Differentielle Psychologie des Persönlichkeits- und Intelligenzbereiches Seminarablauf • • • • Einführung Persönlichkeit Intelligenz Bearbeitung von Persönlichkeits- und Interessentests (ZENDIS) • Präsentation ausgewählter Testverfahren Literatur: Asendorpf, J.B. (1996). Psychologie der Persönlichkeit. Berlin: Springer. Scheinkriterien • regelmäßige Teilnahme • Präsentation eines Testverfahrens, ca. 20 Minuten • schriftliche Ausarbeitung der Ergebnisse der Kleingruppenarbeiten Aufgabe • Kleingruppen bilden • Wählen Sie einen Persönlichkeitsbereich aus (z.B. Aggressivität, Ängstlichkeit, Altruismus, Kreativität, Intelligenz etc.) • Notieren Sie ihre eigene Definition des Begriffes und stellen sie ihn dann nacheinander ihrer Gruppe vor! Differentielle Psychologie des Persönlichkeits- und Intelligenzbereiches Alltagspsychologie System „naiver“, kulturell tradierter Überzeugungen, die der Beschreibung, Erklärung und Vorhersage des Erlebens und Verhaltens von Mitmenschen und uns selbst dienen Alltagspsychologie wissenschaftliche Erkenntnisse Impulse Psychologie Alltagspsychologie Tiefsitzende Überzeugungen Gefühl von Kompetenz bei psychologischen Fragen „Jeder Mensch interpretiert jeden Tag das Verhalten anderer Menschen“ - bewusst oder unbewusst -! Begriffe z.B. Ängstlichkeit Aggressivität Kreativität Gleichnamige Begriffe, aber abweichende Bedeutungen Alltagspsychologie Psychologie Definition Die Struktur der deutschen Alltagspsychologie Die naive Prozesstheorie Laucken, 1974 Die naive Dispositionstheorie Die naive Prozesstheorie ¾ Vorstellungen über aktuell ablaufende Prozesse der Informationsverarbeitung Wahrnehmungsprozesse, kognitive, motivationale, emotionale Prozesse, Prozesse der Verhaltensaktivierung Bsp.: Warum fiel X durch die Prüfung? Sie hatte einen emotionalen Block! Die naive Dispositionstheorie ¾ Vorstellungen über überdauernde Merkmale der Person, die ihrem Verhalten zugrunde liegen Wissensbestände, Fähigkeiten, Temperament, Interessen Bsp.: Warum fiel X durch die Prüfung? Weil sie prüfungsängstlich ist! Die naive Prozess- und Dispositionstheorie ¾Kombinierbar Erklärungsansätze Bsp.: Warum fiel X durch die Prüfung? Weil sie prüfungsängstlich ist und deshalb einen emotionalen Block hatte! Disposition vs. Verhalten • Merkmal mit mittelfristiger zeitli- cher Stabilität • Aus Verhalten erschließbar • Stark fluktuierend • Direkt beobachtbar Dispositionsbegriffe werden in der Alltagspsychologie intuitiv zur Beschreibung, Erklärung und Vorhersage von Verhalten verwendet! Die naive Persönlichkeitstheorie • Beschreibung, Vorhersage und Erklärung individueller Besonderheiten • Enthält Teile der Dispositions- und Prozesstheorie Das Verhalten eines Menschen gleicht... • in vielerlei Hinsicht allen Menschen; • in mancherlei Hinsicht einigen, nicht aber allen Menschen; • in bestimmter Hinsicht keinem anderen Menschen, ist also einzigartig Kluckhohn et al., 1953 Persönlichkeit in der Alltagspsychologie Gesamtheit aller Eigenschaften eines Menschen (Dispositionen und Gestalt), in denen er sich von anderen Menschen unterscheidet. Universelle PersönlichkeitsDispositionen Dispositionen • Fast alle Menschen verfügen darüber (z.B. die Fähigkeit zu laufen, zu sprechen...) • Einige Menschen verfügen darüber (z.B. hohe, durchschnittliche oder niedrige Intelligenz) • Nur ein Mensch verfügt darüber (einzigartige Eigenschaften) Zusammenfassung: Die naive Persönlichkeitstheorie Persönlichkeitseigenschaften Gestalt Wahrnehmungsprozesse Individuelle Besonderheiten im Erleben und Verhalten Verhaltensaktivierung Kognitive Prozesse Motivationale Prozesse Emotionale Prozesse Beispiele 1. Dicke sind gemütlich! 2. Große können sich besser durchsetzen als Kleine! 