Margit Breu, Alexander Hüttner, Jürgen Surek Theorie der Schule als Institution und Organisation Das duale System der Berufsausbildung Das duale System der Berufsausbildung bezeichnet das Zusammenwirken zweier institutionell und rechtlich getrennter Bildungsträger im Rahmen einer anerkannten Berufsausbildung, ohne dass eine weisungsgebende Steuerungseinheit über beiden steht. Betriebe (privat) Lernorte sind: Arbeitsplatz Lehrwerkstatt bzw. Labor Innerbetrieblicher Unterricht Kooperation Koordination Didaktische Grundlagen Ausbildungsberufsbild Ausbildungsrahmenplan Prüfungsanforderungen Didaktische Grundlagen Lehrpläne Stundentafeln Berufsschule (öffentlich) Lernorte sind: Klassenunterricht Werkstatt, Labor Demonstrationsraum Integrierter bzw. kombinierter Fachunterrichtsraum Abstimmung Berufsbildungsgesetz (Bund) Auszubildende Lehrlinge (Ausbildungsvertrag) Schulgesetz (Länder) Junge Erwachsene streben die Facharbeiterprüfung an Berufsschüler (Schulpflichtgesetz) Struktur des dualen Systems der Berufsausbildung nach Münch -1- Margit Breu, Alexander Hüttner, Jürgen Surek Vor- und Nachteile Berufsausbildung bzw. Probleme des dualen Systems der Nachteile / Probleme des dualen Vorteile des dualen Systems der Systems der Berufsausbildung Berufsausbildung gegenüber der Alternative einer vollschulischen Berufsausbildung Kein ausreichendes Angebot an Ausbil- Einbindung der Berufsbildung in die dungsplätzen in Rezessionszeiten sowie Praxis bei starken Nachfragejahrgängen Zu Teilen: Unzureichende Abstimmung „Ernstcharakter“ der Ausbildung zwischen Berufsausbildungsund Beschäftigungssystem Schwierige inhaltliche Abstimmung Frühe Berücksichtigung ökonomischer zwischen Betrieb und Schule und technisch-produktiver Änderungen durch den Betrieb Anpassungsdruck auf die Berufsschule aufgrund der Erfordernisse der Berufssituation Unterschiedliche Ausbildungsqualität Frühe Eingliederung des Adoleszenten in besonders auf betrieblicher Seite die Erwachsenenwelt Lösung: Überbetriebliche Ausbildungsstätte Mögliche Ausübung ausbildungsfremder Arbeiten durch den Auszubildenden Qualitative Abschätzung des dualen Systems der Berufsausbildung, ohne Anspruch auf Vollständigkeit Das duale System der Berufsausbildung aus ausländischer Sicht Der erste Punkt ist, dass sich aus ausländischer Sicht u. a. ergibt, dass in der Bundesrepublik Deutschland eine relativ geringe Jugendarbeitslosigkeit besteht. Beispielsweise, beträgt die Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich 2002 20%, während sie in Deutschland 9% beträgt. Die im internationalen Vergleich relativ niedrige Jugendarbeitslosigkeit, die in früheren Jahren noch deutlich niedriger war, wird u. a. auch auf das duale System der Berufsausbildung zurückgeführt. Diese geringe Jugendarbeitslosigkeit ist allerdings nicht allein auf die besondere Form der Berufsausbildung mit ihrer betriebs- und praxisnahen Ausbildung zurückzuführen, sondern auch auf die Wirtschaftsstruktur, konjunkturellen Lage und demographischen Entwicklung. Ein weiterer Punkt, der aus ausländischer Sicht besonderes Interesse findet, sind die Kosten der Berufsausbildung im dualen System. Insbesondere wird festgestellt, dass die ausbildende Wirtschaft erhebliche Kosten für die Berufsausbildung aufwendet, sieht man von der Teilfinanzierung des Staates für überbetriebliche Ausbildungsstätten ab. Des Weiteren ist aus ausländischer Sicht bemerkenswert, dass ein Betrieb, und besonders ein großer Betrieb, wenn auch aus Eigennutz, für -2- Margit Breu, Alexander Hüttner, Jürgen Surek einen qualifizierten Berufsnachwuchs erheblich in die Berufsausbildung investiert. Dies ist immer dann ein Novum, wenn aus dem Herkunftsland des ausländischen Betrachters mehr allein ein