Die naive Persönlichkeitstheorie

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Differentielle Psychologie
des Persönlichkeits- und
Intelligenzbereiches
Seminarablauf
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Einführung
Persönlichkeit
Intelligenz
Bearbeitung von Persönlichkeits- und
Interessentests (ZENDIS)
• Präsentation ausgewählter
Testverfahren
Literatur: Asendorpf, J.B. (1996). Psychologie der Persönlichkeit.
Berlin: Springer.
Scheinkriterien
• regelmäßige Teilnahme
• Präsentation eines Testverfahrens, ca. 20
Minuten
• schriftliche Ausarbeitung der Ergebnisse
der Kleingruppenarbeiten
Aufgabe
• Kleingruppen bilden
• Wählen Sie einen Persönlichkeitsbereich aus (z.B.
Aggressivität, Ängstlichkeit, Altruismus, Kreativität,
Intelligenz etc.)
• Notieren Sie ihre eigene Definition des Begriffes
und stellen sie ihn dann nacheinander ihrer Gruppe
vor!
Differentielle Psychologie
des Persönlichkeits- und
Intelligenzbereiches
Alltagspsychologie
System „naiver“, kulturell tradierter
Überzeugungen, die der Beschreibung,
Erklärung und Vorhersage des Erlebens und
Verhaltens von Mitmenschen und uns selbst
dienen
Alltagspsychologie
wissenschaftliche
Erkenntnisse
Impulse
Psychologie
Alltagspsychologie
Tiefsitzende
Überzeugungen
Gefühl von Kompetenz bei
psychologischen Fragen
„Jeder Mensch interpretiert
jeden Tag das Verhalten
anderer Menschen“
- bewusst oder unbewusst -!
Begriffe
z.B.
Ängstlichkeit
Aggressivität
Kreativität
Gleichnamige Begriffe, aber
abweichende Bedeutungen
Alltagspsychologie
Psychologie
Definition
Die Struktur der deutschen
Alltagspsychologie
Die naive
Prozesstheorie
Laucken, 1974
Die naive
Dispositionstheorie
Die naive Prozesstheorie
¾ Vorstellungen über aktuell ablaufende Prozesse
der Informationsverarbeitung
Wahrnehmungsprozesse,
kognitive, motivationale, emotionale Prozesse,
Prozesse der Verhaltensaktivierung
Bsp.: Warum fiel X durch die Prüfung?
Sie hatte einen emotionalen Block!
Die naive Dispositionstheorie
¾ Vorstellungen über überdauernde Merkmale der
Person, die ihrem Verhalten zugrunde liegen
Wissensbestände, Fähigkeiten,
Temperament, Interessen
Bsp.: Warum fiel X durch die Prüfung?
Weil sie prüfungsängstlich ist!
Die naive Prozess- und
Dispositionstheorie
¾Kombinierbar Erklärungsansätze
Bsp.: Warum fiel X durch die Prüfung?
Weil sie prüfungsängstlich ist und deshalb
einen emotionalen Block hatte!
Disposition vs. Verhalten
• Merkmal mit
mittelfristiger zeitli- cher
Stabilität
• Aus Verhalten
erschließbar
• Stark fluktuierend
• Direkt beobachtbar
Dispositionsbegriffe werden
in der Alltagspsychologie
intuitiv zur Beschreibung,
Erklärung und Vorhersage
von Verhalten verwendet!
Die naive Persönlichkeitstheorie
• Beschreibung, Vorhersage und Erklärung
individueller Besonderheiten
• Enthält Teile der Dispositions- und
Prozesstheorie
Das Verhalten eines Menschen
gleicht...
• in vielerlei Hinsicht allen Menschen;
• in mancherlei Hinsicht einigen, nicht aber
allen Menschen;
• in bestimmter Hinsicht keinem anderen
Menschen, ist also einzigartig
Kluckhohn et al., 1953
Persönlichkeit in der
Alltagspsychologie
Gesamtheit aller
Eigenschaften eines
Menschen (Dispositionen
und Gestalt), in
denen er sich von
anderen Menschen
unterscheidet.
Universelle PersönlichkeitsDispositionen Dispositionen
• Fast alle Menschen
verfügen darüber
(z.B. die Fähigkeit zu
laufen, zu
sprechen...)
• Einige Menschen
verfügen darüber
(z.B. hohe,
durchschnittliche oder
niedrige Intelligenz)
• Nur ein Mensch
verfügt darüber
(einzigartige
Eigenschaften)
Zusammenfassung:
Die naive Persönlichkeitstheorie
Persönlichkeitseigenschaften
Gestalt
Wahrnehmungsprozesse
Individuelle Besonderheiten
im Erleben und Verhalten
Verhaltensaktivierung
Kognitive
Prozesse
Motivationale
Prozesse
Emotionale
Prozesse
Beispiele
1. Dicke sind gemütlich!
2. Große können sich besser durchsetzen
als Kleine!