3. Lachfältchen sind ein Zeichen von Lebensfreude! Aber... ... ... z.B. z.B. Ängstlichkeit Ängstlichkeit und und offene offene Aggression Aggression sind sind inkompatibel inkompatibel in in der der Alltagspsychologie! Alltagspsychologie! Ist die naive Persönlichkeitstheorie eine Theorie im Sinne der Wissenschaften? Eine Persönlichkeitstheorie ist ein System von Aussagen über die individuelle Besonderheit von Menschen. Qualitätskriterien einer Theorie • • • • • • • • Explizitheit Empirische Verankerung Widerspruchsfreiheit Prüfbarkeit Vollständigkeit Sparsamkeit Produktivität Anwendbarkeit Explizitheit ¾ Begriffe und Aussagen der Theorie sollen intersubjektiv übereinstimmend sein. naive Persönlichkeitstheorie: ¾ Grundbegriffe eher „schwammig; werden von unterschiedlichen Menschen in ähnlicher, aber nicht identischer Weise verwendet ¾ Bsp. Was bedeutet „schüchtern“ genau? Empirische Verankerung ¾ Konstrukte müssen mit beobachtbaren empirischen Indikatoren verknüpft sein Operationalisierung (mehrere konkrete Verhaltensweisen) + Bedeutungsüberschuss naive Persönlichkeitstheorie : ¾ Anforderungen an die Bedingungen, unter denen aus Beobachtungen auf Eigenschaften geschlossen werden, sind gering (z.B. situativer Kontext, Beobachtungszeitraum) Widerspruchsfreiheit ¾ Der Informationsgehalt einer Theorie muss logisch konsistent sein und eindeutige Verhaltensvorhersagen liefern können naive Persönlichkeitstheorie : ¾ große Zahl von Eigenschaften, die zur Erklärung herangezogen werden können + mangelnde Explizitheit können zu widersprüchlichen Aussagen bzw. Verhaltensvorhersagen führen ¾ Theorie erklärt einen Sachverhalt und sein Gegenteil („Scheinerklärungen“) Prüfbarkeit ¾ Eine Theorie muss so klar formuliert sein, dass sie sich empirisch belegen oder widerlegen lässt naive Persönlichkeitstheorie : ¾ es stehen meist mehrere Erklärungen für dieselbe Beobachtung zur Verfügung ¾ Theorie „immun“ gegen Widerlegung (nicht falsifizierbar durch immens vorhandene Erklärungsansätze) Vollständigkeit ¾ Eine Theorie soll alle bekannten Phänomene eines bestimmten Anwendungsbereichs der Theorie erklären naive Persönlichkeitstheorie : ¾ Stärke der naiven Persönlichkeits-psychologie ¾ riesiges Instrumentarium von Eigenschaften, die zur Erklärung herangezogen werden können Sparsamkeit ¾ Eine Theorie soll durch eine begrenzte Anzahl von Annahmen gekennzeichnet sein naive Persönlichkeitstheorie: ¾ extrem reich an Grundbegriffen (5000 personenbeschreibende Adjektive) ¾ große Zahl fast synomymer Eigenschaftsbegriffe Produktivität ¾ Eine Theorie soll Möglichkeiten für Untersuchungen über die Funktion bestimmter Eigenschaften und ihrer Koppelungen untereinander bieten naive Persönlichkeitstheorie: ¾ Gefahr der Verzettelung durch die Vielfalt möglicher, wenig aufeinander bezogener Fragestellungen und Lösungsansätze ¾ Behinderung des Erkenntnisfortschrittes Anwendbarkeit ¾ Eine Theorie soll auf alltägliche Probleme der Verhaltenserklärung und –vorhersage anwendbar sein ¾ soll handlungsleitend genutzt werden können naive Persönlichkeitstheorie: ¾ größte Stärke der naiven Persönlichkeitstheorie ¾ erweist eine Erklärung sich als unzutreffend, ist schnell eine Alternative zur Hand ¾ Bietet Sicherheit und Orientierung für Menschen, aber: Erklärungen und Vorhersagen oft nicht besser als der Zufall! Definition der Persönlichkeitspsychologie Persönlichkeitspsychologie ist die empirische Wissenschaft von den überdauernden, nichtpathologischen, verhaltensrelevanten individuellen Besonderheiten von Menschen. Persönlichkeitspsychologie Fünf Paradigmen der Persönlichkeit: • Psychoanalytisches Paradigma • Behavioristisches Paradigma • Eigenschaftsparadigma • Informationsverarbeitungsparadigma • Dynamisch-interaktionistisches