schulisches Berufsausbildungssystem bekannt ist, bei dem der Staat die Kosten der berufspraktischen Ausbildung zu tragen hat. Als dritter Punkt sei aus ausländischer Sicht in Bezug auf das duale System der Berufsausbildung angeführt, dass diesem System eine geschichtlich gewachsene Geisteshaltung zugrund liegt, die sich nicht ohne weiteres exportieren lässt. Bei einer Übertragung des dualen Systems auf andere Länder, sei es ganz oder in Elementen, kommt es darauf an, diese Haltung bzw. „Selbstverständlichkeit“ zu vermitteln. Dies gelingt nur in einem langfristigen Prozess. In Deutschland gründet das duale System auf das Zunftwesen und damit auf eine jahrhundertealte Tradition. Entscheidend für die Absicherung dieser ursprünglich handwerklichen Form der Berufsausbildung war die Übernahme dieser Form der Berufsausbildung durch die Industrie zu Anfang des 20. Jahrhunderts. Diskussion über die Berufsausbildung in Deutschland Auf der einen Seite besteht im Ausland hohes Interesse an diesem Berufsbildungsmodell. So gab es Bemühungen in den Vereinigten Staaten von Amerika, Formen eines dualen Systems der Berufsausbildung besonders auch nach deutschem Vorbild im Sinne eines Youth Apprenticeship Programm einzuführen. Auf der anderen Seite wird das duale System in Deutschland kritisiert. So wird kritisiert, dass das deutsche Berufsausbildungssystem besonders wegen seines Berufskonzepts und seiner Reformunfähigkeit zum Untergang bestimmt sei. Allerdings ist seit der zweiten Hälfte der neunziger Jahre Bewegung in das System gekommen und die Modernisierung der Berufsausbildung ist in vollem Gange. Sie betreffen die Ziele der Berufsausbildung, die Neuerungen bei den Ausbildungsordnungen und Lehrplänen der beruflichen Schulen sowie die Kooperation zwischen Betrieb und Berufsschule. Ein Beispiel hierfür ist, dass durch den technisch-wirtschaftlichen Wandel das Tempo der Er- und Überarbeitung von Ausbildungsordnungen und Lehrplänen beschleunigt wurde. Von 1996 bis 2002 wurden 126 Ausbildungsordnungen bestehender Berufe auf den neuesten Stand gebracht. Zur Erschließung neuer Tätigkeitsfelder wurden zusätzlich 47 völlig neue Berufe geschaffen, wie z. B. die IT-Berufe oder die neuen Medienberufe. Zu den Lehrplänen an beruflichen Schulen gilt: Seit 1996 wird das Lernfeld-Konzept in den Lehrplänen der beruflichen Schulen eingeführt. Lernfelder beschreiben für den berufsbezogenen Unterricht komplexe, inhaltlich zusammengehörende thematische Einheiten, denen berufliche Handlungsfelder zugrunde liegen. Lernfelder begünstigen einen handlungsorientierten Unterricht, setzen auf die Förderung von Berufskompetenz und entsprechen modernen Ausbildungsberufen. Vorteile einer einheitlichen europäischen Regelung: - Niederlassungsfreiheit Anerkennung von Diplomen Bildungssysteme der 12 EG Mitgliedsstaaten sind (von wenigen Ausnahmen abgesehen) nach einheitlichen Strukturen gegliedert -3- Margit Breu, Alexander Hüttner, Jürgen Surek Gliederung der Schulbereiche: - Elementarbereich (Kindergarten, Vorschule) Primarbereich (Grund-, Einheits-, Gemeinschaftsschule) Sekundarbereich I und II (Haupt-, Grammar-, Sekundar-, Mittel-, Realschule, Gymnasium, berufliche Schulen, Berufsausbildungsstätten) Tertiärbereich (FH, Hochschulen, Uni) Weiterbildungsbereich (Erwachsenenbildung Volkshochschulen) Es gibt jedoch zwischen dem Primar und Sekundarstufen I u II eine differenzierte Europastruktur. Die berufliche Bildung nimmt zudem eine Sonderstellung ein hier bieten sich vielfältige Möglichkeiten. In der BRD beträgt die Schulpflicht 9 bis 10 Jahre + evtl. 3 ½ Jahre Berufsschulpflicht, die allgemeine Schulpflicht beginnt mit Vollendung des 6. Lebensjahres. In Europa beträgt die Schulpflicht zwischen 8 Jahren (Spanien, Italien) und 12 Jahren (Belgien). Man unterscheidet 4 Systeme der Berufsausbildung: : im dualen System : in Vollzeitschulen ( nur Schule, z.B. Frankreich, Belgien) : in Betrieben (England) : in Mischsystemen (Vollzeitschulisch mit innerbetrieblichen Ausbildungsmaßnahmen) Es gibt auch Länder (z.B. Niederlande), in denen das dual + Vollzeitschulische + betriebliche System nebeneinander, nacheinander oder integriert gemeinsam bestehen. Verwaltungsbereiche: Im Allgemeinen unterstehen die Schulen (allgemeinbildende und berufliche Schulen) und Hochschulen der staatl. Aufsicht der Länder. Die betriebliche Ausbildung untersteht dem Bund Die Ausbildungskonzepte 1.) 2.) 3.) 4.) Monoberuflich Stufenausbildung Grund- und fachberuflich konzipiert Schwerpunktbildung bzw. Gestaltungsoffen modern Zu 1.) Monoberuflich = speziell in sich geschlossen für bestimmte Berufe, bereits ab dem ersten Ausbildungsjahr an den jeweiligen Beruf spezialisiert (ungestuft, in einheitlichem Ausbildungsgang, Konzentration auf bestimmten Beruf fördernde Kontinuität, aber starr wenig berufliche Mobilität -4- Margit Breu, Alexander Hüttner, Jürgen Surek Zu 2.) Stufenausbildung nach erreichter Stufe anerkannter Abschluss weiterer Abschluss baut auf vorherigem auf (verzweigt oder unverzweigt möglich) = mehrfach gestufter Ausbildungsgang: a.) Grundbildung b.) allgemeine berufliche Fachausbildung – noch für mehrere Fachrichtungen zusammengefasst c.) Aufbauberuf = bestimmte berufliche Fachbildung Zu 3.) a.) Berufsfeld weite Grundbildung b.) 1. Fachstufe c.) 2. Fachstufe in der Grundbildung ähnlich der Stufenausbildung mit artverwandten Berufen zusammen (z.B. Hotelfachmann und Hotelkaufmann) Zu 4.) wie bei 3), jedoch im Laufe der Ausbildung mit Schwerpunkt z.B.: Pferdewirt spezialisiert sich auf a.) Pferdezucht und Haltung oder b.) Reiten Technischer Zeichner spezialisiert auf a.) Stahlbau oder b.) Maschinen- und Anlagenbau Gestaltungsoffen bedeutet flexibles, modulares Berufskonzept (IT Berufe) - Differenzierung nach Profil prägenden Fachqualifikationen - Integrative berufsspezifische Fachqualifikation über die gesamte Ausbildungszeit - Ausbildung ist prozess- und kundenorientiert, technikoffen und verfahrensneutral Die Berufsschule in der BRD ist eine berufliche Teilzeitschule die berufstheoretisches Wissen und Allgemeinbildung vermittelt. Zu den beruflichen Schulen zählen: Berufsschule, Berufsfachschule, Wirtschaftsschule, Fachschule, Fachakademie, Fachhochschule und die Berufsoberschule Verschiedene Modelle der Berufsbildung nach Schelten: Traditionelle Modell (= informelles) Staat hat keinen Einfluss, lernen durch Mitarbeit im Betrieb Marktmodell (liberalistische) Staat hat nur Randrolle, Ausbildung durch Betriebe Schulmodell (bürokratisch) Staat plant und führt durch, kontrolliert, Vollzeitschule Duales Modell (staatl. Kontrolliertes kooperatives Modell, Zusammenwirken Marktmodell) zweier institutionell und rechtlich getrennter Bildungsträger ohne weisungsgebundene Steuereinheit über beiden anerkannte Berufsausbildung alte Auffassung: Betrieb Schule = berufliche Erstausbildung nach Bestimmung des Berufsbildungsgesetzes Ziel: berufliche Kompetenzfürderung des Azubis Was und Wie? Warum und Wozu? -5- Margit Breu, Alexander Hüttner, Jürgen Surek Modelle der Berufsausbildung anderer Länder 1. Traditionelles Modell (informelles Modell) (Lateinamerika, Afrika, Asien) Merkmale: Staat spielt keine Rolle berufliches Lernen auf niedrigem Niveau im Sinne einer Beistelllehre begleitende, fachtheoretische Bildung erfolgt nicht 2. Marktmodell (liberalistisches Modell) (USA, Japan) Merkmale: Staat übernimmt nur eine Randrolle im Prozess. Die berufliche Bildung ist weitgehend frei vom öffentlichen Einfluss. Es