3. Lachfältchen sind ein Zeichen von
Lebensfreude!
Aber...
...
... z.B.
z.B. Ängstlichkeit
Ängstlichkeit und
und offene
offene Aggression
Aggression
sind
sind inkompatibel
inkompatibel in
in der
der
Alltagspsychologie!
Alltagspsychologie!
Ist die naive
Persönlichkeitstheorie eine
Theorie im Sinne der
Wissenschaften?
Eine Persönlichkeitstheorie ist
ein System von Aussagen
über die individuelle
Besonderheit von Menschen.
Qualitätskriterien einer Theorie
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Explizitheit
Empirische Verankerung
Widerspruchsfreiheit
Prüfbarkeit
Vollständigkeit
Sparsamkeit
Produktivität
Anwendbarkeit
Explizitheit
¾ Begriffe und Aussagen der Theorie sollen
intersubjektiv übereinstimmend sein.
naive Persönlichkeitstheorie:
¾ Grundbegriffe eher „schwammig; werden von
unterschiedlichen Menschen in ähnlicher, aber
nicht identischer Weise verwendet
¾ Bsp. Was bedeutet „schüchtern“ genau?
Empirische Verankerung
¾ Konstrukte müssen mit beobachtbaren empirischen
Indikatoren verknüpft sein Operationalisierung
(mehrere konkrete Verhaltensweisen) +
Bedeutungsüberschuss
naive Persönlichkeitstheorie :
¾ Anforderungen an die Bedingungen, unter denen
aus Beobachtungen auf Eigenschaften geschlossen
werden, sind gering (z.B. situativer Kontext,
Beobachtungszeitraum)
Widerspruchsfreiheit
¾ Der Informationsgehalt einer Theorie muss logisch
konsistent sein und eindeutige
Verhaltensvorhersagen liefern können
naive Persönlichkeitstheorie :
¾ große Zahl von Eigenschaften, die zur Erklärung
herangezogen werden können + mangelnde
Explizitheit können zu widersprüchlichen
Aussagen bzw. Verhaltensvorhersagen führen
¾ Theorie erklärt einen Sachverhalt und sein
Gegenteil („Scheinerklärungen“)
Prüfbarkeit
¾ Eine Theorie muss so klar formuliert sein, dass sie
sich empirisch belegen oder widerlegen lässt
naive Persönlichkeitstheorie :
¾ es stehen meist mehrere Erklärungen für dieselbe
Beobachtung zur Verfügung
¾ Theorie „immun“ gegen Widerlegung (nicht
falsifizierbar durch immens vorhandene
Erklärungsansätze)
Vollständigkeit
¾ Eine Theorie soll alle bekannten Phänomene eines
bestimmten Anwendungsbereichs der Theorie
erklären
naive Persönlichkeitstheorie :
¾ Stärke der naiven Persönlichkeits-psychologie
¾ riesiges Instrumentarium von Eigenschaften, die
zur Erklärung herangezogen werden können
Sparsamkeit
¾ Eine Theorie soll durch eine begrenzte Anzahl von
Annahmen gekennzeichnet sein
naive Persönlichkeitstheorie:
¾ extrem reich an Grundbegriffen (5000
personenbeschreibende Adjektive)
¾ große Zahl fast synomymer Eigenschaftsbegriffe
Produktivität
¾ Eine Theorie soll Möglichkeiten für
Untersuchungen über die Funktion bestimmter
Eigenschaften und ihrer Koppelungen
untereinander bieten
naive Persönlichkeitstheorie:
¾ Gefahr der Verzettelung durch die Vielfalt
möglicher, wenig aufeinander bezogener
Fragestellungen und Lösungsansätze
¾ Behinderung des Erkenntnisfortschrittes
Anwendbarkeit
¾ Eine Theorie soll auf alltägliche Probleme der
Verhaltenserklärung und –vorhersage anwendbar sein
¾ soll handlungsleitend genutzt werden können
naive Persönlichkeitstheorie:
¾ größte Stärke der naiven Persönlichkeitstheorie
¾ erweist eine Erklärung sich als unzutreffend, ist schnell eine
Alternative zur Hand
¾ Bietet Sicherheit und Orientierung für Menschen, aber:
Erklärungen und Vorhersagen oft nicht besser als der Zufall!
Definition der
Persönlichkeitspsychologie
Persönlichkeitspsychologie ist die
empirische Wissenschaft von den
überdauernden, nichtpathologischen,
verhaltensrelevanten individuellen
Besonderheiten von Menschen.