Paradigma Persönlichkeitspsychologie Fünf Paradigmen der Persönlichkeit: • Psychoanalytisches Paradigma • Behavioristisches Paradigma • Eigenschaftsparadigma • Informationsverarbeitungsparadigma • Dynamisch-interaktionistisches Paradigma Wissenschaftsparadigma Ein in sich einigermaßen kohärentes, von vielen Wissenschaftlern geteiltes Bündel aus theoretischen Leitsätzen, Fragestellungen und Methoden, das längere historische Perioden in der Entwicklung einer Wissenschaft überdauert. Paradigmenwechsel • Auftauchen von Anomalien, z.B. erwartungswidrige Befunde, die Kernannahmen des Paradigmas widersprechen • Auftauchen eines alternativen Paradigmas, das diese Widersprüche auflöst • Übernahme des neuen Paradigmas Das psychoanalytische Paradigma Kern von Grundannahmen über menschliches Verhalten und Erleben, dass trotz den verschiedenen psychoanalytischen Richtungen mehrheitsfähig ist. Allgemeines Menschenbild Alle menschliche Aktivität beruht auf der Verarbeitung von Energie. Das „Seelenleben“ (psychische Prozesse wie Wahrnehmen, Fühlen, Denken, Erinnern, Träumen) beruht auf dem Fluss von Energie. Jede Energie für eine Aktivität geht auf Kosten der Energie für eine andere Aktivität. Allgemeines Menschenbild Energieverarbeitung wird durch drei Instanzen geregelt: • Es • Ich • Über-Ich Allgemeines Menschenbild Drei Ebenen des „Seelenlebens“: • Unbewusst • Vorbewusst • Bewusste Ebene Fazit Das allgemeine Menschenbild des psychoanalytischen Paradigmas überbetont aufgrund seiner klinischen Orientierung irrationale auf Kosten rationaler Prozesse und sexuelle und aggressive Motive auf Kosten anderer Motive! Persönlichkeitskonzept • Stärke der angeborenen Es-Ansprüche kann konstitutionell bedingt von Person zu Person unterschiedlich ausfallen • Stärke und Form der Ich-Funktionen und der Über-Ich-Ansprüche können erfahrungsbedingt variieren. • Individualtypische motivationale Tendenzen sind auf der bewussten und unbewussten Ebene zu suchen! Persönlichkeitskonzept Charakterbildung durch • Frühkindliche Erfahrungen, Phasenmodell • Angstverarbeitung 1. Phasenmodell • Einfluss der Erfahrung durch frühkindliche Erfahrungen, die den späteren Charakter prägen! • Jedes Kind durchläuft drei Phasen der Entwicklung, die durch die jeweils bevorzugten Körperzonen der Triebbefriedigung gekennzeichnet sind. • Durch zu große oder zu geringe Triebbefriedigung kommt es zu einer Fixierung der vorhandenen Triebimpulse, die den Charakter fortan bestimmen. Orale Phase • 1. Lebensjahr • Triebbefriedigung durch die Mundzone (Saugen, beißen, kauen) • Orale Fixierung: übermäßige Abhängigkeit von anderen, übermäßiges Essen, Trinken oder Rauchen. Anale Phase • 2. – 3. Lebensjahr • Triebimpulse richten sich auf den Anus. Lustvoll ist zunächst das Ausscheiden, später das Zurückhalten von Kot. • Anale Fixierung: zwanghaft ordentlicher, pedantischer oder geiziger Charakter. Phallische Phase • 3. – 5. Lebensjahr • Bevorzugte erogene Zone ist der Penis bzw. die Scheide. • Triebimpulse richten sich auf das gegengeschlechtliche Elternteil, Rivalität mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil. • Fixierung: machohafter Charakter, übertriebenes Erfolgsstreben im Beruf, Fortsetzung der Rivalität zum Elternteil mit anderen Mitteln (Ödipuskomplex) Fazit • Die frühkindliche Geschichte der Triebregulation formt in den drei Phasen den späteren Charakter: Elterliches Verhalten Î Fixierung Î Charakter 2. Charakterbildung durch Angstverarbeitung • Angst entsteht, wenn das Ich durch Reize überflutet wird, die es nicht mehr bewältigen kann. • Formen der Angst: • Realangst (Reize aus der Umwelt) • Neurotische Angst (Triebimpulse des ES) • Moralische Angst (Ansprüche des ÜberIch) Abwehrmechanismen • Um mit der Angst fertig zu werden, wehrt sich das Ich mit Abwehrmechanismen. Dafür stehen ihm vielfältige Formen der Abwehr zur Verfügung! Abwehrmechanismen • • • • • • • • Verdrängung Projektion Verschiebung Reaktionsbildung Verleugnung Rationalisierung Sublimierung Regression Methodik • Empirische Daten bestehen primär aus den freien Assoziationen von Patienten in Therapiesitzungen und deren Interpretation (Deutung). Akzeptanz vs. Widerstand! • Das gewaltige Instrumentarium der Abwehrmechanismen und die nahezu beliebige Interpretation des symbolischen Gehalts von Aussagen erlauben es, nahezu jede beliebige Äußerung des Patienten, aber auch ihr Gegenteil, auf passende unbewusste Triebimpulse zurückzuführen. Methodik • Die klassische psychoanalytische Methodik ist aufgrund ihrer suggestiven Wirkungen auf Patient und Therapeut in Gefahr, selbsterfüllende Prophezeiungen zu produzieren und ist daher nicht akzeptabel als Methodik einer empirischen Wissenschaft. • Die klassische, psychoanalytische Methodik der Persönlichkeitserklärung Methodik Die klassische, psychoanalytische Methodik der Persönlichkeitserklärung beruht auf Erinnerungen von Erwachsenen an Kindheitserlebnisse; dies ist wegen der bekannten Erinnerungsfehler inakzeptabel als Methodik einer empirischen Wissenschaft. Paradigmenwechsel • Die empirisch orientierte Psychologie verließ zu Beginn des letzten Jahrhunderts in vielen Bereichen die Introspektionsmethode. Hochtrainierte Experten versuchten, ihre Wahrnehmungen, Gefühle, Denkprozesse etc. in standardisierten Situationen möglichst detailliert zu beschreiben. Paradigmenwechsel • Kritik: Psychologie solle sich nur auf die Analyse des Verhaltens und der aktuellen Situation von Menschen beschränken. • D.h. Beobachter von Personen nehmen direkt – ohne Zutun der beobachteten Personen – ihr Verhalten wahr. • In diesem Ansatz ist keinerlei Platz für innere psychische Prozesse oder introspektiv beschriebene innere Prozesse. • Existenz dieser Prozesse wurde nicht verleugnet, aber man hielt sie für wissenschaftliche Untersuchungen nicht sinnvoll. Der Behaviorismus • Behaviorismus (behavior = Verhalten) das zwischen 1920 bis 1970 die empirisch orientierte Psychologie in Nordamerika beherrschte. • Ablösung der Psychoanalyse, die nebenbei natürlich weiter existierte, aber ihre Dominanz verlor und nicht als empirische Wissenschaft anerkannt wurde. Allgemeines Menschenbild • Behavioristische Theorien werden als Reiz-ReaktionsTheorien bezeichnet. • Suche nach funktionalen Abhängigkeiten zwischen Reizen und Reaktionen. • Neugeborenes kommt als „unbeschriebenes“ Blatt zur Welt. Es ist nur ausgestattet mit ein paar angeborenen Reflexen, die es ihm erlauben, erfahrungsunabhängig auf Reize der Umwelt zu reagieren. • Nach und nach gerät das Verhalten aber zunehmend unter den Einfluss der Reize aus der Umwelt. • Alle komplexeren Reaktionen auf Situationen sind daher erlernt. Allgemeines Menschenbild Es gibt drei hauptsächliche Lernmechanismen: • Klassisches Konditionieren • Operantes Konditionieren • Beobachtungslernen Klassisches Konditionieren • Iwan Pawlow (1849-1936): Untersuchung von Reaktionen als Konsequenz unmittelbar vorangehender Reize: Unkonditionierter Reiz Futter Neutraler Reiz z.B. Glocke Konditionierter Reiz Unkonditionierte Reaktion Speichelsekretion Operantes Konditionieren • Burrhus Skinner (1904-1990) • Untersuchung von Reaktionen als Konsequenz unmittelbar nachfolgender Reize. Belohnung Wiederholung des Verhaltens Bestrafung Unterlassung des Verhaltens Reaktion Beobachtungslernen • Bandura (1965): Reaktionen können auch durch stellvertretende Belohnung / Bestrafung erlernt werden. • Bsp. Film mit aggressiv auftretendem Helden • Reaktionen