Theoretischer Exkurs Begriffe wie Diversität, interkulturelle Kompetenz, Kommunikation, Multikulturalität etc. sind „in". Jeder gebraucht sie. Aber was sollen diese Begriffe beschreiben? Was soll mit deren Gebrauch erreicht werden? Was ist eigentlich interkulturelle Kompetenz? Was meint man, wenn man von Multikulturalität spricht? 1 Diversität 1.1 Multikulturalität Wir leben in einer Gesellschaft, die sich aus Menschen mit verschiedenen Kulturen und Nationalitäten, mit verschiedener ethnischer Herkunft, verschiedenen Religionen zusammensetzt. Diese Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund leben zusammen in derselben Umgebung, etwa einem „multikulturellen" Stadtteil, und gehören gemeinsam einer „multikulturellen" Gesellschaft an. Das, was von der Multikulturalität, von ihrer Verschiedenheit, dem „Anders sein" an der Oberfläche häufig aber nur wahrgenommen wird, sind negative Aspekte, Probleme und Konflikte, die als Merkmale der „Anderen" assoziiert werden. Auf solcher Wahrnehmungsebene scheinen somit in erster Linie auffällige negative Merkmale die Unterschiedlichkeit von Menschen auszumachen. Derartige Stereotypen vermögen Menschen voneinander zu distanzieren, mehr noch geben sie manchen Gruppen in der Bevölkerung Anlass, die jeweils „Anderen" negativ zu stigmatisieren und als „nicht vollwertig" auszuschließen. Der Begriff „Multikulturalität" ist deswegen zu eng für uns. Er sagt nur aus, dass es Unterschiede gibt. Er sagt aber nichts darüber, wie wir Vorurteile überwinden und mit Unterschieden umgehen können. 1.2 Interkulturalität Der Begriff „Interkulturalität" bedeutet mehr als das bloße nebeneinander leben mit unterschiedlichem Hintergrund, mit anderer Religion oder Kultur. Dieser Begriff beinhaltet Relationen, Interaktion, Austausch und gegenseitige Anerkennung und „Respekt" für das „Anderssein", für den Besitz von verschiedenen Werten und Normen. Wir definieren diesen Begriff als einen Prozess des Dialoges, nicht als ein Ziel an sich. 1.3 Umgehen mit Verschiedenheit Beim gesellschaftlichen Zusammenleben geht es aber um mehr als Interkulturalität. Über die verschiedenen ethnischen, religiösen, gesellschaftlichen oder kulturellen Unterschiede hinaus wissen wir, dass jeder „anders" ist. Um diesen Umstand gerecht zu werden, wählen wir bewusst den Begriff des „Umgehens mit Verschiedenheit". Jeder ist anders und einzigartig: wir sind alle anders erzogen, haben andere Werte und Normen mitbekommen, andere Möglichkeiten und Fertigkeiten, sind Mann oder Frau, jung oder alt, dick oder dünn, reich oder arm usw. Die Nationalität und ethnische Herkunft ist nur ein Teil einer Person. Der Begriff „Verschiedenheit" soll uns klar machen, dass die Unterschiede größer sind, als wir annehmen. Er gibt uns die Möglichkeit, den Menschen in seiner Gesamtheit zu Theoretischer Exkurs betrachten: den Menschen als biologisches, soziales, rationales, emotionales, persönliches Phänomen zu begreifen. Wir ignorieren die Unterschiede zwischen Menschen nicht, wir erkennen die Unterschiede an, was jedoch nicht bedeutet, dass sie besser oder schlechter sind. Wir bewerten die Unterschiede nicht. Sie bedeuten einen Mehrwert. 1 2 Umgehen mit Diversität am Arbeitsplatz 2. 1 Monokultur versus Diversität Eine Monokultur in Organisationen und Unternehmen erscheint auf den ersten Blick einfach und praktisch: Es gibt schnelle und einvernehmliche Verständigungen, eindeutige Standardregelungen, die zur Zufriedenheit eines jeden führen. Organisationen und Unternehmen können ohne Aufenthalt oder Umwege ihren Zielsetzungen nachgehen. Eine derartige Kultur ist jedoch leicht verletzlich. Eine Monokultur kann nur sich selbst reproduzieren, läuft Gefahr, den Anschluss an sich weiterentwickelnde Märkte und Gesellschaften zu verlieren, vermag sich nicht immer flexibel genug anpassen zu können. Hinzu kommt, dass in Organisationen und Unternehmen mit einer Monokultur nur ein Menschentyp gewertet werden kann. Meistens geht es um den ArbeitnehmerInnen, der die „richtige" Ausbildung bekommen hat, sich „richtig" kleidet, sich „richtig" benimmt und für die Arbeit lebt. Organisationen und Unternehmen mit dieser Kultur lassen viele Chancen ungenutzt. Sie ignorieren die Bedeutung der Diversität, d.h. die unterschiedlichen Hintergründe, unterschiedliche Kulturen, Ausbildungen, Kompetenzen, unterschiedliches Alter und Geschlecht. Diversität sorgt für eine kreative, flexible Organisation mit einem großen Potenzial an Problemlösungskompetenzen und -Strategien, das durch die vielen „Antennen" pro-aktiv auf die Umgebung weitergegeben