichkeitspsychologie. Welches
Bezugssystem wählt die Persönlichkeitspsychologie, um Aussagen über die
Ausprägung von Persönlichkeitseigenschaften eines Menschen zu machen? (R)
empirische Wissenschaft, die sich mit
überdauernden
nicht-pathologischen
-
verhaltensrelevanten
individuellen
Besonderheiten von Menschen innerhalb einer Population beschäftigt (also
populationsspezif
Quelle?
4. Warum kann behauptet werden, dass die Differentielle Psychologie ein
wesentliches Fundament der angewandten Psychologie der meisten Praxisfelder
ist? (R, H03, H02)
-
1.5
in den angewandten Fächern interessieren meist die Unterschiede zwischen Personen
(Klinische: Schweregrad von Krankheiten, Pädagogische: Lernfähigkeit, A & O:
Leistungsfähigkeit in einem bestimmten Arbeitsbereich)
man will ebenfalls Aussagen über ein Individuum im Vergleich mit der Population
machen
Definition der Persönlichkeitspsychologie
110.
Quelle?
... steht auch am Ende des Kap. 2 ... ???
Wenden Sie die Kriterien für empirische Wissenschaften auf den
phänomenologischen Ansatz innerhalb der Persönlichkeitsforschung an.
(F04)
- Sparsamkeit: ?
- Empirische Verankerung: eher gering
- Produktivität: auch eher gering
- Prüfbarkeit: gering, wegen schlechter empirischer Verankerung
- Widerspruchsfreiheit
- Anwendbarkeit: ?
- Vollständigkeit: ?
Explizitheit: vage Deutungen und ungerechtfertigte Interpretationen
Fragen aus Asendorpf!
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