anderer werden durch Beobachtung erworben (z.B. Angst ist erlernt durch die Reaktionen der Umwelt). Fazit • Reizbedingungen der Umwelt entscheiden, ob ein bestimmtes Verhalten erlernt wird oder nicht. • Lernen folgt universellen, bereichsunspezifischen Gesetzen, die für alle Tiere und Menschen gleichermaßen gelten • Menschliches Verhalten ist durch die Schaffung entsprechender Umweltbedingungen beliebig zu manipulieren. Persönlichkeitskonzept • Individuelle Besonderheiten im Verhalten und im Belohnungswert bestimmter Reize sind damit ausschließlich Resultate der individuellen Lerngeschichte. • Wenn man die Reize kennt, denen ein Kind ausgesetzt war, kann man vorhersagen, welche Persönlichkeit es haben wird. • Angst vor Hunden ist kein angeborener Reflex, sondern von der individuellen Erfahrung mit Hunden abhängig (einschließlich beobachteter Reaktionen von Mitmenschen) Persönlichkeitskonzept • Menschen sind Opfer ihrer Umwelt. • Durch Schaffung entsprechender Umweltbedingungen kann man in beliebiger weise bei Menschen Angst oder andere Emotionen erzeugen oder auch beseitigen. • Man muss nur die Umweltbedingungen kontrollieren und die Lerngesetze beachten. • Die Persönlichkeitsentwicklung ist demnach vollständig erklärbar, vorhersagbar und veränderbar. Methodik • Empirische Überprüfung durch Lernexperimente • Im Vergleich zur Kontrollgruppe sind Lerneffekte messbar, die das Experiment überdauern und damit als Persönlichkeitsveränderungen interpretiert werden können. Methodik • • • • Kritik Asymmetrischer Aufbau des Experiments: Experimentator kontrolliert die Umwelt des Lernenden Soziale Umwelt: Interaktionen werden einseitig interpretiert: Rigide-einschränkender Erziehungsstil verursacht aggressives Verhalten des Kindes vs. aggressives Verhalten des Kind zwingt die Mutter zu einem rigide-einschränkendem Erziehungsstil Betrachtete Person also immer Opfer ihrer Umwelt Auch Lernende haben aktiven Einfluss auf ihre Umwelt, indem sie sie aktiv auswählen, verändern oder herstellen. Empirische Bewährung • Gezielte Verhaltensmodifikation im Rahmen der Verhaltenstherapie möglich • Auch physiologische Funktionen erweisen sich als konditionierbar (Biofeedback) • Grenzen: Schon Neugeborene unterscheiden sich erheblich in ihrem Temperament • Viele Lerneffekte instabil trotz langer Lernphasen, andere stabil nach einmaligem Lerndurchgang • Planvolles Handeln kann nicht erklärt werden, nur ReizReaktionsmuster • Genetische Prädispositionen zum Erlernen bestimmter Lerninhalte widersprechen der Annahme universeller Lerngesetze. Bewertung • Gute Operationalisierbarkeit • Aber Vernachlässigung der im Organismus selbst ablaufenden Prozesse (black box) • Reize werden hoch selektiv wahrgenommen – wir bestimmen mit, welche Umwelteinflüsse auf uns wirken (Situationen werden aufgesucht, vermieden, verändert)! ...so zum Schluss: • Was ist Psychologie? Nach einer schwarzen Katze in einem stockdunklen Raum suchen! • Was ist Psychoanalyse? Nach einer schwarzen Katze in einem stockdunklen Raum suchen, in dem keine schwarze Katze ist – und trotzdem eine finden! • Was ist Behaviorismus? Zu glauben, in einem stockdunklen Raum könne man keine schwarze Katze finden! Das Eigenschaftsparadigma • Unabhängige Entwicklung von Psychoanalyse und Behaviorismus • Begründer: William Stern (1871-1938) und Gordon Allport (1897-1967) • Eigenschaftsbegriff soll aus der Alltagspsychologie heraus für diagnostische Zwecke präzisiert werden • Das Eigenschaftsparadigma hat die empirische Wissenschaft lange dominiert, neuere Paradigmen ergänzen es heute! Allgemeines Menschenbild • • • • • • • • • Menschen reagieren auf komplexe Reizkonstellationen: auf Situationen Eine Situation ist derjenige Ausschnitt der aktuellen