Persönlichkeitspsychologie
Fünf Paradigmen der Persönlichkeit:
• Psychoanalytisches Paradigma
• Behavioristisches Paradigma
• Eigenschaftsparadigma
• Informationsverarbeitungsparadigma
• Dynamisch-interaktionistisches Paradigma
Persönlichkeitspsychologie
Fünf Paradigmen der Persönlichkeit:
• Psychoanalytisches Paradigma
• Behavioristisches Paradigma
• Eigenschaftsparadigma
• Informationsverarbeitungsparadigma
• Dynamisch-interaktionistisches Paradigma
Wissenschaftsparadigma
Ein in sich einigermaßen kohärentes, von
vielen Wissenschaftlern geteiltes Bündel
aus theoretischen Leitsätzen, Fragestellungen und Methoden, das längere
historische Perioden in der Entwicklung
einer Wissenschaft überdauert.
Paradigmenwechsel
• Auftauchen von Anomalien, z.B.
erwartungswidrige Befunde, die
Kernannahmen des Paradigmas
widersprechen
• Auftauchen eines alternativen
Paradigmas, das diese Widersprüche
auflöst
• Übernahme des neuen Paradigmas
Das psychoanalytische Paradigma
Kern von Grundannahmen über
menschliches Verhalten und Erleben, dass
trotz den verschiedenen psychoanalytischen Richtungen mehrheitsfähig
ist.
Allgemeines Menschenbild
Alle menschliche Aktivität beruht auf der
Verarbeitung von Energie. Das
„Seelenleben“ (psychische Prozesse wie
Wahrnehmen, Fühlen, Denken, Erinnern,
Träumen) beruht auf dem Fluss von
Energie. Jede Energie für eine Aktivität
geht auf Kosten der Energie für eine
andere Aktivität.
Allgemeines Menschenbild
Energieverarbeitung wird durch drei
Instanzen geregelt:
• Es
• Ich
• Über-Ich
Allgemeines Menschenbild
Drei Ebenen des „Seelenlebens“:
• Unbewusst
• Vorbewusst
• Bewusste Ebene
Fazit
Das allgemeine Menschenbild des
psychoanalytischen Paradigmas
überbetont aufgrund seiner klinischen
Orientierung irrationale auf Kosten
rationaler Prozesse und sexuelle und
aggressive Motive auf Kosten anderer
Motive!
Persönlichkeitskonzept
• Stärke der angeborenen Es-Ansprüche
kann konstitutionell bedingt von Person zu
Person unterschiedlich ausfallen
• Stärke und Form der Ich-Funktionen und
der Über-Ich-Ansprüche können
erfahrungsbedingt variieren.
• Individualtypische motivationale
Tendenzen sind auf der bewussten und
unbewussten Ebene zu suchen!
Persönlichkeitskonzept
Charakterbildung durch
• Frühkindliche Erfahrungen, Phasenmodell
• Angstverarbeitung
1. Phasenmodell
• Einfluss der Erfahrung durch frühkindliche
Erfahrungen, die den späteren Charakter
prägen!
• Jedes Kind durchläuft drei Phasen der
Entwicklung, die durch die jeweils bevorzugten
Körperzonen der Triebbefriedigung
gekennzeichnet sind.
• Durch zu große oder zu geringe
Triebbefriedigung kommt es zu einer Fixierung
der vorhandenen Triebimpulse, die den
Charakter fortan bestimmen.
Orale Phase
• 1. Lebensjahr
• Triebbefriedigung durch die Mundzone
(Saugen, beißen, kauen)
• Orale Fixierung: übermäßige Abhängigkeit
von anderen, übermäßiges Essen, Trinken
oder Rauchen.
Anale Phase
• 2. – 3. Lebensjahr
• Triebimpulse richten sich auf den Anus.
Lustvoll ist zunächst das Ausscheiden,
später das Zurückhalten von Kot.
• Anale Fixierung: zwanghaft ordentlicher,
pedantischer oder geiziger Charakter.
Phallische Phase
• 3. – 5. Lebensjahr
• Bevorzugte erogene Zone ist der Penis bzw. die
Scheide.
• Triebimpulse richten sich auf das
gegengeschlechtliche Elternteil, Rivalität mit
dem gleichgeschlechtlichen Elternteil.
• Fixierung: machohafter Charakter, übertriebenes
Erfolgsstreben im Beruf, Fortsetzung der
Rivalität zum Elternteil mit anderen Mitteln
(Ödipuskomplex)
Fazit
• Die frühkindliche Geschichte der
Triebregulation formt in den drei Phasen
den späteren Charakter:
Elterliches Verhalten Î Fixierung Î
Charakter
2. Charakterbildung durch
Angstverarbeitung
• Angst entsteht, wenn das Ich durch Reize
überflutet wird, die es nicht mehr
bewältigen kann.