liegt allerdings ein umfassendes allgemein bildendes Schulwesen (i. d. R. 12 Jahre) zu Grunde. Träger der darauf folgenden beruflichen Bildung sind Betriebe, die weitgehend bestimmen, wie sie ihre Mitarbeiter qualifizieren. Zusätzlich bieten Community Colleges oder Institutes of Technologie für den Arbeitsmarkt flexible Bildungsangebote an. Nachteile: Ausbildung erfolgt mehr kurzfristig. Nach dem Verlassen der High School kommt meist erst mal das annehmen von Niedrigjobs. erst ab 23-25 erfolgt meist eine Qualifizierung über berufliche Weiterbildung. die Wirtschaft engagiert sich wenig für die Berufsausbildung. Berufsausbildungen von Colleges oder Institute sind eher vollschulisch, betriebsfremd und werden nur für eine eng begrenzte Auswahl von Berufen durchgeführt. 3. Schulmodell ( bürokratisches Modell) (Frankreich, Italien, Schweden) Merkmale: Der Staat plant, organisiert und kontrolliert hier alleine die Berufsausbildung. Die Qualität wird somit vom Staat festgelegt und orientiert sich nicht an den Bedürfnissen des Betriebes. Die Berufsausbildung erfolgt in der Sekundarstufe II und ist eine enge Verknüpfung mit dem Schulwesen. Bestimmte Abschlüsse führen zu bestimmten Eintrittsberechtigungen für berufliche Vollzeitschulen. Diese Abschlüsse sind oft Tariffähig. 4. Duales Modell ( staatlich, kontrolliertes, Marktmodell) (Deutschland, Schweiz, Österreich) Merkmale staatlich kontrolliertes Modell BA erfolgt nach privatwirtschaftlichen Regeln Staat sorgt dabei für rechtliche Normen (BBiG) privatrechtliche Ebene (Markt) ist eng mit der öffentlich-rechtlichen Ebene (Staat) verbunden -6- Margit Breu, Alexander Hüttner, Jürgen Surek Zusammenfassung „Wichtiger Begriffe“ Überbegriff „Idealtypische Modelle“ (sind geordnet nach der Rolle bzw. nach dem Einfluss des Staates auf die berufl. Bildung) 4-Modelle dominante Modelle in der EU (duales Modell, Schulmodell) Mechanismen und Merkmale der Modelle Politik und Reformen der beruflichen Bildung im Überblick Begriff der Bildungspolitik(BP): BP ist ein Handeln indem es um die Durchsetzung von Interessen im Bereich des Erziehungs- und Bildungswesens geht. Aufgaben der BP: - Festlegung der Ziele, Inhalte und Strukturen von Erziehung und Bildung - Strukturierung und Planung - Einrichtung von Versuchen zur Um- und Neugestaltung - Koordinierung von beruflicher Bildung, -Ausbildung und -Weiterbildung Kopplung: Das Berufsbildungssystem passt sich strukturell und inhaltlich an das Beschäftigungssystem an. Entkopplung: Das Beschäftigungssystem passt sich an das Berufsbildungssystem an. Überleitungsbereiche: unterschiedlichen Übergänge siehe (Einführung in die Berufspädagogik S. 121) Richtung der beruflichen Schulen: Orientierung an geschäftsprozessorientierten Abläufen -7- Margit Breu, Alexander Hüttner, Jürgen Surek Fragen: Stellen sie die Vielfalt des dualen Systems und der beruflichen Bildung in Deutschland dar. Diskutieren sie die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit des dualen Systems. Welche unterschiedlichen Modelle von Berufsausbildungssystemen gibt es und worin unterscheiden sie sich? Welche unterschiedlichen Ausbildungskonzepte gibt es? Erläutern Sie den Aufbau des deutschen Schulwesens im Überblick und gehen Sie dabei im speziellen auf die berufliche Bildung ein! Erläutern Sie den Begriff des dualen Berufsbildungssystems in der BRD Die Berufsschule und der Betrieb propagieren beide die Vermittlung von Wissen in der Form des ganzheitlichen Lernens. Erklären Sie dieses und stellen Sie Unterschiede zwischen schulischem und betrieblichem ganzheitlichen Lernen heraus! Erörtern Sie den Bildungsauftrag der Berufsschule! Stellen Sie Vor- und Nachteile des dualen Systems der beruflichen Bildung gegenüber! -8-