Umwelt einer Person, die Einfluss auf ihr aktuelles Verhalten ausübt. Auch qualitative Aspekte komplexer Reaktionen werden berücksichtigt (z.B. Qualität einer Lösung) Suche nach funktionalen Abhängigkeiten zwischen Situationen und Reaktionen einer Person Diese sind nicht begründet in der Lerngeschichte, sondern in den Eigenschaften einer Person. Die Eigenschaften bestimmen, welche Reaktionen eine Person in einer bestimmten Situation zeigt. Eigenschaften sind Merkmale von Personen, die zumindest über mittelfristige Zeiträume stabil sind. Eigenschaften sind indirekt aus den beobachteten SituationsReaktions-Ketten erschließbar. In dem eine Eigenschaft Beziehungen zwischen den Situationen und Reaktionen erzeugt, macht sie bestimmte Situationen bzw. Reaktionen ähnlich und andere unähnlich. Persönlichkeitskonzept • Individuelle Besonderheiten einzelner Menschen oder bestimmter Gruppen von Menschen sollen durch Eigenschaften beschrieben werden. • Pathologische Eigenschaften werden ausgeschlossen, dafür werden nicht direkt beobachtbare Eigenschaften (genetische oder neuronale Merkmale) berücksichtigt. Der individuumszentrierte Ansatz • Für jedes einzelne Individuum werden völlig unabhängig von anderen die Situations-Reaktions-Funktionen beschrieben. • Es geht darum, für eine Person Situations- bzw. Reaktionsklassen zu finden, in der die Reaktionen mit den Situationen kovariieren. • Die Gesamtheit der persönlichen Eigenschaften beschreibt die individuelle Organisation des Verhaltens einer Person. • Oftmals freie verbale Beschreibungen ohne Messung Methodik Individuumszentrierte Datenerhebung: • Einzelfallstudien, z.B. • Repertory-Grid-Technik von G. Kelly (1955) • Q-Sort-Verfahren von Stephenson (1953) Populationsabhängigkeit • Der individuumszentrierte Ansatz kann Eigenschaften eines Menschen und ansatzweise auch die individuelle Organisation seines Verhaltens beschreiben, aber weder seine Persönlichkeitseigenschaften noch seine Persönlichkeit. Dazu muss er um Vergleiche zwischen Menschen ergänzt werden. Der differentielle Ansatz • • • • Beschreibung der Unterschiede zwischen Personen einer bestimmten Population (interindividuelle Differenzen). Betrachtet werden Beziehungen zwischen Personen einer bestimmten Population und Merkmalen, in denen sich die Personen unterscheiden. Da alle Personen einer Population in jedem Merkmal vergleichbar sind, handelt es sich nicht mehr um persönliche Dispositionen, sondern um Variablen, in denen die Mitglieder Merkmalswerte annehmen können. Der Variablenwert charakterisiert die individuelle Ausprägung der Person in dieser Eigenschaft relativ zu anderen Mitgliedern der Population. Alle differentiellen Aussagen sind also populationsabhängig. Methodik • Variationsforschung • Korrelationsforschung • Psychografie • Komparationsforschung Persönlichkeitsinventare • • • • NEO-Fünf-Faktoren-Inventar (NEO-FFI): Messung von 5 Eigenschaftsdimensionen anhand von jeweils 12 Items Auswahl einer repräsentativen Stichprobe Eigenschaften sollten normalverteilt sein Situations-Reaktions-Inventare • Hypothetische Reaktionen in hypothetischen Situationen werden erfragt (z. B. Angst) Verhaltensbeobachtung • • • Tatsächliche Reaktionen in realen Situationen werden beobachtet (Leistung im Test, Prüfungsangst, physiologische Reaktionen wie die Herzrate) Situationen können vom Untersucher hergestellt werden oder Beobachtungen im Alltag durchgeführt werden Aufwendiger als Fragebögen, aber Lieferung eines ungeschminkten Bildes vom Verhalten selbst Bewertung • Eigenschaftsparadigma führte zur Entwicklung eines methodischen Instrumentariums, dass es erlaubt, Eigenschaften und auf Eigenschaftsprofilen beruhende Persönlichkeitsbeschreibungen im Vergleich