• Formen der Angst:
• Realangst (Reize aus der Umwelt)
• Neurotische Angst (Triebimpulse des ES)
• Moralische Angst (Ansprüche des ÜberIch)
Abwehrmechanismen
• Um mit der Angst fertig zu werden, wehrt
sich das Ich mit Abwehrmechanismen.
Dafür stehen ihm vielfältige Formen der
Abwehr zur Verfügung!
Abwehrmechanismen
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•
Verdrängung
Projektion
Verschiebung
Reaktionsbildung
Verleugnung
Rationalisierung
Sublimierung
Regression
Methodik
• Empirische Daten bestehen primär aus den
freien Assoziationen von Patienten in
Therapiesitzungen und deren Interpretation
(Deutung). Akzeptanz vs. Widerstand!
• Das gewaltige Instrumentarium der
Abwehrmechanismen und die nahezu beliebige
Interpretation des symbolischen Gehalts von
Aussagen erlauben es, nahezu jede beliebige
Äußerung des Patienten, aber auch ihr
Gegenteil, auf passende unbewusste
Triebimpulse zurückzuführen.
Methodik
• Die klassische psychoanalytische
Methodik ist aufgrund ihrer suggestiven
Wirkungen auf Patient und Therapeut in
Gefahr, selbsterfüllende Prophezeiungen
zu produzieren und ist daher nicht
akzeptabel als Methodik einer empirischen
Wissenschaft.
• Die klassische, psychoanalytische
Methodik der Persönlichkeitserklärung
Methodik
Die klassische, psychoanalytische
Methodik der Persönlichkeitserklärung
beruht auf Erinnerungen von
Erwachsenen an Kindheitserlebnisse; dies
ist wegen der bekannten
Erinnerungsfehler inakzeptabel als
Methodik einer empirischen Wissenschaft.
Paradigmenwechsel
• Die empirisch orientierte Psychologie
verließ zu Beginn des letzten Jahrhunderts
in vielen Bereichen die Introspektionsmethode. Hochtrainierte Experten versuchten, ihre Wahrnehmungen, Gefühle,
Denkprozesse etc. in standardisierten
Situationen möglichst detailliert zu beschreiben.
Paradigmenwechsel
• Kritik: Psychologie solle sich nur auf die Analyse des
Verhaltens und der aktuellen Situation von Menschen
beschränken.
• D.h. Beobachter von Personen nehmen direkt – ohne
Zutun der beobachteten Personen – ihr Verhalten wahr.
• In diesem Ansatz ist keinerlei Platz für innere psychische
Prozesse oder introspektiv beschriebene innere
Prozesse.
• Existenz dieser Prozesse wurde nicht verleugnet, aber
man hielt sie für wissenschaftliche Untersuchungen nicht
sinnvoll.
Der Behaviorismus
• Behaviorismus (behavior = Verhalten) das
zwischen 1920 bis 1970 die empirisch
orientierte Psychologie in Nordamerika
beherrschte.
• Ablösung der Psychoanalyse, die
nebenbei natürlich weiter existierte, aber
ihre Dominanz verlor und nicht als
empirische Wissenschaft anerkannt
wurde.
Allgemeines Menschenbild
• Behavioristische Theorien werden als Reiz-ReaktionsTheorien bezeichnet.
• Suche nach funktionalen Abhängigkeiten zwischen
Reizen und Reaktionen.
• Neugeborenes kommt als „unbeschriebenes“ Blatt zur
Welt. Es ist nur ausgestattet mit ein paar angeborenen
Reflexen, die es ihm erlauben, erfahrungsunabhängig
auf Reize der Umwelt zu reagieren.
• Nach und nach gerät das Verhalten aber zunehmend
unter den Einfluss der Reize aus der Umwelt.
• Alle komplexeren Reaktionen auf Situationen sind daher
erlernt.
Allgemeines Menschenbild
Es gibt drei hauptsächliche
Lernmechanismen:
• Klassisches Konditionieren
• Operantes Konditionieren
• Beobachtungslernen
Klassisches Konditionieren
• Iwan Pawlow (1849-1936): Untersuchung von
Reaktionen als Konsequenz unmittelbar
vorangehender Reize:
Unkonditionierter Reiz
Futter
Neutraler Reiz
z.B. Glocke
Konditionierter Reiz
Unkonditionierte Reaktion
Speichelsekretion
Operantes Konditionieren
• Burrhus Skinner (1904-1990)
• Untersuchung von Reaktionen als Konsequenz
unmittelbar nachfolgender Reize.