werden kann. Mit anderen Worten: Organisationen und Unternehmen können Unterschiede schätzen lernen und von ihnen profitieren. Unterschiede in einer Organisation zulassen heißt: Unterschiede werten fängt damit an, dass man sie wahrnimmt. Danach folgt ihr „Verstehen" und als letzter Schritt ist Wertschätzung möglich. Das bedeutet, dass eine Organisation vorurteilsfrei auf die Kernkompetenzen, die Fähigkeit und Kraft eines jeden Arbeitnehmers blickt - unabhängig von der Herkunft, dem Aussehen, dem Alter, dem Geschlecht usw. - und diese Fähigkeiten und Fertigkeiten fördert und weiterentwickelt. Mitarbeiterinnen sollten nach ihrem „Wert" für eine Organisation beurteilt werden. Mit all den unterschiedlichen Menschen innerhalb einer Organisation ist es eine Herausforderung, eine eigene erkennbare Betriebskultur zu schaffen, die jede einzelne Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter wertschätzt, in der zugleich aber auch die Kontinuität des Unternehmens gewährleistet wird. Ohne bindenden Faktor driftet eine Organisation auseinander. Worum es geht, ist nicht der „dresscode", sondern die „Eigenheit" der Organisation und der Glauben an das Produkt. Mitarbeiterinnen sollen einander finden im Zentrum der Organisation: da wo es um ihre Aufgaben, Ziele und Strategien geht. Der Stil der Führungskräfte bestimmt die Kultur einer Organisation. Coachende Führung ist im Allgemeinen ein Stil, der Unterschiede zwischen Menschen schätzt. Wer unterstützend und delegierend steuert und wer Selbstständigkeit und Verantwortung fördert, bietet Raum für Unterschiede. Eine unterschiedlich zusammengesetzte Organisation wird der Kommunikation - auch zwischen den Arbeitnehmern - mehr Aufmerksamkeit widmen. Wo Menschen nicht mit gleichen „Zeichen" kommunizieren, können Missverständnisse auftauchen. Effektive Kommunikation fördert gleichfalls, dass Mitarbeiter gegenseitige Werte und Normen begreifen lernen. Es geht darum, von der anwesenden Diversität zu profitieren, offen zu sein für neues Verhalten, das außerhalb der Normen der Organisation liegt und oft als „anormal" betrachtet wird. Es gilt offene Diskussionen über erneuernde oder kreative Ideen zu fördern. Fehler müssen auch toleriert werden können: wo keine Fehler gemacht werden 2 dürfen, werden Menschen nichts mehr ausprobieren. 3. Interkulturelle Kompetenz Die voran beschriebene kulturelle Vielfalt und die oft daraus resultierenden Irritationen und Probleme machen - will man auf der Grundlage einer tragfähigen Kommunikationsbasis interagieren -die Entwicklung „neuer" Sichtweisen, Fähigkeiten und Handlungsmuster erforderlich. Der in diesem Zusammenhang genutzte Begriff „Interkulturelle Kompetenz" fokussiert dabei nicht nur auf spezielle Zusatzkompetenzen, sondern auch auf eine besondere personale „Qualifikation", eine persönliche „Haltung", die ein Verständigungshandeln zwischen Menschen mitunterschiedlichen Orientierungshintergründen möglich macht. Interkulturelle Kompetenz (...) ist die Fähigkeit, sich auf fremde Sichtweisen einzustellen, sie vorübergehend einzunehmen und als Realität anzuerkennen. Interkulturelle Kompetenz beschreibt die Fähigkeit zur Wahrnehmung des Zwischenfeldes in der Verständigungssituation. Der Fokus richtet sich auf kuturelle Muster, Werte und Einstellungen auf die „silent language", auf das, was nicht ausgesprochen wird und trotzdem von großer Bedeutung für das gegenseitige Verständnis ist. (Franz Schapfel-Kaiser, 2000: Rahmenbedingungen der beruflichen Qualifizierung von Migrantinnen und Migranten in der Bundesrepublik Deutschland und Ansätze der Initiativstelle IBQM im Bundesinstitut für Berufsausbildung. In: BIBB (Hrsg.): Occasional Papers. S. 8, Bonn) Die Erhöhung bzw. der Erwerb interkultureller Kompetenzen stehen dabei für Verständnis und Bewusstmachung von Vielfalt den bewussten Umgang mit Fremdheit Auseinandersetzung mit der vielschichtigen eigenen Identität, den kulturellen Befangenheiten und dominanten Fremdbildern die Vorbereitung auf die kulturell, sozial und sprachlich heterogenen Lebenssituationen und Wirklichkeiten Ausgehend von der Annahme, dass interkulturelle Kommunikation nicht zwischen „Kulturen" stattfindet, sondern zwischen Individuen, die mehr oder weniger an verschiedenen Bedeutungssystemen teilhaben, ist das Ziel dieses interkulturellen Trainings, den Aufbau einer tragfähigen Kommunikationsbeziehung (nicht nur) zu Migrantinnen zu unterstützen und ein unabhängiges, kultursensibles und wirkungsvolles Handeln zu ermöglichen. Quelle: Interkulturelles Sensibilisierungstraining Equal IN.OWL 3