zu anderen Personen zu untersuchen. • Grundbegriffe sind operatonal definiert und bei Reduktion vieler Eigenschaftsmessungen auf wenige Faktoren sparsam (Faktorenanalyse). • Alle Aussagen sind populationsabhängig. • Individuumszentrierter Ansatz versagt bei der Beschreibung der einzelnen Persönlichkeit. • Eigenschaften sind statische Konzepte. • Alltagspsychologische Überlegungen sind enthalten. • Ein Test allein sagt nichts über die tatsächliche Reaktion auf eine Situation im Alltag voraus. Kleingruppenarbeit: • Wie könnte ein Persönlichkeitsinventar, ein Situations-Reaktions-Inventar bzw. eine Verhaltensbeobachtung hinsichtlich der zu messenden Konstrukte Angst, Aggressivität und Fröhlichkeit aussehen? Das Informationsverarbeitungsparadigma • Neurowissenschaftliche Prinzipien der Informationsverarbeitung anstatt energieverarbeitendes System bzw. „black box“ • Frage: Welche Prozesse in der „black box“ erzeugen Situations-Reaktions-Ketten? Allgemeines Menschenbild • Erleben und Verhalten beruht auf der Verarbeitung von Information • Informationsübertragung im Nervensystem; über Rezeptoren werden Reize aus der Umwelt und dem eigenen Körper empfangen und in andere Informationen umgewandelt • Verantwortlich für menschliches Erleben; durch motorische Aktivität verantwortlich für die Übertragung von Informationen auf die Umwelt (Verhalten) • Die Prozesse nutzen Informationen, die die aktuelle Situation überdauern – das Wissen! Modelle der Informationsverarbeitung Klassische Modelle angelehnt an die räumliche Aufteilung von Computern führen sequentiell von Input zu Output Zweiteilung in Kurz- und Langzeitspeicher (Arbeitsspeicher und Festplatte) Reize Verhalten Sensorisches Register Motorische Steuerung Filter Kurzzeitgedächtnis Schwelle Langzeitgedächtnis Modelle der Informationsverarbeitung • ACT-Modell von Anderson (1983) Inhalte des LZG können lokal aktiviert werden, aktivierte Inhalte üben Funktionen des Kurzzeitspeichers aus Inhalte: deklaratives und prozedurales Wissen Modelle der Informationsverarbeitung • Konnektivistische Modelle (Hebb 1949, McClelland, 1986) – Verarbeitung findet durch Aktivierungsausbreitung entlang erregender und hemmender Verbindungen zwischen weit auseinander liegenden Einheiten statt; funktionale Informationseinheiten sind über das Gesamtnetz verteilt. Persönlichkeitskonzept • Individuelle Besonderheiten im Erleben und Verhalten beruhen auf zwei verschiedenen Quellen: • Auf Parametern informationsverarbeitender Prozesse „Wie gehe ich mit Informationen um?“ • Auf Wissen „Was steht mir dafür zur Verfügung?“ Persönlichkeitskonzept • Parameter von Verarbeitungsprozessen: Individuelle Besonderheiten sind z.B. die Geschwindigkeiten, mit denen Aufgaben bearbeitet werden (Zugriffsgeschwindigkeit im Arbeitsspeicher als Eigenschaft im Sinne der Situation-Reaktions-Funktion), Schwellen für die Wahrnehmung oder Erinnerung oder im affektiven Bereich • Wissen – Sofern Wissen mittelfristig stabil ist, handelt es sich um Eigenschaften der Person und individuelle Besonderheiten und sind daher Persönlichkeitseigenschaften. – Wissensbezogene Eigenschaften sind z.B. Selbstkonzept (deklaratives Wissen), Problemlösestil (prozedurales Wissen) Persönlichkeitskonzept • Im Informationsverarbeitungsparadigma wird von einer universellen Architektur des informationsverarbeitenden Systems ausgegangen. Individuelle Besonderheiten werden in Geschwindigkeiten und schwellen informationsverarbeitender Prozesse und in deklarativem und prozeduralem Wissen gesucht. Methodik • Eigenschaftsbestimmung durch Beobachtung von Situations-ReaktionsBeziehungen auf Basis eines Prozessmodells (wenn – dann) – Eigenschaftskonstrukte werden operationalisiert, ohne sich an die