Belohnung
Wiederholung des
Verhaltens
Bestrafung
Unterlassung des
Verhaltens
Reaktion
Beobachtungslernen
• Bandura (1965): Reaktionen können auch
durch stellvertretende Belohnung / Bestrafung erlernt werden.
• Bsp. Film mit aggressiv auftretendem
Helden
• Reaktionen anderer werden durch
Beobachtung erworben (z.B. Angst ist
erlernt durch die Reaktionen der Umwelt).
Fazit
• Reizbedingungen der Umwelt entscheiden, ob
ein bestimmtes Verhalten erlernt wird oder nicht.
• Lernen folgt universellen,
bereichsunspezifischen Gesetzen, die für alle
Tiere und Menschen gleichermaßen gelten
• Menschliches Verhalten ist durch die Schaffung
entsprechender Umweltbedingungen beliebig zu
manipulieren.
Persönlichkeitskonzept
• Individuelle Besonderheiten im Verhalten und im
Belohnungswert bestimmter Reize sind damit
ausschließlich Resultate der individuellen Lerngeschichte.
• Wenn man die Reize kennt, denen ein Kind ausgesetzt
war, kann man vorhersagen, welche Persönlichkeit es
haben wird.
• Angst vor Hunden ist kein angeborener Reflex, sondern
von der individuellen Erfahrung mit Hunden abhängig
(einschließlich beobachteter Reaktionen von
Mitmenschen)
Persönlichkeitskonzept
• Menschen sind Opfer ihrer Umwelt.
• Durch Schaffung entsprechender
Umweltbedingungen kann man in beliebiger
weise bei Menschen Angst oder andere
Emotionen erzeugen oder auch beseitigen.
• Man muss nur die Umweltbedingungen
kontrollieren und die Lerngesetze beachten.
• Die Persönlichkeitsentwicklung ist demnach
vollständig erklärbar, vorhersagbar und
veränderbar.
Methodik
• Empirische Überprüfung durch Lernexperimente
• Im Vergleich zur Kontrollgruppe sind
Lerneffekte messbar, die das Experiment
überdauern und damit als Persönlichkeitsveränderungen interpretiert werden können.
Methodik
•
•
•
•
Kritik
Asymmetrischer Aufbau des Experiments:
Experimentator kontrolliert die Umwelt des Lernenden
Soziale Umwelt: Interaktionen werden einseitig
interpretiert: Rigide-einschränkender Erziehungsstil
verursacht aggressives Verhalten des Kindes vs.
aggressives Verhalten des Kind zwingt die Mutter zu
einem rigide-einschränkendem Erziehungsstil
Betrachtete Person also immer Opfer ihrer Umwelt
Auch Lernende haben aktiven Einfluss auf ihre Umwelt,
indem sie sie aktiv auswählen, verändern oder
herstellen.
Empirische Bewährung
• Gezielte Verhaltensmodifikation im Rahmen der
Verhaltenstherapie möglich
• Auch physiologische Funktionen erweisen sich als
konditionierbar (Biofeedback)
• Grenzen: Schon Neugeborene unterscheiden sich
erheblich in ihrem Temperament
• Viele Lerneffekte instabil trotz langer Lernphasen,
andere stabil nach einmaligem Lerndurchgang
• Planvolles Handeln kann nicht erklärt werden, nur ReizReaktionsmuster
• Genetische Prädispositionen zum Erlernen bestimmter
Lerninhalte widersprechen der Annahme universeller
Lerngesetze.
Bewertung
• Gute Operationalisierbarkeit
• Aber Vernachlässigung der im
Organismus selbst ablaufenden Prozesse
(black box)
• Reize werden hoch selektiv
wahrgenommen – wir bestimmen mit,
welche Umwelteinflüsse auf uns wirken
(Situationen werden aufgesucht,
vermieden, verändert)!
...so zum Schluss:
• Was ist Psychologie? Nach einer schwarzen
Katze in einem stockdunklen Raum suchen!
• Was ist Psychoanalyse? Nach einer
schwarzen Katze in einem stockdunklen Raum
suchen, in dem keine schwarze Katze ist – und
trotzdem eine finden!
• Was ist Behaviorismus? Zu glauben, in einem
stockdunklen Raum könne man keine schwarze
Katze finden!
Das Eigenschaftsparadigma
• Unabhängige Entwicklung von Psychoanalyse
und Behaviorismus
• Begründer: William Stern (1871-1938) und
Gordon Allport (1897-1967)
• Eigenschaftsbegriff soll aus der Alltagspsychologie heraus für diagnostische Zwecke
präzisiert werden
• Das Eigenschaftsparadigma hat die empirische
Wissenschaft lange dominiert, neuere
Paradigmen ergänzen es heute!