Alltagspsychologie anzulehnen – Suche nach informationsverarbeitenden Prozessen und unterschiedlichem Wissen Methodik • Beispiele: Handlungen: Wenn - dann Antwort a)b)c) Wissen: Selbstkonzept-Fragebögen, Erinnerung an Zwischenschritte Befragung vor realen Situationen: Erwartungen, Attributionen nach der Situation Denken und Problemlösen: Methode des lauten Denkens Methodik • Vergleich Eigenschafts- und Informationsverarbeitendes Paradigma: Vergleich des Verhaltens mit dem Verhaltens eines komplexen kognitiven Modells, z.B. Wissensdiagnostik durch kognitive Modellierung. EP = mittlere Leistung in vielen ähnlichen Aufgaben = Niveau der Leistung. IP: Frage danach, warum jemand Fehler macht! Persönlichkeitsentwicklung durch... • Psychoanalyse: Lernen erfolgt in den frühkindlichen Entwicklungsphasen. • Behaviorismus: Lebenslanges Lernen. Das Erlernte kann jederzeit wieder „abtrainiert“ werden. • Eigenschaftsparadigma: Eigenschaften des Menschen können sich ändern. • Informationsverarbeitungsparadigma: menschliches Erleben und Verhalten beruht auf Prozessen der Informationsverarbeitung. I. werden durch Wahrnehmung aufgenommen. Unterschiede in der Aufnahme und im Umgang von I. kennzeichnen die Persönlichkeit. Das dynamisch-interaktionistische Paradigma • Schnittpunkt zwischen Persönlichkeitsund Entwicklungspsychologie • Modellvorstellungen, wie sich Eigenschaften langfristig ändern können • Persönlichkeitsentwicklung beruht auf einer dynamischen Interaktion (Wechselwirkung) zwischen Eigenschaften der Person und der Umwelt! Definition „Test“ Ein Test ist ein wissenschaftliches Routineverfahren zur Untersuchung eines oder mehrerer empirisch abgrenzbarer Persönlichkeits-merkmale mit dem Ziel einer möglichst quantitativen Aussage über den relativen Grad der individuellen Merkmalsausprägung. Persönlichkeitstests Konzentrieren sich auf Merkmale des Charakters: • • • • • • Eigenschaften Motive Interessen Einstellungen Werthaltungen Psychische Gesundheit Tests und Fragebögen Tests • Testen eng verbunden mit Diagnostizieren • Normierung, um Individualwerte im Vergleich zu unterschiedlichen Bezugsgruppen zu beurteilen • hauptsächlich für Leistungsbereich und Persönlichkeitsbereich Tests und Fragebögen Fragebögen • dienen hauptsächlich als Forschungsinstrumente zur Hypothesenprüfung • thematisieren neben Eigenschaften und Fähigkeiten oft auch Lebensereignisse, Verhaltensweisen und andere Sachverhalte Gegenstand der Testtheorie ... ist die Frage der Anforderungen, denen ein Test genügen muss, um aufgrund eines Testergebnisses auf die tatsächliche Ausprägung des getesteten Merkmales schließen zu können. Klassische Testtheorie Annahme: Das Testergebnis entspricht dem wahren Ausprägungsgrad des untersuchten Merkmals, ist aber von einem Messfehler überlagert. Testwert Der Testwert repräsentiert die „wahre“ Merkmalsausprägung zuzüglich einer den Testwert vergrößernden oder verkleinernden Fehlerkomponente. Die drei Testgütekriterien • Objektivität • Reliabilität • Validität Objektivität Die Objektivität eines Tests gibt an, in welchem Ausmaß die Testergebnisse vom Testanwender unabhängig sind. Zu unterscheiden sind: • Durchführungsobjektivität • Auswertungsobjektivität • Interpretationsobjektivität Reliabilität Die Reliabilität (Zuverlässigkeit) eines Tests kennzeichnet den Grad der Genauigkeit (Präzision), mit dem das geprüfte Merkmal gemessen wird. • • • • Zu unterscheiden sind: Retest-Reliabilität Paralleltest-Reliabilität Testhalbierungs-Reliabilität Interne Konsistenz Validität Die Validität (Gültigkeit) eines Tests gibt an, wie gut der Test in der Lage ist, genau das zu messen, was er zu messen vorgibt. Hauptarten: • Inhaltsvalidität • Kriteriumsvalidität • Konstruktvalidität