Allgemeines Menschenbild
•
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•
•
Menschen reagieren auf komplexe Reizkonstellationen: auf
Situationen
Eine Situation ist derjenige Ausschnitt der aktuellen Umwelt einer
Person, die Einfluss auf ihr aktuelles Verhalten ausübt.
Auch qualitative Aspekte komplexer Reaktionen werden
berücksichtigt (z.B. Qualität einer Lösung)
Suche nach funktionalen Abhängigkeiten zwischen Situationen und
Reaktionen einer Person
Diese sind nicht begründet in der Lerngeschichte, sondern in den
Eigenschaften einer Person.
Die Eigenschaften bestimmen, welche Reaktionen eine Person in
einer bestimmten Situation zeigt.
Eigenschaften sind Merkmale von Personen, die zumindest über
mittelfristige Zeiträume stabil sind.
Eigenschaften sind indirekt aus den beobachteten SituationsReaktions-Ketten erschließbar.
In dem eine Eigenschaft Beziehungen zwischen den Situationen
und Reaktionen erzeugt, macht sie bestimmte Situationen bzw.
Reaktionen ähnlich und andere unähnlich.
Persönlichkeitskonzept
• Individuelle Besonderheiten einzelner
Menschen oder bestimmter Gruppen von
Menschen sollen durch Eigenschaften
beschrieben werden.
• Pathologische Eigenschaften werden
ausgeschlossen, dafür werden nicht direkt
beobachtbare Eigenschaften (genetische
oder neuronale Merkmale) berücksichtigt.
Der individuumszentrierte Ansatz
• Für jedes einzelne Individuum werden völlig unabhängig
von anderen die Situations-Reaktions-Funktionen
beschrieben.
• Es geht darum, für eine Person Situations- bzw.
Reaktionsklassen zu finden, in der die Reaktionen mit
den Situationen kovariieren.
• Die Gesamtheit der persönlichen Eigenschaften
beschreibt die individuelle Organisation des Verhaltens
einer Person.
• Oftmals freie verbale Beschreibungen ohne Messung
Methodik
Individuumszentrierte Datenerhebung:
• Einzelfallstudien, z.B.
• Repertory-Grid-Technik von G. Kelly (1955)
• Q-Sort-Verfahren von Stephenson (1953)
Populationsabhängigkeit
• Der individuumszentrierte Ansatz kann
Eigenschaften eines Menschen und
ansatzweise auch die individuelle
Organisation seines Verhaltens
beschreiben, aber weder seine
Persönlichkeitseigenschaften noch seine
Persönlichkeit. Dazu muss er um
Vergleiche zwischen Menschen ergänzt
werden.
Der differentielle Ansatz
•
•
•
•
Beschreibung der Unterschiede zwischen Personen einer
bestimmten Population (interindividuelle Differenzen).
Betrachtet werden Beziehungen zwischen Personen einer
bestimmten Population und Merkmalen, in denen sich die Personen
unterscheiden.
Da alle Personen einer Population in jedem Merkmal vergleichbar
sind, handelt es sich nicht mehr um persönliche Dispositionen,
sondern um Variablen, in denen die Mitglieder Merkmalswerte
annehmen können.
Der Variablenwert charakterisiert die individuelle Ausprägung der
Person in dieser Eigenschaft relativ zu anderen Mitgliedern der
Population. Alle differentiellen Aussagen sind also
populationsabhängig.
Methodik
• Variationsforschung
• Korrelationsforschung
• Psychografie
• Komparationsforschung
Persönlichkeitsinventare
•
•
•
•
NEO-Fünf-Faktoren-Inventar (NEO-FFI):
Messung von 5 Eigenschaftsdimensionen anhand von jeweils 12
Items
Auswahl einer repräsentativen Stichprobe
Eigenschaften sollten normalverteilt sein
Situations-Reaktions-Inventare
•
Hypothetische Reaktionen in hypothetischen Situationen werden
erfragt (z. B. Angst)
Verhaltensbeobachtung
•
•
•
Tatsächliche Reaktionen in realen Situationen werden beobachtet
(Leistung im Test, Prüfungsangst, physiologische Reaktionen wie
die Herzrate)
Situationen können vom Untersucher hergestellt werden oder
Beobachtungen im Alltag durchgeführt werden
Aufwendiger als Fragebögen, aber Lieferung eines ungeschminkten
Bildes vom Verhalten selbst
Bewertung
• Eigenschaftsparadigma führte zur Entwicklung eines
methodischen Instrumentariums, dass es erlaubt,
Eigenschaften und auf Eigenschaftsprofilen beruhende
Persönlichkeitsbeschreibungen im Vergleich zu anderen
Personen zu untersuchen.
• Grundbegriffe sind operatonal definiert und bei
Reduktion vieler Eigenschaftsmessungen auf wenige
Faktoren sparsam (Faktorenanalyse).
• Alle Aussagen sind populationsabhängig.
• Individuumszentrierter Ansatz versagt bei der
Beschreibung der einzelnen Persönlichkeit.
• Eigenschaften sind statische Konzepte.
• Alltagspsychologische Überlegungen sind enthalten.
• Ein Test allein sagt nichts über die tatsächliche Reaktion
auf eine Situation im Alltag voraus.
Kleingruppenarbeit:
• Wie könnte ein Persönlichkeitsinventar,
ein Situations-Reaktions-Inventar bzw.
eine Verhaltensbeobachtung hinsichtlich
der zu messenden Konstrukte Angst,
Aggressivität und Fröhlichkeit aussehen?
Das Informationsverarbeitungsparadigma
• Neurowissenschaftliche Prinzipien
der Informationsverarbeitung anstatt
energieverarbeitendes System bzw. „black
box“
• Frage: Welche Prozesse in der „black box“
erzeugen Situations-Reaktions-Ketten?
Allgemeines Menschenbild
• Erleben und Verhalten beruht auf der
Verarbeitung von Information
• Informationsübertragung im Nervensystem; über
Rezeptoren werden Reize aus der Umwelt und
dem eigenen Körper empfangen und in andere
Informationen umgewandelt
• Verantwortlich für menschliches Erleben; durch
motorische Aktivität verantwortlich für die
Übertragung von Informationen auf die Umwelt
(Verhalten)
• Die Prozesse nutzen Informationen, die die
aktuelle Situation überdauern – das Wissen!
Modelle der Informationsverarbeitung
Klassische Modelle
angelehnt an die räumliche Aufteilung von Computern
führen sequentiell von Input zu Output
Zweiteilung in Kurz- und Langzeitspeicher (Arbeitsspeicher und Festplatte)
Reize
Verhalten
Sensorisches
Register
Motorische
Steuerung
Filter
Kurzzeitgedächtnis
Schwelle
Langzeitgedächtnis
Modelle der Informationsverarbeitung
• ACT-Modell von Anderson (1983)
Inhalte des LZG können lokal aktiviert
werden, aktivierte Inhalte üben Funktionen
des Kurzzeitspeichers aus
Inhalte: deklaratives und prozedurales
Wissen
Modelle der
Informationsverarbeitung
• Konnektivistische Modelle (Hebb 1949,
McClelland, 1986)
– Verarbeitung findet durch Aktivierungsausbreitung entlang erregender und
hemmender Verbindungen zwischen weit
auseinander liegenden Einheiten statt;
funktionale Informationseinheiten sind über
das Gesamtnetz verteilt.
Persönlichkeitskonzept
• Individuelle Besonderheiten im
Erleben und Verhalten beruhen auf
zwei verschiedenen Quellen:
• Auf Parametern informationsverarbeitender
Prozesse
„Wie gehe ich mit Informationen um?“
• Auf Wissen
„Was steht mir dafür zur Verfügung?“
Persönlichkeitskonzept
• Parameter von Verarbeitungsprozessen:
Individuelle Besonderheiten sind z.B. die
Geschwindigkeiten, mit denen Aufgaben bearbeitet
werden (Zugriffsgeschwindigkeit im Arbeitsspeicher als
Eigenschaft im Sinne der Situation-Reaktions-Funktion),
Schwellen für die Wahrnehmung oder Erinnerung oder
im affektiven Bereich
• Wissen
– Sofern Wissen mittelfristig stabil ist, handelt es sich
um Eigenschaften der Person und individuelle
Besonderheiten und sind daher
Persönlichkeitseigenschaften.
– Wissensbezogene Eigenschaften sind z.B.
Selbstkonzept (deklaratives Wissen),
Problemlösestil (prozedurales Wissen)
Persönlichkeitskonzept
• Im Informationsverarbeitungsparadigma
wird von einer universellen Architektur des
informationsverarbeitenden Systems
ausgegangen. Individuelle Besonderheiten
werden in Geschwindigkeiten und
schwellen informationsverarbeitender
Prozesse und in deklarativem und
prozeduralem Wissen gesucht.
Methodik
• Eigenschaftsbestimmung durch
Beobachtung von Situations-ReaktionsBeziehungen auf Basis eines
Prozessmodells (wenn – dann)
– Eigenschaftskonstrukte werden
operationalisiert, ohne sich an die
Alltagspsychologie anzulehnen
– Suche nach informationsverarbeitenden
Prozessen und unterschiedlichem Wissen
Methodik
• Beispiele:
Handlungen: Wenn - dann Antwort a)b)c)
Wissen: Selbstkonzept-Fragebögen,
Erinnerung an Zwischenschritte
Befragung vor realen Situationen:
Erwartungen, Attributionen nach der
Situation
Denken und Problemlösen: Methode des
lauten Denkens
Methodik
• Vergleich Eigenschafts- und
Informationsverarbeitendes Paradigma:
Vergleich des Verhaltens mit dem
Verhaltens eines komplexen kognitiven
Modells, z.B. Wissensdiagnostik durch
kognitive Modellierung. EP = mittlere
Leistung in vielen ähnlichen Aufgaben =
Niveau der Leistung. IP: Frage danach,
warum jemand Fehler macht!
Persönlichkeitsentwicklung durch...
• Psychoanalyse: Lernen erfolgt in den frühkindlichen
Entwicklungsphasen.
• Behaviorismus: Lebenslanges Lernen. Das Erlernte
kann jederzeit wieder „abtrainiert“ werden.
• Eigenschaftsparadigma: Eigenschaften des Menschen
können sich ändern.
• Informationsverarbeitungsparadigma: menschliches
Erleben und Verhalten beruht auf Prozessen der
Informationsverarbeitung. I. werden durch
Wahrnehmung aufgenommen. Unterschiede in der
Aufnahme und im Umgang von I. kennzeichnen die
Persönlichkeit.
Das dynamisch-interaktionistische
Paradigma
• Schnittpunkt zwischen Persönlichkeitsund Entwicklungspsychologie
• Modellvorstellungen, wie sich
Eigenschaften langfristig ändern können
• Persönlichkeitsentwicklung beruht auf
einer dynamischen Interaktion
(Wechselwirkung) zwischen Eigenschaften
der Person und der Umwelt!
Definition „Test“
Ein Test ist ein wissenschaftliches
Routineverfahren zur Untersuchung eines
oder mehrerer empirisch abgrenzbarer
Persönlichkeits-merkmale mit dem Ziel
einer möglichst quantitativen Aussage
über den relativen Grad der individuellen
Merkmalsausprägung.
Persönlichkeitstests
Konzentrieren sich auf Merkmale des
Charakters:
•
•
•
•
•
•
Eigenschaften
Motive
Interessen
Einstellungen
Werthaltungen
Psychische Gesundheit
Tests und Fragebögen
Tests
• Testen eng verbunden mit Diagnostizieren
• Normierung, um Individualwerte im
Vergleich zu unterschiedlichen
Bezugsgruppen zu beurteilen
• hauptsächlich für Leistungsbereich und
Persönlichkeitsbereich
Tests und Fragebögen
Fragebögen
• dienen hauptsächlich als
Forschungsinstrumente zur
Hypothesenprüfung
• thematisieren neben Eigenschaften und
Fähigkeiten oft auch Lebensereignisse,
Verhaltensweisen und andere
Sachverhalte
Gegenstand der Testtheorie
... ist die Frage der Anforderungen, denen
ein Test genügen muss, um aufgrund
eines Testergebnisses auf die tatsächliche
Ausprägung des getesteten Merkmales
schließen zu können.
Klassische Testtheorie
Annahme:
Das Testergebnis entspricht dem wahren
Ausprägungsgrad des untersuchten
Merkmals, ist aber von einem Messfehler
überlagert.
Testwert
Der Testwert repräsentiert die „wahre“
Merkmalsausprägung zuzüglich einer den
Testwert vergrößernden oder
verkleinernden Fehlerkomponente.
Die drei Testgütekriterien
• Objektivität
• Reliabilität
• Validität
Objektivität
Die Objektivität eines Tests gibt an, in
welchem Ausmaß die Testergebnisse vom
Testanwender unabhängig sind.
Zu unterscheiden sind:
• Durchführungsobjektivität
• Auswertungsobjektivität
• Interpretationsobjektivität
Reliabilität
Die Reliabilität (Zuverlässigkeit) eines
Tests kennzeichnet den Grad der
Genauigkeit (Präzision), mit dem das
geprüfte Merkmal gemessen wird.
•
•
•
•
Zu unterscheiden sind:
Retest-Reliabilität
Paralleltest-Reliabilität
Testhalbierungs-Reliabilität
Interne Konsistenz
Validität
Die Validität (Gültigkeit) eines Tests gibt
an, wie gut der Test in der Lage ist, genau
das zu messen, was er zu messen vorgibt.
Hauptarten:
• Inhaltsvalidität
• Kriteriumsvalidität
• Konstruktvalidität
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